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BFH-Urteil vom 3.11.2005 (V R 21/05) BStBl. 2006 II S. 282

1. Für das Vorliegen einer steuerfreien Kreditvermittlung kommt es nicht darauf an, an welche der Vertragsparteien die Vermittlungsleistung ausgeführt wird.

2. Die Steuerbefreiung einer Kreditvermittlung setzt nicht voraus, dass es tatsächlich zur Kreditvergabe gekommen ist, wohl aber muss ein Kontakt zu beiden Vertragspartnern bestanden haben.

UStG 1993 § 4 Nr. 8 Buchst. a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5.

Vorinstanz: FG Hamburg vom 16. Februar 2005 II 240/04 (EFG 2005, 1232)

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob die Steuerbefreiung für die Vermittlung von Krediten nach § 4 Nr. 8 Buchst. a des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) auch den Auslagenersatz umfasst, den Kreditsuchende dem Vermittler vereinbarungsgemäß unabhängig davon zahlten, ob es zu einer Kreditgewährung kam.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb im Streitjahr 1993 ein Unternehmen der Kreditvermittlung. Dazu schloss er mit Banken Rahmenverträge ab, wonach er den Banken Kreditanträge von Kreditsuchenden anbot; kam es zur Kreditgewährung durch die Bank an den Kreditsuchenden, erhielt der Kläger eine Barvergütung und einen Courtage-Anteil. Der Kläger bot seine Vermittlungsleistung z.B. in Anzeigen an. Mit Kreditsuchenden schloss er so genannte Geschäftsbesorgungsverträge, in denen er mit der Anbahnung eines Kreditvertrages beauftragt wurde. In den Verträgen verpflichteten sich die Kreditsuchenden gegenüber dem Kläger, dessen Auslagen unabhängig davon zu erstatten, ob es nachfolgend zu einem Kreditvertrag kam. Die Auslagen betrafen vor allem Fahrkosten, Porto und Telefon; sie erwuchsen dem Kläger vorwiegend dadurch, dass er gemäß den Rahmenverträgen zu einer Reihe von Vorprüfungen, z.B. der Identität und Bonität der Kreditsuchenden, verpflichtet war.

Der Kläger behandelte seine gesamten Umsätze als umsatzsteuerfrei. Im Anschluss an eine beim Kläger durchgeführte Außenprüfung beurteilte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die aufgrund der Geschäftsbesorgungsverträge von den Kreditsuchenden an den Kläger gezahlten Auslagenerstattungen als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze und setzte die Umsatzsteuer für das Streitjahr 1993 entsprechend fest.

Der nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) statt. Es führte im Wesentlichen aus, die vom Kläger durchgeführten Vorprüfungen stellten zwar nicht unmittelbare Vermittlungsleistungen dar, sie stünden mit diesen aber in einem so engen Zusammenhang, dass sie das Schicksal der Vermittlungsleistung teilten. Bei den Vorprüfungen handele es sich entweder um einen unselbständigen Bestandteil einer einheitlichen Kreditvermittlung oder um eine Nebenleistung dazu.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, mit der es Verletzung materiellen Rechts rügt. Es macht geltend, das Urteil des FG beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG. Die Bonitätsprüfungen seien keine unselbständige Nebenleistung zu der gegenüber den Banken erbrachten Kreditvermittlungsleistung. Die Annahme einer unselbständigen Nebenleistung, die umsatzsteuerlich das Schicksal der Hauptleistung teile, verbiete sich dann, wenn die zu beurteilenden Leistungen gegenüber unterschiedlichen Personen ausgeführt würden. Dasselbe gelte für die Annahme einer einheitlichen Leistung.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat den vom Kläger von den Kreditnehmern vereinnahmten Auslagenersatz zutreffend als Entgelt für steuerfreie Kreditvermittlungen behandelt.

1. Gemäß § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG sind von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG fallenden Umsätzen steuerfrei die Gewährung und die Vermittlung von Krediten. Die Vorschrift des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG setzt die Bestimmung des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in das nationale Recht um; sie ist deshalb richtlinienkonform auszulegen. Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG befreien die Mitgliedstaaten "die Gewährung und Vermittlung von Krediten und die Verwaltung von Krediten durch die Kreditgeber" von der Umsatzsteuer.

