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BFH-Urteil vom 19.7.2007 (V R 68/05) BStBl. 2008 II S. 208 1. Soweit nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993/1999 Taxifahrten unterschiedlich behandelt werden, als Fahrten innerhalb einer Gemeinde unabhängig von der konkreten Fahrtstrecke immer als Nahverkehrsfahrt ermäßigt zu besteuern sind, während dies für Taxifahrten außerhalb einer Gemeinde nur dann gilt, wenn die einzelne Fahrt 50 km nicht überschreitet, ist dies als gesetzgeberische Typisierung verfassungsgemäß. 2. Hin- und Rückfahrt sind eine (einheitliche) Beförderungsleistung i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG 1993/1999, wenn vereinbarungsgemäß die Fahrt nur kurzfristig unterbrochen wird und der Fahrer auf den Fahrgast wartet ("Wartefahrt"). Keine einheitliche Beförderungsleistung liegt jedoch vor, wenn das Taxi nicht auf den Fahrgast wartet, sondern später - sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholzeitpunkt oder aufgrund erneuter Bestellung - wieder abholt und zum Ausgangspunkt zurückbefördert ("Doppelfahrt"). 3. Bemessungsgrundlage für diese Taxifahrten ist das für die jeweilige Fahrt vereinbarte Entgelt. Dass dies z.T. unter Berücksichtigung unterschiedlicher Tarife für die "Leerfahrt" berechnet wird, ist umsatzsteuerrechtlich ohne Bedeutung. UStG 1993/1999 § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b; Richtlinie 77/388/EWG Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3 Anhang H Kategorie 5. Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 14. Oktober 2005 16 K 10593/02 (EFG 2007, 150) Sachverhalt I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) betrieb ein Taxiunternehmen. Er führte u.a. Krankenfahrten zu Ärzten und Dialysekliniken im ländlichen Raum durch, bei denen die einfache Fahrt jeweils unter 50 km betrug, die Hin– und Rückfahrt jedoch zusammengerechnet diese Grenze überschritt. Bei kürzeren Arztbesuchen wartete das Taxi auf den Patienten und fuhr diesen anschließend wieder zurück, während bei längeren Behandlungszeiten - wie z.B. bei Dialyseanwendungen - das Taxi leer zurückfuhr und den Patienten zum vereinbarten Zeitpunkt aufgrund einer neuen Fahrt wieder abholte. Die Krankenkasse erstatte die jeweils kostengünstigere Alternative. Der Kläger ging in den Streitjahren (1997 bis 1999) davon aus, dass bei sämtlichen Fahrten der ermäßigte Steuersatz nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b des Umsatzsteuergesetzes 1993/1999 (UStG) Anwendung finde, weil die einfache Fahrt die in dieser Vorschrift vorgesehene 50 km-Grenze jeweils nicht überschritten habe. Dagegen vertrat der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) im Anschluss an eine Außenprüfung in den Umsatzsteuerbescheiden für 1997 bis 1999 die Rechtsauffassung, in sämtlichen Fällen sei der Regelsteuersatz anzuwenden, weil die Fahrgäste für die Hin- und Rückfahrt einen einheitlichen Auftrag erteilt hätten. Die Einsprüche hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) folgte dem FA und wies die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 150 veröffentlichten Gründen ab. Es führte aus, nicht nur in den Fällen, in denen das Taxi auf den Patienten gewartet habe, sondern auch bei gesonderter Abholung nach längerer Behandlungszeit sei eine einheitliche Leistung anzunehmen, sodass die Fahrtstrecken zusammenzurechnen und mit dem Regelsteuersatz zu besteuern seien. Für die Abgrenzung komme es maßgeblich darauf an, ob die Fahrten aufgrund eines einheitlichen zivilrechtlichen Beförderungsvertrages erfolgten. Das FG war nach Beweisaufnahme zu dem Ergebnis gekommen, dass die Patienten Hin- und Rückfahrt als Dauerleistung vereinbart hätten und entgegen der Klägerbehauptung für die Rückfahrten kein gesonderter Beförderungsvertrag geschlossen worden sei. Entgegen dem Klägervorbringen verstoße § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG auch nicht gegen Art. 3 des Grundgesetzes (GG), wenn Fahrten innerhalb eines (größeren) Gemeindegebietes unabhängig von der konkreten Fahrtstrecke immer als Nahverkehrsleistung begünstigt seien, während es bei Fahrten außerhalb des Gemeindegebietes auf die konkrete Entfernung (50 km-Grenze) ankomme. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom FG zugelassenen Revision. Er meint, die Vorentscheidung stehe im Widerspruch zu einer früheren Entscheidung desselben Senates des FG (Urteil vom 13. Dezember 2004 16 K 640/03, Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst - DStRE - 2005, 971). Nach dieser Entscheidung komme es für die Bestimmung einer einheitlichen Beförderungsleistung weder darauf an, ob Hin- und Rückfahrt bereits bei Fahrtantritt mit vereinbart worden seien noch darauf, ob der Arzt die Notwendigkeit der Hin- und Rückfahrt auf einem oder auf zwei Behandlungsscheinen bestätigt habe, sondern darauf, ob das Taxi den Patienten auf Grund einer neuen Fahrt wieder abgeholt hat. Zudem verstoße § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG gegen Art. 3 GG. Der Kläger beantragt, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 14. Oktober 2005 16 K 10593/02 aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide für 1997 bis 1999 vom 13. Juni 2002 dahin zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 1997 um 15,99 €, für 1998 um 670,90 € und für 1999 um 3.057,24 € herabgesetzt wird. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Für die Annahme einer einheitlichen Beförderungsleistung kommt es nach seiner Auffassung nicht entscheidend auf die zivilrechtlichen Vertragsverhältnisse, sondern auf den wirtschaftlichen Gehalt der Leistung an. Für den aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers zu bestimmenden wirtschaftlichen Gehalt sei es unerheblich, ob das Taxi auf den Patienten warte und die Fahrt nach kurzfristiger Unterbrechung zu Ende führe oder das Taxi nach längerer Unterbrechung inzwischen andere Umsätze ausführe und danach zum Patienten für die Abholfahrt zurückkehre. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist begründet und führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). 1. Gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ist der ermäßigte Steuersatz anzuwenden, wenn die Beförderung "im Kraftdroschkenverkehr" innerhalb des Gemeindegebietes erfolgt oder wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt. Diese Regelung, deren Zweck in der Förderung des öffentlichen Nahverkehrs besteht, ist entgegen dem Klägervorbringen verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 11. Februar 1992 1 BvL 29/87, BVerfGE 85, 238). Eine willkürliche Ungleichbehandlung liegt auch nicht darin, dass Fahrten innerhalb eines Gemeindegebietes unabhängig von der konkreten Fahrtstrecke immer (als Nahverkehrsleistung) ermäßigt besteuert werden und Fahrten im Übrigen nur dann, wenn sie 50 km nicht überschreiten. Diese Regelung stellt vielmehr eine zulässige gesetzgeberische Typisierung dar (vgl. BVerfG-Entscheidung vom 9. November 1988 1 BvL 22/84, 1 BvL 71/86, 1 BvL 9/87, BVerfGE 79, 87, und Beschluss in BVerfGE 85, 238). Der durch die Typisierung entstehende Gleichheitsverstoß, der entsteht, wenn der ermäßigte Steuersatz bei einer Taxifahrt von über 50 km innerhalb einer Gemeinde angewendet wird, ist im Interesse der Vereinfachung hinzunehmen, da selbst innerhalb des Gebiets einer Großstadt eine Fahrt von über 50 km nur sehr selten vorkommen dürfte. 