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  BFH-Urteil vom 3.3.2005 (III R 72/03) BStBl. 2005 II S. 567

Die hälftige Umsatzsteuer auf den Erwerb eines PKW, die im Jahr 1999 nach § 15 Abs. 1b UStG nicht als Vorsteuer abgezogen worden ist, obwohl unter Berufung auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG der volle Vorsteuerabzug für den PKW hätte geltend gemacht werden können, gehört zu den Anschaffungskosten des PKW. Sie kann nicht sofort als Betriebsausgabe abgezogen werden.

Die Ausnahmeregelungen des § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG in der bis zu seiner Aufhebung durch das StÄndG 2001 geltenden Fassung greifen nicht ein.

AO 1977 § 172 Abs. 1 Nr. 2a; EStG 1997 § 4 Abs. 3, § 9b Abs. 1, § 9b Abs. 2; HGB § 255; UStG 1999 § 15 Abs. 1b, § 15a Abs. 3 und 4.

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 16. Oktober 2003 14 K 5000/00 E

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) meldete im November 1999 einen Kurierdienst mit eigenem PKW als Gewerbe an und erwarb einen PKW, den er sowohl betrieblich als auch privat nutzte. In der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1999 gab er als abziehbare Vorsteuer gemäß § 15 Abs. 1b des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1999 die Hälfte der für den PKW in Rechnung gestellten Umsatzsteuer an. In seiner Einnahmeüberschussrechnung gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG) rechnete er die nicht abziehbare Hälfte der Vorsteuer den Anschaffungskosten des PKW hinzu. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) veranlagte den Kläger mit Einkommensteuerbescheid 1999 vom 12. April 2000 erklärungsgemäß.

Mit Schreiben vom 14. April 2000 beantragte der Kläger die Änderung des Bescheides nach § 172 der Abgabenordnung (AO 1977). Unter entsprechender Minderung der Anschaffungskosten des PKW und Korrektur der Abschreibung sei die nicht abziehbare Vorsteuer nach § 9b EStG als Betriebsausgabe zu berücksichtigen.

Das FA wies den Antrag mit der Begründung zurück, der nicht abziehbare Vorsteuerbetrag gehöre zu den Anschaffungskosten, § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. für das Streitjahr 1999 sei auf die nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbaren Vorsteuerbeträge nicht anwendbar.

Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst (DStRE) 2004, 640 veröffentlicht.

Mit der Revision trägt der Kläger im Wesentlichen vor: Die den sofortigen Betriebsausgabenabzug ermöglichende Ausnahmeregelung des § 9b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG greife ein, weil er keine zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätze getätigt habe. Bei der Vorsteuerkürzung des § 15 Abs. 1b UStG handele es sich nicht um einen vom Vorsteuerabzug ausgeschlossenen Umsatz. Dies entspreche auch einer im Schrifttum vertretenen Rechtsauffassung (z.B. Simon, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1999, 1516; Fuhrmann in Korn, Einkommensteuergesetz, § 9b Rz. 20).

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und unter Änderung des Einkommensteuerbescheides 1999 i.d.F. der Einspruchsentscheidung die nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbare hälftige Vorsteuer nicht den Anschaffungskosten des PKW hinzuzurechnen, sondern sofort zum Abzug als Betriebsausgabe zuzulassen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das FG die für den PKW-Erwerb in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht zum sofortigen Abzug als Betriebsausgaben zugelassen, soweit sie im Rahmen der Umsatzsteuerfestsetzung 1999 nicht als Vorsteuer abgezogen worden ist.

1. Gemäß § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. für das Streitjahr 1999 gehört der Vorsteuerbetrag nach § 15 UStG, soweit er bei der Umsatzsteuer abgezogen werden kann, nicht zu den Anschaffungs- oder Herstellungskosten des Wirtschaftsguts, auf dessen Anschaffung oder Herstellung er entfällt. Der Teil des Vorsteuerbetrags, der nicht abgezogen werden kann, braucht den Anschaffungs- oder Herstellungskosten nicht zugerechnet zu werden, wenn er 25 % des Vorsteuerbetrags und 500 DM nicht übersteigt (Nr. 1), oder wenn die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätze nicht mehr als 3 % des Gesamtumsatzes betragen (Nr. 2).

Mit Wirkung vom 1. April 1999 ist § 15 Abs. 1b in das Umsatzsteuergesetz eingefügt worden (Steuerentlastungsgesetz 1999/ 2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999, 402). Danach sind Vorsteuerbeträge nur zu 50 % abziehbar, wenn sie auf die Anschaffung von Fahrzeugen entfallen, die auch für den privaten Bedarf des Unternehmers verwendet werden. Die Vorschrift ist mit Wirkung vom 1. Januar 2004 aufgehoben worden (Gesetz vom 15. Dezember 2003, BGBl I 2003, 2645).

