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BFH-Urteil vom 6.7.2005 (VIII R 74/02) BStBl. 2008 II S. 180

Die Tarifbegünstigung nach § 32c EStG erfasst auch Sondervergütungen i.S. von § 5a Abs. 4 a Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

EStG § 5a Abs. 4 a Satz 3, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 32c.

Vorinstanz: FG Bremen vom 27. August 2002 1 K 224/02 (EFG 2003, 541)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Kommanditist der N-GmbH & Co. KG (Beigeladene). Gegenstand von deren Unternehmen war der Betrieb des Gastankers "E". Im Streitjahr 2000 war der Kläger Vorsitzender des aus drei Mitgliedern bestehenden Beirats der Beigeladenen, wofür er eine Vergütung von 7.000 DM bezog.

Das Schiff, die E, war im Streitjahr unter der Flagge der Niederländischen Antillen im Schiffsregister des Amtsgerichts X eingetragen. Bis 2005 transportiert die E im Rahmen eines Ertragspools Gas.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gab dem Antrag der Beigeladenen, die Gewinnermittlung ab 1. Januar 2000 pauschaliert nach der Tonnage gemäß § 5a des Einkommensteuergesetzes (EStG) vorzunehmen, im Rahmen des unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Feststellungsbescheids für 2000 statt.

In ihrer Feststellungserklärung erklärte die Beigeladene die Beiratsvergütung des Klägers als tarifbegünstigte Einkünfte i.S. von § 32c EStG. Dem folgte das FA nicht. Der Kläger hat nach erfolglosem Einspruchsverfahren Klage erhoben mit dem Antrag, den Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (Einkünfte aus Gewerbebetrieb) der N-GmbH & Co. KG zu ändern, und die für ihn festgestellte Sondervergütung in Höhe von 7.000 DM als Einkünfte nach § 32c EStG festzustellen. Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seiner in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2003, 541 veröffentlichen Entscheidung vom 27. August 2002 1 K 224/02 stattgegeben. Die Tarifermäßigung nach § 32c EStG erfasse auch Vergütungen i.S. von § 5a Abs. 4 a Satz 3 EStG.

Das FA rügt mit seiner Revision die Verletzung materiellen Rechts (§ 5a Abs. 5 Satz 2 EStG).

Es beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Während des Revisionsverfahrens hat das FA am 6. Juni 2005 einen geänderten Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen erlassen. Die tatsächlichen Grundlagen des Streitstoffs werden hiervon nicht berührt.

Entscheidungsgründe

II.

Auf die Revision des FA ist die Vorentscheidung schon aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG entschied über die Einspruchsentscheidung vom 30. April 2002 in Gestalt des Bescheides vom 8. November 2001. An die Stelle dieses Bescheids trat während des Revisionsverfahrens der Änderungsbescheid vom 6. Juni 2005. Damit liegt dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde mit der Folge, dass auch das FG-Urteil keinen Bestand haben kann (s. dazu Senatsurteil vom 21. Dezember 1993 VIII R 13/89, BFHE 174, 328, BStBl II 1994, 734, sowie Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Januar 2003 IV R 71/00, BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und vom 28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).

Der Bescheid vom 6. Juni 2005 wurde nach § 68 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens. Da sich hinsichtlich der streitigen Punkte durch die Bescheidänderung keine Änderungen ergeben und die Kläger auch keinen weiter gehenden Antrag gestellt haben, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache gemäß § 127 FGO. Das finanzgerichtliche Verfahren leidet nicht an einem Verfahrensmangel, so dass die vom FG getroffenen tatsächlichen Feststellungen durch die Aufhebung des Urteils nicht weggefallen sind; sie bilden daher nach wie vor die Grundlage für die Entscheidung des Senats (Senatsurteil in BFHE 174, 328, BStBl II 1994, 734, sowie BFH-Urteile in BFHE 201, 269, BStBl II 2004, 43, und in BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).

III.

Der erkennende Senat entscheidet aufgrund seiner Befugnis aus den §§ 121, 100 FGO in der Sache selbst.

Die Klage ist begründet.

Die für den Beigeladenen festgestellte Sondervergütung fällt unter § 32c EStG.

1. Gemäß § 32c Abs. 2 Satz 1 EStG sind gewerbliche Einkünfte im Sinne dieser Vorschrift Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 des Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der Gewerbesteuer unterliegen. Ausgenommen sind gemäß § 32c Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Satz 1 EStG u.a. Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 3 GewStG zu kürzen sind. Nicht ausgenommen sind Sondervergütungen i.S. von § 5a Abs. 4 a Satz 3 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG; sie unterliegen gemäß § 7 GewStG der Gewerbesteuer, ohne dass eine Kürzungsmöglichkeit gemäß § 9 Nr. 3 GewStG besteht. Denn gemäß § 7 Satz 2 GewStG in der im Streitjahr geltenden Fassung gilt bereits der nach § 5a EStG ermittelte Gewinn als Gewerbeertrag. Zum Gewinn i.S. von § 5a EStG gehören gemäß § 5a Abs. 4 a Satz 3 EStG auch Sondervergütungen gemäß § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG.

