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BFH-Urteil vom 1.6.2006 (V R 104/01) BStBl. 2007 II S. 142

Die Leistungen eines Unternehmers, der die Durchführung von Sprachstudienaufenthalten im Ausland einschließlich Beförderung und Betreuung im eigenen Namen anbietet, können als einheitliche Leistung unter die Sonderregelung des § 25 UStG für Reiseleistungen fallen. Auf den Zweck oder die Dauer des Auslandsaufenthalts der Teilnehmer kommt es insoweit nicht an.

UStG 1993 § 4 Nr. 23, § 25; Richtlinie 77/388/EWG Art. 26.

 (Nachfolgeentscheidung zum EuGH-Urteil vom 13. Oktober 2005 C-200/04 iSt internationale Sprach- und Studienreisen GmbH)

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 15. November 2001 10 K 310/98 (EFG 2002, 1125)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) - eine GmbH - veranstaltet internationale Sprach- und Studienreisen. Sie ist Mitglied im DFH Deutscher Fachverband High School e.V. und bietet u.a. sog. "High-School-Programme" und sog. "College-Programme" an. Das Revisionsverfahren betrifft die umsatzsteuerrechtliche Behandlung der damit verbundenen Umsätze der Klägerin in den Streitjahren 1995 bis 1997.

High-School-Programme wenden sich an Schülerinnen/Schüler im Alter von 15 bis 18 Jahren, die für drei, fünf oder zehn Monate eine High-School oder eine vergleichbare Schule im Ausland - in erster Linie in anglophonen Ländern - besuchen wollen. Bewerber für ein solches Programm reichen ein Bewerbungsformular bei der Klägerin ein. Diese entscheidet nach einem Bewerbungsgespräch über die Annahme der Bewerbung. Dem Urteil des Finanzgerichts (FG) lässt sich für den häufigen Fall eines High-School-Besuchs in den USA Folgendes entnehmen:

Die Klägerin schuldet den Teilnehmern die Verschaffung eines Schülerplatzes an der ausgewählten High-School. An der Schule wird die Schülerin/der Schüler einem Mentor, einem Vertrauenslehrer (Guidance Teacher) zugeteilt, der ihn berät und unterstützt. Für die Dauer des Aufenthalts wird die deutsche Schülerin oder der Schüler von einer Gastfamilie aufgenommen. Die Auswahl geeigneter Gastfamilien erfolgt unter Mithilfe einer amerikanischen Partnerorganisation, mit der die Klägerin ständig zusammenarbeitet. Ein Beauftragter der Partnerorganisation steht der Schülerin/dem Schüler auch als Ansprechpartner am Schul- und Wohnort der Gastfamilie zur Verfügung. Über die amerikanische Partnerorganisation kann die Schülerin/der Schüler mit anderen Austauschschülern auch an einer Rundreise mit Bus oder Flugzeug zu Sehenswürdigkeiten der USA teilnehmen.

Der Reisepreis bei einem Zehn-Monatsaufenthalt (August 1999 bis Juni 2000) betrug 9.680 DM, bei einem Fünf-Monatsaufenthalt (August 1999 bis Januar 2000) 8.970 DM.

Der Pauschalpreis umfasste

- Flug ab Frankfurt/Main in die USA und zurück, mit Reiseleiter,

- Anschlussflüge innerhalb Deutschlands,

- Anschlussflüge innerhalb der USA bis zum Zielort und zurück,

- Wohnung und Verpflegung bei der Gastfamilie,

- Unterricht an der High-School,

- Betreuung durch die Partnerorganisation und deren örtliche Mitarbeiter während des Aufenthalts,

- Vorbereitungstreffen,

- Vorbereitungsmaterial,

- Reiserücktrittsversicherung.

Nicht im Pauschalpreis enthalten waren

- Taschengeld,

- Kranken-, Haftpflicht- und Unfallversicherung,

- Gebühr für Einreisevisum in die USA,

- Teilnahme an einem Vorbereitungsseminar.

Beispielsweise bezog die Klägerin im Wirtschaftsjahr 1996/97 für jeden Teilnehmer des USA-High-School-Programms durchschnittlich Vorleistungen in Höhe von 6.231,72 DM, davon allein Vorleistungen der Partnerorganisation in Höhe von 3.676,44 DM sowie Hin- und Rückflug in Höhe von 1.533,78 DM. Für Kost und Logis bei den Gastfamilien entstanden keine Aufwendungen, weil diese keine Entschädigung für die Aufnahme der Teilnehmer erhielten, sondern aus ideellen Motiven handelten.

