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BFH-Urteil vom 4.11.2004 (III R 5/03)
BStBl. 2005 II S. 277 Die aus Agenturgeschäften vereinnahmten Geldbeträge (hier Erlöse eines Tankstellenpächters für Mineralölprodukte) sind auch bei der Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nicht als Betriebseinnahmen, die Weiterleitung dieser Beträge nicht als Betriebsausgabe zu erfassen. Verwendet der Unternehmer diese in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträge zunächst für private Zwecke und nimmt sodann Darlehen auf, mit denen er die Geldbeträge ersetzt, entnimmt er daher keine Betriebseinnahmen und finanziert auch keine Betriebsausgaben. AO 1977 § 39; EStG § 4 Abs. 1 und 4, § 5; HGB § 242 Abs. 1. Vorinstanz: FG Münster vom 26. Oktober 2001 11 K 2114/00 F (EFG 2003, 599) Sachverhalt I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betreibt eine Tankstelle. Der Betrieb umfasst den Handel von Agenturwaren im Namen und für Rechnung der X-AG (im Wesentlichen Treibstoffe) und Eigengeschäfte im Rahmen des Shopgeschäftes. Nach dem Agenturvertrag gehen die Verkaufserlöse der Agenturwaren mit der Einnahme durch den Tankstellenpächter in das Eigentum der X-AG über. Sie sind von den übrigen Erlösen getrennt und sicher zu verwahren und sofort auf ein gesondertes Agenturkonto (Sonderkonto) einzuzahlen. In der Regel zahlt der Kläger die Kassenbestände auf ein Kontokorrentkonto ein und überweist von diesem Konto die der X-AG zustehenden Beträge auf das sog. Agenturkonto, von dem die X-AG die Beträge abbucht. Die Umsätze entfielen 1994 zu 75 % auf Agenturumsätze und zu 25 % auf Umsätze aus dem Eigengeschäft. In den Jahren 1992 und 1993 entnahm der Kläger für den Bau des privatgenutzten Einfamilienhauses Geldmittel in bar aus der betrieblichen Kasse. Aufgrund der verringerten Einzahlungen auf das Kontokorrentkonto reichte das Guthaben für die regelmäßigen Überweisungen auf das Agenturkonto nicht aus. In engem zeitlichen Zusammenhang mit den Barentnahmen entstanden daher auf dem Kontokorrentkonto Sollsalden, die der Kläger durch mehrere Bankdarlehen in Höhe von insgesamt rund 502.000 DM ausglich. In den Bilanzen für 1992 und 1993 wies der Kläger diese Darlehen nicht aus und machte die insoweit angefallenen Schuldzinsen nicht als Betriebsausgaben geltend. Im Rahmen der Abschlussarbeiten für 1994 buchte er die Kredite als betriebliche Verbindlichkeiten ein und erfasste die Schuldzinsen als Betriebsausgaben. Im Anschluss an eine Betriebsprüfung ließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die in diesem Zusammenhang angefallenen Zinsen in den geänderten Gewinnfeststellungsbescheiden 1994 bis 1997 im Umfang der Agenturumsätze von 75 % nicht zum Betriebsausgabenabzug zu. Das FA war der Auffassung, die von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zur Anerkennung des Zwei-Konten-Modells seien im Streitfall nicht erfüllt, soweit der Kläger Agenturgelder aus der betrieblichen Kasse entnommen habe. Nach dem Agenturvertrag seien die Verkaufserlöse der Agenturwaren mit der Einnahme durch den Tankstellenpächter in das Eigentum der X-AG übergegangen. Der Kläger sei nicht zivilrechtlicher Eigentümer der Agenturgelder geworden und habe insoweit keine eigenen betrieblichen Mittel entnehmen können. Daher gehörten die Darlehen zu 75 % nicht zum Betriebs-, sondern zum Privatvermögen. Die dagegen nach erfolglosem Einspruch erhobene Klage war im Wesentlichen erfolgreich. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 599 veröffentlicht. Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 4 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -). Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat sich nicht geäußert. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Unrecht hat das FG die Schuldzinsen für die Darlehen bei der Sparkasse in vollem Umfang als Betriebsausgaben beurteilt. 1. Schuldzinsen sind dann betrieblich veranlasst (§ 4 Abs. 4 EStG), wenn die Zinsen für eine Verbindlichkeit geleistet werden, die durch den Betrieb veranlasst ist und deshalb zum Betriebsvermögen gehört. