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BFH-Urteil vom 15.3.2006 (II R 28/04) BStBl. 2006 II S. 630

Ein Leasingvertrag begründet keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG, wenn dem Leasingnehmer lediglich des Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.

GrEStG § 1 Abs. 2, § 9 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Köln vom 25. Juni 2003 5 K 6705/00 (EFG 2004, 1787)

Sachverhalt

I.

Am 14. Dezember 1998 schloss die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) mit einer Wirtschaftsförderungsgesellschaft GmbH (WFG), deren Gesellschafter kommunale Gebietskörperschaften sind, einen "Public-Leasing-Vertrag" (Leasing-Vertrag). Durch diesen Vertrag verpflichtete sich die WFG, auf einem Grundstück, das sie am gleichen Tag erworben hatte, nach den Wünschen und Vorstellungen der Klägerin gewerblich nutzbare Gebäude (Leasingobjekt) zu errichten, und zwar ausgehend von einer voraussichtlichen Gesamtinvestitionssumme in Höhe von netto ca. 2.200.000 DM. Während der - ohne Verlängerungsoption - vereinbarten Leasingdauer von 15 Jahren hatte die WFG der Klägerin das Leasingobjekt zur uneingeschränkten, durch Kündigung nicht entziehbaren Nutzung zu überlassen. Die Klägerin sollte sowohl hinsichtlich des Grundstücks als auch hinsichtlich der Gebäude wirtschaftliche Eigentümerin mit allen damit verbundenen Rechten und Pflichten werden.

Der Berechnung der Leasingraten während der Vertragslaufzeit wurde eine 65%ige Tilgung der Leasingsumme zu Grunde gelegt (Teilamortisation). Nach dem Vertrag hatte die Klägerin der WFG eine Sonderzahlung in Höhe von 3,5 % der Investitionssumme und bis zur Übergabe des Gebäudes eine sog. Vormiete zu leisten. Von dem auf die Übergabe des Leasingobjekts folgenden Monat an war nachschlüssig eine Leasingrate zu entrichten. Die monatliche Leasingrate errechnete sich nach Maßgabe der Refinanzierungskonditionen der WFG zuzüglich eines Gewinn- und Risikoaufschlages. Für die Berechnung der Vormiete und der Leasingraten sollten die Gesamtinvestitionskosten maßgeblich sein. Hierzu zählten sämtliche nachweisbaren aktivierungsfähigen Bruttoanschaffungs- und Herstellungskosten einschließlich Erwerbsnebenkosten, öffentliche Gebühren, Versicherungsbeiträge, die Zwischenfinanzierungskosten, die Bereitstellungsgebühren, die Kosten für die Beseitigung von Bodenverunreinigungen, Altlasten oder Kampfmitteln, die von der WFG zu zahlende Grunderwerbsteuer sowie alle Vorleistungen für das Grundstück, unabhängig davon, wann sie entstanden sind, sowie alle Kosten für behördliche Dienstleistungen für den Vertrag abzüglich der öffentlichen Zuschüsse.

Der Klägerin wurde das Recht eingeräumt, sechs Monate vor Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt zum Preis von 35 % der Gesamtinvestitionskosten verlangen zu können (Ankaufsrecht). Das Recht sollte auch von einem von der Klägerin zu benennenden Dritten ausgeübt werden können. Zur Sicherung des bedingten Anspruchs auf Eigentumsübertragung war eine Eigentumsvormerkung an rangbereiter Stelle ins Grundbuch einzutragen.

Durch Bescheid vom 9. Juni 1999 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen die Klägerin durch Schätzung auf der Grundlage der geplanten Gesamtinvestitionskosten von 2.200.000 DM Grunderwerbsteuer in Höhe von 77.000 DM zunächst vorläufig und mit Einspruchsbescheid vom 26. September 2000 endgültig fest.

Der hiergegen eingelegten Klage gab das Finanzgericht (FG) mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 1787 veröffentlichten Urteil im Wesentlichen mit der Begründung statt, der Klägerin sei keine einem Eigentümer wirtschaftlich vergleichbare Stellung, sondern lediglich ein Nutzungsrecht eingeräumt worden. Dies folge insbesondere daraus, dass der Klägerin lediglich ein Ankaufsrecht in der Form eines Rechts auf Abschluss eines Kaufvertrages zum Ablauf des Leasingvertrages zustehe.

Mit der Revision beantragt das FA, das Urteil aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen. Hilfsweise beantragt es, die Sache an das FG zurückzuverweisen, damit dieses Feststellungen zur zutreffenden Höhe der Bemessungsgrundlage treffen kann.

Die Klägerin hat sich nicht geäußert.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass ein Leasingvertrag eine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht begründet, wenn dem Leasingnehmer lediglich das Recht eingeräumt wird, zum Ablauf des Leasingvertrages den Abschluss eines Kaufvertrages über das Leasingobjekt mit dem Leasinggeber (zu einem feststehenden Kaufpreis) herbeizuführen.

a) Nach § 1 Abs. 2 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer auch Rechtsvorgänge, die es ohne Begründung eines Anspruchs auf Übereignung einem anderen rechtlich oder wirtschaftlich ermöglichen, ein inländisches Grundstück auf eigene Rechnung zu verwerten. Dieser Tatbestand ist dann erfüllt, wenn es einem Dritten (Nichtgrundstückseigentümer) ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. dass er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zugunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken. Dabei ist es nicht erforderlich, dass dem Dritten jeweils alle für das juristische Eigentum charakteristischen Rechte übertragen werden (vgl. jeweils m.w.N. BFH-Urteile vom 5. Februar 2003 II R 15/01, BFH/NV 2003, 818; vom 30. September 1998 II R 13/96, BFH/NV 1999, 666; vom 17. Januar 1996 II R 47/93, BFH/NV 1996, 579).