Bei College-Programmen für Studenten und Abiturienten ist es Aufgabe der Partnerorganisation, für die Teilnehmer College-Plätze bereitstellen zu lassen und dafür zu sorgen, dass die Teilnehmer für einen Term bis drei Terms (Trimester) in das College aufgenommen werden. Die Partnerorganisation entrichtet die College-Gebühren aus den Beiträgen, die sie von der Klägerin für ihre Leistungen erhält. Ferner werden die Teilnehmer nicht bei Gastfamilien, sondern in dem College untergebracht und verpflegt. Auch der Hin- und Rückflug ist anders geregelt als beim High-School-Programm. Der Teilnehmer bucht die Flüge selbst.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stimmte zunächst der Behandlung der Umsätze der Klägerin als Reiseleistungen und der bezogenen Leistungen für die Programmteilnehmer als Reisevorleistungen i.S. von § 25 des Umsatzsteuergesetzes 1993 (UStG) zu. Nach einer Umsatzsteuer-Prüfung verneinte das FA aber das Vorliegen von Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG. Es meinte nunmehr, die Klägerin erbringe steuerfreie sonstige Leistungen i.S. von § 4 Nr. 23 UStG zu Erziehungs- oder Ausbildungszwecken. Hauptleistung sei die Beherbergung und Beköstigung der Jugendlichen zu Aus- und Fortbildungszwecken, die als Erziehungsmaßnahme zur Persönlichkeitsbildung beitragen solle. Dementsprechend seien die Zahlungen an die Partnerorganisationen in den Gastländern der bei weitem größte Kostenfaktor. Alle anderen mit Kosten verbundenen Leistungen - wie Flug- und Transferleistungen - seien unselbständige Nebenleistungen und von untergeordneter Bedeutung. Dieser Beurteilung stehe nicht entgegen, dass die Klägerin die Teilnehmer nicht bei sich, sondern durch die Gastfamilien und die Colleges aufnehme. Diese seien als ihre Erfüllungsgehilfen anzusehen. Der Ort dieser sonstigen Leistung liege im Inland. Bei den gemäß § 4 Nr. 23 UStG steuerfreien Leistungen sei kein Vorsteuerabzug möglich. Der Anteil dieser Umsätze am Gesamtumsatz der Klägerin betrage (1995) 79,49 v.H., (1996) 31,75 v.H. und (1997) 34,45 v.H. Soweit die Vorsteuerbeträge den steuerfreien Umsätzen nicht direkt zugeordnet werden könnten, seien sie um die Prozentsätze zu kürzen.

Infolge der Ablehnung der Margenbesteuerung nach § 25 UStG und der Beurteilung als steuerfreie Umsätze nach § 4 Nr. 23 UStG setzte das FA die für die Streitjahre angemeldeten Vorsteuerüberschüsse herab.

Mit der ohne Vorverfahren erhobenen Klage (Sprungklage) gegen die Umsatzsteuerbescheide 1995 bis 1997 beantragte die Klägerin, die Umsatzsteuer

für 1995 von ./. 22.143 DM auf ./. 113.954,40 DM,

für 1996 von ./. 146.332 DM auf ./. 291.661,20 DM und

für 1997 von ./. 161.858 DM auf ./. 311.704,98 DM festzusetzen.

Sie hielt daran fest, dass die im Rahmen der High-School- und College-Programme erbrachten Leistungen Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG seien, für die die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG nicht gelte. Unter anderem trug sie vor, die restriktive Behandlung des Begriffs der Reiseleistungen durch das FA sei weder durch systematische Gründe noch durch Sinn und Zweck von § 25 UStG und Art. 26 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) gerechtfertigt. Auch die meisten Mitgliedstaaten der EU hätten keine Bedenken, Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. ihre darauf beruhenden nationalen Vorschriften auf High-School-Programme anzuwenden. Gegenüber Veranstaltern in diesen Ländern dürften deutsche Veranstalter im Wettbewerb nicht benachteiligt werden.

