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BFH-Urteil vom 22.8.2006 (I R 6/06) BStBl. 2007 II S. 163

Bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 ist entsprechend § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 1 EStG 1997 der Teilwert des veräußerten Wirtschaftsguts bei In-Kraft-Treten des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 zum 1. Januar 1994 zugrunde zu legen. Die Wertbegrenzung auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 ist nicht anzuwenden (Anschluss an Senatsurteile vom 5. Juni 2002 I R 81/00, BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344, sowie I R 105/00, BFH/NV 2002, 1433).

EStG 1997 § 6 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a, § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f und Nr. 6.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 28. September 2005 3 K 181/00 (EFG 2006, 804)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts (B.V.). Sie erwarb im Jahre 1991 ein im Inland belegenes Gewerbegrundstück, das in der Folgezeit mit Büro- und Lagergebäuden bebaut wurde. Die ursprünglichen Anschaffungskosten betrugen 471.912 DM, die Herstellungskosten des 1991/1992 errichteten Gebäudes 7.128.336 DM und die Kosten für die Außenanlagen 163.763 DM. Gebäude und Außenanlagen wurden jährlich mit 5 v.H. degressiv abgeschrieben. 1993 und 1994 entstanden weitere Anschaffungs- und Herstellungskosten.

Zum 30. September 1998 (Streitjahr) verkaufte die Klägerin dieses bebaute Grundstück sowie ein weiteres, im Jahre 1994 erworbenes und ebenfalls bebautes Grundstück für insgesamt 15,3 Mio. DM. Der Buchwert beider Grundstücke belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 11.967.198 DM.

Das seinerzeit zuständige Finanzamt (FA) X unterwarf die Klägerin mit den im Streitjahr erzielten laufenden Einkünften aus der Grundstücksvermietung gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1997) sowie mit dem Veräußerungsgewinn gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 (jeweils i.V.m. § 2 Nr. 1 und § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG -) der beschränkten Steuerpflicht, wobei es den Gewinn durch Gegenüberstellung des Erlöses zu dem Buchwert und unter Berücksichtigung von Veräußerungskosten sowie nach Kürzung um bereits bisher berücksichtigte Absetzungen für Abnutzung (AfA) ermittelte. Im Verlaufe des anschließenden Einspruchs- sowie Klageverfahrens gegen den hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheid verständigten sich die Beteiligten auf einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von mindestens 1.912.129 DM. Zugrunde gelegt wurde dabei auf der Basis der Senatsurteile vom 5. Juni 2002 I R 81/00 (BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344) sowie I R 105/00 (BFH/NV 2002, 1433) hinsichtlich des in 1991 erworbenen Grundstücks statt der Anschaffungs- und Herstellungskosten dessen Teilwert auf den 1. Januar 1994 und damit auf den Eintritt in die Steuerpflicht aufgrund der erstmaligen Anwendung des seinerzeit neu in das Gesetz eingefügten § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997. Allerdings vertrat das FA die Rechtsauffassung, dieser Wert sei insofern zu erhöhen, als nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 nicht der Teilwert, sondern die Anschaffungs- und Herstellungskosten anzusetzen seien. Die Körperschaftsteuer 1998 wurde hiernach im Einspruchsverfahren auf 663.112 DM festgesetzt.

Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, gab der Klage (nur) bezogen auf die streitige Frage nach der Anwendung von § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 statt und wies sie im Übrigen ab. Sein Urteil vom 28. September 2005 3 K 181/00 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 804 veröffentlicht.

Das mit Wirkung vom 1. Januar 2005 an die Stelle des ursprünglich zuständigen FA getretene (vgl. Finanzministerium Baden-Württemberg, Erlass vom 11. November 2004, BStBl I 2004, 1116) und im Wege der Funktionsnachfolge in das Klageverfahren als Beklagter und Revisionskläger eingetretene, nunmehr zuständige FA stützt seine dagegen erhobene Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet.

1. Gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 1 i.V.m. Nr. 6 EStG 1997 stellen Einkünfte aus Gewerbebetrieb, die durch Veräußerung von unbeweglichem Vermögen erzielt werden, inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht dar, wenn das unbewegliche Vermögen im Inland belegen ist und im Inland für den Gewerbebetrieb keine Betriebsstätte unterhalten wird und kein ständiger Vertreter bestellt ist. Als Einkünfte aus Gewerbebetrieb gelten gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f Satz 2 EStG 1997 (i.V.m. § 2 Nr. 1, § 8 Abs. 1 KStG) auch die Einkünfte aus entsprechenden Veräußerungen, die von einer Körperschaft ohne Sitz und Geschäftsleitung im Inland erzielt werden, die einer inländischen Kapitalgesellschaft, welche nach den Vorschriften des Handelsgesetzbuchs zur Führung von Büchern verpflichtet ist, gleichsteht.

Diese persönlichen und sachlichen Voraussetzungen werden von der Klägerin erfüllt: Sie steht als Kapitalgesellschaft niederländischen Rechts einer deutschen Kapitalgesellschaft gleich (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. März 1993 VIII R 44/90, BFH/NV 1993, 597, 598); sie verfügte nach den tatrichterlichen Feststellungen im Inland weder über Sitz noch Geschäftsleitung. Sie unterhielt im Inland keine Betriebsstätte und hatte im Inland auch keinen ständigen Vertreter bestellt. Sie erzielte in Deutschland Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung und zudem Einkünfte aus der Veräußerung von unbeweglichem Vermögen, das im Inland belegen war.

2. Das FG hat den Veräußerungsgewinn auf der Grundlage der einschlägigen Senatsrechtsprechung (BFH-Urteile in BFHE 199, 300, BStBl II 2004, 344, und in BFH/NV 2002, 1433) zutreffend in der Weise berechnet, dass es hinsichtlich des im Jahr 1991 angeschafften Grundstücks nicht von den ursprünglichen Anschaffungs- und Herstellungskosten, sondern von dem Verkehrswert (Teilwert) des Grundstücks zum 1. Januar 1994 ausgegangen ist und hiervon die ab 1. Januar 1994 von der Klägerin vorgenommene AfA abgezogen hat. Denn die Ermittlung des Veräußerungsgewinns gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 richtet sich nach den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften der §§ 4 ff. EStG 1997.

Es ist deshalb bei der Gewinnermittlung gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 zwar grundsätzlich von den um die AfA verminderten Anschaffungs- oder Herstellungskosten des betreffenden Grundstücks auszugehen. Handelt es sich um ein Grundstück, das bereits vor dem 1. Januar 1994 angeschafft wurde, ist indes abweichend hiervon - letzten Endes in entsprechender Anwendung der Wertbemessung für die Einlage eines Wirtschaftsgutes in das Betriebsvermögen nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG 1997 - der Teilwert zugrunde zu legen, und zwar jener zum 1. Januar 1994. Letzteres folgt aus dem Umstand, dass einerseits die entsprechenden Veräußerungsvorgänge erst von diesem Zeitpunkt an gemäß § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1990 i.d.F. des Gesetzes zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts (Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetz) vom 21. Dezember 1993 (BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50) steuerbar wurden (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 in der vorbezeichneten Fassung) und dass andererseits der Gesetzgeber darauf verzichtet hat, Übergangsregelungen zu erlassen, wonach auf die Wertverhältnisse zu einem früheren Zeitpunkt als dem 1. Januar 1994 abzustellen wäre. Solcher Übergangsregelungen hätte es bedurft, um einen weiter gehenden Besteuerungszugriff zu rechtfertigen. Andernfalls bleibt es, um eine verfassungsrechtlich zweifelhafte Rückwirkung der Neuregelung durch eine (rückwirkende Erfassung) von Wertzuwächsen zu verhindern, bei den Wertverhältnissen bei Beginn der Steuerbarkeit (vgl. ähnlich § 13 KStG für den Fall des Beginns oder Erlöschens der Körperschaftsteuerpflicht).

