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BFH-Beschluss vom 13.9.2006 (II R 5/05) BStBl. 2006 II S. 921

Das BMF wird aufgefordert, dem Verfahren beizutreten. Der Streitfall betrifft die Frage, ob ein Grundsteuererlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG nur bei atypischen und vorübergehenden Ertragsminderungen in Betracht kommt oder auch strukturell bedingte Ertragsminderungen von nicht nur vorübergehender Natur erfassen kann.

GrStG § 33 Abs. 1; BewG § 79 Abs. 1 und 2.

Vorinstanz: FG Berlin vom 26. Februar 2003 2 K 2331/00

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine vermögensverwaltende Immobilien-KG, erstellte 1994 auf einem eigenen Grundstück in Berlin nach einer vorausgegangenen Markt- und Standortanalyse ein Bürogebäude, das zur vollständigen Vermietung an verschiedene Mieter bestimmt war. Das Gebäude weist eine Bürofläche von 22.257 qm, Lagerräume von 461 qm und eine Tiefgarage mit 320 Stellplätzen auf. Das Grundstück ist zum 1. Januar 1995 im Ertragswertverfahren als Geschäftsgrundstück bewertet worden. Eine ursprünglich zusätzliche Feststellung, wonach es sich um ein Betriebsgrundstück handele, ist auf einen Einspruch der Klägerin hin aufgehoben worden. Der Grundsteuermessbetrag ist zum 1. Januar 1995 auf ... DM festgesetzt worden. Dies ergab für 1998 eine Grundsteuer von ... DM, die gemäß § 27 Abs. 3 des Grundsteuergesetzes (GrStG) durch öffentliche Bekanntmachung festgesetzt wurde.

Im März 1999 beantragte die Klägerin, die Grundsteuer 1998 gemäß § 33 Abs. 1 GrStG in Höhe von 32,09 v.H., nämlich in Höhe eines Teilbetrages von ... DM, zu erlassen, da das Gebäude teilweise leer stehe und die Mieten für die vermieteten Flächen hinter der ortsüblichen Miete weit zurückblieben. Den zu erlassenden Steueranteil hatte die Klägerin auf der Grundlage einer üblichen Miete von 25 DM/qm für die Büroräume, 10 DM/qm für die Lagerräume und 150 DM für die Stellplätze wie folgt berechnet:

25 DM x 22.257 x 12 =

6.677.100 DM

 

10 DM x 461 x 12 =

   55.320 DM

 

150 DM x 320 x 12 =

  576.000 DM

 

 

7.308.420 DM

(100,00 v.H.)

./. erzielte Jahresmiete

4.377.075 DM

(59,79 v.H.)

Ertragsminderung

2.931.345 DM

(40,11 v.H.)

2. 4/5 von 40,11 v.H. ergeben 32,09 v.H.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte einen Erlass mit Verfügung vom 9. Dezember 1999 und Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2000 ab, da die Leerstände und niedrigen Mieten nicht durch atypische Umstände, sondern strukturell bedingt und überdies nicht vorübergehend, sondern von Dauer seien. Außerdem habe die Klägerin nicht nachgewiesen, die Vermietungsobjekte "erheblich unter der üblichen Miete angeboten" zu haben.

Auch die daraufhin erhobene Klage blieb erfolglos. Zur Begründung hatte die Klägerin vorgetragen, trotz umfangreicher Vermietungsbemühungen, bei denen sie die geforderte Miete auf 21 DM/qm herabgesetzt habe, habe sie im Jahr 1998 nur Büromieten von 22 DM/qm erzielen können und seien 8.111 qm (36,44 v.H.) der gesamten Bürofläche sowie 157 Stellplätze (49,06 v.H.) gar nicht zu vermieten gewesen. Der Leerstand habe dabei nicht immer dieselben Räume betroffen.

