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BFH-Urteil vom 10.5.2006 (II R 71/04) BStBl. 2006 II S. 602

Die für den Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in Anspruch genommenen Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG fallen mit Wirkung für die Vergangenheit weg, wenn die Kapitalgesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb auf eine Personengesellschaft verschmolzen wird.

ErbStG § 13a; GG Art. 20 Abs. 2 und 3.

Vorinstanz: FG Münster vom 14. Oktober 2004 3 K 901/02 Erb (EFG 2005, 292)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) erhielt von seinem Vater (V) mit Wirkung zum 1. April 1998 dessen Geschäftsanteile am Stammkapital der B GmbH - GmbH - (insgesamt 47,5 v.H.) und einer weiteren GmbH sowie dessen Beteiligung an der B GmbH & Co. KG (KG) unentgeltlich übertragen. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte bei der Festsetzung der Schenkungsteuer in Höhe von 284.940 DM den Freibetrag von 500.000 DM gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der damals geltenden Fassung (ErbStG) und den verminderten Wertansatz nach § 13a Abs. 2 ErbStG.

Mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. August 2000 übertrug die GmbH ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Ausschluss der Abwicklung auf die KG im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme gegen Gewährung eines höheren Kommanditanteils an die Gesellschafter der GmbH. Ein Abfindungsangebot gemäß § 29 des Umwandlungsgesetzes (UmwG) entfiel wegen der übereinstimmenden Beteiligungsverhältnisse in beiden Gesellschaften.

Das FA nahm an, aufgrund dieser Verschmelzung sei der verminderte Wertansatz (§ 13a Abs. 2 ErbStG) für den Erwerb der Anteile an der GmbH nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG für die Vergangenheit weggefallen, und erhöhte die Schenkungsteuer entsprechend. Der Freibetrag von 500.000 DM nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG war durch die Übertragung der anderen Gesellschaftsbeteiligungen durch V ausgeschöpft. Der Einspruch blieb erfolglos.

Während des Klageverfahrens setzte das FA die Steuer aufgrund eines geänderten steuerpflichtigen Erwerbs geringfügig herab (Änderungsbescheid vom 14. Oktober 2004) und erklärte die Steuerfestsetzung gemäß § 165 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) für vorläufig wegen der Frage der Verfassungsmäßigkeit des ErbStG.

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Wiedererlangung des Wertabschlags gerichteten Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 292 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, nach dem Wortlaut des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG entfielen zwar die Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG für den Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft u.a. bei der Übertragung von deren Vermögen auf eine Personengesellschaft durch Verschmelzung. Die Anwendung der Vorschrift müsse aber aus verfassungsrechtlichen Gründen auf die Fälle beschränkt werden, in denen der Anteilsinhaber gegen Abfindung nach § 29 UmwG aus der übernehmenden Personengesellschaft ausscheide.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG. Das Fortbestehen der Beteiligung des Klägers an der KG könne die weitere Berücksichtigung des verminderten Wertansatzes für den Erwerb der Anteile an der GmbH nicht rechtfertigen.

Während des Revisionsverfahrens erhöhte das FA mit Bescheid vom 23. März 2006 den zu berücksichtigenden Anrechnungsbetrag für Vorschenkungen im Hinblick auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 2. März 2005 II R 43/03 (BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728) und setzte dementsprechend die Schenkungsteuer von 190.928 € (373.423 DM) auf 186.428 € (364.623 DM) herab.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision führt bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen zur Aufhebung der Vorentscheidung. Da während des Revisionsverfahrens ein Änderungsbescheid ergangen ist, ist das Urteil des FG gegenstandslos geworden (BFH-Urteile vom 10. November 2004 XI R 30/04, BFHE 208, 194, BStBl II 2005, 274, m.w.N.; vom 18. Januar 2006 II R 64/04, BFH/NV 2006, 948, und vom 14. Februar 2006 VIII R 40/03, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2006, 741). Der Senat entscheidet über die Klage gegen den gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum Gegenstand des Revisionsverfahrens gewordenen Schenkungsteuerbescheid vom 23. März 2006. Einer Zurückverweisung nach § 127 FGO bedarf es nicht, weil sich durch den Änderungsbescheid der Streitstoff nicht verändert hat.

