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BFH-Urteil vom 16.5.2007 (I R 38/06) BStBl. 2008 II S. 202 Auf das in Nordrhein-Westfalen erhobene besondere Kirchgeld sind Beiträge des Ehegatten des Kirchensteuerpflichtigen an eine freikirchliche Gemeinde, der er angehört, auch dann anzurechnen, wenn er sie ohne Rechtspflicht freiwillig entrichtet hat. KiStG NW § 4 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 4 Satz 3. Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 28. April 2006 1 K 1778/05 Ki (EFG 2006, 1455) Sachverhalt I. Streitpunkt ist, ob Zahlungen des Ehegatten des Kirchensteuerpflichtigen an eine freikirchliche Gemeinde auf das in Nordrhein-Westfalen erhobene besondere Kirchgeld anzurechnen sind. Die in Nordrhein-Westfalen wohnhafte Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) war in den Streitjahren 2002 und 2003 Mitglied der Evangelischen Kirche. Ihr Ehemann gehörte der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde in X (Freikirche X) an. Die Freikirche X ist Mitglied im Bund Evangelisch-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts, die keine Kirchensteuern erhebt. Sie hat eine Gemeindeordnung, die unter Nr. 10 ("Gemeindehaushalt") folgende Bestimmungen enthält: "10.1 Die Gemeinde erstrebt keinen finanziellen Gewinn. 10.2 Die erforderlichen Geldmittel werden durch freiwillige Beiträge, Sammlungen, Spenden und Erträge aus dem Vermögen aufgebracht. 10.3 Die Gemeindemitglieder leisten durch Opferbereitschaft entsprechend ihrem Einkommen ihre Beiträge. ..." Der Beklagte und Revisionskläger (Beklagter), der Evangelische Kirchenkreis Y, bestätigte durch ablehnende Einspruchsentscheidung die vom zuständigen Finanzamt für die Streitjahre gegen die Klägerin festgesetzten Kirchensteuern in Form eines besonderen Kirchgeldes. Die Festsetzung erfolgte ohne Anrechnung der in den Streitjahren vom Ehemann der Klägerin geleisteten, das festgesetzte besondere Kirchgeld jeweils übersteigenden Zahlungen an die Freikirche X. Das Finanzgericht (FG) Düsseldorf hat der hiergegen gerichteten Klage stattgegeben und die Bescheide über die Festsetzung des besonderen Kirchgeldes ersatzlos aufgehoben. Sein Urteil vom 28. April 2006 1 K 1778/05 Ki ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1455 abgedruckt. Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Beklagten, der die Verletzung materiellen Rechts rügt. Der Beklagte beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG hat zu Recht entschieden, dass die vom Ehemann der Klägerin in den Streitjahren an die Freikirche X geleisteten Zahlungen auf das die Klägerin betreffende besondere Kirchgeld anzurechnen sind. 1. Gemäß § 1 des Gesetzes über die Erhebung von Kirchensteuern im Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 22. April 1975 - KiStG NW - (Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Nordrhein-Westfalen - GVBl NW - 1975, 438), zuletzt geändert durch Gesetz vom 6. März 2001 (GVBl NW 2001, 103), erheben die Katholische Kirche und die Evangelische Kirche im Land Nordrhein-Westfalen Kirchensteuern auf Grund eigener Steuerordnungen. Von Kirchensteuerpflichtigen, deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist, können Kirchensteuern gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW als besonderes Kirchgeld erhoben werden. Auf der Grundlage von § 1 KiStG NW haben die evangelischen Kirchen in Nordrhein-Westfalen (Rheinland/Westfalen/ Lippische Landeskirche) eine Kirchensteuerordnung (KiStO NW) erlassen, die zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist. Auch diese bestimmt in § 6 Abs. 1 Nr. 5, dass die Kirchensteuer bei kirchensteuerpflichtigen Gemeindemitgliedern, deren Ehegatte nicht kirchensteuerpflichtig ist, als besonderes Kirchgeld erhoben werden kann (vgl. zur Verfassungsmäßigkeit des besonderen Kirchgeldes Senatsurteil vom 19. Oktober 2005 I R 76/04, BFHE 211, 90, BStBl II 2006, 274). Nach § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW sind auf das besondere Kirchgeld die Beiträge anzurechnen, die der nicht kirchensteuerpflichtige Ehegatte als Mitglied einer öffentlich-rechtlichen Religionsgemeinschaft, die keine Kirchensteuern