Das FG gab der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2002, 1125 veröffentlicht. Nach Ansicht des FG sind die Leistungen der Klägerin im Rahmen der beiden Programme Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG, weil darauf das Reisevertragsrecht der §§ 651 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) und neuerdings auch § 651 l BGB (Gastschulaufenthalte) anwendbar sei. Hinsichtlich des College-Programms hielt das FG es zwar für fraglich, ob die Klägerin als Reiseveranstalter und nicht als Vermittler aufgetreten sei. Die Vermittlung von Umsätzen, die ausschließlich im Drittlandsgebiet bewirkt würden, sei aber nach § 4 Nr. 5 Buchst. c UStG umsatzsteuerfrei.

Ferner lehnte das FG die Auffassung des FA ab, die von der Klägerin erbrachten Reiseleistungen seien nach § 4 Nr. 23 UStG steuerfrei mit der Folge des Vorsteuerausschlusses, wobei das Verhältnis der Befreiungsvorschrift zur Margenbesteuerung nach § 25 UStG offen bleiben könne. Die Klägerin sei zwar eine Einrichtung, nehme aber die an den Programmen teilnehmenden Jugendlichen nicht bei sich auf. Vielmehr gewährten die Gastfamilien und die Colleges den Jugendlichen Beherbergung, Beköstigung und die übrigen Naturalleistungen. Gastfamilien und Colleges könnten nicht als Erfüllungsgehilfen der Klägerin angesehen werden.

Mit der Revision rügt das FA Verletzung von § 25 und § 4 Nr. 23 UStG.

Es trägt im Wesentlichen vor, bei den hier zu beurteilenden Auslandsaufenthalten stehe - anders als bei kurzfristigen Sprach- und Studienreisen (vgl. Abschn. 272 Abs. 1 Satz 5 der Umsatzsteuer-Richtlinien - UStR -) - der Aus- und Fortbildungszweck im Vordergrund. Die Organisation der Reise ins Gastland sei nur das Mittel zum eigentlichen Zweck des Schulbesuchs im Ausland verbunden mit dem Aufenthalt bei einer Familie des Gastlandes. Die Reiseorganisation sei eine unselbständige Nebenleistung zur Hauptleistung "Schulbesuch und Aufenthalt im Gastland". Der Ort dieser Leistung liege gemäß § 3a Abs. 1 UStG im Inland. Nach Auffassung des FA ist die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 23 UStG auch auf Reiseleistungen i.S. von § 25 UStG anwendbar.

Das FA beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Die Klägerin tritt der Revision entgegen. Sie wiederholt ihren Vortrag, dass eine Reihe von Mitgliedstaaten auf die Umsätze im Rahmen der High-School-Programme eine dem Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG entsprechende Sonderregelung anwendeten, und andere Mitgliedstaaten von einer einheitlichen Leistung (in der Regel Ausbildung, nicht aber Unterbringung zur Aus- und Weiterbildung) ausgingen; dazu legt sie eine Aufstellung vor; der Ort dieser einheitlichen Leistung liege in der Regel nicht im Inland.

In der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18. März 2004 wurde der festgestellte Sachverhalt dahin gehend konkretisiert, dass die Klägerin sowohl die Flüge als auch die Aufnahme in der High School und bei der Gastfamilie im eigenen Namen anbietet, also nicht als Vermittlerin der Fluggesellschaft oder der Schulen/Familien bzw. der Partnerorganisation auftritt.

Der Senat setzte mit Beschluss vom 18. März 2004 V R 104/01 (BFHE 204, 511, BStBl II 2004, 632) das Revisionsverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) und legte dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zur Vorabentscheidung die Frage vor:

"Gilt die Sonderregelung für Reisebüros in Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG auch für Umsätze eines Veranstalters von sog. 'High-School-Programmen' und 'College-Programmen' mit Auslandsaufenthalt von drei bis zehn Monaten, die den Teilnehmern im eigenen Namen angeboten werden und für deren Durchführung Leistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch genommen werden?"

Der EuGH bejahte die Frage mit Urteil vom 13. Oktober 2005 C-200/04, iSt (Internationales Steuerrecht 2005, 781, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2005, 696, BFH/NV, Beilage 2006, 34):

"Artikel 26 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass er auf einen Wirtschaftsteilnehmer Anwendung findet, der Dienstleistungen wie die 'High-School-Programme' und 'College-Programme', die in der Durchführung von Sprach- und Studienreisen ins Ausland bestehen, anbietet und der seinen Kunden gegen Zahlung eines Pauschalpreises im eigenen Namen einen drei- bis zehnmonatigen Auslandsaufenthalt bietet und dabei Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nimmt."