Das Finanzgericht (FG) nahm an, der normale Rohertrag sei im Wege eines Fremdvergleichs danach zu bestimmen, was andere Objekte vergleichbarer Beschaffenheit erbringen. Dazu bräuchten jedoch keine weiteren Feststellungen getroffen zu werden, weil ein Erlass nur bei atypischen Fallgestaltungen in Betracht komme und eine solche im Streitfall nicht vorliege. Die Klägerin sei von dem gerichtsbekannten Preisverfall auf dem Vermietungsmarkt für Büroräume im Land Berlin infolge eines strukturell bedingten Überangebots nicht in größerem Maß betroffen als andere. Die Versagung des Erlasses stelle auch keinen Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) dar. Die Beschränkung eines Erlasses nach § 33 Abs. 1 GrStG auf atypische Fallgestaltungen diene vielmehr der Wahrung des Gleichbehandlungsgebots. Strukturell bedingte Ertragsminderungen seien Ausdruck der allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnisse und von allen Grundeigentümern solange hinzunehmen, wie ihnen nicht durch eine neue Hauptfeststellung Rechnung getragen werden könne. Im Übrigen habe die Klägerin die Ertragsminderung zu vertreten. Sie habe ihre Gewerberäume zu einer überhöhten Miete von 21 DM/qm angeboten und damit den teilweisen Leerstand selbst verursacht. Angesichts der Aussichtslosigkeit einer Vollvermietung zu diesem Mietpreis sei ihr zuzumuten gewesen, die Mietforderungen auf den Betrag herabzusetzen, den die Mietinteressenten zu bezahlen bereit waren. Bei der als Objektsteuer ausgestalteten Grundsteuer obliege es dem Grundstückseigentümer, "auch den geringstmöglichen Ertrag aus dem Objekt zu erzielen".

Mit der Revision rügt die Klägerin eine fehlerhafte Anwendung des § 33 Abs. 1 GrStG. Das FG habe zu Unrecht angenommen, sie, die Klägerin, habe die Minderung des Rohertrags zu vertreten. Vielmehr sei der teilweise Leerstand nicht zu verhindern gewesen, obwohl sie Mieten von nur noch 21 DM/qm verlangt habe und damit unter der üblichen Miete geblieben sei. Angesichts des Angebotsüberhangs bei Büroräumen hätten sich einfach nicht genügend Mieter gefunden. Im Übrigen setzt sich die Klägerin mit der Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte auseinander, wonach strukturbedingte Mietausfälle für veränderte Wertverhältnisse sprächen, denen erst bei einer neuen Hauptfeststellung Rechnung zu tragen sei. Nach Ansicht der Klägerin könne aber auch eine neue Hauptfeststellung nicht zu einer Grundsteuerentlastung ertragloser Mieträume führen. Dabei käme dem Leerstand im Einzelfall für die Grundsteuerbelastung keine Bedeutung zu, weil auch die mangels Mieternachfrage leer stehenden Räume mit Hilfe eines typisierenden Maßstabs für nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Grundstücke zu bewerten wären, wie sich aus § 79 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes (BewG) ergebe. Die Tatsache, dass Leerstandsflächen ebenso bewertet werden wie vermietete Flächen - nämlich mit der üblichen Miete - verstoße aber gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG. Dies auszugleichen, sei Sinn und Zweck des § 33 Abs. 1 GrStG.

Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung der Vorentscheidung, der Ablehnungsverfügung vom 9. Dezember 1999 sowie der Einspruchsentscheidung vom 3. Juli 2000 das FA zu verpflichten, die Grundsteuer 1998 in Höhe eines Teilbetrages von ... DM zu erlassen.

Das FA ist der Revision entgegengetreten.

Entscheidungsgründe

II.