1. Die Klage ist unbegründet. Das FA hat aufgrund der Übertragung des Vermögens der GmbH auf die KG im Wege der Verschmelzung zu Recht rückwirkend den verminderten Wertansatz nach § 13a Abs. 2 ErbStG für den Erwerb der Anteile an der GmbH nicht mehr gewährt und die Schenkungsteuer entsprechend erhöht.

a) Der Freibetrag oder Freibetragsanteil (§ 13a Abs. 1 ErbStG) und der verminderte Wertansatz (§ 13a Abs. 2 ErbStG) fallen bei einem nach § 13a Abs. 4 Nr. 3 ErbStG begünstigten Erwerb von Anteilen an einer Kapitalgesellschaft nach der Grundregel des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 1 Halbsatz 1 ErbStG mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb solche Anteile ganz oder teilweise veräußert. Gleiches gilt nach § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 3 ErbStG u.a. dann, wenn Vermögen der Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, eine natürliche Person oder eine andere Körperschaft (§§ 3 bis 16 des Umwandlungssteuergesetzes - UmwStG -) übertragen wird. Von diesen Vorschriften wird u.a. die - vorliegend gegebene - Verschmelzung einer GmbH unter Auflösung ohne Abwicklung im Wege der Aufnahme durch Übertragung von deren Vermögen als Ganzes auf eine bestehende Personengesellschaft erfasst (§ 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Nr. 1, § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 und Abs. 4, §§ 4 bis 35, §§ 39 bis 45, §§ 46 bis 52 UmwG, § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. §§ 3 bis 10 UmwStG).

b) Der Anwendungsbereich des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 3 ErbStG lässt sich entgegen der Auffassung des FG nicht auf Fälle beschränken, in denen ein Anteilsinhaber der übertragenden Kapitalgesellschaft von einem Abfindungsangebot nach § 29 UmwG Gebrauch macht. Der klare und eindeutige Wortlaut der Vorschrift gibt keinerlei Anhaltspunkt für eine solche einschränkende Auslegung. Die Vorschrift knüpft allein daran an, dass das Vermögen der Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft, eine natürliche Person oder eine andere Körperschaft übertragen wird. Die Erforderlichkeit einer - unmittelbaren oder mittelbaren - Verteilung des Vermögens der Kapitalgesellschaft an die Gesellschafter, etwa durch Barabfindung, als tatbestandsmäßige Voraussetzung ist der Vorschrift nicht zu entnehmen. Dies ergibt sich insbesondere daraus, dass der Gesetzgeber ein solches Erfordernis in der zweiten Alternative des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG ausdrücklich formuliert hat. Er hat dadurch deutlich gemacht, dass er den Unterschied zwischen der Verteilung des Vermögens an die Gesellschafter (zweite Alternative) und der Übertragung des Vermögens auf andere Gesellschaften bzw. natürliche Personen (dritte Alternative) gesehen hat und dieser Differenzierung im Sachverhalt auch normativ gefolgt ist. Die Regelung verletzt daher insoweit auch nicht den allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes - GG -).

Einer Einschränkung des Anwendungsbereichs des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 3 ErbStG steht daher die Gesetzesbindung der Steuerverwaltung und der Rechtsprechung entgegen (Art. 20 Abs. 3 GG und für die Gerichte ergänzend Art. 97 Abs. 1 GG). Die vom FG vorgenommene restriktive Auslegung des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 ErbStG ist im Übrigen nicht geeignet, die vom Gesetz geforderte Bindung des begünstigt erworbenen Vermögens in der Hand des Erwerbers innerhalb der Frist von fünf Jahren nach dem Erwerb zu gewährleisten.

