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  BFH-Urteil vom 7.4.2005 (IV R 34/03) BStBl. 2005 II S. 576

Die erweiterte Kürzung gemäß § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG kann nicht gewährt werden, wenn eine grundstücksverwaltende Personengesellschaft ein Grundstück an eine gewerblich tätige Personengesellschaft verpachtet, an der ein zu 5 v.H. an der Verpachtungsgesellschaft beteiligter Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist.

GewStG § 9 Nr. 1 Satz 2 und 5.

Vorinstanz: Hessisches FG vom 11. Juni 2003 8 K 2838/02 (EFG 2003, 1565)

Sachverhalt

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine vermögensverwaltende GmbH & Co. KG, verpachtete im Streitjahr (1997) den ihr gehörenden Grundbesitz an die Firma X GmbH & Co. KG (im Folgenden: Betriebs-KG). Letztere betreibt auf dem Grundstück ein Bau- und Gartenzentrum. Die Beteiligungsverhältnisse der allein am Gesellschaftsvermögen beteiligten Kommanditisten stellen sich wie folgt dar:

  Klägerin

Betriebs-KG

     
AX

90 v.H.

0 v.H.

BX

5 v.H.

0 v.H.

CX

5 v.H.

100 v.H.

Nach einer bei der Klägerin durchgeführten Außenprüfung vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA - ) die Auffassung, das verpachtete Grundstück diene dem Gewerbebetrieb der Gesellschafterin CX, weshalb die von der Klägerin begehrte Kürzung für Grundbesitz bei Grundstücksunternehmen (§ 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes - GewStG -) gemäß Satz 5 dieser Vorschrift entfalle.

Das FA änderte den Gewerbesteuermessbescheid 1997 entsprechend.

Mit ihrer nach erfolglosem Einspruch erhobenen Klage trug die Klägerin vor, der Wortlaut des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG sei dem Zweck der Vorschrift entsprechend einzuschränken, wenn - wie im Streitfall - die Beteiligung des Gesellschafters an der Grundstücksgesellschaft nur gering sei.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab (Urteil vom 11. Juni 2003 8 K 2838/02). Seine Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 1565 veröffentlicht.

Hiergegen richtet sich die Revision der Klägerin, die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützt ist.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und der Einspruchsentscheidung des FA vom 3. Juli 2002 den Gewerbesteuermessbescheid vom 9. April 2002 in der Weise zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag auf 0 DM herabgesetzt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet (§ 90 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

I. Das Verfahren war nicht nach § 74 FGO auszusetzen.

1. Eine Aussetzung des Klageverfahrens gemäß § 74 FGO ist nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen dann geboten, wenn vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) bereits ein nicht als aussichtslos erscheinendes Musterverfahren gegen eine im Streitfall anzuwendende Norm anhängig ist (Beschlüsse des BFH vom 7. Februar 1992 III B 24, 25/91, BFHE 166, 418, BStBl II 1992, 408; vom 18. September 1992 III B 43/92, BFHE 169, 110, BStBl II 1993, 123; vom 25. August 1993 X B 32/93, BFHE 171, 412, BStBl II 1993, 797, und vom 30. April 1996 III R 211/90, BFH/NV 1997, 23).

Der Senat lässt offen, ob angesichts des dem BVerfG unter dem Aktenzeichen 1 BvL 2/04 vorliegenden Vorlagebeschlusses des Niedersächsischen FG vom 21. April 2004 4 K 317/91 (EFG 2004, 1065) diese Voraussetzungen im Streitfall gegeben sind. Eine Aussetzung des Verfahrens kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil nicht zu erwarten ist, dass sich die Entscheidung des BVerfG, selbst wenn sie die Gewerbeertragsteuer für verfassungswidrig erklären sollte, auf das anhängige Besteuerungsverfahren auswirken wird.

Die Entscheidung über die Aussetzung des Verfahrens nach § 74 FGO hängt auch davon ab, ob mit einer Aufhebung des verfassungswidrigen Gesetzes für die Vergangenheit zu rechnen oder nur zu erwarten ist, dass das BVerfG dem Gesetzgeber eine angemessene Frist zur Herbeiführung eines verfassungsgemäßen Zustandes setzen wird (BFH-Beschluss vom 5. August 1992 II B 75/92, BFHE 168, 402, BStBl II 1992, 967).

