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BFH-Urteil vom 2.12.2005 (VI R 63/03) BStBl. 2006 II S. 329

Nutzt ein Steuerpflichtiger ein häusliches Arbeitszimmer während einer Phase der Erwerbslosigkeit zur Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit, so kann er die Aufwendungen für das Arbeitszimmer regelmäßig nur geltend machen, wenn und soweit ihm der Werbungskostenabzug auch unter den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit zustehen würde.

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b, § 9 Abs. 5.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 20. August 2003 3 K 292/99 (EFG 2004, 97)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war als Beamtin des gehobenen Dienstes für A tätig. Aus gesundheitlichen Gründen wurde sie vorzeitig in den Ruhestand versetzt. Nach 1,5 Jahren wurde anlässlich einer ärztlichen Nachuntersuchung festgestellt, dass die Klägerin zwischenzeitlich aufgrund einer deutlichen Verbesserung ihres Gesundheitszustandes wieder dienstfähig war. In der Folgezeit war die Klägerin allerdings nur kurz im Rahmen eines Arbeitsversuchs bei B im aktiven Dienst beschäftigt. Nachdem B der Klägerin mitgeteilt hatte, dass eine erneute Berufung in ein Beamtenverhältnis nicht beabsichtigt sei, hat sich die Klägerin im Jahre 2001 als ... niedergelassen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 1996 machte die Klägerin Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer im Keller ihres Wohnhauses in Höhe von insgesamt 5.180 DM als Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ließ die Aufwendungen unter Hinweis auf § 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b des Einkommensteuergesetzes (EStG) bei der Veranlagung der Klägerin außer Ansatz und berücksichtigte - auch zur Abgeltung der übrigen Werbungskosten (560 DM) - nur den Arbeitnehmer-Pauschbetrag.

Mit ihrer Klage trug die Klägerin vor, sie habe sich im Streitjahr fortwährend um eine Reaktivierung ihres Dienstverhältnisses bemüht und das Arbeitszimmer zur Vorbereitung auf ihre künftige Berufstätigkeit im öffentlichen Dienst an mindestens 20 Stunden pro Woche zur Fortbildung im Steuerrecht genutzt.

Die Klage blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) entschied, die Aufwendungen könnten in vollem Umfang nicht anerkannt werden, weil ein Steuerpflichtiger ohne aktives Dienstverhältnis nach Sinn und Zweck des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG hinsichtlich des Werbungskostenabzugs nicht besser gestellt werden dürfe als ein Steuerpflichtiger bei bestehendem aktiven Dienstverhältnis. Lägen daher - wie hier - bei (fiktiver) Erlangung der angestrebten aktiven Beschäftigung die Voraussetzungen für die steuerliche Berücksichtigung des Arbeitszimmers nicht vor, könne auch bei fehlendem aktiven Beschäftigungsverhältnis kein Werbungskostenabzug erfolgen. Das Urteil des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 97 veröffentlicht.

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision, das angefochtene Urteil verletze materielles Recht. Vorweggenommene Werbungskosten könnten auch dann entstehen, wenn - wie im Streitfall - voraussichtlich nur vorübergehend keine Einnahmen aus einem aktiven Beschäftigungsverhältnis erzielt würden. Sie - die Klägerin - habe sich im Arbeitszimmer allein im Hinblick auf eine Reaktivierung in ihrem bisherigen Einsatzbereich bei A fortgebildet, ohne dafür auf einen Büroarbeitsplatz bei ihrem Dienstherrn zurückgreifen zu können. Nach der angestrebten Rückkehr zu A hätte ihr dort kein vollwertiger Arbeitsplatz zur Verfügung gestanden, so dass sie ihre Tätigkeit hauptsächlich im häuslichen Arbeitszimmer hätte erbringen müssen.

Die Klägerin beantragt, das Urteil der Vorinstanz aufzuheben und den angegriffenen Einkommensteuerbescheid in der Fassung der Einspruchsentscheidung in der Weise abzuändern, dass bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit weitere Werbungskosten von 3.740 DM berücksichtigt werden, hilfsweise Zurückverweisung der Sache an das FG.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die Klägerin habe keine zukünftigen Einnahmen mehr anstreben müssen, weil sie im Jahre ... nicht nur vorübergehend, sondern auf Dauer in den Ruhestand versetzt worden sei und dadurch einen lebenslänglichen Anspruch auf Versorgungsbezüge gegen ihren Dienstherrn erworben habe. Ein objektiver Zusammenhang zwischen den geltend gemachten Aufwendungen und der Erzielung von Einkünften bestehe daher nicht.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist unbegründet; sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin kann für die streitigen Arbeitszimmeraufwendungen einen Werbungskostenabzug nicht in Anspruch nehmen.

1. Seit dem Veranlagungszeitraum 1996 sind die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer grundsätzlich nicht mehr als Werbungskosten abziehbar (§ 9 Abs. 5 i.V.m. § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG). Ein auf höchstens 2.400 DM (im Streitjahr; jetzt: 1.250 €) beschränkter Abzug ist nach Satz 2 i.V.m. Satz 3 Halbsatz 1 der letztgenannten Vorschrift dann möglich, wenn die betriebliche oder berufliche Nutzung des Arbeitszimmers mehr als 50 v.H. der gesamten betrieblichen und beruflichen Tätigkeit beträgt oder wenn für die betriebliche oder berufliche Tätigkeit kein anderer Arbeitsplatz zur Verfügung steht. Die Beschränkung der Höhe nach gilt dann nicht, wenn das Arbeitszimmer den Mittelpunkt der gesamten betrieblichen und beruflichen Betätigung bildet (Satz 3 Halbsatz 2 der Vorschrift).

2. Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass ein Steuerpflichtiger, der ein häusliches Arbeitszimmer während einer Phase der Erwerbslosigkeit zur Vorbereitung auf eine künftige Erwerbstätigkeit nutzt, die Aufwendungen für das Arbeitszimmer im Hinblick auf § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b EStG regelmäßig nur geltend machen kann, wenn und soweit ihm der Werbungskostenabzug auch unter den zu erwartenden Umständen der späteren beruflichen Tätigkeit zustehen würde.

a) Dies hat der erkennende Senat im Grundsatz für die Fortbildung einer Steuerpflichtigen im häuslichen Arbeitszimmer während ihres Erziehungsurlaubs bereits entschieden (Senatsbeschluss vom 30. November 2004 VI R 102/01, BFH/NV 2005, 549; vgl. auch Senatsurteile vom 22. Juli 2003 VI R 137/99, BFHE 202, 561, BStBl II 2004, 888, und vom 19. August 2004 VI R 103/01, BFH/NV 2005, 48). Der Senat hat sich damit nicht der gelegentlich geäußerten Auffassung angeschlossen, Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer seien überhaupt nur unter der Voraussetzung als Werbungskosten zu berücksichtigen, dass gerade im betreffenden Veranlagungszeitraum selbst eine aktive berufliche oder betriebliche Nutzung des Arbeitszimmers vorgelegen habe (so FG München, Urteil vom 23. Oktober 2002 10 K 2741/01, EFG 2003, 928; Hoffmann, Anmerkung in EFG 2003, 930; wohl auch Küttner/Macher, Personalbuch 2005, Stichwort "Arbeitszimmer" Rz. 25; dagegen Broudré in Herrmann/Heuer/ Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz, Kommentar, § 4 EStG Anm. 1530). Er hat sich andererseits auch nicht die Ansicht zu Eigen gemacht, bei Erwerbslosen sei ein Vollabzug der Aufwendungen schon deswegen möglich, weil das Arbeitszimmer mangels anderweitiger Beschäftigung regelmäßig als Mittelpunkt der gesamten (Fortbildungs-)Betätigung anzusehen sei (so offenbar Urban, Deutsche Steuer-Zeitung 1997, 368, 372; Hartz/Meeßen/Wolf, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort "Arbeitszimmer" Rz. 61; Heuermann/Wagner, Das gesamte Lohnsteuerrecht, Teil F Rz. 498a).

b) An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch für die Fälle der vorübergehenden Erwerbslosigkeit fest; dem gleichzusetzen ist der Fall der Klägerin, dass sich ein unter Bewilligung von Versorgungsbezügen in den Ruhestand versetzter Beamter um die Reaktivierung seines bisherigen Dienstverhältnisses bemüht.

Die gesetzlichen Abzugsbeschränkungen hinsichtlich der Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer sind auch dann zu beachten, wenn die Aufwendungen als vorab entstandene Werbungskosten geltend gemacht werden. Das FG weist zu Recht darauf hin, dass eine generelle unbegrenzte Abzugsmöglichkeit für Erwerbslose, wie sie die Klägerin fordert, jedenfalls insoweit zu einer mit dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht zu vereinbarenden Besserstellung gegenüber erwerbstätigen Steuerpflichtigen führen würde, als diese vom Abzugsverbot des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 1 EStG oder von der Höchstbetragsregelung nach Satz 2 der Vorschrift betroffen sind (vgl. Wüllenkemper, Anmerkung in EFG 2004, 1754). Die gesetzlichen Bestimmungen sind daher dahin gehend auszulegen, dass Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer, die in einem Veranlassungszusammenhang mit Einnahmen stehen, die erst für die Zukunft ins Auge gefasst sind, nur abgezogen werden dürfen, soweit die tatbestandlichen Voraussetzungen dafür im Zeitpunkt der späteren Einnahmeerzielung voraussichtlich erfüllt sein werden (gleicher Auffassung: FG Düsseldorf, Urteil vom 14. Oktober 2004 10 K 4057/04 E, EFG 2005, 779; FG Nürnberg, Urteil vom 8. März 2001 IV 343/98, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2001, 681; Schmidt/ Drenseck, Einkommensteuergesetz, Kommentar, 24. Aufl., § 19 Rz. 60 "Arbeitszimmer", unter 1.; Blümich/Thürmer, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 9 EStG Rz. 567e; zustimmend Siegers, Anmerkung in EFG 2005, 781).

3. Nach diesen Grundsätzen ist die Entscheidung der Vorinstanz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Das FG hat festgestellt, dass der Klägerin von ihrem künftigen Arbeitgeber im öffentlichen Dienst ein Arbeitsplatz zur Verfügung gestellt worden wäre, wenn der Dienstherr von seiner Befugnis zur Reaktivierung des Dienstverhältnisses Gebrauch gemacht hätte. An diese Feststellung ist der Senat gebunden (§ 118 Abs. 2 FGO). Auch dass die Klägerin mehr als die Hälfte ihrer beruflichen Tätigkeit im häuslichen Arbeitszimmer verbringen würde, hat das FG aufgrund einer - gleichfalls nicht revisiblen - tatrichterlichen Würdigung des Sachverhalts für ausgeschlossen gehalten. Da somit bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen für einen beschränkten Werbungskostenabzug (§ 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 6b Satz 2 EStG) nicht vorliegen, kommt auch die beantragte unbeschränkte Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen nicht in Betracht.