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BFH-Beschluss vom 10.10.2006 (VIII B 177/05) BStBl. 2007 II S. 54

Die durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 beschlossene Absenkung des für die Einkommensteuer maßgeblichen Eingangssteuersatzes gibt keine Veranlassung, bei Verfahren wegen gesonderter und einheitlicher Feststellung von Einkünften gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a AO 1977 im Jahre 2001 und 2002 den bislang angewandten Regelsatz von 25 v.H. des streitigen Gewinns oder Verlustes für die Streitwertfeststellung zu ändern.

GKG n.F. § 47 Abs. 3, § 63 Abs. 2 Satz 2.

Sachverhalt

I.

Die Klägerin, Beschwerdeführerin und Antragstellerin (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, erklärte für den Veranlagungszeitraum 2001 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 106.006 DM und für 2002 einen Verlust aus Gewerbebetrieb von 55.276 €. Die negativen Einkünfte 2001 setzen sich aus 97.792 DM für eine Rücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) sowie 8.214 DM für eine Rückstellung der Jahresabschlusskosten zusammen. Für das Jahr 2002 beträgt der Anteil für die Rücklage 47.500 €. Nachdem der Beklagte, Beschwerdegegner und Antragsgegner (das Finanzamt - FA -) die Ansparrücklage nicht anerkannte, legte die Klägerin nach erfolglosem Einspruch Klage ein, welche vom Finanzgericht (FG) zurückgewiesen wurde. Der Kostenbeamte des FG hat den Streitwert nicht festgestellt. Die gegen das Urteil des FG erhobene Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision wurde vom Senat mit Beschluss vom 10. Oktober 2006 VIII B 177/05 als unzulässig verworfen.

Mit Schreiben vom 14. Dezember 2005 beantragte die Klägerin beim Bundesfinanzhof (BFH), den Streitwert festzusetzen. Es bestehe Rechtsschutzbedürfnis für die Stellung eines solchen Antrages, da der Urkundsbeamte des Gerichts des ersten Rechtszuges den Streitwert noch nicht ermittelt habe. Die Höhe des Streitwerts sei zwischen den Beteiligten umstritten. Zudem könne die Höhe nicht aus den Anträgen der Beteiligten ohne weiteres abgelesen werden. Im Übrigen werde für die Abrechnung mit der Rechtsschutzversicherung der Klägerin ein Streitwert benötigt.

Entscheidungsgründe

II.

1. Der Antrag auf Streitwertfestsetzung ist zulässig.

a) Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Satz 1 des Gerichtskostengesetzes (GKG n.F.) i.d.F. des Gesetzes vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718) setzt im finanzgerichtlichen Verfahren das Prozessgericht den Wert des Streitgegenstandes für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, wenn ein Beteiligter dies beantragt. Vorliegend ist davon auszugehen, dass der Prozessbevollmächtigte der Klägerin den Antrag auf gerichtliche Festsetzung des Streitwerts im Namen der Klägerin gestellt hat. Zwar kann gemäß § 32 Abs. 2 Satz 1 des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) vom 5. Mai 2004 (BGBl I 2004, 718, 788) der Prozessbevollmächtigte einen Antrag auf Streitwertfestsetzung auch im eigenen Namen stellen. Der Antragsschrift vom 14. Dezember 2005 kann jedoch eine Antragstellung im eigenen Namen seitens des Prozessbevollmächtigten nicht entnommen werden. Vielmehr wird darin auf die eindeutig im Namen der Klägerin eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde Bezug genommen. Im Schreiben vom 3. Januar 2006 wird das Rechtsschutzbedürfnis für die Antragstellung zudem damit begründet, dass die Klägerin einen Streitwert für die Abrechnung mit ihrer Rechtsschutzversicherung benötige; auch dies spricht für eine Antragstellung im Namen der Klägerin.