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist unbegründet.

1. Das FG hat auf die Umsätze der Klägerin die Sonderregelung des § 25 UStG über die Besteuerung von Reiseleistungen im Ergebnis zutreffend angewandt.

Diese Vorschrift lautet:

"(1) Die nachfolgenden Vorschriften gelten für Reiseleistungen eines Unternehmers, die nicht für das Unternehmen des Leistungsempfängers bestimmt sind, soweit der Unternehmer dabei gegenüber dem Leistungsempfänger im eigenen Namen auftritt und Reisevorleistungen in Anspruch nimmt. Die Leistung des Unternehmers ist als sonstige Leistung anzusehen. Erbringt der Unternehmer an einen Leistungsempfänger im Rahmen einer Reise mehrere Leistungen dieser Art, so gelten sie als eine einheitliche sonstige Leistung. Der Ort der sonstigen Leistung bestimmt sich nach § 3a Abs. 1. Reisevorleistungen sind Lieferungen und sonstige Leistungen Dritter, die den Reisenden unmittelbar zugute kommen.

(2) Die sonstige Leistung ist steuerfrei, soweit die ihr zuzurechnenden Reisevorleistungen im Drittlandsgebiet bewirkt werden. ...

(3) Die sonstige Leistung bemisst sich nach dem Unterschied zwischen dem Betrag, den der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu erhalten, und dem Betrag, den der Unternehmer für die Reisevorleistungen aufwendet. ...

(4) Abweichend von § 15 Abs. 1 ist der Unternehmer nicht berechtigt, die ihm für die Reisevorleistungen gesondert in Rechnung gestellten Steuerbeträge als Vorsteuer abzuziehen. Im übrigen bleibt § 15 unberührt. ..."

§ 25 UStG soll die gemeinschaftsrechtlich vorgesehene Sonderregelung für Reisebüros in Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG umsetzen.

Die Bestimmung lautet:

"(1) Die Mitgliedstaaten wenden die Mehrwertsteuer auf die Umsätze der Reisebüros nach den Vorschriften dieses Artikels an, soweit die Reisebüros gegenüber den Reisenden im eigenen Namen auftreten und für die Durchführung der Reise Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger in Anspruch nehmen. Die Vorschriften dieses Artikels gelten nicht für Reisebüros, die lediglich als Vermittler handeln und auf die Artikel 11 Teil A Absatz 3 Buchstabe c) anzuwenden ist. Im Sinne dieses Artikels gelten als Reisebüros auch Reiseveranstalter.

(2) Die bei Durchführung der Reise vom Reisebüro erbrachten Umsätze gelten als eine einheitliche Dienstleistung des Reisebüros an den Reisenden. Sie wird in dem Mitgliedstaat besteuert, in dem das Reisebüro den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste Niederlassung hat, von wo aus es die Dienstleistung erbracht hat. Für diese Dienstleistung gilt als Besteuerungsgrundlage und als Preis ohne Steuer im Sinne des Artikels 22 Absatz 3 Buchstabe b) die Marge des Reisebüros, das heißt die Differenz zwischen dem vom Reisenden zu zahlenden Gesamtbetrag ohne Mehrwertsteuer und den tatsächlichen Kosten, die dem Reisebüro durch die Inanspruchnahme von Lieferungen und Dienstleistungen anderer Steuerpflichtiger entstehen, soweit diese Umsätze dem Reisenden unmittelbar zugute kommen.

(3) Werden die Umsätze, für die das Reisebüro andere Steuerpflichtige in Anspruch nimmt, von diesen außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so wird die Dienstleistung des Reisebüros einer nach Artikel 15 Nummer 14 befreiten Vermittlungstätigkeit gleichgestellt. Werden diese Umsätze sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gemeinschaft erbracht, so ist nur der Teil der Dienstleistung des Reisebüros als steuerfrei anzusehen, der auf die Umsätze außerhalb der Gemeinschaft entfällt.