Letzteres ist hier anzunehmen. Nach der neueren Rechtsprechung des BVerfG ist nämlich nicht ohne weiteres davon auszugehen, dass normverwerfende Entscheidungen dieses Gerichts zu einer rückwirkenden Neuregelung des beanstandeten Gesetzes - und sei es auch nur im Rahmen einer Übergangsregelung für alle noch offenen Fälle - führen (vgl. Senatsbeschluss vom 26. November 1998 IV B 150/97, BFH/NV 1999, 657, mit Nachweisen zur Rechtsprechung des BVerfG). Eine solche Möglichkeit hat der BFH insbesondere für die Gewerbeertragsteuer verneint und deshalb in seinem Urteil vom 11. November 1997 VIII R 49/95 (BFHE 185, 46, BStBl II 1998, 272) ausgeführt, eine rückwirkende Nichtigkeitserklärung des GewStG würde zu einem derart schwerwiegenden Eingriff in das Wirtschaftsgefüge führen, dass der sich danach ergebende Zustand der verfassungsmäßigen Ordnung ferner stünde als der bestehende. Es wäre deshalb selbst für den Fall, dass das GewStG gegen den Gleichheitssatz verstoßen sollte, nicht mit einer Nichtigkeits-, sondern lediglich mit einer Unvereinbarkeitserklärung und einer Änderungsverpflichtung des Gesetzgebers für die Zukunft zu rechnen (vgl. im Ergebnis auch BFH-Beschluss vom 3. August 1999 VIII B 79/98, BFH/NV 2000, 222). Hiervon geht auch der Vorlagebeschluss des Niedersächsischen FG in EFG 2004, 1065 (unter B.IV.1.b der Gründe) aus (vgl. auch Hey, Finanz-Rundschau - FR - 2004, 876, 879).

2. Der Senat hat auch keinen Anlass gesehen, die Rechtssache dem BVerfG nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) vorzulegen. Er hält an seiner wiederholt dokumentierten Auffassung fest, dass die Gewerbeertragsteuer mit der Verfassung vereinbar ist (vgl. auch BFH-Urteil vom 18. September 2003 X R 2/00, BFHE 203, 263, BStBl II 2004, 17), und erwartet insbesondere unter Berücksichtigung des jüngsten Beschlusses des BVerfG zu § 15 Abs. 3 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vom 26. Oktober 2004 2 BvR 246/98 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 2005, 56) nicht, dass das BVerfG zu einem anderen Ergebnis gelangen wird.

II. Die Revision ist unbegründet.

Das FG hat zu Recht entschieden, dass die Klägerin die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrages nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht in Anspruch nehmen kann.

1. Bei der Klägerin handelt es sich um eine gewerblich geprägte Personengesellschaft i.S. des § 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG. Ihr Betrieb unterliegt daher nach § 2 Abs. 1 GewStG unabhängig von der Art der ausgeübten Tätigkeit der Gewerbesteuer (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2003 IV R 5/02, BFHE 204, 471, BStBl II 2004, 464).

Nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG können Unternehmen, die - wie die Klägerin - ausschließlich eigenen Grundbesitz verwalten, auf Antrag den Gewerbeertrag statt um einen bestimmten Hundertsatz des Einheitswerts des Grundbesitzes um den Teil des Gewerbeertrags kürzen, der auf die Verwaltung und Nutzung des eigenen Grundbesitzes entfällt.

2. a) Die Inanspruchnahme der erweiterten Kürzung ist aber nach § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG ausgeschlossen, wenn der Grundbesitz ganz oder zum Teil dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen dient. Der Gesetzgeber sieht in diesem Fall die Voraussetzungen für eine Begünstigung des Grundstücksunternehmens nicht mehr als gegeben an, weil bei einer Nutzung des Grundstücks im Gewerbebetrieb des Gesellschafters ohne Zwischenschaltung eines weiteren Rechtsträgers die Grundstückserträge in den Gewerbeertrag einfließen und damit der Gewerbesteuer unterliegen würden (vgl. Senatsurteil vom 26. Oktober 1995 IV R 35/94, BFHE 178, 572, BStBl II 1996, 76).