b) Das für einen Antrag gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 GKG n.F. erforderliche Rechtsschutzbedürfnis (vgl. BFH-Beschluss vom 20. Oktober 2005 III S 20/05, BFHE 211, 267, BStBl II 2006, 77, m.w.N.) ist deshalb zu bejahen, weil Unsicherheit darüber besteht, ob bei Klagen gegen die gesonderte und einheitliche Feststellung von Einkünften gemäß § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a der Abgabenordnung (AO 1977) die bislang von der Rechtsprechung für die Streitwertfeststellung angewandten pauschalen Sätze von 25 v.H. bis 50 v.H. des streitigen Gewinns oder Verlustes (vgl. BFH-Beschlüsse vom 8. November 1973 IV B 90/70, BFHE 110, 491, BStBl II 1974, 140; vom 17. November 1987 VIII R 346/83, BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287; vom 21. September 1994 VIII E 1/94, BFH/NV 1995, 254) im Hinblick auf die durch das Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/2002 (StEntlG 1999/2000/2002) vom 24. März 1999 beschlossene Absenkung des für die Einkommensteuer maßgeblichen Höchst- und Eingangssteuersatzes fortgelten (vgl. Brandis in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Vor § 135 FGO Tz. 199; Eberl, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2000, 1639).

2. Der Streitwert im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde entspricht gemäß § 47 Abs. 3 GKG n.F. im Regelfall dem voraussichtlichen Streitwert des angestrebten Revisionsverfahrens (vgl. Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., Vor § 135 Rz. 35). Davon ist auch im Streitfall auszugehen, wobei die Weiterverfolgung der erstinstanzlichen Anträge auf Abänderung der Bescheide über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für 2001 und 2002 zugrunde zu legen ist. Bei einer solchen Klagenhäufung sind die Streitwerte der verschiedenen Klagebegehren zusammenzurechnen (§ 39 Abs. 1 GKG n.F.; § 155 der Finanzgerichtsordnung - FGO - i.V.m. § 5 der Zivilprozessordnung - ZPO -; vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 26. November 2002 IV E 2/02, BFH/NV 2003, 338; vom 3. Januar 2000 II E 6/99, BFH/NV 2000, 852).

3. Im Verfahren der einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung bemisst sich der Streitwert nach der typisierten einkommensteuerlichen Bedeutung für die Gesellschafter. Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist diese grundsätzlich mit 25 v.H. des streitigen Gewinns oder Verlustes zu bemessen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. September 2005 IV E 5/05, BFH/NV 2006, 315; vom 28. Februar 2001 VIII E 5/00, BFH/NV 2001, 1035, jeweils m.w.N.). Die tatsächlichen einkommensteuerrechtlichen Auswirkungen bei den einzelnen Gesellschaftern werden nicht ermittelt.

An der pauschalen Ermittlung des Streitwerts ist selbst dann festzuhalten, wenn im Verfahren über die gesonderte und einheitliche Gewinnfeststellung die tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen bei den Feststellungsbeteiligten bekannt geworden sind (BFH-Beschluss vom 27. Mai 2002 XI E 2/02, BFH/NV 2002, 1323). Ausnahmsweise kommt der Ansatz eines höheren Prozentsatzes dann in Betracht, wenn ohne besondere Ermittlungen im Gewinnfeststellungsverfahren erkennbar ist, dass der Pauschalsatz von 25 v.H. den tatsächlichen einkommensteuerlichen Auswirkungen nicht gerecht wird (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2006, 315, m.w.N.). Werden Umstände erkennbar, die darauf schließen lassen, dass die angestrebten Verlustbeträge bei der Ermittlung des Einkommens der Mitunternehmer zum Ausgleich entsprechend hoher positiver Einkünfte dienen sollen, kann im Rahmen des Streits über die Höhe des Verlustes ein Prozentsatz, der in der Nähe des Höchststeuersatzes liegt, angemessen sein (vgl. BFH-Beschluss in BFHE 152, 5, BStBl II 1988, 287).