Die Tatbestandsmerkmale der Steuerbefreiungen sind autonome Begriffe des Gemeinschaftsrechts, die eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen und bei denen der Gesamtzusammenhang des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems zu beachten ist (vgl. z.B. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften - EuGH - vom 3. Mai 2005 Rs. C-472/03, Arthur Anderson, BFH/NV Beilage 2005, 188, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2005, 201).

Zum Begriff der "Vermittlung" in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 5 der Richtlinie 77/388/EWG hat der EuGH in seinem Urteil vom 13. Dezember 2001 Rs. C-235/00, CSC Financial Services (Slg. 2001, I-10237; UR 2002, 84 Rdnr. 39) entschieden, dass sich dieser Begriff "auf eine Tätigkeit bezieht, die von einer Mittelsperson ausgeübt wird, die nicht den Platz einer Partei eines Vertrages einnimmt und deren Tätigkeit sich von den typischen vertraglichen Leistungen unterscheidet, die von den Parteien solcher Verträge erbracht werden. Denn die Vermittlungstätigkeit ist eine Dienstleistung, die einer Vertragspartei erbracht und von dieser als eigenständige Mittlertätigkeit vergütet wird. Sie kann u. a. darin bestehen, der Vertragspartei die Gelegenheiten zum Abschluss eines solchen Vertrages nachzuweisen, mit der anderen Partei Kontakt aufzunehmen oder im Namen und für Rechnung des Kunden über die Einzelheiten der gegenseitigen Leistungen zu verhandeln. Zweck dieser Tätigkeit ist es also, das Erforderliche zu tun, damit zwei Parteien einen Vertrag schließen, ohne dass der Vermittler ein Eigeninteresse am Inhalt des Vertrages hat".

Diese Ausführungen gelten auch für die "Vermittlung von Krediten" i.S. des § 4 Nr. 8 Buchst. a UStG, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechend (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Oktober 2003 V R 5/03, BFHE 203, 395, BStBl II 2003, 958).

2. Danach stellen die vom Kläger durchgeführten Vorprüfungen eine steuerfreie Vermittlung von Krediten dar. Mit den Vorprüfungen führt der Kläger Tätigkeiten aus, ohne die es nicht zu einer Kreditvergabe kommen würde. Dabei kommt es nicht darauf an, an welche der Vertragsparteien die Vermittlungsleistung ausgeführt wird. Eine steuerfreie Kreditvermittlung liegt vor, wenn die Leistung aufgrund eines entgeltlichen Geschäftsbesorgungsvertrages zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Kreditgeber oder Kreditnehmer an eine Partei des Kreditvertrages ausgeführt wird (BFH-Urteil in BFHE 203, 395, BStBl II 2003, 958).

Die Steuerbefreiung der bezeichneten Leistungen als "Kreditvermittlung" setzt nicht voraus, dass es tatsächlich zum Vertragsabschluss, d.h. zur Kreditvergabe gekommen ist. Entscheidend ist, ob bereits ein Kontakt auch zu dem anderen Vertragspartner (hier der Bank) bestanden hat. Aufgrund der Feststellungen des FG geht der Senat davon aus, dass das vorliegend der Fall gewesen ist.

3. Die Behandlung der Vorprüfungen als steuerfreie Kreditvermittlung steht schließlich auch mit den Wertungen in §§ 16, 17 des im Streitjahr 1993 geltenden Verbraucherkreditgesetzes (VerbrKrG) im Einklang.

Gemäß § 16 Satz 1 VerbrKrG war bei einem Kreditvermittlungsvertrag der Verbraucher zur Zahlung der Vergütung nur verpflichtet, wenn infolge der Vermittlung oder des Nachweises des Kreditvermittlers das Darlehen an den Verbraucher geleistet wurde. Nach § 17 VerbrKrG durfte der Kreditvermittler für Leistungen, die mit der Vermittlung des Darlehens oder dem Nachweis der Gelegenheit zum Abschluss eines Darlehensvertrages zusammenhängen, außer der Vergütung nach § 16 Satz 1 VerbrKrG ein Entgelt nicht vereinbaren. Jedoch konnte vereinbart werden, dass dem Kreditvermittler entstandene erforderliche Auslagen zu erstatten waren. Auch wenn diese Beurteilung für das Umsatzsteuerrecht nicht zwingend zu übernehmen wäre, zeigen die Regelungen, dass auch das VerbrKrG die Leistungen, die zum Auslagenersatz nach § 17 VerbrKrG führen, als (Neben-)Bestandteil der Vermittlungstätigkeit wertete.