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BFH-Beschluss vom 13.10.2005 (IV S 10/05) BStBl. 2006 II S. 76

1. Durch die Schaffung und Reglementierung der Anhörungsrüge in allen Verfahrensordnungen zum 1. Januar 2005 sollte das Institut der Gegenvorstellung nicht ausgeschlossen werden. Wird also mit einer entsprechenden Eingabe nicht die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, ist diese Eingabe weiterhin als Gegenvorstellung im herkömmlichen Sinne zu werten (Beseitigung der im BFH-Beschluss vom 8. September 2005 IV B 42/05, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, geäußerten Zweifel).

2. Mangels einer besonderen Rechtsgrundlage ist die Gegenvorstellung ab 1. Januar 2005 unmittelbar auf Art. 19 Abs. 4 GG zu stützen. Sie ist damit weder fristgebunden noch kostenpflichtig.

GG Art. 19 Abs. 4; FGO § 133a; ZPO § 321a Abs. 2 Satz 1.

Sachverhalt 

Mit Beschluss vom 20. August 2004 IV B 84-87/04 hat der erkennende Senat die Beschwerden des Antragstellers wegen Nichtzulassung der Revision gegen die Urteile des Finanzgerichts (FG) Nürnberg vom 4. März 2004 VII 12-15/2003 als unzulässig verworfen. Gegen diesen - am 12. Oktober 2004 zur Post gegebenen - Beschluss wendet sich der Antragsteller mit seinen Schriftsätzen vom 24. Juni 2005 und vom 8. Juli 2005. Er trägt vor, er habe die Beschwerdebegründungsfrist unverschuldet versäumt, weil ihm nicht zuzurechnen sei, dass sein damaliger Prozessbevollmächtigter das Mandat überraschend und grundlos niedergelegt habe. Die Urteile des FG verletzten seine Rechte. Insbesondere sei ihm in dem Verfahren vor dem FG das rechtliche Gehör verweigert worden.

Entscheidungsgründe

Der Rechtsbehelf des Antragstellers kann keinen Erfolg haben.

Da der Antragsteller nicht die Verletzung rechtlichen Gehörs durch den beschließenden Senat, sondern andere Verfahrensnormen rügt, ist die Eingabe nicht als Anhörungsrüge i.S. des § 133a der Finanzgerichtsordnung (FGO), sondern als Gegenvorstellung im herkömmlichen Sinn zu würdigen. Durch die Schaffung und Reglementierung der Anhörungsrüge in allen Verfahrensordnungen sollte das Institut der Gegenvorstellung nicht ausgeschlossen werden (vgl. BRDrucks 663/04, S. 33; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 13. Januar 2005 VII S 31/04, BFH/NV 2005, 898; a.A. Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Beschluss vom 2. Februar 2005 3 S 83/05, Neue Juristische Wochenschrift 2005, 920).

Allerdings hat der Senat in seinem Beschluss vom 8. September 2005 IV B 42/05 (zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt) Zweifel an der weiteren Statthaftigkeit der in der FGO nicht ausdrücklich vorgesehenen Gegenvorstellung geäußert. Denn einmal dürfte eine analoge Anwendung des § 321a der Zivilprozessordnung (ZPO) auf andere Verfahrensmängel nach der ausdrücklichen Begrenzung der Vorschrift auf Verletzungen des rechtlichen Gehörs durch das Gesetz über die Rechtsbehelfe bei Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (AnhRüG) vom 9. Dezember 2004 (BGBl I, 3220) nicht mehr in Betracht kommen. Zum anderen bestehen Bedenken, die klare inhaltliche Beschränkung des § 133a FGO im Wege einer analogen Anwendung auf andere Verfahrensfehler zu umgehen. Der erkennende Senat entscheidet diese Frage nunmehr und stützt die Gegenvorstellung mangels einer vom Gesetzgeber bereitgestellten Rechtsgrundlage unmittelbar auf die Rechtsschutz- und Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG). Zwar gehört die Rechtsprechung nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht zur öffentlichen Gewalt i.S. des Art. 19 Abs. 4 GG, weil dieser nur den Schutz durch den Richter, nicht gegen den Richter gewährt (BVerfG-Beschluss vom 16. Juni 1987 1 BvR 1113/86, BVerfGE 76, 93, 98, m.w.N.). Im Streitfall geht es jedoch nicht um einen Verstoß gegen Art. 19 Abs. 4 GG, weil Rechtsweg und Rechtsschutz versagt würden. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll im Gegenteil auch weiterhin Rechtsschutz durch die Gegenvorstellung gewährt werden (BRDrucks 663/04, S. 33). Dieser muss indessen auch gegenüber dem Richter greifen, wenn die Rechtsverletzung so gravierend ist, dass sie einer Versagung des Rechtsschutzes gleichkommt. Eine derartige Rechtsverletzung ist im Streitfall weder geltend gemacht noch ist sie ersichtlich. Wird die Gegenvorstellung aber auf Art. 19 Abs. 4 GG gestützt, so ist sie weder fristgebunden noch kostenpflichtig.

Die Gegenvorstellung des Antragstellers ist gleichwohl zurückzuweisen.

Als außerordentlicher, nicht förmlicher Rechtsbehelf, mit dem eine Aufhebung einer materiell oder formell rechtskräftigen Entscheidung begehrt wird, ist die Gegenvorstellung nur in Ausnahmefällen eröffnet, insbesondere bei schwerwiegenden Grundrechtsverstößen oder wenn die angegriffene Entscheidung jeder gesetzlichen Grundlage entbehrt (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 21. April 1997 V R 22, 23/93, BFH/NV 1998, 32, m.w.N., und vom 13. April 2000 V S 3/00, BFH/NV 2000, 1132).

Dass dem angefochtenen Beschluss des Senats vom 20. August 2004 IV B 84-87/04 derart schwerwiegende Verfassungsverstöße anhaften sollen, hat der Antragsteller in seinen Eingaben vom 24. Juni 2005 und vom 8. Juli 2005 nicht einmal ansatzweise dargelegt. Seine Angriffe richten sich im Wesentlichen gegen die (angeblich rechtswidrigen) Entscheidungen des FG. Soweit der Antragsteller eine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör durch das FG geltend gemacht hat, wären die Vorentscheidungen innerhalb der Zweiwochenfrist des § 321a Abs. 2 Satz 1 ZPO mit der Gegenvorstellung analog § 321a ZPO an das FG (ab 1. Januar 2005 nach § 133a Abs. 2 Satz 1 FGO mit der Anhörungsrüge des § 133a FGO) anzufechten gewesen. Im Übrigen bleibt es dem Antragsteller unbenommen, ggf. seinen früheren Prozessbevollmächtigten in Anspruch zu nehmen.

Diese Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei, da für das Verfahren betreffend eine Gegenvorstellung kein Gebührentatbestand vorgesehen ist.