b) An dieser Einschränkung scheitert das Begehren der Klägerin. Der Grundbesitz dient nämlich auch dann dem Gewerbebetrieb eines Gesellschafters oder Genossen des Grundstücksunternehmens, wenn das Grundstück - wie im Streitfall - von einer Gesellschaft genutzt wird, an der der Gesellschafter als Mitunternehmer beteiligt ist (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 15. Dezember 1998 VIII R 77/93, BFHE 187, 326, BStBl II 1999, 168). Der BFH hat bereits in seinem Urteil vom 18. Dezember 1974 I R 10/73 (BFHE 114, 437, BStBl II 1975, 268) zutreffend darauf hingewiesen, dass andernfalls ein Grundstücksunternehmen - entgegen dem mit § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG verfolgten Zweck - die erweiterte Kürzung bereits dann beanspruchen könnte, wenn der den Grundbesitz nutzende Gesellschafter einen Dritten mit einer minimalen Beteiligung in sein Unternehmen aufnähme. Diese Erwägungen gelten im Streitfall umso mehr, als die "Doppelgesellschafterin" CX am Vermögen der Betriebs-KG zu 100 v.H. beteiligt ist.

c) Die Klägerin kann entgegen ihrer Auffassung die erweiterte Kürzung nach § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG nicht mit der Begründung in Anspruch nehmen, dass die "Doppelgesellschafterin" CX an ihr nur mit einem Anteil von 5 v.H. beteiligt sei. Richtig ist allerdings, dass - wie bereits ausgeführt - § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG den Sinn hat, zu verhindern, dass der ein eigenes Grundstück nutzende Einzelunternehmer schlechter gestellt wird als ein Gewerbetreibender, der ein Grundstück nutzt, das er einer zwischengeschalteten Gesellschaft überlassen hat. Die Berechtigung der Vorschrift zeigt sich daher umso mehr, je größer der Anteil des Gesellschafters oder Genossen ist, der das Grundstück in seinem Gewerbebetrieb nutzt. Dem Gesetzgeber kann allerdings nicht verborgen geblieben sein, dass von der Versagung der erweiterten Kürzung auch Gesellschaften betroffen sind, an denen der das Grundstück nutzende Unternehmer nur einen geringen Anteil hält. Er hat dies - offenbar zur Vermeidung von Abgrenzungsschwierigkeiten - in Kauf genommen. Daher ist im Prinzip ohne Bedeutung, in welchem Umfang ein Gesellschafter oder Genosse an der Grundstücksgesellschaft beteiligt ist (im Ergebnis ebenso Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 9 Nr. 1 Anm. 195). Es verhält sich ähnlich, wie bei dem in § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG enthaltenen Ausschließlichkeitsgebot. In diesem Zusammenhang hat sich der I. Senat des BFH wegen Fehlens eines Auslegungsspielraums nicht in der Lage gesehen, die Kürzung des Gewerbeertrags auch dann zu gewähren, wenn das Grundstück nur kurze Zeit (zwei oder drei Tage) anderen als den durch § 9 Nr. 1 Satz 2 GewStG begünstigten Zwecken dient (BFH-Urteile vom 8. Juni 1978 I R 68/75, BFHE 125, 187, BStBl II 1978, 505, und vom 11. August 2004 I R 89/03, BFHE 207, 40, BStBl II 2004, 1080). Hieran vermöge, so der I. Senat des BFH, auch der verfassungsrechtlich gewährleistete Verhältnismäßigkeitsgrundsatz nichts zu ändern (zweifelnd Senatsbeschluss vom 27. Februar 2002 IV S 7-10/01, BFH/NV 2002, 1052). Demgegenüber könnten - worauf die Klägerin hinweist - die im BFH-Urteil vom 11. August 1999 XI R 12/98 (BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229) angestellten Erwägungen dafür sprechen, unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit die erweiterte Kürzung des Gewerbeertrags ungeachtet des Wortlauts des § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG dann zu gewähren, wenn der gewerbliche Nutzer des Grundstücks nur mit einem Anteil von ganz untergeordneter Bedeutung an der Grundstücksgesellschaft beteiligt ist. Der Streitfall gibt indessen keine Veranlassung, die Frage, ob § 9 Nr. 1 Satz 5 GewStG im Fall einer Bagatellbeteiligung unanwendbar ist, abschließend zu entscheiden. Der Senat sieht einen Anteil von 5 v.H. nicht als geringfügig an. Von einem Bagatellanteil kann nach seiner Auffassung jedenfalls dann nicht gesprochen werden, wenn die Grenze von 1 v.H. nicht unterschritten ist. Der Senat sieht sich in seiner Auffassung bestätigt durch die Neufassung des § 17 Abs. 1 Satz 1 EStG. Mit dieser Neuregelung durch das Gesetz zur Senkung der Steuersätze und zur Reform der Unternehmensbesteuerung vom 23. Oktober 2000 (BGBl I 2000, 1433, BStBl I 2000, 1428) hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er von einer Bagatellbeteiligung erst bei einem Anteil ausgeht, der weniger als 1 v.H. beträgt.