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BFH-Beschluss vom 19.7.2007 (V B 222/06) BStBl. 2008 II S. 163 1. Die Veräußerung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten führt zu einem sog. Doppelumsatz, nämlich zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers an den Erwerber (Dritten) und zugleich zu einer Lieferung des Sicherungsgebers an den Sicherungsnehmer. 2. Hat der Sicherungsnehmer einen sicherungsübereigneten Gegenstand vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung verwertet, liegt keine "Lieferung eines sicherungsübereigneten Gegenstands durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens" i.S. des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG vor. UStG 1999 § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; InsO § 170 Abs. 2, § 173 Abs. 1. Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 7. November 2006 1 K 2676/04 Sachverhalt I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der N-AG (AG). Diese war im Speditionsgewerbe tätig und hatte im ersten Halbjahr 2002 die Anschaffung von 17 Nutzfahrzeugen über die X-Bank finanziert und dieser die Fahrzeuge als Sicherheit bis zur Tilgung der Darlehen übereignet. Am 18. November 2002 stellte die AG einen Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Daraufhin kündigte die Bank mit Schreiben vom 22. November 2002 sämtliche Darlehensverträge mit sofortiger Wirkung. Am selben Tag übergab die AG der Bank die Fahrzeuge zum Zwecke der Verwertung. Der am 26. November 2002 zum vorläufigen Insolvenzverwalter bestellte Kläger stimmte einer Verwertung der Fahrzeuge durch die Bank am 12. Dezember 2002 zu. Am 1. Januar 2003 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der AG eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Am 29. Januar 2003 veräußerte die Bank die Fahrzeuge und erteilte der AG eine Gutschrift in Höhe von 826.270 € zuzüglich 16 % Umsatzsteuer in Höhe von 132.203,20 €. Mit berichtigter Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2003 erklärte der Kläger die Umsätze aus der Veräußerung der Fahrzeuge, legte hiergegen jedoch zugleich Einspruch ein mit der Begründung, die Umsätze seien bereits in der Umsatzsteuer-Voranmeldung für Dezember 2002 zu berücksichtigen. Der Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldung für Januar 2003 sowie die Klage gegen den mittlerweile ergangenen Umsatzsteuerjahresbescheid für 2003 blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer (hier: die X-Bank) an einen Dritten führe nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zu einem sog. Doppelumsatz, nämlich zu einer Lieferung des Sicherungsnehmers (hier: die X-Bank) an den Erwerber (Dritten) und zugleich zu einer Lieferung des Sicherungsgebers (hier: die AG) an den Sicherungsnehmer (hier: die X-Bank). Im Streitfall habe erst die Veräußerung der Fahrzeuge am 29. Januar 2003 durch die X-Bank - und nicht bereits die Zustimmung des vorläufigen Insolvenzverwalters zu einer Veräußerung der Fahrzeuge am 12. Dezember 2002 - zu Lieferungen der AG an die X-Bank geführt. Gegen dieses Urteil richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers. Er beantragt Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Entscheidungsgründe II. Die Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache liegen nicht vor. 1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO) setzt u.a. voraus, dass die von dem Kläger hervorgehobene Rechtsfrage in dem angestrebten Revisionsverfahren klärungsbedürftig und (im Streitfall) klärbar ist (vgl. z.B. BFH-Beschlüsse vom 28. November 1997 V B 90/97, BFH/NV 1998, 628; vom 3. März 2006 V B 80/05, BFH/NV 2006, 1250). 2. Der Kläger hält folgende Rechtsfrage für klärungsbedürftig: "Führt die 'Freigabe' durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter, d.h. die gleichzeitige körperliche Übergabe von Sicherungsgut an den Sicherungsnehmer und der Verzicht auf das Auslöserecht - ungeachtet einer späteren Verwertung des Sicherungsnehmers nach Verfahrenseröffnung gem. § 173 Abs. 1 InsO - zu einer Verwertung außerhalb des Insolvenzverfahrens i.S. