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BFH-Urteil vom 8.2.2006 (II R 38/04) BStBl. 2006 II S. 475

Bei der Berechnung der Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung sind

a) aufschiebend bedingte Gegenleistungspflichten des Bedachten erst nach Bedingungseintritt zu berücksichtigen;

b) Verpflichtungen zu einer Rentenzahlung auf Verlangen des Steuerpflichtigen statt mit dem sich aus § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. Anlage 9 zu § 14 BewG ergebenden Kapitalwert mit dem Verkehrswert anzusetzen, der dem Betrag entspricht, der auf der Grundlage der bei Rentenbeginn maßgebenden Abgekürzten Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes für die Begründung eines den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Rentenanspruchs an ein Lebensversicherungsunternehmen zu entrichten wäre. Vereinbarte Wertsicherungsklauseln sind dabei nur zu berücksichtigen, soweit es tatsächlich zu einer Änderung der Rentenhöhe gekommen ist.

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 12 Abs. 1; BewG § 5 Abs. 2, § 6, § 14 Abs. 1; AO 1977 § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; BGB § 158 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln vom 7. April 2003 9 K 6330/01 (EFG 2003, 939)

Sachverhalt

I.

Der im März 1940 geborene Vater (V) der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) übertrug ihr und ihrem Bruder mit notariell beurkundetem Vertrag vom 16. Dezember 1998 je die Hälfte seiner Kommanditbeteiligung an einer KG. Die Bedachten verpflichteten sich gesamtschuldnerisch, als Gegenleistung dafür an V ab Januar 1999 eine aufgrund näherer Regelungen wertgesicherte lebenslängliche Versorgungsrente von monatlich 45.000 DM und nach seinem Tod an seine Ehefrau (E) eine lebenslängliche Rente in Höhe von 70 v.H. der bis dahin geschuldeten Rente zu zahlen. Ein eigenes Recht, die Rente zu fordern, hat E erst mit dem Ableben des V.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah darin eine gemischte Schenkung und legte in der Einspruchsentscheidung der Steuerberechnung den nach § 14 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes (BewG) i.V.m. der Anlage 9 zu § 14 BewG ermittelten Kapitalwert der dem V geschuldeten Rente mit 5.932.980 DM zugrunde. Die der E aufschiebend bedingt geschuldete Rente berücksichtigte er nicht.

Das Finanzgericht (FG) verpflichtete das FA durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 939 veröffentlichte Urteil, die Schenkungsteuer unter Ansatz von Kapitalwerten der V und E zustehenden Renten von 6.630.660 DM bzw. 3.981.088 DM, insgesamt also 10.611.748 DM, neu zu berechnen. Zur Begründung führte es aus, es liege eine gemischte Schenkung vor, da der Verkehrswert der auf die Klägerin übertragenen Kommanditbeteiligung den Wert der von ihr übernommenen Rentenverpflichtungen erheblich übersteige und diese Wertdifferenz den Vertragsbeteiligten auch bewusst gewesen sei. Bei der Berechnung der Steuer sei auch der aufschiebend bedingte Rentenanspruch der E zu berücksichtigen, da es dabei auf das Verhältnis der Verkehrswerte der Leistungen des V und der Klägerin ankomme. Der Kapitalwert der Renten sei wegen der gegenüber der Allgemeinen Sterbetafel für die Bundesrepublik Deutschland 1986/1988 gestiegenen mittleren Lebenserwartung auf der Grundlage der zum Stichtag aktuellen "Abgekürzten Sterbetafel" des Statistischen Bundesamtes für die Jahre 1995/1997 zu ermitteln. Danach habe V bei Rentenbeginn noch eine statistische Lebenserwartung von 20 Jahren gehabt. Der Jahreswert der Rente von 540.000 DM sei demgemäß mit dem in den Ländererlassen vom 12. Oktober 1994 (BStBl I 1994, 775) in Tabelle 2 für eine unverzinsliche Kapitalforderung/-schuld, die in gleichen Jahresraten getilgt wird, bei einer Laufzeit von 20 Jahren vorgesehenen Vervielfältiger von 12,279 zu multiplizieren, so dass der Kapitalwert der Rente des V 6.630.660 DM betrage. Eine entsprechende Berechnung für den Rentenanspruch der E ab dem nach der Statistik zu erwartenden Todesjahr des V ergebe einen Kapitalwert von 3.981.088 DM.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 6 und 14 BewG und des in § 11 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) bestimmten Stichtagsprinzips. Die aufschiebend bedingte Rentenverpflichtung schmälere die Bereicherung der Klägerin zunächst nicht und sei daher bei der Berechnung der Schenkungsteuer (noch) nicht zu berücksichtigen. Die Klägerin müsse sich zudem an der im Schenkungsvertrag vereinbarten Methode zur Bestimmung des Kapitalwertes der Renten (Berechnung nach Anlage 9 zu § 14 BewG) festhalten lassen. Jedenfalls könne zur Berücksichtigung der gestiegenen mittleren Lebenserwartung nicht die o.a. Tabelle 2 angewendet werden.