Die Aufforderung zum Beitritt beruht auf § 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO), weil das Revisionsverfahren II R 5/05 mit der Grundsteuer eine auf Bundesrecht beruhende Abgabe und mit dem GrStG sowie dem BewG eine Rechtsstreitigkeit über Bundesrecht betrifft. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG) zu § 33 GrStG (Urteile vom 3. Mai 1991  8 C 13.89, BStBl II 1992, 580, sowie vom 4. April 2001  11 C 12.00, BVerwGE 114, 132, BStBl II 2002, 889) versagt in Fällen strukturell bedingter Ertragsminderungen von gewisser Dauer einen Grundsteuererlass und verweist die Grundstückseigentümer auf eine neue Hauptfeststellung, die aber zur Zeit gesetzlich ausgesetzt ist. Deswegen empfehlen die Verwaltungsgerichte den Grundstückseigentümern in derartigen Fällen, die der Grundsteuererhebung dienenden Einheitswerte des Grundvermögens auf dem Finanzrechtsweg anzugreifen (so in dem Fall, der dem Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 12. Oktober 2005 II B 106/04, BFH/NV 2006, 253 zugrunde lag) und dort die Verfassungswidrigkeit der Aussetzung einer neuen Hauptfeststellung mit der Folge eines überlangen Hauptfeststellungszeitraums geltend zu machen. Es fragt sich aber, ob nicht erst die Auslegung des § 33 Abs. 1 GrStG durch das BVerwG dazu geführt hat, dass den Steuerpflichtigen in derartigen Fällen - soweit überhaupt - nur durch eine neue Hauptfeststellung geholfen werden kann, und ob nicht bereits durch eine wortlautgerechte oder zumindest durch eine verfassungskonforme Auslegung des § 33 GrStG - beides ginge einer Vorlage nach Art. 100 Abs. 1 GG vor - ein Ergebnis gefunden werden kann, bei dem es auf den Zeitpunkt der nächsten Hauptfeststellung nicht ankommt. Eine derartige Auslegung brauchte lediglich zum ursprünglichen Verständnis dieser Vorschrift (dazu Drosdzol in Kommunale Steuer-Zeitschrift - KStZ - 2001, 183, unter 2. b bb) zurückzufinden. Nach Lage der Dinge wird es dazu der Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes bedürfen.

A. Beurteilung des Streitfalls durch den BFH

1. Ist bei bebauten Grundstücken der normale Rohertrag um mehr als 20 v.H. gemindert und hat der Steuerschuldner die Minderung des Rohertrags nicht zu vertreten, so wird die Grundsteuer gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG in Höhe des Prozentsatzes erlassen, der 4/5 des Prozentsatzes der Minderung entspricht. Unter dem normalen Rohertrag eines bebauten Grundstücks, dessen Wert im Ertragswertverfahren zu ermitteln ist, ist gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG die Jahresrohmiete zu verstehen, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums - d.h. des Kalenderjahres, für das die jahresweise zu erhebende und ggf. zu erlassende Steuer festgesetzt worden ist - maßgebend wäre. Jahresrohmiete wiederum ist gemäß § 79 Abs. 1 BewG das Gesamtentgelt, das der Mieter (Pächter) für die Benutzung des Grundstücks aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Feststellungszeitpunkt für ein Jahr zu entrichten hat. Ist das Grundstück oder sind Teile desselben eigengenutzt, ungenutzt - d.h. auch leer stehend -, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen, gilt gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BewG als Jahresrohmiete die übliche Miete, die gemäß Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift in Anlehnung an die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlte Jahresrohmiete zu schätzen ist. Die übliche Miete gilt gemäß § 79 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG auch dann als Jahresrohmiete, wenn die Räume für eine um mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichende Miete vermietet sind.

a) Damit gibt es zwei mögliche Bezugsgrößen, an denen eine etwaige Ertragsminderung zu messen ist, nämlich zum einen die vereinbarte Jahresrohmiete und zum anderen die übliche Miete, und zwar jeweils vom Beginn des Erlasszeitraums. Dass diese durch § 79 Abs. 1 und 2 BewG vorgegebene Unterscheidung der Bezugsgrößen im Rahmen der Einheitsbewertung des Grundvermögens bei Fortschreibungen oder Nachfeststellungen keine Rolle mehr spielt und stattdessen durchgehend auf die übliche Miete zum Hauptfeststellungszeitpunkt abgestellt wird, ist in der Unmöglichkeit begründet, die tatsächlich erzielten Mieten vom Fortschreibungs- bzw. Nachfeststellungszeitpunkt auf die Mieten nach den Wertverhältnissen vom Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 zurückzurechnen (dazu BFH-Urteil vom 15. Oktober 1986 II R 230/81, BFHE 148, 174, BStBl II 1987, 201, sowie Rössler/Troll, Bewertungsgesetz, Kommentar, Stand Dezember 2005, § 79 Anm. 103). Die Notwendigkeit einer derartigen Rückrechnung entfällt aber bei Anwendung des § 33 GrStG, soweit in dessen Abs. 1 Satz 3 der Beginn des Erlasszeitraums als Hauptfeststellungszeitpunkt fingiert wird.

