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BFH-Urteil vom 29.9.2005 (II R 36/04) BStBl. 2006 II S. 43

Geht ein Grundstück von mehreren Miteigentümern auf eine Gesamthand über und scheidet einer der bisherigen Miteigentümer aus der Gesamthand aus mit der Folge, dass die Übertragung seines Miteigentumsanteils auf die Gesamthand nicht nach § 5 Abs. 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit ist, ist die Festsetzung von Grunderwerbsteuer für diesen Erwerbsvorgang nicht in entsprechender Anwendung des § 16 GrEStG aufzuheben, wenn später die Rückgängigmachung dieses Ausscheidens vereinbart wird.

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 5 Abs. 1, § 16.

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 5. Mai 2004 7 K 6255/03 GE (EFG 2004, 1387) 

Sachverhalt

I.

Die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin), einer GbR, übertrugen mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. März 2003 in ihrem Miteigentum zu je 1/3 stehende Grundstücke auf die Klägerin, an deren Gesellschaftsvermögen sowie Gewinn und Verlust sie im Innenverhältnis zu je 1/3 beteiligt sein sollten, und bewilligten und beantragten zugleich Grundbuchberichtigung, da der Gesellschafter G seine Beteiligung an der Klägerin auf die anderen beiden Gesellschafter übertragen habe und somit aus der Klägerin ausgeschieden sei.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 10. Juni 2003 gegen die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 40.833 € fest. Das FA ließ dabei die Steuer in Höhe von 2/3 der Bemessungsgrundlage gemäß § 5 Abs. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) unerhoben.

Die verbliebenen Gesellschafter und G vereinbarten mit notariell beurkundetem Vertrag vom 26. Juni 2003, dass G in der Klägerin verbleibe, und hoben deshalb sämtliche Vereinbarungen über die Übertragung des Gesellschaftsanteils und das Ausscheiden von G aus der Klägerin auf. Gleichzeitig verpfändete G seine Beteiligung an der Klägerin einschließlich des Rechts zur Ausübung der Mitgliedschaftsrechte, insbesondere des Stimmrechts, unter Bewilligung einer entsprechenden Eintragung in das Grundbuch als Sicherheit an die anderen Gesellschafter. Die Erträge aus dem Grundbesitz sollten teilweise der Verrechnung mit Forderungen gegen G dienen und im Übrigen den Pfandgläubigern zustehen. G machte diesen zudem das unwiderrufliche und unbefristete Angebot, seinen Gesellschaftsanteil gegen Übernahme der auf dem Grundbesitz abgesicherten Verbindlichkeiten zu erwerben.

Das FA lehnte den Antrag der Klägerin, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 10. Juni 2003 im Hinblick auf diese Vereinbarungen aufzuheben, ab und wies den Einspruch dagegen als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1387 abgedruckten Urteil mit der Begründung statt, die Übertragung der Miteigentumsanteile von G auf die Klägerin sei zunächst nach § 5 Abs. 1 GrEStG steuerfrei gewesen und aufgrund des Ausscheidens von G aus der Klägerin nach § 5 Abs. 3 GrEStG steuerpflichtig geworden. Da dieses Ausscheiden durch die Vereinbarungen vom 26. Juni 2003 rückgängig gemacht worden sei, sei die Steuerpflicht in entsprechender Anwendung des § 16 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG wieder entfallen.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 16 GrEStG. Diese Vorschrift sei auf die Rückgängigmachung einer die Steuerbefreiung ausschließenden Änderung der Gesellschaftsverhältnisse nicht entsprechend anwendbar. G habe im Übrigen seine frühere Rechtsstellung wegen der Verpfändungsabrede und des Erwerbsangebots nicht wieder erlangt.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht einen Anspruch der Klägerin auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids vom 10. Juni 2003 bejaht.

Ein solcher Anspruch der Klägerin kann weder auf eine unmittelbare noch auf eine entsprechende Anwendung des § 16 GrEStG gestützt werden.

a) Unmittelbar anwendbar ist § 16 GrEStG deshalb nicht, weil die nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG steuerbare Übertragung der Grundstücke in das Gesamthandsvermögen der Klägerin durch das Ausscheiden bzw. den Wiedereintritt des G unberührt geblieben ist.

b) Eine analoge Anwendung des § 16 GrEStG auf das Rückgängigmachen einer Veränderung im Gesellschafterbestand der erwerbenden Gesamthand, welche die Steuerbefreiung des Erwerbsvorgangs nach § 5 Abs. 1 GrEStG anteilig ausschloss, kommt nicht in Betracht. Die Vorschrift des § 16 GrEStG beinhaltet eine am Besteuerungszweck orientierte Korrektur zu § 1 GrEStG. Die durch Verwirklichung eines der Rechtsvorgänge des § 1 GrEStG entstandene Steuer entfällt nach § 16 GrEStG dann wieder, wenn es zu den durch diese Rechtsvorgänge intendierten Grundstücksumsätzen tatsächlich (wirtschaftlich) nicht kommt oder es nicht auf Dauer bei diesen verbleibt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. März 1994 II R 86/90, BFHE 173, 568, BStBl II 1994, 413; vgl. auch BFH-Urteil vom 19. März 2003 II R 12/01, BFHE 202, 383, BStBl II 2003, 770). Die in § 16 Abs. 1 und 2 GrEStG normierten tatbestandlichen Voraussetzungen einer Rückgängigmachung bzw. eines Rückerwerbs lassen nach ihrem klaren Wortlaut sowie unter Berücksichtigung ihres systematischen Zusammenhangs mit den Rechtsvorgängen des § 1 GrEStG eine analoge Anwendung dieser Vorschriften auf Fallgestaltungen, in denen - wie im Streitfall - lediglich die Voraussetzungen einer zu versagenden Steuerbefreiung nachträglich "rückgängig" gemacht werden, der steuerbare Erwerbsvorgang selbst aber unberührt bleibt, nicht zu. Eine Regelungslücke besteht insoweit nicht. Der BFH hat sich demgemäß bereits im Beschluss vom 26. Februar 1975 II B 44/74 (BFHE 115, 149, BStBl II 1975, 418) gegen eine ausdehnende Auslegung des § 17 GrEStG, der Vorgängervorschrift des heutigen § 16 GrEStG, ausgesprochen.