Während des Revisionsverfahrens erließ das FG den geänderten Schenkungsteuerbescheid vom 6. Januar 2006, mit dem es die Steuer trotz geringfügig abweichender Besteuerungsgrundlagen in unveränderter Höhe festsetzte und die Steuerfestsetzung im Hinblick auf das beim Bundesfinanzhof (BFH) anhängige Revisionsverfahren II R 61/99 zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG in vollem Umfang für vorläufig erklärte.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des FG gegenstandslos geworden (BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 30/04, BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274, m.w.N.).

Die Vorentscheidung kann auch aus materiell-rechtlichen Gründen keinen Bestand haben. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass bei der Berechnung der Steuer der aufschiebend bedingte Rentenanspruch der E zu berücksichtigen sei, und ferner den für die Rentenzahlungspflicht gegenüber V anzusetzenden Verkehrswert unzutreffend ermittelt. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Da der Verkehrswert des auf die Klägerin übertragenen Kommanditanteils unabhängig von der Berechnungsmethode erheblich höher als der Verkehrswert der von ihr gegenüber V und E übernommenen Verpflichtungen zu Rentenzahlungen ist, wie den Vertragsbeteiligten auch bewusst war, und daher kein entgeltliches Austauschverhältnis mit wertmäßig in etwa ausgewogenen Gegenleistungen vorliegt, haben die Beteiligten und das FG zutreffend das Vorliegen einer gemischten Schenkung angenommen.

2. Bei der gemischten Schenkung unterliegt der Schenkungsteuer nur der (unselbständige) freigebige Teil der Zuwendung. Dieser Teil ist die Bereicherung i.S. von § 10 Abs. 1 Satz 1 ErbStG und bestimmt sich nach dem Verhältnis des Verkehrswerts der Bereicherung des Bedachten zum Verkehrswert der Leistung des Schenkers (BFH-Urteile vom 14. Juli 1982 II R 125/79, BFHE 136, 303, BStBl II 1982, 714; vom 12. April 1989 II R 37/87, BFHE 156, 244, BStBl II 1989, 524; vom 23. Oktober 2002 II R 71/00, BFHE 200, 402, BStBl II 2003, 162; vom 24. November 2005 II R 11/04, BFH/NV 2006, 744). Die Gegenleistungen des Bedachten sind danach entsprechend ihrem Anteil am Verkehrswert der Leistung des Schenkers von deren Steuerwert abzuziehen (BFH-Urteile vom 17. Oktober 2001 II R 72/99, BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25; in BFH/NV 2006, 744).

Unter einer aufschiebenden Bedingung (§ 158 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) stehende Gegenleistungspflichten des Bedachten sind bei dieser Berechnung nur zu berücksichtigen, soweit sie bei der Steuerfestsetzung oder während eines dagegen gerichteten Rechtsbehelfsverfahrens bereits infolge Bedingungseintritts entstanden sind. Dies ergibt sich aus § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG, wonach als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung unter Lebenden gilt, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird, sowie aus § 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. § 6 Abs. 1 und 2 und § 5 Abs. 2 BewG. Bei §§ 5 ff. BewG handelt es sich nicht nur um Vorschriften zur Ermittlung des Steuerwerts eines Gegenstandes. Sie enthalten vielmehr auch Regelungen mit lediglich stichtagsdurchbrechender Wirkung, die darauf abzielen, Ereignisse erst dann zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich eingetreten sind. Dies berührt nicht die Frage der Ermittlung des "Wie" der Bewertung, d.h. des hier zugrunde zu legenden Verkehrswerts der Beschenktenleistung, sondern beschränkt nur das "Was" der Bewertung, d.h. den zu bewertenden Gegenstand. Danach ist der gemeine Wert der tatsächlichen und nicht der auf einen bestimmten Stichtag prognostizierten Belastung steuerrechtlich maßgebend.