b) Diese unterschiedlich definierten Jahresrohmieten für tatsächlich vermietete Räume einerseits und leer stehende Räume andererseits führen zu unterschiedlichen Bezugsgrößen für die Berechnung des Ausmaßes einer Ertragsminderung. Hat der Grundstückseigentümer zu Beginn des Erlasszeitraums einer schwachen Mieternachfrage bereits durch geringere Mietforderungen Rechnung getragen und auf diese Weise einen Teil seiner Räumlichkeiten vermieten können, ohne mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abgewichen zu sein, bilden die tatsächlich vereinbarten Mieten für diese Räume die Bezugsgröße, so dass nur noch Veränderungen der tatsächlich vereinnahmten Mieten (Abschn. 40 Abs. 4 der Grundsteuer-Richtlinien 1978 - GrStR -) während des Erlasszeitraums von Bedeutung seien können und die erforderliche mehr als 20%ige Ertragsminderung an der ohnehin schon geminderten Bezugsgröße zu messen ist.

Geht es um eine Ertragsminderung wegen leer stehender Räume, und zwar wegen solcher, die bereits zu Beginn des Erlasszeitraums leer gestanden haben, bildet die übliche Miete die Bezugsgröße. Die übliche Miete zu Beginn des Erlasszeitraums ist aber nicht die Durchschnittsmiete, die für die vermieteten Teile vereinbart werden konnte, sondern eine in Anlehnung an die Miete für Räume gleicher Art, Lage und Ausstattung zu schätzende Miete. In Zeiten mangelnder Nachfrage und infolgedessen nachgebender Mieten treffen aber noch zu besseren Zeiten gezahlte Mieten für vergleichbare Räume in schon länger vorhandenen Gebäuden mit geringeren Mieten für neu auf den Markt gekommene Objekte zusammen. Beide Mieten gehen in die gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 79 Abs. 2 BewG auf den Beginn des Erlasszeitraums zu schätzende übliche Miete für vergleichbare Räume ein. Dies kann zu einer höheren Bezugsgröße als derjenigen führen, die sich aus den zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarten Mieten für die vermieteten Teile eines neu auf den Markt gekommenen (Büro-)Gebäudes ergibt, sofern diese Mieten nicht mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichen.

Daraus folgt zum einen, dass leer stehende Räume, für die die übliche Miete die Bezugsgröße darstellt, nur solche Räume sein können, die zu Beginn des Erlasszeitraums leer gestanden haben, und zum anderen, dass die nicht mehr als 20 v.H. von der üblichen Miete abweichenden Mieten für zu Beginn des Erlasszeitraums vermietete Räume auch dann die Bezugsgröße bleiben, wenn die Räume im Verlauf des Erlasszeitraums in einen Leerstand übergehen.

c) Diesen solchermaßen bestimmten Bezugsgrößen ist der tatsächlich erzielte Rohertrag gegenüberzustellen (vgl. Abschn. 40 Abs. 1 Satz 1 GrStR 1978, sowie Drosdzol in KStZ 2001, 183). Unterschreitet er die Bezugsgröße um mehr als 20 v.H., hat der Steuerschuldner einen Anspruch auf Grundsteuererlass in der in Abs. 1 Satz 1 der Vorschrift vorgesehenen Höhe, sofern weder der Steuerschuldner die Ertragsminderung zu vertreten hat noch der Ausnahmetatbestand des § 33 Abs. 5 GrStG erfüllt ist (vgl. dazu BFH-Urteil vom 10. August 1988 II R 10/86, BFHE 153, 571, BStBl II 1989, 13). Nach § 33 Abs. 5 GrStG ist eine Ertragsminderung auch dann kein Erlassgrund, wenn sie für den Erlasszeitraum durch Fortschreibung des Einheitswerts berücksichtigt werden kann oder bei einem rechtzeitigen Antrag auf Fortschreibung hätte berücksichtigt werden können.

