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BFH-Urteil vom 24.8.2006 (IX R 15/06) BStBl. 2007 II S. 256

Bei einer ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnung ist die Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen nicht allein wegen hoher Werbungskostenüberschüsse zu überprüfen (Bestätigung der bisherigen Rechtsprechung).

EStG § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster vom 8. November 2005 6 K 6518/02 E (EFG 2006, 496)

Sachverhalt

I.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zur Einkommensteuer zusammen veranlagte Eheleute. Sie vermieteten seit dem Jahr 1986 und auch in den Streitjahren (1999 und 2000) ihre in vollem Umfang fremd finanzierte Ferienwohnung im Sauerland ausschließlich an ständig wechselnde Feriengäste und hielten sie in der übrigen Zeit dafür bereit.

In ihren Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erklärten die Kläger Werbungskostenüberschüsse bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, die der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) letztlich der Besteuerung nicht zugrunde legte. Da die Kläger von Anfang an nur Verluste erwirtschaftet hätten, könne nicht mehr von ihrer Einkünfteerzielungsabsicht ausgegangen werden. Der Einspruch wie auch die Klage blieben erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 496 veröffentlichten Urteil aus, es könne sich der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) nicht anschließen, bei einer auf Dauer angelegten Fremdvermietung einer Ferienwohnung sei auch dann grundsätzlich und typisierend davon auszugehen, der Steuerpflichtige beabsichtige, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, wenn die Mieteinnahmen in einem krassen Missverhältnis zu den Schuldzinsen stünden oder absehbar sei, dass ein Totalüberschuss nicht erwirtschaftet werden könne. Die vom FG angestellte Prognose führe dazu, dass ein Totalgewinn nicht zu erwirtschaften gewesen sei.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, mit der sie die Verletzung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) rügen. Nach dem Regelungszweck habe eine Prognose nicht angestellt werden dürfen.

Die Kläger beantragen, die Einkommensteuerbescheide des FA vom 7. November 2001 für die Veranlagungszeiträume 1999 und 2000 unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung vom 7. November 2002 dahin gehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung für den Veranlagungszeitraum 1999 ein negativer Überschuss in Höhe von 12.194 DM und für den Veranlagungszeitraum 2000 ein negativer Überschuss in Höhe von 10.286 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger unzutreffend verneint und deshalb § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG verletzt.

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH ist bei in Eigenregie oder durch Beauftragung eines Dritten ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermieteten und in der übrigen Zeit hierfür bereitgehaltenen Ferienwohnungen ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen auszugehen (z.B. BFH-Urteile vom 15. Februar 2005 IX R 53/03, BFH/NV 2005, 1059, und vom 5. November 2002 IX R 18/02, BFHE 200, 556, BStBl II 2003, 914; ebenso Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 8. Oktober 2004 IV C 3 -S 2253- 91/04, BStBl I 2004, 933, Tz. 16).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat trotz der Einwendungen des FG fest. Sie beruht maßgebend auf dem Regelungszweck des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, nach dem bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und typisierend davon auszugehen ist, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (grundlegend BFH-Urteil vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; so auch BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 933). Weil besondere Umstände auch nach der Vorinstanz - vom Erfordernis ortsüblicher Vermietungszeiten einmal abgesehen (dazu unter 2.) - nicht gegen das Vorliegen der Einkünfteerzielungsabsicht im Streitfall sprechen (vgl. dazu BFH-Urteile in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771, unter 2. d; vom 6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 - Ferienwohnung -; vom 5. November 2002 IX R 48/01, BFHE 201, 46, BStBl II 2003, 646 - verbilligte Vermietung -; vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695; vom 9. Juli 2002 IX R 47/99, BFHE 199, 417, BStBl II 2003, 580 - befristete Vermietungstätigkeit -; vom 6. Oktober 2004 IX R 30/03, BFHE 208, 142, BStBl II 2005, 386 - aufwendig gestaltetes Wohngebäude -), ist es entgegen der Auffassung des FG unerheblich, ob die Kläger mit ihrer auf Dauer angelegten Fremdvermietung tatsächlich einen Totalüberschuss erzielen konnten. Denn zu einer dies überprüfenden Prognose kommt es nicht. Es ist für die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht kennzeichnend, auf den typischen statt auf den verwirklichten Geschehensablauf abzustellen (BFH-Urteil vom 19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, m.w.N.). Weil diese Typisierung in § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG angelegt ist, handelt es sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht um eine (unzulässige) Unterstellung oder unwiderlegliche Vermutung der Einkünfteerzielungsabsicht durch die Rechtsprechung, sondern um Gesetzesauslegung. Deshalb weicht der BFH mit seiner Interpretation des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG auch nicht vom Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984 GrS 4/82 (BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751) ab.

2. Diese Rechtsprechung hat der Senat dahin fortentwickelt, dass (auch) beim ausschließlichen Vermieten von Ferienwohnungen - in Eigenregie oder durch Beauftragung eines Dritten - die Einkünfteerzielungsabsicht der Steuerpflichtigen immer dann anhand einer Prognose nach den Grundsätzen des BFH-Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 zu überprüfen ist, wenn das Vermieten die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen - ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind - erheblich, d.h. mindestens um 25 v.H., unterschreitet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat auf sein Urteil vom 26. Oktober 2004 IX R 57/02 (BFHE 208, 151, BStBl II 2005, 388).

3. Nach diesen Maßstäben kann die Entscheidung der Vorinstanz keinen Bestand haben; sie ist aufzuheben. Die vom FG vorgenommene Prognose ist kein an die tatsächliche Gestaltung des Sachverhalts anknüpfender Ausnahmefall im Sinne des BFH-Urteils in BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771.

4. Die Sache ist nicht entscheidungsreif.

a) Nach den unangefochtenen Feststellungen des FG haben die Kläger die Ferienwohnung im Sauerland zwar ausschließlich an wechselnde Feriengäste vermietet und in der übrigen Zeit hierfür bereit gehalten. Dies reicht aber nach der fortentwickelten Rechtsprechung des Senats nicht mehr ohne weiteres zur Bejahung der Einkünfteerzielungsabsicht aus.

b) Das FG muss vielmehr noch ermitteln, ob die Vermietung der Ferienwohnung die ortsübliche Vermietungszeit von Ferienwohnungen (ohne dass Vermietungshindernisse gegeben sind) um mindestens 25 v.H. unterschritten hat und je nach Ergebnis entweder die Einkünfteerzielungsabsicht der Kläger ohne weitere Prüfung bejahen oder sie nach den Grundsätzen des Urteils in BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726 überprüfen.