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BFH-Urteil vom 6.9.2006 (XI R 28/05) BStBl. 2007 II S. 860

1. Wurde für die Anschaffung eines Wirtschaftsguts eine sog. Ansparrücklage (§ 7g Abs. 3 EStG) gebildet, ohne innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums die geplante Investition zu realisieren, kann für dasselbe Wirtschaftsgut nur dann wieder eine Rücklage gebildet werden, wenn der Steuerpflichtige eine einleuchtende Begründung dafür abgibt, weshalb die Investition trotz gegenteiliger Absichtserklärung bislang nicht durchgeführt wurde, gleichwohl aber weiterhin geplant ist (Abgrenzung von BFH-Urteil vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00, BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385).

2. Die Ansparrücklage setzt nicht voraus, dass der voraussichtliche Investitionszeitpunkt in der Buchführung oder den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung ausgewiesen wird (anders BMF-Schreiben vom 25. Februar 2004, BStBl I 2004, 337, Rn 8, 15).

EStG § 7g.

Vorinstanz: FG Köln vom 1. Juni 2005 7 K 3186/04 (EFG 2005, 1413)

Sachverhalt

I.

Der mit der Klägerin im Streitjahr 1999 zusammen veranlagte Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ermittelt seine Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit als Rechtsanwalt nach § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG). In der seiner Einkommensteuererklärung für das Streitjahr beigefügten Gewinnermittlung berücksichtigte er eine sog. Ansparrücklage als Betriebsausgabe in Höhe von 80.000 DM für den geplanten Erwerb eines PKW der Marke Audi S 8 im Wert von 160.000 DM. Bereits in seinen Gewinnermittlungen für 1995 und 1997 hatte er jeweils Ansparrücklagen für einen Audi S 8 als Betriebsausgaben berücksichtigt, ohne diesen bis zum Ablauf der jeweiligen Investitionsfrist angeschafft zu haben.

Im Anschluss an eine Außenprüfung erkannte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) im Streitjahr die Rücklage nicht mehr als Betriebsausgabe an. Es fehle an der genauen Angabe des Investitionszeitpunkts. Der nachträglich bei der Schlussbesprechung in Kopie vorgelegte Brief des Klägers an seine Steuerberaterin vom 6. März 2000 über die bis zum Ende des Jahres 2001 geplante Neuanschaffung des PKW reiche nicht aus, denn der Investitionszeitpunkt müsse sich aus den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung ergeben. Auch habe der Kläger nach Angaben seiner Beraterin letztendlich keinen Audi S 8, sondern einen Geländewagen oder eine Großraumlimousine angeschafft.

Nach erfolglosem Einspruch gab das Finanzgericht (FG) der Klage statt (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 1413).

Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 7g Abs. 3 EStG. Ob eine Investition i.S. des § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs" getätigt werde, sei ausschließlich anhand des vom Steuerpflichtigen in seinen Aufzeichnungen anzugebenen Investitionszeitpunkts zu prüfen. Allein aus der Bezeichnung des anzuschaffenden Wirtschaftsguts könne noch nicht geschlossen werden, dass der Steuerpflichtige bis zum Ablauf des Zwei-Jahres-Zeitraums zu investieren beabsichtige. Die Zeitangabe diene zugleich der gebotenen Konkretisierung der Investition (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2183 b- 1/04, BStBl I 2004, 337, Rn 8). Der Gewinnzuschlag allein sei kein ausreichendes Instrument zur Verhinderung einer missbräuchlichen Rücklagenbildung, wie der Streitfall zeige. Vielfach werde die Ansparrücklage ohne jegliche Anschaffung oder Herstellung zur wiederholten Ergebnisglättung gebildet, so z.B. zur Steuerung des (progressiven) Einkommensteuersatzes, zur Inanspruchnahme außergewöhnlicher Belastungen oder der Eigenheimzulage. Zudem entfalle bei Existenzgründern ohnehin der Gewinnzuschlag. Die Angabe des Investitionszeitpunkts sei Tatbestandsvoraussetzung für die Bildung der Gewinnrücklage. Dass die Rücklage mangels Investition zum Ende des zweiten auf die Rücklagenbildung folgenden Wirtschaftsjahrs aufzulösen sei, ändere daran nichts.