2. Diesen Grundsätzen entspricht der Erlassantrag der Klägerin nicht, wonach die Ertragsminderung ausschließlich an der üblichen Miete zu Beginn des Erlasszeitraums gemessen werden soll. Der etwa zu erlassende Steuerbetrag lässt sich nicht dergestalt ermitteln, dass zunächst ein nach der üblichen Miete berechneter "Sollertrag" des ganzen Gebäudes als Bezugsgröße festgestellt wird, von dem dann die im Erlasszeitraum tatsächlich erzielten Mieten abgezogen werden. Vielmehr sind zunächst sämtliche Räume des zur Vermietung bestimmten Gebäudes danach zu unterteilen, ob sie zu Beginn des Erlasszeitraums vermietet waren oder leer standen. Nur für letztere Gruppe bildet die übliche Miete die Bezugsgröße. Für die erste Gruppe bemisst sich eine Ertragsminderung an den zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarten Mieten. Da das FG weder zu der Unterteilung der Räume noch zur üblichen Miete auf den 1. Januar 1998 noch zu den an diesem Stichtag tatsächlich vereinbarten Mieten Feststellungen getroffen hat, kann die Vorentscheidung keinen Bestand haben und bedarf es einer Zurückverweisung des Rechtsstreits zur weiteren Sachaufklärung.

a) Sollten die nachzuholenden Feststellungen eine Ertragsminderung von nach § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG rechtserheblichem Ausmaß ergeben, hätte die Klägerin diese nicht aus den vom FG angenommenen Gründen zu vertreten. Das Vertretenmüssen i.S. des § 33 Abs. 1 Satz 1 GrStG bezieht sich allein auf die Minderung des normalen Rohertrags um mehr als 20 v.H., wobei der normale Rohertrag gemäß den vorstehenden Ausführungen zu bestimmen ist. Daher kann den Ausführungen des FG, die Klägerin habe die Ertragsminderung bereits deshalb zu vertreten, weil sie ihre Mietforderungen nicht so weit heruntergeschraubt habe, bis ein Mieter zu finden gewesen sei, nicht gefolgt werden. Dieses Argument lässt sich von vornherein nur im Hinblick auf die leer stehenden Räumlichkeiten anführen. Bezogen auf diese Räumlichkeiten ist es aber mit dem Gesetz nicht vereinbar. Die Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG i.V.m. § 79 Abs. 2 Satz 2 BewG, wonach bei leer stehenden Räumen die übliche Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete für nach Art, Lage und Ausstattung vergleichbare Räumlichkeiten zu schätzen ist, macht für leer stehende Räume diese übliche Miete zum Maßstab einer Ertragsminderung um mehr als 20 v.H. und bestimmt damit zugleich die Ertragsdifferenz, die daraufhin zu überprüfen ist, ob der Steuerpflichtige sie zu vertreten hat. Das schließt ein Abstellen auf die Möglichkeit unbegrenzten Nachgebens bei den geforderten Mieten aus. Mit seiner gegenteiligen Auffassung kann sich das FG auch nicht auf die Entscheidung des BVerwG vom 15. April 1983  8 C 150.81 (Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht - NVwZ - 1984, 309) berufen. Das BVerwG führt in dem Urteil aus, der Gesetzgeber habe mit § 33 GrStG den Grundsatz der Ertragsunabhängigkeit der Grundsteuer durchbrochen, weil in bestimmten Fällen die Einziehung der unverkürzten Steuer für den Abgabepflichtigen nicht mehr zumutbar sei. Von einer die Grenze der Zumutbarkeit überschreitenden Belastung könne aber keine Rede sein, wenn der Steuerpflichtige selbst die Ursache für die Ertragsminderung herbeigeführt oder es unterlassen habe, die Ertragsminderung durch solche geeignete Maßnahmen zu verhindern, die von ihm erwartet werden konnten. Letzteres kann entgegen dem FG nicht dahin verstanden werden, der Grundstückseigentümer müsse seine Mietforderungen so weit herunterschrauben, bis sich ein Mieter findet.

b) Das weitere Hindernis für einen Erlass gemäß § 33 Abs. 1 GrStG, das sich aus Abs. 5 der Vorschrift ergibt, scheidet im Streitfall schon deshalb aus, weil eine Fortschreibung gemäß § 22 Abs. 1 und 2 BewG wegen der Maßgeblichkeit der Wertverhältnisse zum Hauptfeststellungszeitpunkt 1. Januar 1964 eine Änderung der tatsächlichen Verhältnisse voraussetzte, es vorliegend aber nicht um veränderte tatsächliche Verhältnisse, sondern um die Wertverhältnisse geht.

