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  BFH-Urteil vom 4.11.2004 (IV R 26/03) BStBl. 2005 II S. 288

Ein berufsmäßiger Betreuer i.S. der §§ 1896 ff. BGB erzielt Einkünfte aus Gewerbebetrieb.

EStG § 15 Abs. 2 Satz 1, § 18 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 3; GewStG § 2 Abs. 1; BGB §§ 1896 ff.

Vorinstanz: FG Münster vom 9. April 2003 10 K 1732/01 S (EFG 2003, 1033)

Sachverhalt

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist ausgebildeter Diplom-Pädagoge und Gestalttherapeut und war in den Streitjahren (1995 bis 1999) als berufsmäßiger Betreuer i.S. der §§ 1896 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) selbständig tätig. Die erzielten Einkünfte sah er als solche aus selbständiger Arbeit an. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) gelangte erst im Jahr 2000 zu der Auffassung, die Tätigkeit als berufsmäßiger Betreuer führe zu gewerblichen Einkünften. Mit Schreiben vom 26. September 2000 wurde der Kläger aufgefordert, ab dem 1. Januar 2001 Bücher zu führen und Gewerbesteuererklärungen für die Streitjahre abzugeben. Weil der Kläger in der Folgezeit keine Gewerbesteuererklärungen abgab, schätzte das FA die gewerblichen Einkünfte in Höhe der erklärten Jahresüberschüsse und erließ entsprechende Gewerbesteuermessbescheide.

Die nach erfolglosen Einsprüchen gegen die Aufforderung zur Buchführung und die Gewerbesteuermessbescheide erhobenen Klagen wies das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1033 veröffentlichten Urteil ab.

Mit der Revision rügt der Kläger eine Verletzung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Zu Recht hat das FG angenommen, dass der Kläger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt hat.

1. Der Kläger hat keine Einkünfte aus freiberuflicher Tätigkeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG erzielt. Der Beruf des Betreuers i.S. der §§ 1896 ff. BGB kann weder als eine der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG genannten Tätigkeiten beurteilt werden noch ist der Beruf in dem Katalog der Vorschrift enthalten. Der Betreuer übt auch keinen einem bestimmten Katalogberuf ähnlichen Beruf aus (gl.A. FG Düsseldorf, Urteil vom 23. September 2003 9 K 7943/00 F, AO, EFG 2004, 36, rkr.; FG Münster, Urteil vom 12. Mai 2004 1 K 842/03 G, EFG 2004, 1459, rkr.). Darüber besteht zwischen den Beteiligten mittlerweile Einigkeit.

2. Die Tätigkeit des berufsmäßigen Betreuers erfüllt entgegen der Ansicht des Klägers aber auch nicht die Voraussetzungen der sonstigen selbständigen Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG.

a) Zu den Einkünften aus selbständiger Arbeit gehören nach dieser Vorschrift auch die Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit, z.B. Vergütungen für die Vollstreckung von Testamenten, für Vermögensverwaltung und für die Tätigkeit als Aufsichtsratsmitglied. Für die Anwendung des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG reicht es danach aus, ist andererseits aber auch erforderlich, dass die Tätigkeit den im Gesetz genannten Tätigkeiten ähnlich ist (Senatsurteil vom 11. Mai 1989 IV R 152/86, BFHE 157, 148, BStBl II 1989, 729, m.w.N.), denn die dort angeführten Beispiele sollen den Begriff der sonstigen selbständigen Tätigkeit charakterisieren (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa Senatsurteile vom 28. August 2003 IV R 1/03, BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112, und vom 16. März 1951 IV 197/50 U, BFHE 55, 255, BStBl III 1951, 97).

Wie die im Gesetz genannten Beispiele zeigen, sind vor allem gelegentliche Tätigkeiten (s. etwa Urteil des Reichsfinanzhofs vom 27. Juli 1938 VI 426/38, RStBl 1938, 843; Entscheidung des Obersten Finanzgerichtshofs vom 10. Mai 1949 IV 4/49, Steuer und Wirtschaft - StuW - 1949 Nr. 32, m.w.N., und Senatsurteil vom 10. Dezember 1987 IV R 176/85, BFHE 152, 120, BStBl II 1988, 273) und nur ausnahmsweise auch nachhaltig ausgeübte Betätigungen gemeint (Senatsurteil vom 29. März 1961 IV 404/60 U, BFHE 73, 100, BStBl III 1961, 306). Jedenfalls folgt aus den exemplarisch aufgezählten Aktivitäten, dass es sich um vermögensverwaltende Tätigkeiten handeln muss (Senatsurteil in BFHE 203, 438, BStBl II 2004, 112; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. September 1988 III R 58/85, BFHE 154, 332, BStBl II 1989, 24).