Im Unterschied zur Regelung in § 7 Satz 1 GewStG scheiden für den fingierten Gewerbeertrag Hinzurechnungen und Kürzungen aus (vgl. dazu auch das Urteil des Senats vom heutigen Tage VIII R 72/02, sowie Lenski/Steinberg, Gewerbesteuergesetz, § 7 Anm. 378; Blümich/von Twickel, Einkommensteuergesetz, Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, § 7 GewStG Rz. 123).

Dies entspricht der Systematik des GewStG, nach der in den Gewerbeertrag nach § 7 Satz 1 GewStG auch die Sondervergütungen nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG einzubeziehen sind (vgl. BFH-Entscheidungen vom 6. Juli 1999 VIII R 46/94, BFHE 189, 139, BStBl II 1999, 720; vom 3. Mai 1993 GrS 3/92, BFHE 171, 246, BStBl II 1993, 616). Entsprechend der Gewinnermittlung nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist auch für Zwecke der Tonnagebesteuerung der Gewinn zunächst auf der Gesellschaftsebene aus der Tätigkeit der Gesellschaft zu ermitteln - insoweit bedeutet § 5a EStG eine Sonderregelung - und sodann der ermittelte Gewinn den einzelnen Gesellschaftern anteilig zuzurechnen. Insoweit korrespondieren § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und § 5a Abs. 4 a Satz 3 EStG in systematischer Hinsicht. An dieser Struktur der Gewinnermittlung für Personengesellschaften sollte § 7 Satz 2 GewStG nichts ändern (vgl. BTDrucks 13/10710, 5; BRDrucks 342/98, 9).

2. Die Tarifbegünstigung nach § 32c EStG ist für Vergütungen i.S. von § 5a Abs. 4 a Satz 3 EStG auch nicht gemäß § 5a Abs. 5 Satz 2 EStG ausgeschlossen (vgl. auch Blümich/Hofmeister, a.a.O., § 5a EStG Rz. 94; Weiland in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 5a EStG Rn. 172; Schmidt/Weber-Grellet, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl., § 5a Rz. 13).

a) § 5a Abs. 5 Satz 2 EStG bezieht sich ausschließlich auf Gewinne nach § 5a Abs. 1 EStG. § 5a Abs. 5 Satz 2 EStG knüpft insoweit an § 5a Abs. 5 Satz 1 EStG an. Gemäß § 5a Abs. 4 a Satz 1 und 2 EStG ist im Hinblick auf § 5a Abs. 1 EStG bei Gesellschaften i.S. von § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG anstelle des einzelnen Steuerpflichtigen auf die Gesellschaft abzustellen und der so nach Abs. 1 ermittelte Gewinn den Gesellschaftern entsprechend ihrem Anteil am Gesellschaftsvermögen zuzurechnen. Damit betrifft die Tonnagebesteuerung allein die Gewinnanteile der Gesellschafter, nicht auch deren Sondervergütungen.

b) Bestätigt wird dieses Auslegungsergebnis auch durch die Gesetzesmaterialien. In der Begründung zu § 5a Abs. 4 a EStG (BTDrucks 13/10710, 4; BRDrucks 342/98, 7 f.) ist ausgeführt, dass Vergütungen, die der Gesellschafter einer Personengesellschaft von der Gesellschaft für Tätigkeiten im Dienste der Gesellschaft oder für die Überlassung von Wirtschaftsgütern auf schuldrechtlicher Basis erhält, anders als Gewinnanteile in dem pauschal ermittelten Gewinn nicht enthalten sind und diesem deshalb hinzugerechnet werden müssen. "Andernfalls wären Gestaltungen zu befürchten, bei denen Geschäftspartner und Arbeitnehmer von Personengesellschaften an diesen mit einem geringen Anteil beteiligt werden würden, um dadurch sämtliche Vergütungen und Arbeitslöhne zu einem Bestandteil des nach der Tonnage ermittelten Gewinns zu machen und der regulären Besteuerung zu entziehen".

Auch aus dem Zweck von § 5a Abs. 5 Satz 2 EStG, eine Mehrfachbegünstigung auszuschließen (vgl. u.a. Weiland in Littmann/ Bitz/Pust, a.a.O., § 5a EStG Rn. 200; Blümich/Hofmeister, a.a.O., § 5a EStG Rz. 101, m.w.N., und § 32c EStG Rz. 32) ergibt sich nichts anderes. Die Sondervergütungen werden nur durch § 32c EStG und damit nur einmal entlastet.