§ 9b Abs. 1 Satz 2 EStG ist durch das Steueränderungsgesetz 2001 vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794) mit Wirkung ab dem Veranlagungszeitraum 2002 aufgehoben worden. Zur Begründung heißt es im Regierungsentwurf (BTDrucks 14/6877, S. 25), diese Regelungen hätten für die Praxis nur geringe Bedeutung und könnten daher unter dem Gesichtspunkt der Steuervereinfachung ersatzlos entfallen. Durch die Streichung erübrige sich im Übrigen auch eine klarstellende Anpassung der Nr. 2 an die Änderungen des Vorsteuerabzugs durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002. Die 3 % Umsatzgrenze nach Nr. 2 sei nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf einen Vorsteuerbetrag anwendbar, der nach § 15 Abs. 1b UStG mit 50 % vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen sei.

Mit Urteil vom 15. Juli 2004 V R 30/00 (BFHE 206, 465, BStBl II 2004, 1025), das als Nachfolgeentscheidung zum Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften vom 29. April 2004 Rs. C-17/01 (Umsatzsteuer-Rundschau 2004, 315) ergangen ist, hat der Bundesfinanzhof (BFH) entschieden, dass ein Steuerpflichtiger sich im Besteuerungszeitraum 1999 gegenüber den Vorschriften des § 15 Abs. 1b i.V.m. § 27 Abs. 3 UStG unmittelbar auf Art. 17 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) berufen könne, so dass ihm der volle Vorsteuerabzug für das seinem Unternehmen zugeordnete Fahrzeug zustehe und er die private Verwendung nach § 3 Abs. 9a Nr. 1 UStG versteuern müsse. Für die Einschränkung des Vorsteuerabzugs in § 15 Abs. 1b UStG fehle im Jahr 1999 eine entsprechende Ermächtigung.

2. Dem Antrag auf Änderung der Einkommensteuerfestsetzung 1999 nach § 172 Abs. 1 Nr. 2 a AO 1977 steht nicht entgegen, dass der Kläger unter Berufung auf Art. 17 der Richtlinie 77/388/EWG den Vorsteuerabzug für den PKW hätte geltend machen können. Denn der Kläger hat die als Festsetzung unter Vorbehalt geltende Mitteilung des FA für 1999 über Umsatzsteuer, bei der entsprechend der Umsatzsteuererklärung die Vorsteuer aus dem Erwerb des PKW nur in Höhe von 50 % abgezogen worden ist, weder angefochten, noch eine Änderung im Rahmen des Vorbehalts der Nachprüfung nach § 164 Abs. 2 AO 1977 beantragt.

3. Die hälftige Umsatzsteuer auf den Erwerb des PKW, die nach § 15 Abs. 1b UStG nicht als Vorsteuer abgezogen werden durfte, kann - im Umkehrschluss zu § 9b Abs. 1 Satz 1 EStG - nicht sofort als Betriebsausgabe im Rahmen der Einnahmeüberschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG abgezogen werden. Sie gehört zu den Anschaffungskosten des PKW i.S. des § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuchs (vgl. z.B. BFH-Beschluss vom 27. September 1990 IX B 268/89, BFH/NV 1991, 297). Die Ausnahmeregelungen des § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG i.d.F. für das Streitjahr 1999 greifen nicht ein.

a) Nr. 1 scheidet aus, da der Vorsteuerbetrag mit 50 % und einem absoluten Betrag von über 3.000 DM die Werte der Regelung bei weitem überschreitet.

b) Die nicht abziehbare hälftige Vorsteuer aus dem PKW-Erwerb fällt auch nicht unter die Ausnahmeregelung der Nr. 2. § 9b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG ist auf den Fall des § 15 Abs. 1b UStG nicht anwendbar.

Bis zum In-Kraft-Treten des § 15 Abs. 1b UStG bezog sich § 9b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG nur auf die Aufteilung der Vorsteuern nach § 15 Abs. 4 UStG. Diese Vorschrift betrifft Unternehmer, die sowohl Umsätze tätigen, die den Vorsteuerabzug ausschließen als auch solche, die dazu berechtigen, und ordnet die Nichtabziehbarkeit der Vorsteuerbeträge für solche Erwerbe an, die der Ausführung von den Vorsteuerabzug ausschließenden Umsätzen (schädliche Umsätze) dienen. Unternehmen, die solche schädlichen Umsätze nur in geringerem Umfang tätigen, konnten aus Vereinfachungsgründen von einer Erhöhung der Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten des erworbenen Wirtschaftsguts absehen (vgl. Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 20. Aufl., § 9b Rz. 12; Simon, DStR 1999, 1516, 1517).

aa) In der Literatur werden aus diesem Vereinfachungscharakter der Norm unterschiedliche Folgerungen gezogen.

Nach einer Meinung kann die nicht abziehbare Vorsteuer bei der Anschaffung eines unternehmerisch und nichtunternehmerisch genutzten PKW beim regelversteuernden Unternehmer nach § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG stets als Aufwand behandelt werden, weil der hinter der Vereinfachungsregelung des Satzes 2 Nr. 2 stehende Gedanke sei, dass derjenige, der generell die Umsatzsteuer nicht zu den Anschaffungskosten des Wirtschaftsgutes zählen müsse, dieses auch in einem Ausnahmefall nicht zwingend tun müsse. Dieser Gedanke schließe auch den Fall des § 15 Abs. 1b UStG mit ein (Simon, DStR 1999, 1516, 1517).