Anders als bei der Ähnlichkeit zu einem Katalogberuf i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG muss die zu beurteilende Tätigkeit danach nicht einer bestimmten der im Gesetz konkret genannten Tätigkeiten ähnlich sein, sondern es reicht aus, wenn die Tätigkeit den beispielhaft genannten Tätigkeiten im Hinblick auf die allen gemeinsamen Merkmale entspricht (sog. Gruppenähnlichkeit; insoweit zutreffend Thüringer FG, Urteil vom 27. September 2000 IV 1485/98, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2001, 965, rkr.). Da allen im Gesetz genannten Tätigkeiten gemeinsam ist, dass sie im Kern die Verwaltung fremden Vermögens betreffen, können nur in ähnlicher Weise auf die Vermögensverwaltung gerichtete Tätigkeiten als sonstige selbständige Arbeit i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG beurteilt werden.

b) Die Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Sie erstreckt sich nicht nur auf vermögensverwaltende Tätigkeiten.

Nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB wird der Betreuer für einen oder mehrere Aufgabenkreise bestellt. Innerhalb dieser Aufgabenkreise besorgt der Betreuer die Rechtsangelegenheiten der hierzu nicht mehr selbst fähigen Person und betreut sie in dem dafür erforderlichen Umfang persönlich (§ 1897 Abs. 1 BGB). Die Aufgabenkreise, für die ein Betreuer bestellt werden kann, sind vielfältig und betreffen nicht nur Vermögensfragen, sondern auch persönliche Angelegenheiten (z.B. Gesundheitsangelegenheiten, Wohnungsfragen, Bestimmung des Aufenthalts oder des Umgangs; vgl. etwa Schwab in Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 4. Aufl. 2002, § 1896 Rdnr. 59 ff.). Die Tätigkeit des Betreuers ist danach zwar einerseits keine persönliche Pflegetätigkeit, worauf die Revision zu Recht hinweist. Sie ist - und war auch nach der Rechtslage vor In-Kraft-Treten des Betreuungsrechtsänderungsgesetzes vom 25. Juni 1998 (BGBl I 1998, 1580) - andererseits aber weder eine nur auf die Wahrnehmung fremder Vermögensangelegenheiten beschränkte noch eine durch die Vermögensverwaltung geprägte gemischte Tätigkeit. Deshalb entspricht sie im Kern nicht den in § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG genannten Tätigkeiten (gl.A. FG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 25. August 1999 1 K 472/98, EFG 1999, 1080, rkr.; FG Köln, Urteil vom 16. Oktober 2003 7 K 1576/02, EFG 2004, 119, rkr.; FG Düsseldorf in EFG 2004, 36; FG Münster in EFG 2004, 1459; a.A. Thüringer FG in DStRE 2001, 965).

3. Der Senat sieht sich daher nicht in der Lage, die Einkünfte aus der Tätigkeit eines berufsmäßigen Betreuers den Einkünften aus selbständiger Arbeit zuzuordnen. Da die Voraussetzungen gewerblicher Tätigkeit gemäß § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG erfüllt sind, erzielt ein berufsmäßiger Betreuer Einkünfte aus Gewerbebetrieb i.S. des § 15 Abs. 1 Nr. 1 EStG. Sein Betrieb unterliegt nach § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes zugleich der Gewerbesteuer.

Ähnlich wie im Fall der häuslichen Pflegehilfe, die der erkennende Senat im Urteil vom 22. Januar 2004 IV R 51/01 (BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509) ebenfalls als gewerblich eingestuft hat, ist es Sache des Gesetzgebers, den Katalog der begünstigten Berufe in § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG oder den Tatbestand des § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG zu erweitern, wenn er unter Beachtung des Gleichheitssatzes eine Belastung mit Gewerbesteuer für nicht sachgerecht hält.

4. Die Sache ist entscheidungsreif.

Die Gewerbesteuermessbescheide sind dem Grunde nach zu Recht ergangen. Der Höhe nach sind die festgesetzten Gewerbesteuermessbeträge unstreitig zutreffend.

Die Aufforderung zur Buchführung ist ebenfalls frei von Rechtsfehlern. Als Gewerbetreibender mit einem Gewinn von über 48.000 DM war der Kläger gemäß § 141 Abs. 1 Nr. 4 der Abgabenordnung (AO 1977) in der für das Jahr 2000 geltenden Fassung zur Führung von Büchern verpflichtet. Die übrigen Voraussetzungen für eine rechtmäßige Aufforderung zur Buchführung nach § 141 Abs. 2 Satz 1 AO 1977 sind unstreitig erfüllt.