B. Beurteilung des Streitfalls nach der Rechtsprechung des BVerwG

Das BVerwG legt in ständiger Rechtsprechung den § 33 GrStG in einer Weise aus, dass bei sog. strukturell bedingten Ertragsminderungen ein Steuererlass ausgeschlossen ist (Urteile in BStBl II 1992, 580, sowie in BVerwGE 114, 132, BStBl II 2002, 889). Da die von der Klägerin geltend gemachte Ertragsminderung nach den Feststellungen des FG strukturell bedingt ist, scheidet im Streitfall ein Steuererlass gemäß § 33 GrStG nach den vom BVerwG entwickelten Grundsätzen aus.

1. Anknüpfend an § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG, wonach unter normalem Rohertrag die Jahresrohmiete zu verstehen ist, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre, ist das BVerwG der Ansicht, dies stelle eine Verweisung nicht lediglich auf § 79 Abs. 1 und 2 BewG dar, sondern über § 79 BewG auf die Systematik der Grundbesitzbewertung nach dem BewG überhaupt. Diese sei gekennzeichnet durch die Unterscheidung zwischen tatsächlichen Verhältnissen und den Wertverhältnissen. Verfahrensmäßig erfolge die Bewertung im Wege der Hauptfeststellungen nach § 21 BewG und während des Hauptfeststellungszeitraums durch Fortschreibungen nach § 22 BewG bzw. Nachfeststellungen gemäß § 23 BewG. Zu den Hauptfeststellungszeitpunkten würden die Grundstücke nach den jeweiligen tatsächlichen Verhältnissen und Wertverhältnissen bewertet. Zwischen den Hauptfeststellungszeitpunkten - also innerhalb eines Hauptfeststellungszeitraums - bei einem konkreten Grundstück eintretende Veränderungen tatsächlicher Art führten gemäß § 22 BewG zu Fortschreibungen, bei denen aber gemäß § 27 BewG nach wie vor die Wertverhältnisse vom Hauptfeststellungszeitpunkt zugrunde zu legen seien. Letzteres gelte auch für die sog. Nachfeststellungen i.S. des § 23 BewG. Innerhalb des Hauptfeststellungszeitraums eintretende Veränderungen der Wertverhältnisse seien dagegen unbeachtlich und erst bei der nächsten Hauptfeststellung zu berücksichtigen.

Daraus ergebe sich, dass Ertragsminderungen infolge solcher Wertveränderungen, die bei der nächsten Hauptfeststellung zu einem geringeren Einheitswert führen würden, als Erlassgrund ausschieden. Einfluss auf das Wertniveau zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt könnten allerdings nur solche Wertveränderungen haben, die auf den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen beruhten, eine Mehrzahl von Grundstücken beträfen und damit typisch seien. Dazu gehörten die sog. strukturell bedingten Wertminderungen etwa wegen eines Überangebots oder eines Bevölkerungsrückgangs. Außerdem müssten diese Wertveränderungen von einer gewissen Dauer sein, und zwar schon deshalb, um zum nächsten Hauptfeststellungszeitpunkt noch wirksam zu sein. Somit blieben für einen Erlass nach § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG nur solche Ertragsminderungen übrig, die auf atypischen und nur vorübergehenden Veränderungen der Wertverhältnisse beruhten.

Diese Gesetzesauslegung finde eine Stütze in § 33 Abs. 1 Satz 3 GrStG selbst, indem dort von einem "normalen Rohertrag" die Rede sei, sowie in Abs. 5 der Vorschrift, der eine Ertragsminderung als Erlassgrund ausschließe, wenn ihr durch eine Fortschreibung Rechnung getragen werden könne oder bei rechtzeitiger Antragstellung hätte Rechnung getragen werden können. Letzterem sei zu entnehmen, dass der Gesetzgeber überhaupt solche Ertragsminderungen habe ausschließen wollen, deren Ursachen bei einer der drei Arten von Feststellung - nämlich Hauptfeststellung, Fortschreibung und Nachfeststellung - zu berücksichtigen wären.

2. Im Streitfall hat das FG in Übereinstimmung mit den Beteiligten festgestellt, dass die von der Klägerin vorgetragene Ertragsminderung ungeachtet ihrer tatsächlichen Höhe struktureller und damit weder atypischer noch lediglich vorübergehender Natur ist. Dies schließt nach dem Verständnis des BVerwG einen Erlass gemäß § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG aus.