Demgegenüber geht die überwiegende Meinung davon aus, dass die nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbare hälftige Vorsteuer grundsätzlich den Anschaffungs- bzw. Herstellungskosten zuzuordnen sei. Die 3 % Umsatzgrenze nach § 9b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG sei nach ihrem Sinn und Zweck anwendbar, wenn in dem in § 9b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 EStG angeführten Gesamtumsatz "schädliche Umsätze", also solche, die zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führten, enthalten seien. Die Vorschrift sei für Sachverhalte geschaffen, bei denen ein erworbenes Wirtschaftsgut zum Teil für die Erbringung steuerpflichtiger und zum Teil für die Erbringung steuerfreier Umsätze verwendet werde (Dziadkowski, DStR 2000, 456). Die Abziehbarkeit der Vorsteuer dem Grunde nach dürfe nicht ausgeschlossen sein (Blümich/Erhard, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 9b EStG Rz. 48).

Diejenigen, die Nr. 2 für anwendbar halten, verweisen darauf, dass auch bei einer Vorsteuerberichtigung nach § 15a UStG die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 9b Abs. 2 UStG unberührt blieben. Die Mehrbeträge seien als Betriebseinnahmen oder Einnahmen und die Minderbeträge als Betriebsausgaben oder Werbungskosten zu behandeln (vgl. Simon, DStR 1999, 1516, 1518). Dagegen betonen die Vertreter der Gegenmeinung den Charakter des § 9b Abs. 2 EStG als Sonderregelung. Die Vorschrift habe den Zweck, eine komplizierte, gegebenenfalls in die Vergangenheit reichende Neuberechnung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten zu vermeiden. Die Regelung lasse daher keine Schlussfolgerungen für die Ein- oder Nichteinbeziehung der nicht abziehbaren Vorsteuer in die Anschaffungskosten zu (Dziadkowski, DStR 2000, 456, 457; Rondorf, DStR 1999, 576, 582; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 9b Rz. 11; s. auch Einkommensteuer-Richtlinien 1999 R 86 Abs. 5).

bb) Der Senat folgt der in der Begründung zum Regierungsentwurf zur Streichung des § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG gegebenen Erläuterung, dass der Gesetzgeber selbst die 3 % Umsatzgrenze nach Nr. 2 nach ihrem Sinn und Zweck nicht auf einen Vorsteuerbetrag angewandt wissen wollte, der nach § 15 Abs. 1b UStG mit 50 % vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen ist.

Die Regelung diente bei ihrer Schaffung allein dem Zweck, Unternehmen mit nahezu ausschließlich zum Vorsteuerabzug berechtigenden Umsätzen wegen geringfügiger "schädlicher" Umsätze die buchhalterischen Komplikationen zu ersparen, die die - für die Buchhaltung solcher Unternehmen ungewöhnliche - Einbeziehung der nicht als Vorsteuer abziehbaren Umsatzsteuer in die Anschaffungskosten mit sich bringt. Dieser Ausnahmecharakter spricht gegen eine Einbeziehung der Fälle des § 15 Abs. 1b UStG. Entgegen der Auffassung von Simon (DStR 1999, 1516, 1517) bedarf es der Vereinfachungsregelung für die einkommensteuerliche Behandlung der nicht abziehbaren Vorsteuer beim gemischt genutzten PKW nicht. Mit der Kappung der abziehbaren Vorsteuer durch § 15 Abs. 1b UStG auf 50 % unabhängig vom tatsächlichen Umfang der privaten bzw. betrieblichen Nutzung des PKW ist eine einfache Handhabung im Rahmen der einkommensteuerlichen Gewinnermittlung gewährleistet, die keine buchhalterischen Komplikationen erwarten lässt.

Auch der Hinweis auf das "Zusammenspiel von § 9b Abs. 2 EStG und § 15a Abs. 3 und 4 UStG" (Simon, DStR 1999, 1516, 1517) rechtfertigt nicht die sofortige Abziehbarkeit des nach § 15 Abs. 1b UStG nicht abziehbaren Vorsteuerbetrages. Zwar sind gemäß § 9b Abs. 2 EStG im Falle der Vorsteuerkorrektur nach § 15a UStG die Mehrbeträge als Betriebseinnahmen und die Minderbeträge als Betriebsausgaben zu behandeln. Als Ausnahmevorschrift zur Vermeidung komplizierter Bilanz- und Bescheidkorrekturen im Falle einer nachträglichen Berichtigung des Vorsteuerabzugs (vgl. BFH-Urteil vom 17. März 1992 IX R 55/90, BFHE 167, 405, BStBl II 1993, 17, unter Hinweis auf die Amtliche Begründung BTDrucks V/2185, S. 7) kann die Regelung aber nicht als Argument für eine über den Vereinfachungszweck des § 9b Abs. 1 Satz 2 EStG hinausgehende Einschränkung des Grundsatzes dienen, dass nicht abziehbare Vorsteuerbeträge zu den Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes gehörten.