(4) Beim Reisebüro ist der Vorsteuerabzug oder die Rückerstattung der Steuern in jedem Mitgliedstaat für die Steuern ausgeschlossen, die dem Reisebüro von anderen Steuerpflichtigen für die in Absatz 2 bezeichneten Umsätze in Rechnung gestellt werden, welche dem Reisenden unmittelbar zugute kommen."

2. Die Klägerin ist Unternehmerin i.S. des § 25 Abs. 1 UStG. Soweit Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG "Umsätze der Reisebüros" oder der "Reiseveranstalter" verlangt, steht dies der Anwendung der Sonderreglung auf die Umsätze der Klägerin nicht entgegen. Die Klägerin betreibt zwar kein Reisebüro. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. auch Vorabentscheidung, Rdnr. 22) ist aber allein entscheidend, ob der Wirtschaftsteilnehmer - auch wenn er kein Reisebüro oder Reiseveranstalter im üblichen Wortsinn ist - gleichartige Umsätze im Rahmen einer anderen Tätigkeit erbringt. Diese Voraussetzung erfüllt die Klägerin.

3. Die Umsätze der Klägerin im Rahmen der "High-School-" und "College-Programme" erfüllen die Kriterien von § 25 Abs. 1 UStG.

a) Die Leistungen der Klägerin sind Reiseleistungen i.S. von § 25 Abs. 1 UStG bzw. gleichartige Umsätze wie die Umsätze von Reisebüros oder Reiseveranstaltern i.S. von Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG. Diese Umsätze sind dadurch gekennzeichnet, dass sie sich meist aus mehreren Leistungen, insbesondere Beförderungs- und Unterbringungsleistungen, zusammensetzen (vgl. Vorabentscheidung, Rdnr. 21). Die Klägerin bietet ihren Kunden (den Schülern und Studenten) im Zusammenhang mit ihrer Sprachausbildung und -erziehung derartige Reiseleistungen an.

Bei den "High-School-Programmen" handelt es sich insbesondere um die Beförderungsleistungen ins Ausland und im Ausland sowie die Betreuung (touristische Betreuung) am Zielort. Unterbringung und Verpflegung (bei den Gastfamilien) sind hier unentgeltlich, sind also nicht Gegenstand des Pauschalpreises.

Bei den "College-Programmen" sind es insbesondere die (mit Hilfe der Partnerorganisation erbrachten) Betreuungsleistungen. Ob die Klägerin hinsichtlich der angebotenen und berechneten Unterbringung und Verpflegung durch das College im eigenen Namen oder nur als Vermittler handelt, ließ das FG offen. Die Beförderungsleistung in das Gastland ist hier nach den Feststellungen des FG nicht im Pauschalangebot enthalten.

b) Die Klägerin tritt gegenüber den Leistungsempfängern (Schülern und Studenten) im eigenen Namen auf. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist nicht mehr streitig, dass die Klägerin auch für die Fluggesellschaften und ihre Partnerorganisationen nicht als Vermittler auftritt, sondern diese Leistungen im eigenen Namen ausführt. Insoweit handelt es sich um Reisevorleistungen i.S. von § 25 Abs. 1 Satz 5 UStG.

c) Die Anwendbarkeit der Sonderregelung des § 25 UStG auf die Umsätze der Klägerin wird im Streitfall nicht etwa dadurch ausgeschlossen, dass die von den anderen Unternehmern bezogenen und den Reisenden unmittelbar zugute kommenden Leistungen (Reisevorleistungen) nur Hilfscharakter zu den anderen (ohne Inanspruchnahme von Reisevorleistungen ausgeführten) Leistungen der Klägerin (als Hauptleistungen) hätten. Unter solchen Bedingungen würde die Anwendbarkeit der Sonderreglung für Reiseleistungen nach der EuGH-Rechtsprechung zu Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG entfallen (vgl. Vorabentscheidung Rdnr. 26, m. Nachw.).

Die "eingekauften" Reiseleistungen - wie der Transfer in das Bestimmungsland und/oder der Aufenthalt und die Betreuung durch das Partnerunternehmen in diesem Land - sind nicht nur ein Mittel dazu, dass die "eigenen" Leistungen der Klägerin von den Kunden zu besseren Bedingungen in Anspruch genommen werden können. Die auf sie entfallenden Aufwendungen sind kein bloß marginaler Teil gegenüber dem Betrag, der der Leistung im Zusammenhang mit der Sprachausbildung und -erziehung entspricht, die die Klägerin ihren Kunden anbietet (Vorabentscheidung, Rdnr. 28). Somit können diese Leistungen nicht mit reinen Nebenleistungen zu den Leistungen im Zusammenhang mit der Sprachausbildung und -erziehung gleichgesetzt werden.