Um diese Vermögensbindung zu erreichen, müssten für die Fälle einer Verschmelzung, bei der der Steuerpflichtige nicht nach § 29 UmwG gegen Abfindung aus der aufnehmenden Personengesellschaft ausscheidet, auf diese Gesellschaft bezogene Nachversteuerungsregelungen getroffen werden. Zum Erlass derartiger nach Sinn und Zweck des Gesetzes zwingend erforderlicher Vorschriften, die eine Vielzahl schwieriger Abgrenzungsprobleme betreffen würden, ist nach der in Art. 20 Abs. 2 Satz 2 GG (Gewaltenteilung) getroffenen Zuständigkeitsverteilung ausschließlich der Gesetzgeber berechtigt. Die Verwaltung und die Rechtsprechung dürfen sich nicht an seine Stelle setzen.

c) Die Regelung des § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alternative 3 ErbStG verletzt auch nicht mit Blick auf § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Gemäß § 13a Abs. 5 Nr. 1 Satz 2 ErbStG führt zwar eine Sacheinlage (§ 20 Abs. 1 UmwStG) aus dem Betriebsvermögen i.S. des § 13a Abs. 4 ErbStG in eine Kapitalgesellschaft, worunter auch die Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft zu verstehen ist (Blümich/Klingberg, § 20 UmwStG Rz. 27 f.), für sich genommen nicht zum rückwirkenden Wegfall der Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG; vielmehr setzt die Nachversteuerung zusätzlich eine Veräußerung der durch die Sacheinlage erworbenen Anteile an der Kapitalgesellschaft innerhalb der Behaltensfrist von fünf Jahren nach dem begünstigten Erwerb der Beteiligung an der Personengesellschaft voraus. Der Gesetzgeber war aber dadurch nicht von Verfassungs wegen gezwungen, eine vergleichbare Regelung für die Verschmelzung einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft zu treffen. Bei der Verschmelzung einer Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft einerseits und einer Kapitalgesellschaft auf eine Personengesellschaft andererseits handelt es sich nämlich um unterschiedliche Sachverhalte, die auch verschieden behandelt werden dürfen. Die Einbeziehung des Erwerbs von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an einer Kapitalgesellschaft in die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG unter den in Abs. 4 Nr. 3 der Vorschrift geregelten Voraussetzungen ist verfassungsrechtlich zumindest fragwürdig, da die durch den Anteilserwerb ausgelösten Belastungen des Erwerbers mit Erbschaft- oder Schenkungsteuer den Bestand des Betriebs der Kapitalgesellschaft allgemein nicht gleichermaßen berühren, wie dies beim Erwerb von Betriebsvermögen i.S. des Abs. 4 Nr. 1 der Vorschrift der Fall ist (BFH-Urteil vom 16. Februar 2005 II R 6/02, BFHE 208, 444, BStBl II 2005, 411, unter Hinweis auf den BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99, BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598, 609). Im Hinblick darauf besteht auch aus verfassungsrechtlicher Sicht kein Anlass, die Begünstigung der Übertragung von im Privatvermögen gehaltenen Anteilen an Kapitalgesellschaften über den vom Gesetzgeber klar und eindeutig gezogenen Rahmen hinaus weiter auszudehnen.

d) Eine Auslegung gegen den Wortlaut des Gesetzes kommt aus diesen Gründen auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Sinnwidrigkeit des Ergebnisses in Betracht (vgl. BFH-Urteile in BFHE 208, 444, BStBl II 2005, 411; vom 2. Juni 2005 III R 15/04, BFHE 210, 141, BStBl II 2005, 828, und vom 26. Januar 2006 III R 51/05, DStR 2006, 747).

2. Die Kostenentscheidung beruht hinsichtlich der bis zum Erlass des Änderungsbescheids vom 23. März 2006 angefallenen Kosten des gesamten Verfahrens auf § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO und im Übrigen auf § 135 Abs. 1 FGO. Eine nach verschiedenen Zeitabschnitten getrennte Kostenentscheidung ist zulässig (BFH-Urteile vom 18. Mai 2004 IX R 42/01, BFH/NV 2005, 168, m.w.N., und in DStR 2006, 741).