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH - (Beschlüsse vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817, und vom 8. Dezember 1997 GrS 1-2/95, BFHE 184, 7, BStBl II 1998, 193) ist der Unternehmer in seiner Entscheidung frei, ob er sein Unternehmen unter Einsatz von Eigenkapital oder Fremdkapital führt. Ausschlaggebend für die Bestimmung des einkommensteuerrechtlich bedeutsamen Veranlassungszusammenhangs ist allein die Verwendung des Darlehensbetrages. Daraus folgt, dass es unerheblich ist, ob der Steuerpflichtige die mit Darlehen finanzierten Aufwendungen auch durch eigene Mittel hätte bestreiten können oder ob der Betrieb über aktives Betriebsvermögen oder stille Reserven verfügt, die zur Deckung der Betriebsschulden herangezogen werden könnten. Der Unternehmer kann zunächst dem Betrieb Barmittel ohne Begrenzung auf einen Zahlungsmittelüberschuss entnehmen und im Anschluss hieran betriebliche Aufwendungen durch Darlehen finanzieren, denn der Unternehmer ist berechtigt, Eigenkapital durch Fremdkapital zu ersetzen. 2. Die für die Bankdarlehen geleisteten Schuldzinsen sind danach zu 75 % keine Betriebsausgaben, weil die Verbindlichkeit nicht durch den Betrieb veranlasst ist und daher nicht zum Betriebsvermögen gehört. Der Kläger hat mit diesen Darlehen zu 75 % keine Betriebsausgaben finanziert, sondern eine privat veranlasste Verbindlichkeit gegenüber der X-AG getilgt. a) Bei der Gewinnermittlung durch Vermögensvergleich nach §§ 4 Abs. 1 und 5 Abs. 1 EStG wird die Gewinnneutralität sog. durchlaufender Posten durch Aktivierung und Passivierung gleich hoher Wertzu- und Wertabgänge erreicht (BFH-Urteile vom 4. Dezember 1996 I R 99/94, BFHE 182, 131, BStBl II 1997, 404, und vom 13. August 1997 I R 85/96, BFHE 184, 311, BStBl II 1998, 161). Dies gilt jedoch nur in den Fällen, in denen die vereinnahmten Geldbeträge zunächst in das Eigentum des Steuerpflichtigen fallen und nur eine schuldrechtliche Verpflichtung zur Weiterleitung besteht. Steht das Eigentum hieran anderen Personen zu, sind die Geldbeträge in der Gewinnermittlung nicht auszuweisen, denn dem Betriebsvermögen können nur im (wirtschaftlichen) Eigentum des Unternehmers stehende Wirtschaftsgüter zugerechnet werden (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG i.V.m. § 242 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs, § 39 der Abgabenordnung - AO 1977 -). Der Erhalt von in fremdem Eigentum stehenden Geldbeträgen sind nicht als Betriebseinnahme, die Weiterleitung der Beträge an den Eigentümer nicht als Betriebsausgabe zu erfassen. Verwendet der Steuerpflichtige in fremdem Eigentum stehende Geldbeträge (abredewidrig) zunächst für sich und nimmt er sodann ein Darlehen auf, mit dem er den Geldbetrag ersetzt, entnimmt er weder Betriebseinnahmen noch finanziert er Betriebsausgaben. Ob der Steuerpflichtige die Schuldzinsen als Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) abziehen kann, richtet sich danach, für welche Zwecke er die Fremdmittel verwendet hat. Hat er hiermit Betriebsausgaben finanziert, also etwa Wareneingangsrechnungen für sein Unternehmen beglichen, sind die Schuldzinsen betrieblich veranlasst und daher als Betriebsausgaben zu berücksichtigen (§ 4 Abs. 4 EStG). Hat er das Geld jedoch zu privaten Zwecken verbraucht, sind sie nicht abziehbar. b) Nach der vertraglichen Vereinbarung zwischen dem Kläger und der X-AG sind die Veräußerungserlöse aus den Mineralölprodukten mit ihrer Vereinnahmung Eigentum der X-AG geworden. Es handelt sich demnach nicht um Betriebseinnahmen. Ebenso wenig ist die Weiterleitung der Geldbeträge auf das Agenturkonto ein betrieblich veranlasster Abfluss aus dem Betriebsvermögen (vgl. BFH-Urteil vom 15. Mai 1974 I R 255/71, BFHE 112, 381, BStBl II 1974, 518). Dementsprechend hat der Kläger die im Eigentum der X-AG stehenden Beträge auch nicht in seine Bilanzen aufgenommen. Mit der Verwendung der Mittel für eigene Zwecke hat der Kläger eine Verbindlichkeit gegenüber der X-AG begründet, die, weil damit die Errichtung seines Einfamilienhauses finanziert wurde, privat veranlasst war. Diese Verbindlichkeit hat der Kläger durch die Darlehen von der Sparkasse abgelöst. Hierdurch hat sich der private Charakter der Schuld nicht geändert. 3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Das Urteil ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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