erhebt, entrichtet hat. 2. Danach ist die Klägerin zwar mangels Kirchensteuerpflicht ihres Ehemannes grundsätzlich zum besonderen Kirchgeld gemäß § 4 Abs. 1 Nr. 5 KiStG NW, § 6 Abs. 1 Nr. 5 KiStO NW heranzuziehen. Jedoch sind gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW die von ihrem Ehemann in den Streitjahren an die Freikirche X geleisteten, das besondere Kirchgeld jeweils übersteigenden Zahlungen auf dieses anzurechnen, so dass kein festzusetzendes besonderes Kirchgeld mehr verbleibt. a) Wie auch der Beklagte nicht bezweifelt, ist die Freikirche X eine öffentlich-rechtliche Religionsgemeinschaft gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW, die keine Kirchensteuern erhebt. b) Bei den Zahlungen des Ehemannes der Klägerin handelt es sich um "Beiträge" i.S. von § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW. aa) Der Senat hat die landesrechtlichen Bestimmungen des Kirchensteuergesetzes und der Kirchensteuerordnung in eigener Zuständigkeit auszulegen und ist nicht an die Interpretation des FG gebunden. Denn es handelt sich gemäß § 118 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 33 Abs. 1 Nr. 4 FGO um revisibles Landesrecht, weil § 14 Abs. 4 Satz 1 KiStG NW in den die Festsetzung der Kirchensteuer betreffenden Streitigkeiten den Finanzrechtsweg eröffnet und § 14 Abs. 4 Satz 2 KiStG NW die Vorschriften der FGO insgesamt für anwendbar erklärt (vgl. Senatsurteil vom 7. August 1985 I R 309/82, BFHE 145, 7, BStBl II 1986, 42; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 8. März 1995 II R 10/03, BFHE 177, 276, BStBl II 1995, 432, und II R 58/93, BFHE 177, 288, BStBl II 1995, 438). bb) Das FG hat § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW zutreffend dahin ausgelegt, dass unter den Begriff "Beiträge" nicht nur solche Zuwendungen fallen, zu deren Zahlung der Ehegatte gegenüber der betreffenden Religionsgemeinschaft rechtlich verpflichtet ist. Vielmehr sind darunter auch ohne Rechtspflicht geleistete Beiträge zu fassen. aaa) Weder umgangssprachlich noch im juristischen Sprachgebrauch schließt der Begriff "Beiträge", soweit damit Geldzuwendungen gemeint sind, auf freiwilliger Basis erbrachte Leistungen aus. Auch die vom Beklagten für seine gegenteilige Sicht in Bezug genommene Definition aus dem Brockhaus-Lexikon, wonach Beiträge "regelmäßige Zahlungen auf Grund von Mitgliedschaft in Vereinen, Parteien, Versicherungen oder eine besondere Art von Abgaben" sind, lässt keine Beschränkung auf solche Zahlungen erkennen, zu denen der Leistende rechtlich verpflichtet ist. Wäre es anders, wäre die nicht selten - im Übrigen auch vom Beklagten - verwendete Begriffskombination "freiwilliger Beitrag" (vgl. etwa § 55 Abs. 2 Nr. 1 des VI. Buches Sozialgesetzbuch - SGB VI -; § 23 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2, § 24 Abs. 4 des Gesetzes über die Alterssicherung der Landwirte) in sich widersprüchlich. Der ebenfalls gebräuchliche Ausdruck "Pflichtbeitrag" (z.B. § 43 Abs. 4 Nr. 3, § 60 SGB VI; § 10 Abs. 7 Satz 1, § 18 Abs. 1 Satz 1, § 19 des Abgeordnetengesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen) wäre ein Pleonasmus. Diese Beispiele aus der Gesetzessprache zeigen, dass der allgemeine Ausdruck "Beitrag" grundsätzlich als Oberbegriff aufzufassen ist, der sowohl freiwillige als auch auf rechtlicher Verpflichtung beruhende Leistungen umfassen kann. Dagegen spricht nicht der Umstand, dass im Rahmen der Begriffstrias des Abgabenrechts (Steuern, Gebühren und Beiträge) unter Beiträgen die hoheitlich zur Finanzbedarfsdeckung auferlegten - mithin rechtlich verbindlichen - Aufwendungsersatzleistungen verstanden werden (vgl. Lang in Tipke/Lang, Steuerrecht, 18. Aufl., § 3 Rz 20). Die Begriffstrias dient der Unterscheidung ausschließlich zwangsweise auferlegter Zahlungspflichten; denn auch Steuern und Gebühren werden auf rechtlich verpflichtender Grundlage erhoben. Der Beitragsbegriff dient in diesem Zusammenhang also nicht der Abgrenzung rechtlich verbindlicher Zahlungspflichten von freiwilligen Leistungen. Daher ist es nicht ausgeschlossen, dass in anderen Zusammenhängen - etwa im hier relevanten Bereich von