4. In den Streitjahren 2001 und 2002 ist für die Streitwertfeststellung gemäß den vorgenannten Grundsätzen weiterhin von einem pauschalen Prozentsatz des streitigen Gewinns oder Verlustes in Höhe von 25 v.H. als Regelsatz auszugehen. Die Eingangssteuersätze sind zwar für die Veranlagungszeiträume 2000 bis 2005 von 22,9 v.H. auf 15 v.H. abgesenkt (Veranlagungszeitraum 2000: 22,9 v.H.; Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003: 19,9 v.H.; Veranlagungszeitraum 2004: 16 v.H.; Veranlagungszeitraum 2005: 15 v.H.) und die Grundfreibeträge - schrittweise - von 6.902 € (Veranlagungszeitraum 2000) auf 7.664 € (Veranlagungszeitraum 2005) angehoben worden. Diese Tarifentwicklung rechtfertigt indes nicht, den für die Streitwertbestimmung geltenden Regelsatz von 25 v.H. auf 20 v.H. herabzusetzen (a.A. Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., Vor § 135 Tz. 199; Eberl, DStR 2000, 1639). Zum einen deshalb, weil der Pauschalsatz auf der typisierenden Annahme beruht, dass die Gesellschafter auch andere nach dem EStG steuerbare Einkünfte erzielen. Zum anderen ist zu berücksichtigen, dass aufgrund der Neufassung des Einkommensteuertarifs 1996 durch das Jahressteuergesetz 1996 vom 11. Oktober 1995 (BGBl I 1995, 1250, BStBl I 1995, 438) nicht nur der Grundfreibetrag von zuvor 5.616 DM (= 2.871 €) auf 12.095 DM (= 6.184 €), sondern zugleich auch der Eingangssteuersatz von bis dahin 19 v.H. auf 25,9 v.H. erhöht wurde (vgl. hierzu auch Laux, Betriebs-Berater 1996, 567); Letzteres hatte weiterhin zur Folge, dass sich der Betrag des zu versteuernden Einkommens, ab dem nach der Grundtabelle der Grenzsteuersatz 25 v.H. (und mehr) beträgt, von zuvor rd. 28.000 DM (= 14.316 €) - Tarif 1990 bis 1995 - auf nur noch 12.096 DM (= 6.185 €) - Tarif 1996 und 1997 - vermindert hat. Da aber dieser Einschnitt in die Tarifstruktur aufgrund der Tarifreformen ab dem Jahr 1998 erst für den Veranlagungszeitraum 2005 wieder "ausgeglichen" wurde (d.h.: Grenzsteuersatz von 25 v.H. bei einem zu versteuerndem Einkommen im Veranlagungszeitraum 2005 von rd. 29.300 DM = 14.981 €; vgl. im Einzelnen Veröffentlichung des Bundesministeriums der Finanzen unter www.bundesfinanzministerium.de/Service/Interaktiver Abgabenrechner), besteht jedenfalls für Streitjahre bis einschließlich 2005 - selbst dann, wenn man die allgemeine Einkommensentwicklung in den Jahren 1990 bis 2005 außer Acht lässt - keine Veranlassung, den der Streitwertberechnung zugrunde zu legenden Regelsatz (25 v.H.) zu korrigieren.

5. Im Interesse der Rechtssicherheit stellt der Senat klar, dass die ab 2001 reduzierten Höchststeuersätze (Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003: 48,5 v.H.; Veranlagungszeitraum 2004: 45 v.H.; Veranlagungszeitraum 2005: 42 v.H.) zugleich auch dazu führen müssen, die Obergrenze des Pauschalsatzes für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 auf 45 v.H., für den Veranlagungszeitraum 2004 auf 42 v.H. sowie für den Veranlagungszeitraum 2005 auf 40 v.H. anzupassen. Soweit nach § 35 EStG begünstigte (gewerbliche) Einkünfte im Streit sind, ist ein weiterer (pauschaler) Abschlag in Höhe von 5 v.H. geboten, so dass sich der Pauschalhöchstsatz für die Veranlagungszeiträume 2001 bis 2003 auf 40 v.H., für den Veranlagungszeitraum 2004 auf 37 v.H. und für den Veranlagungszeitraum 2005 auf 35 v.H. vermindert.

6. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren VIII B 177/05 beläuft sich auf 27.369 €. Er errechnet sich aus den streitigen Verlustbeträgen einerseits sowie dem vorliegend nicht zu korrigierenden pauschalen Regelsatz für die streitigen Verluste (25 v.H.) andererseits. Der umstrittene Verlust aus dem Streitjahr 2001 war dabei von DM in Euro umzurechnen; mithin ergibt sich ein Betrag von 54.200 €.

7. Der IV., IX. und XI. Senat des BFH haben den vorstehenden Ausführungen zugestimmt.

8. Eine Kostenentscheidung ist nicht zu treffen, da für die Streitwertfestsetzung Gerichtsgebühren im GKG nicht vorgesehen sind.