Die Anwendung des § 6 Abs. 2 BewG ist bei der Ermittlung des Verkehrswerts der Beschenktenleistung nicht ausgeschlossen (so im Ergebnis BFH-Urteile vom 7. Juni 1989 II R 183/85, BFHE 157, 440, BStBl II 1989, 814, und vom 17. Oktober 2001 II R 60/99, BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165; BFH-Beschlüsse vom 20. September 2000 II B 109/99, BFH/NV 2001, 455, und vom 6. Dezember 2000 II B 161/99, BFH/NV 2001, 781). Kann der Eintritt einer aufschiebenden Bedingung nicht mehr bei der Steuerfestsetzung oder in einem Rechtsbehelfsverfahren berücksichtigt werden, ist die Steuerfestsetzung nach Maßgabe des § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG zu berichtigen. Bei dem Bedingungseintritt handelt es sich um ein rückwirkendes Ereignis i.S. von § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung - AO 1977 - (BFH-Urteil in BFHE 157, 440, BStBl II 1989, 814; Halaczinsky in Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, § 6 Anm. 5 i.V.m. § 5 Anm. 4).

Soweit sich aus dem BFH-Urteil in BFHE 196, 296, BStBl II 2002, 25 etwas anderes ergeben sollte, hält der Senat daran nicht mehr fest.

Da die Nichtberücksichtigung aufschiebend bedingter Verpflichtungen vor Bedingungseintritt auf eigenständigen Regelungen des Bewertungs- und Schenkungsteuerrechts beruht, kann die Rechtsprechung des BFH (Urteil vom 2. Mai 2001 VIII R 64/93, BFH/NV 2002, 10, unter 3. b, m.w.N.), wonach es für die Bestimmung der auch ertragsteuerrechtlich maßgebenden Anschaffungskosten i.S. des § 255 des Handelsgesetzbuches (HGB) unerheblich ist, ob der Erwerber eines Vermögensgegenstandes als Gegenleistung dem Veräußerer und einer dritten Person eine Rente zusagt, die sich nach dem Tod des Veräußerers ermäßigt, oder ob der ermäßigte Anspruch der dritten Person erst mit dem Tod des Veräußerers entsteht, nicht für die schenkungsteuerrechtliche Beurteilung der gemischten Schenkung übernommen werden.

3. Das FA kann bei der Festsetzung der Schenkungsteuer für eine gemischte Schenkung aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung eine Rentenverpflichtung des Bedachten mit dem sich aus § 14 Abs. 1 BewG i.V.m. der Anlage 9 zu § 14 BewG ergebenden Kapitalwert ansetzen, wenn nicht der Steuerpflichtige den Ansatz des Verkehrswerts verlangt. Der Verkehrswert entspricht dem Betrag, der auf der Grundlage der bei Rentenbeginn maßgebenden (Abgekürzten) Sterbetafel des Statistischen Bundesamtes für die Begründung eines den getroffenen Vereinbarungen entsprechenden Rentenanspruchs zugunsten des Schenkers oder der vertraglich bestimmten Person an ein Lebensversicherungsunternehmen entrichtet werden müsste. Vereinbarte Wertsicherungsklauseln sind dabei nur zu berücksichtigen, soweit Änderungen der Rentenhöhe bis zur Steuerfestsetzung oder während eines Rechtsbehelfsverfahrens eingetreten sind (§ 12 Abs. 1 ErbStG i.V.m. §§ 6 und 5 Abs. 2 BewG). Spätere Änderungen der Rentenhöhe führen nach § 6 Abs. 2 i.V.m. § 5 Abs. 2 BewG und § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO 1977 zu einer entsprechenden Berichtigung des Schenkungsteuerbescheids.

4. Die nicht spruchreife Sache geht zur Feststellung des Verkehrswerts der Rentenverpflichtung gegenüber V an das FG zurück. Das FG wird dazu ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen haben. Der Rentenanspruch der E kann erst nach dem Ableben von V berücksichtigt werden.