Zuwendungen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Glaubensgemeinschaft basieren - auch solche Leistungen als "Beiträge" verstanden werden, die ohne rechtlich durchsetzbare Verpflichtung erbracht werden. bbb) Auch der Zweck der in § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW statuierten Anrechnungspflicht umfasst die vom Wortlaut getragene Berücksichtigung freiwillig geleisteter Beitragszahlungen. Nach der Gesetzesbegründung der Landesregierung sollte mit der Anrechnungspflicht "den Einwendungen der Freikirchen Rechnung getragen werden, die eine Reduzierung der freikirchlichen Beitragszahlungen durch den Kirchenangehörigen befürchten, wenn dessen Ehegatte künftig ein besonderes Kirchgeld zahlen muss" (Landtag Nordrhein-Westfalen, Drucks 13/439, S. 17). Eine Beitragskürzung durch den Angehörigen einer Freikirche, der die Anrechnungspflicht nach dem Willen des Gesetzgebers sonach entgegenwirken soll, ist aber gerade in den Fällen zu befürchten, in denen es der Angehörige der Freikirche selbst in der Hand hat, seine Beitragszahlungen zu reduzieren, weil er seine Beiträge freiwillig erbringt. Besteht demgegenüber eine rechtlich durchsetzbare Beitragspflicht, ist für die Besorgnis einer durch die Einführung des besonderen Kirchgeldes ausgelösten Beitragskürzung des Angehörigen einer Freikirche im Grunde kein Raum. Der Gesetzeszweck lässt demnach die Anrechnung freiwilliger Beitragszahlungen des Angehörigen einer Freikirche nicht nur zu, sondern ist hierauf sogar in besonderem Maße ausgerichtet. Ein zusätzlicher Beleg hierfür ist die vom FG hervorgehobene Äußerung des seinerzeitigen Vorsitzenden des Finanz- und Haushaltausschusses des nordrhein-westfälischen Landtags in der Landtagssitzung vom 14. Februar 2001, wonach zu begrüßen sei, dass im Gesetzentwurf § 4 Abs. 4 enthalten sei, der die freiwilligen Beiträge zu religiösen Organisationen, die keine Kirchensteuern erheben, berücksichtige. ccc) Soweit der Beklagte demgegenüber darauf verweist, die Anrechnungspflicht sei aufgrund einer Intervention der Mennonitengemeinde Z in das Gesetz aufgenommen worden, deren Mitglieder ausweislich deren Gemeindeordnung Pflichtbeiträge zu leisten hätten, spricht das nicht entscheidend gegen die hier vertretene Auslegung. Denn diese Umstände lassen keinen Schluss darauf zu, dass der Gesichtspunkt der Beitragspflicht der Angehörigen dieser Gemeinde ein für den Gesetzgeber maßgeblicher Gesichtspunkt gewesen ist und er den Ehegatten der Mitglieder anderer Freikirchen, die ihre Beiträge auf freiwilliger Basis leisten, eine Anrechnung versagen wollte. Im Übrigen lässt der Beklagte außer Acht, dass ausweislich Nr. 10.3 ihrer Gemeindeordnung auch die im Streitfall betroffene Freikirche X von ihren Mitgliedern Beitragszahlungen "entsprechend ihrem Einkommen" erwartet. Es besteht kein Anhalt dafür, dass der Gesetzgeber auf derartigen Regeln gründende Beitragsleistungen von der Anrechnung auf das besondere Kirchgeld hat ausschließen wollen, nur weil sie nicht als rechtlich durchsetzbare Zahlungspflichten gestaltet sind. Schließlich ergibt sich Abweichendes auch nicht aus dem Erlass des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 8. August 2001 zur Einführung des besonderen Kirchgeldes (EStG-Kartei NW Kist Nr. 2), der als Verwaltungsanweisung den Senat ohnehin nicht binden würde. Soweit dort hinsichtlich des Nachweises der Beitragszahlung des Ehegatten auf Abschn. 101 der Einkommensteuer-Richtlinien verwiesen wird, lässt sich daraus für die Auslegung von § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW nichts gewinnen. cc) Nach den nicht angegriffenen und den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG sind die streitbefangenen Zahlungen des Ehemannes der Klägerin in den allgemeinen Haushalt der Freikirche X geflossen. Mangels gegenteiliger Anhaltspunkte ist somit davon auszugehen, dass es sich um Beiträge i.S. von Nr. 10.3 der Gemeindeordnung der Freikirche X - und nicht um zweckbezogene Spenden - gehandelt hat, die nach allem gemäß § 4 Abs. 4 Satz 3 KiStG NW, § 6 Abs. 5 Satz 2 KiStO NW auf das besondere Kirchgeld der Klägerin anzurechnen sind.
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