Im Einzelnen nimmt der Senat auf seine Rechtsprechung, an der er festhält und der die Finanzverwaltung prinzipiell folgt (vgl. Oberfinanzdirektion Frankfurt am Main, Verfügung vom 17. August 2004, Steuer-Eildienst 2004, 665), Bezug.

3. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 Halbsatz 2 Buchst. a EStG 1997 sind allerdings Einlagen nicht mit dem Teilwert, sondern höchstens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen, wenn das zugeführte Wirtschaftsgut innerhalb der letzten drei Jahre vor dem Zeitpunkt der Zuführung angeschafft oder hergestellt worden ist. Nach dem Regelungszweck soll hierdurch Missbräuchen durch willkürliche Einlagen bei betrieblich genutzten Wirtschaftsgütern, die die steuerliche Erfassung kurzfristiger Wertsteigerungen vermeiden würde, vorgebeugt werden (s. z.B. Fischer in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 6 Rn. 168). Die Regelung bleibt für die hier in Rede stehende Konstellation bei Eintritt in die beschränkte Steuerpflicht aufgrund der Neuregelung des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1990 i.d.F. des Missbrauchsbekämpfungs- und Steuerbereinigungsgesetzes jedoch unanwendbar.

Die Einlageregeln sind für diese Konstellation nur ergänzend und sinnentsprechend heranzuziehen. Denn tatsächlich handelt es sich nicht um eine Einlage im Rechtssinne. Der Wert, mit dem eine solche "Quasi-Einlage" bei Eintritt in die beschränkte Steuerpflicht anzusetzen ist, orientiert sich deshalb nach den Maßstäben eines verfassungskonformen Regelungsverständnisses (nur) an § 6 Abs. 1 Nr. 5 Satz 1 EStG 1997. Die dazu in Halbsatz 2 Buchst. a der Vorschrift gemachte Ausnahme ist hingegen nicht einschlägig, weil diese auf Einlagen im Rechtssinne zugeschnitten ist und deswegen voraussetzt, dass ein bislang im Privatvermögen befindliches Wirtschaftsgut aufgrund willentlicher Entscheidung des Steuerpflichtigen in ein Betriebsvermögen überführt wird. Über eine derartige Umwidmung ist im Streitfall, in dem die Klägerin vor der Veräußerung nach den vom FA unbestrittenen Feststellungen des FG lediglich vermögensverwaltend tätig war, nicht zu befinden. Zu beurteilen ist nur der Ausgangswert bei dem Eintritt in den steuerverstrickten Bereich, der wiederum ausschließlich auf eine gesetzliche Maßnahme - die Statuierung der beschränkten Steuerpflicht in § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 - zurückzuführen ist, welche der Steuerpflichtige nicht beeinflussen kann (vgl. Hidien, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rdnr. E 704 ff.; Gosch in Kirchhof, a.a.O., § 49 Rn. 64). Darin liegt denn (möglicherweise) auch der ausschlaggebende Unterschied zu dem Hineinwachsen in die Wesentlichkeit der Beteiligung i.S. des § 17 Abs. 1 EStG 1997 infolge gesetzlicher Absenkung der Wesentlichkeitsgrenzen und der damit verbundenen Erfassung von in der Vergangenheit gebildeten stillen Reserven, die der VIII. Senat des BFH für verfassungsmäßig unbedenklich gehalten hat (BFH-Urteil vom 1. März 2005 VIII R 92/03, BFHE 209, 285, BStBl II 2005, 398, unter II.2.b der Entscheidungsgründe). Der Senat kann (auch) deswegen offen lassen, ob er dieser hier ohnehin nicht einschlägigen Rechtsprechung uneingeschränkt folgen könnte. Unter den Gegebenheiten des Streitfalls bleibt es im Regelungsbereich des § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. f EStG 1997 jedenfalls beim Ansatz des Teilwerts.

4. Die Höhe des hiernach zu berechnenden Veräußerungsgewinns steht unter den Beteiligten außer Streit. Der festgestellte Sachverhalt gibt keine Veranlassung, an der Richtigkeit dieser Berechnung zu zweifeln.