C. Stellungnahme zur Rechtsprechung des BVerwG

Das BVerwG bezieht sich bei seiner Auslegung des § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG auf § 21 Abs. 1 BewG, wonach die Hauptfeststellungen in Zeitabständen von sechs Jahren durchzuführen sind. Bei Ertragsminderungen infolge strukturell bedingter Wertveränderungen sei es dem einzelnen Grundstückseigentümer schon aus Gründen der Gleichmäßigkeit der Besteuerung (Art. 3 Abs. 1 GG) zumutbar, die spätestens in sechs Jahren erfolgende nächste Hauptfeststellung abzuwarten. Nur in bestimmten Ausnahmefällen sei eine wesentliche Ertragsminderung als derart belastend anzusehen, dass die Erhebung der ungeminderten Grundsteuer für den Steuerpflichtigen nicht mehr zumutbar sei (so BVerwG-Urteil in NVwZ 1984, 309, 310). Dies könnten aber nur jene Fälle atypischer und vorübergehender Natur sein.

1. Nun hat aber der Gesetzgeber die nächste Hauptfeststellung dadurch ausgesetzt, dass er zunächst durch Art. 2 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung bewertungsrechtlicher Vorschriften und des Einkommensteuergesetzes vom 22. Juli 1970 (BGBl I, 1118) angeordnet hat, der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung der Einheitswerte des Grundbesitzes werde abweichend von § 21 Abs. 1 BewG durch besonderes Gesetz bestimmt, und sodann ein derartiges Gesetz nicht geschaffen hat. Dadurch geht die Vertröstung der Grundstückseigentümer, deren Ertragsminderung durch strukturell bedingte Wertveränderungen verursacht ist, auf die nächste Hauptfeststellung ins Leere.

2. Das vom BVerwG gefundene Ergebnis ist hervorgerufen durch die Annahme, die Verweisung auf § 79 Abs. 1 und 2 BewG durch § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG beziehe die Systematik der Grundbesitzbewertung gemäß den §§ 21 bis 27 BewG ein. Diese Annahme ist jedoch nicht gerechtfertigt. Ihr steht bereits die Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 GrStG entgegen, wonach der normale Rohertrag die Jahresrohmiete ist, die bei einer Hauptfeststellung auf den Beginn des Erlasszeitraums maßgebend wäre. Damit ist die Erlassregelung des § 33 GrStG insoweit aus der ausgesetzten Abfolge regelmäßig in kürzeren Abständen erfolgender Hauptfeststellungen herausgenommen und stattdessen zu Beginn eines jeden Erlasszeitraums eine auch die Wertverhältnisse erfassende neue Basis gelegt. Diese Basis berücksichtigt bei strukturell bedingten Ertragsminderungen bereits die ertragsmindernd wirkenden Wertverhältnisse, weil diese dämpfend die Bezugsgröße - nämlich die zu Beginn des Erlasszeitraums tatsächlich vereinbarte Miete und insbesondere die übliche Miete - beeinflussen. Gerade die andauernden und strukturell bedingten Wertveränderungen bestimmen somit das Erlassvolumen. Damit ist eine Gesetzesauslegung nicht vereinbar, nach der solche Wertveränderungen im Anwendungsbereich des § 33 Abs. 1 GrStG unbeachtlich sein sollen. Infolgedessen kann § 33 Abs. 1 GrStG auch kein geeigneter Anknüpfungspunkt sein, um die Aussetzung der Hauptfeststellungen auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand zu stellen.

Die gleichwohl durch die Rechtsprechung des BVerwG erfolgte Beschränkung des § 33 Abs. 1 GrStG auf atypische und nur vorübergehende Ertragsminderungen stellt daher eine teleologische Reduktion der Vorschrift dar, die nicht nur nicht geboten ist, sondern gerade diejenigen Steuerpflichtigen um die Steuerentlastung bringt, die besonders auf sie angewiesen sind. Dazu weist die Klägerin zu Recht darauf hin, dass den Eigentümern leer stehender Räume auch mit einer neuen Hauptfeststellung unter Berücksichtigung gesunkener Wertverhältnisse nur geringfügig geholfen wäre, weil dies lediglich eine Minderung der Bezugsgröße der üblichen Miete bewirkte, aber den völligen Einnahmeausfall unberücksichtigt ließe.