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage als unbegründet abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Die geplante Investition sei mit "PKW Audi S 8" ohne Angabe des voraussichtlichen Investitionszeitpunkts hinreichend konkretisiert. In der Vergangenheit habe das FA daher auch keine zeitlichen Angaben verlangt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben. Die Sache ist an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entgegen der Auffassung des FG kommt eine wiederholte Rücklagenbildung nach § 7g Abs. 3 EStG für das gleiche Wirtschaftsgut nur in Betracht, wenn der Steuerpflichtige nachvollziehbare Gründe dafür anführen kann, weshalb die Investition zunächst nicht durchgeführt worden ist und die Investitionsabsicht fortbesteht.

1. Die Auffassung des FG, der Kläger sei nicht gehindert gewesen, über Jahre hinweg die Rücklage für die Anschaffung eines Audi S 8 fortzuführen, steht weder mit dem Gesetzeswortlaut noch mit dem genannten Gesetzeszweck in Einklang.

Nach § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG darf die Rücklage im Streitjahr 50 v.H. der Anschaffungs- oder Herstellungskosten des begünstigten Wirtschaftsguts nicht überschreiten, das der Steuerpflichtige "voraussichtlich bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs anschaffen oder herstellen wird". Dies setzt eine Prognoseentscheidung über das künftige Investitionsverhalten des Steuerpflichtigen aus der Sicht des Endes des jeweiligen Gewinnermittlungszeitraums voraus (vgl. z.B. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. November 2004 X R 38/02, BFH/NV 2005, 846, m.w.N.; vom 19. September 2002 X R 51/00, BFHE 200, 343, BStBl II 2004, 184; vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187; BFH-Beschluss vom 28. November 2003 III B 65/03, BFH/NV 2004, 632). Die Bildung von Ansparrücklagen "ins Blaue" ist unzulässig (BFH-Urteil in BFHE 200, 343, 348, BStBl II 2004, 184), denn Normzweck ist die Förderung tatsächlicher Investitionen.

Dem steht die Entscheidung des erkennenden Senats vom 12. Dezember 2001 XI R 13/00 (BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385) nicht entgegen. Sollte aus ihr etwas anderes entnommen werden können, hält der erkennende Senat hieran nicht fest. In dem bezeichneten Urteil hatte er über die Frage zu entscheiden, ob der Steuerpflichtige bei erstmaliger Bildung einer Rücklage für ein im Übrigen hinreichend konkretisiertes Wirtschaftsgut seine Investitionsabsicht, wie seinerzeit von der Finanzverwaltung verlangt (BMF-Schreiben vom 12. Dezember 1996 IV B 2 -S 2138- 37/96, BStBl I 1996, 1441, Tz. 3) glaubhaft zu machen hat. Dies hat er verneint. Dabei ist er davon ausgegangen, dass mit dem Ausweis der geplanten Investition in der Gewinnermittlung dem ersten Anschein nach zugleich die Investitionsabsicht dokumentiert wird.

Im Streitfall geht es jedoch nicht um eine erstmalige, sondern um eine wiederholte Rücklagenbildung für das gleiche Wirtschaftsgut. Hat der Steuerpflichtige eine nach seiner eigenen Erklärung beabsichtigte Investition tatsächlich nicht innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums getätigt, sind an die Plausibilität seines Vorbringens über das Fortbestehen seiner Investitionsabsicht erhöhte Anforderungen zu stellen. Bei diesem Sachverhalt ist es zumutbar und daher auch gerechtfertigt, vom Steuerpflichtigen eine - sachlich einleuchtende - Begründung dafür zu verlangen, weshalb die Investition trotz gegenteiliger Absichtserklärung bislang nicht durchgeführt worden, aber gleichwohl weiterhin geplant ist.

2. Im Übrigen ist die Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Insbesondere ist die Behandlung der Rücklage als Betriebsausgabe nicht von zusätzlichen Angaben über den Investitionszeitpunkt in der Buchführung bzw. den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung abhängig (anders BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 337, Rn 8, 15).

a) Die Angaben des Klägers genügen § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG.

Nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des BFH ist die voraussichtliche Investition bei Bildung jeder einzelnen Rücklage so genau zu bezeichnen, dass künftig festgestellt werden kann, ob eine tatsächlich durchgeführte Investition derjenigen entspricht, für deren Finanzierung die Rücklage gebildet wurde. Notwendig sind insbesondere Angaben zur Funktion des Wirtschaftsguts und zu den voraussichtlichen Anschaffungs- oder Herstellungskosten (vgl. z.B. BFH-Urteil in BFHE 197, 448, BStBl II 2002, 385; BFH-Beschluss vom 24. Mai 2005 X B 137/04, BFH/NV 2005, 1563; BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Diesen Anforderungen an die Konkretisierung der beabsichtigten Investition ist mit der Angabe des Klägers, einen "PKW Audi S 8" für 160.000 DM anschaffen zu wollen, Genüge getan. Außerdem hat der Kläger im Rahmen der Außenprüfung ein Schreiben vom 6. März 2000 an seine Steuerberaterin vorgelegt, wonach der PKW bis 2001 angeschafft werden sollte.

b) Unter diesen Umständen steht der Behandlung der Rücklage als Betriebsausgabe nicht entgegen, dass der Investitionszeitpunkt nicht in den der Gewinnermittlung dienenden Aufzeichnungen gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 Nr. 3, Abs. 6 EStG festgehalten war. Die Frage, ob trotz § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG auf jegliche zeitliche Angaben - so FG - verzichtet werden kann, ist auf Grund des Schreibens des Klägers an die Steuerberaterin im Streitfall nicht entscheidungserheblich.

aa) Der Zeitangabe in der Buchführung bzw. den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG kommt als solcher keine materiell-rechtliche Bedeutung zu. Aus § 7g Abs. 3 Satz 2 und Abs. 4 Satz 2 EStG ergibt sich, dass die Investition bis zum Ende des zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahrs getätigt werden muss, anderenfalls der Gewinn in diesem Wirtschaftsjahr um die aufgelöste Rücklage zuzüglich eines Aufschlags von 6 v.H. (§ 7g Abs. 5 EStG) zu erhöhen ist. Aus der Nichteinhaltung der von den Steuerpflichtigen nach Auffassung des FA zu fordernden zeitlichen Angaben ergeben sich keine weitergehenden Rechtsfolgen. Sollte ein Steuerpflichtiger z.B. in seiner Gewinnermittlung für den Veranlagungszeitraum 2001 eine Rücklage für die Anschaffung eines (konkretisierten) Wirtschaftsguts bis zum Ende des Veranlagungszeitraums 2002 bilden und diese Frist nicht einhalten, hat dies keine Gewinnauswirkung, denn die Rücklage ist erst zum Ende des Veranlagungszeitraums 2003 aufzulösen. Entsprechendes gilt - entgegen z.B. FG Hamburg, Beschluss vom 24. Oktober 2000 II 357/00 (Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2001, 175) - erst recht, wenn der Investitionszeitpunkt auf einen bestimmten Monat innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums festgelegt wird, da sich die Auflösung der Rücklage bzw. die nach § 7g Abs. 6 EStG anzusetzende Betriebseinnahme stets nur zum Ende eines Wirtschaftsjahrs auswirken (z.B. BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Wird die geplante Investition innerhalb des Zwei-Jahres-Zeitraums aufgegeben, ist die Rücklage, unabhängig von früheren Zeitangaben aufzulösen (BFH-Urteil vom 21. September 2005 X R 32/03, BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66).

bb) Es besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Bildung einer Ansparrücklage an der danach nur formalen Angabe des voraussichtlichen Investitionszeitpunkts bzw. -jahrs in der Buchführung bzw. in den Aufzeichnungen für die Gewinnermittlung scheitern zu lassen. § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG listet im Einzelnen die neben der Konkretisierung der geplanten Investition notwendigen Voraussetzungen für die Bildung einer Ansparrücklage auf. Dazu gehört zwar nach Nr. 3, dass die Bildung und Auflösung der Rücklage in der Buchhaltung bzw. in den entsprechenden Aufzeichnungen verfolgt werden können, nicht aber die Angabe des Investitionszeitpunkts. Weitergehende formale Anforderungen zu stellen, liefe dem Normzweck zuwider und stünde auch im Gegensatz zur Gesetzesbegründung, wonach die Rücklage ohne Vorlage von Investitionsplänen gebildet werden kann (BTDrucks 12/4487, S. 33; FG Köln, Beschluss vom 13. März 2002 7 V 126/02, DStRE 2002, 807; Meyer/Ball, Finanz-Rundschau 2001, 1206, 1208). Begünstigt werden sollte letztendlich der Steuerpflichtige, der die geplante Investition innerhalb des gesetzlichen Investitionszeitraums realisiert.