Das gegen ein Pauschalentgelt angebotene Leistungsbündel wird nicht durch Umsätze der Klägerin zur Sprachausbildung und -erziehung der Schüler und Studenten während der Auslandsaufenthalte geprägt. Das Pauschalangebot betrifft in erster Linie die als Reiseleistungen zu beurteilenden Leistungen. Eine Einordnung des "Leistungsbündels" der Klägerin unter die Befreiungsvorschrift des § 4 Nr. 23 UStG (bzw. der gemeinschaftsrechtlichen Grundlage dazu in Art. 13 Teil A Abs. 1 Buchst. i der Richtlinie 77/388/EWG) kommt nach den Gesamtumständen somit nicht in Betracht.

Nach § 4 Nr. 23 UStG sind steuerfrei:

"die Gewährung von Beherbergung, Beköstigung und der üblichen Naturalleistungen durch Personen und Einrichtungen, wenn sie überwiegend Jugendliche für Erziehungs-, Ausbildungs- oder Fortbildungszwecke ... bei sich aufnehmen. ..."

Das FG hat die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift mit der Begründung verneint, nicht die Klägerin, sondern die Gastfamilien bzw. die Colleges gewährten diese Aufnahme- und Versorgungsleistungen.

Nach der Vorabentscheidung (Rdnr. 45) scheitert die Anwendbarkeit der gemeinschaftsrechtlichen Befreiungsregelung jedenfalls daran, dass die Klägerin keine (nach der Richtlinienbestimmung vorausgesetzte) Einrichtung des öffentlichen Rechts oder vergleichbare Einrichtung ist; die Anwendung auf Handelsgesellschaften wie die Klägerin würde der gebotenen engen Auslegung von Befreiungsregelungen widersprechen.

Da jeder der wiedergegebenen Gründe die Anwendbarkeit der Befreiungsvorschrift ausschließt, braucht auf diese Frage nicht weiter eingegangen zu werden.

4. Der Zweck oder die Dauer der Reise spielt für die Anwendbarkeit des § 25 UStG auf Reiseleistungen keine Rolle.

Zwar entschied der EuGH im Urteil vom 11. Februar 1999 Rs. C-237/97, AFS Intercultural Programs Finland ry (Slg. 1999, I-825, Europäische Zeitschrift für Wirtschaft - EuZW - 1999, 219 Rdnr. 34) zu der Richtlinie 90/314/EWG des Rates vom 13. Juni 1990 über Pauschalreisen - Richtlinie 90/314/EWG - (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften Nr. L 158, S. 59), Reisen in Form eines etwa halb- oder einjährigen Schüleraustauschs, die bezwecken, dass der Schüler im Gastland eine Schule besuche, um dessen Bevölkerung und Kultur kennen zu lernen, und in deren Rahmen der Schüler unentgeltlich bei einer Gastfamilie wie ein Familienmitglied untergebracht sei, seien keine Reisen im Sinne dieser Richtlinie.

In der Vorabentscheidung stellte der EuGH aber fest, dass die Beurteilung im vorbezeichneten Fall keine Frage der Anwendung der Richtlinie 77/388/EWG betraf und dass die Ausführungen in diesem Urteil keinen Einfluss auf die Anwendung von Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG haben.

Nach Rdnr. 36 der Vorabentscheidung lässt nichts darauf schließen, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber den Anwendungsbereich von Art. 26 der Richtlinie 77/388/EWG anhand von zwei zusammen oder getrennt anzuwendenden Merkmalen, nämlich anhand des Zweckes der Reise und der Dauer des Aufenthalts im Bestimmungsland, begrenzen wollte. Eine andere Schlussfolgerung in dieser Hinsicht wäre mit der Gefahr verbunden, dass die Tragweite dieses Artikels offenkundig eingeschränkt würde, und wäre mit der durch ihn eingeführten Sonderregelung unvereinbar.