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG?" 3. Diese Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie bereits durch die Rechtsprechung des BFH geklärt ist (vgl. dazu z.B. BFH-Beschlüsse vom 14. März 2006 IV B 14/05, BFH/NV 2006, 1253; vom 7. Juni 2006 II B 129/05, BFH/NV 2006, 1616). Sie ist zu verneinen. a) Wie der Senat im Beschluss vom 13. Februar 2004 V B 110/03 (BFH/NV 2004, 832, m.w.N.) dargelegt hat, kommt es mit der Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten für Rechnung des Sicherungsgebers zu zwei Lieferungen: Der Sicherungsnehmer liefert an den Erwerber und der Sicherungsgeber liefert an den Sicherungsnehmer; erst mit dem Zeitpunkt der Veräußerung an den Erwerber ist der Gegenstand (auch wirtschaftlich) endgültig aus dem Vermögen des Sicherungsgebers ausgeschieden. Eine Vereinbarung, nach der der Sicherungsgeber dem Sicherungsnehmer das Sicherungsgut zur Verwertung frei gibt und auf sein Auslösungsrecht verzichtet, stellt noch keine Lieferung des Sicherungsguts an den Sicherungsnehmer dar. b) Die in dem Beschluss zitierte Rechtsprechung, die das FG zutreffend auch im Streitfall angewendet hat, ist zwar unter Geltung der Konkursordnung ergangen. Entgegen der Ansicht des Klägers ist diese Rechtsprechung aber auf das Insolvenzverfahren übertragbar. Denn die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich (bereits) eine Lieferung vorliegt, richtet sich nach umsatzsteuerrechtlichen Kriterien, nicht etwa nach konkurs- bzw. insolvenzrechtlichen Regelungen. c) Das Inkrafttreten des § 13b Abs. 1 Nr. 2 des Umsatzsteuergesetzes 1999 in der ab 2002 geltenden Fassung (UStG), wonach bei "Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer außerhalb des Insolvenzverfahrens" die Steuer mit Ausstellung der Rechnung entsteht (§ 13b Abs. 1 UStG) und der Leistungsempfänger die Steuer schuldet, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des öffentlichen Rechts ist (§ 13b Abs. 3 UStG), ändert an der Maßgeblichkeit der bisherigen Abgrenzungsgrundsätze zum Vorliegen einer Lieferung im Falle sicherungsübereigneter Gegenstände nichts. Die Lieferung erfolgt in Fällen der vorliegenden Art nicht "außerhalb des Insolvenzverfahrens". Aus dem Umstand, dass § 173 Abs. 1 der Insolvenzordnung (InsO) für diesen Fall keine dem § 170 Abs. 2 InsO entsprechende Verpflichtung des Gläubigers zur Abführung des Umsatzsteuerbetrages an die Masse vorsieht, kann - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht geschlossen werden, dass die Lieferung doch außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt (zutreffend Stadie in Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 70). d) Auch eine analoge Anwendung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG scheidet aus. aa) Dem Gesetzgeber war die ständige Rechtsprechung des BFH zum sog. Doppelumsatz bei Veräußerung des Sicherungsgutes durch den Sicherungsnehmer an einen Dritten bekannt, als er mit Wirkung zum 1. Januar 2002 - wie beim vorherigen Abzugsverfahren nach § 51 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) 1993/1999 - die Regelung des § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 UStG auf die Lieferungen sicherungsübereigneter Gegenstände durch den Sicherungsgeber an den Sicherungsnehmer auf Fälle außerhalb des Insolvenzverfahrens begrenzte. Hätte der Gesetzgeber die vom Kläger befürwortete Anwendung der Vorschrift gewollt, hätte er dies durch eine eindeutige Formulierung für Lieferungen von zur Sicherheit übereigneten Gegenständen "durch den Insolvenzverwalter" klarstellen können. Daraus, dass er dies nicht getan hat, ergibt sich, dass sämtliche Lieferungen von Sicherungsgut während des Insolvenzverfahrens nicht der Regelung des § 13b UStG unterworfen werden sollten (vgl. bereits für das Abzugsverfahren: BFH in BFH/NV 1998, 628). bb) Aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 29. März 2007 IX ZR 27/06 (Der Betrieb 2007, 1351, Umsatzsteuer-Rundschau 2007, 583) folgt nichts anderes. Der Leitsatz dieser Entscheidung lautet zwar: "Hat der wegen sicherungsübereigneter Gegenstände zur abgesonderten Befriedigung berechtigte Gläubiger das Sicherungsgut vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens in Besitz genommen, aber erst nach der Eröffnung verwertet, hat er in Höhe der wegen der Lieferung des Sicherungsgutes an ihn angefallenen Umsatzsteuerschuld aus dem Verwertungserlös einen Betrag in dieser Höhe in analoger Anwendung von § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG, § 170 Abs. 2, § 171 Abs. 2 Satz 3 InsO an die Masse abzuführen." Aus den Entscheidungsgründen des BGH-Urteils ergibt sich jedoch, dass (auch) der BGH eine Verwertung außerhalb des Insolvenzverfahrens i.S. des § 13b Abs. 1 Nr. 2 UStG verneint, wenn die Verwertung erst nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt (vgl. die Urteilsgründe unter II. 1. c), und dass der BGH das von ihm im Leitsatz wiedergegebene Ergebnis im Wesentlichen aus einer analogen Anwendung von § 170 Abs. 2 InsO herleitet (vgl. die Urteilsgründe unter II.3.). 4. Von einer weiteren Begründung sieht der Senat gemäß § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ab.
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