Der Erwerb der Verwertungsbefugnis setzt regelmäßig voraus, dass der Berechtigte nicht nur besitz- und nutzungsberechtigt, sondern auch an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt ist, dass er an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach soll teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz soll angreifen können. Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen die Verwertungsbefugnis hervorgeht, müssen gleichzeitig und in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise bestehen (BFH-Urteil vom 27. Januar 1965 II 60/60 U, BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265).

b) Durch das der Klägerin vertraglich eingeräumte Recht, den Abschluss eines Kaufvertrags und damit - grundbuchmäßig abgesichert - die Übereignungspflicht herbeizuführen, war die Klägerin zu dem für die Ausübung des Ankaufsrechts vorgesehenen Zeitpunkt zwar in der Lage, über das Grundstück zu verfügen (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; vom 12. Dezember 1973 II R 29/69, BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Hiergegen spricht entgegen der Auffassung des FG nicht, dass die Klägerin ggf. auf Abschluss des Kaufvertrages klagen müsste; denn der wirtschaftliche Gehalt des Leasingvertrages ist nicht nach den Folgen seiner Nichtbeachtung, sondern denen seiner Beachtung, also nach vertragsgemäßem Handeln zu beurteilen. Soweit das FG in diesem Zusammenhang einen unmittelbaren Übereignungsanspruch der Klägerin für erforderlich hält, verkennt es, dass bei einem solchen im Leasingvertrag schon begründeten, unmittelbaren Übereignungsanspruch nicht mehr vom Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG, sondern des § 1 Abs. 1 GrEStG auszugehen wäre (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579, und vom 3. Dezember 1975 II R 122/70, BFHE 118, 89, BStBl II 1976, 299).

Die Klägerin hatte aber trotz dieses Ankaufsrechts keine Verwertungsbefugnis i.S. des § 1 Abs. 2 GrEStG. Sie war nicht an der Substanz des Grundstücks in dem Sinne beteiligt, dass sie an der ganzen Substanz des Grundstücks seinem Wert nach sollte teilhaben, gegebenenfalls also auch die Substanz sollte angreifen können. Sie war nicht in der Lage, die Verwertung des Grundstücks selbst herbeizuführen und damit das Grundstück letztlich nach eigenem Belieben zu verwerten (vgl. BFH-Urteil vom 10. März 1999 II R 35/97, BFHE 188, 444, BStBl II 1999, 491). Eine solche Verwertungsmöglichkeit hat der BFH insbesondere dann angenommen, wenn der Leasingnehmer jederzeit die Übereignung des Grundstücks herbeiführen und sich dadurch den etwaigen Wertzuwachs des Grundstücks verschaffen kann (vgl. BFH-Urteile in BFH/NV 2003, 818; in BFH/NV 1996, 579; in BFHE 111, 360, BStBl II 1974, 251). Kann der Leasingnehmer dagegen - wie im Streitfall - die Übereignungsverpflichtung erst zum Ablauf des Leasingvertrages herbeiführen, besteht diese Verwertungsmöglichkeit nicht (ebenso Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Anm. 75). Die Einwirkungsmöglichkeiten, aus denen sich die Verwertungsbefugnis ergibt, bestehen in einem solchen Fall nicht gleichzeitig, sondern folgen zeitlich aufeinander (vgl. BFH-Urteil in BFHE 82, 51, BStBl III 1965, 265). Auf die ertragsteuerliche Zuordnung des Leasingobjektes (vgl. Bundesminister der Finanzen - BMF - vom 23. Dezember 1991 IV B 2 -S 2170- 115/91, BStBl I 1992, 13 - Ertragsteuerliche Behandlung von Teilamortisations-Leasing-Verträgen über unbewegliche Wirtschaftsgüter -) kann hierbei für die Grunderwerbsteuer nicht abgestellt werden (vgl. m.w.N. Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 15. Aufl. 2002, § 1 Anm. 688).

c) Da der Klägerin eine Verwertungsbefugnis nicht zukam, hat das FG im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Leasingvertrag im Streitfall die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG nicht erfüllt. Der Grunderwerbsteuer unterliegt vielmehr erst der durch Ausübung des Ankaufsrechts herbeigeführte Kaufvertrag (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG).

Bei der Ermittlung der Gegenleistung für diesen Erwerb können neben dem vereinbarten Kaufpreis auch Teile des Nutzungsentgelts (Leasingsraten) als "sonstige Leistung" i.S. von § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG berücksichtigt werden, soweit dieses Nutzungsentgelt den Rahmen der Angemessenheit und Verkehrsüblichkeit übersteigt und als Vorauszahlung auf den Kaufpreis im Zusammenhang mit dem Erwerb des Grundstücks anzusehen ist. Denn für die Annahme, dass die Leasingraten auch Vorauszahlungen auf die Substanz des Leasingobjekts enthalten, spricht der Umstand, dass die Höhe des vereinbarten Nutzungsentgelts von der Höhe der Gesamtherstellungskosten abhängig ist.