2. Zur Frage, ob bei der Bestimmung der Beförderungsgrenze von 50 km i.S. von § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG bei gleichzeitiger Vereinbarung von Hin- und Rückfahrten die Fahrten zusammenzurechnen sind oder nur die einfache Fahrtstrecke zugrunde zu legen ist, hat der Senat mit dem zur Veröffentlichung bestimmten Urteil vom 31. Mai 2007 V R 18/05 wie folgt differenziert: Eine einheitliche Beförderungsleistung im Nahverkehr i.S. des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ist dann anzunehmen, wenn bei vereinbarter Hin- und Rückfahrt die Fahrt nur kurzfristig unterbrochen wird und der Fahrer vereinbarungsgemäß auf den Fahrgast wartet (so schon Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 24. Oktober 1990 V B 60/89, BFH/NV 1991, 562 zu einer "Wartefahrt"). Keine einheitliche Beförderungsleistung liegt jedoch vor, wenn das Taxi nicht auf den Fahrgast wartet, sondern später - sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholzeitpunkt oder aufgrund erneuter Bestellung - wieder abholt und zum Ausgangspunkt zurückbefördert ("Doppelfahrt"). In diesem Falle ist mangels Einheitlichkeit der Beförderungsleistung die Gesamtfahrtstrecke nicht zusammenzurechnen und die beiden Fahrten sind als Nahverkehrsleistungen mit dem begünstigten Steuersatz abzurechnen, wenn die als einheitliche Nahverkehrsleistung zu wertende Hinfahrt 50 km nicht überschreitet. Zur Begründung hat der Senat in der o.a. Entscheidung ausgeführt: a) Gemeinschaftsrechtliche "Grundlage" für die Regelung des § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG ist Art. 12 Abs. 3 Unterabs. 3 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in der in den Streitjahren geltenden Fassung; danach können die Mitgliedstaaten auf die in Anhang H bezeichneten Lieferungen und Dienstleistungen einen ermäßigten Steuersatz anwenden. Nach Anhang H Kategorie Nr. 5 gehört dazu auch die "Beförderung von Personen und des mitgeführten Gepäcks". b) Derartige Beförderungsleistungen sind nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG nur begünstigt, wenn die Beförderungsstrecke nicht mehr als 50 km beträgt. Hierdurch sollen alle Beförderungen im öffentlichen Nahverkehr, zu denen auch der besonderen Anforderungen unterliegende Betrieb von "Kraftdroschken" gehört, gleichermaßen begünstigt werden. aa) Ob eine - einheitliche - oder mehrere Beförderungsleistungen vorliegen, ist nach den allgemein geltenden Grundsätzen zur Beurteilung von Leistungen, die aus mehreren Leistungen bestehen, zu entscheiden. Für die Annahme einer einheitlichen Leistung sind im Wesentlichen folgende gemeinschaftsrechtlich geklärten Grundsätze zu berücksichtigen (vgl. Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 25. Februar 1999 Rs. C-349/96, Card Protection Plan Ltd. - CPP -, Slg. 1999, I-973; BFH-Urteil vom 9. Juni 2005 V R 50/02, BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, m.w.N.): Zum einen ist jede Leistung (Lieferung oder sonstige Leistung) in der Regel als eigene, selbständige Leistung zu betrachten, zum anderen darf eine wirtschaftlich einheitliche Leistung im Interesse eines funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden. Daher ist das Wesen des fraglichen Umsatzes zu ermitteln, um festzustellen, ob der Steuerpflichtige dem Verbraucher mehrere selbständige Hauptleistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt. Dabei ist auch auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt (z.B. BFHE 210, 182, BStBl II 2006, 98, m.w.N.). Deshalb rechtfertigt allein der Umstand, dass Leistungen aufgrund einer zivilrechtlichen Vertragsgrundlage erbracht werden, nicht die Annahme einer einheitlichen Leistung (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 31. Juli 1987 V R 148/78, BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754; vom 3. März 1988 V R 183/83, BFHE 153, 90, BStBl II 1989, 205). Eine einheitliche Leistung liegt auch nicht deshalb vor, weil mehrere Leistungen demselben wirtschaftlichen Ziel dienen (z.B. BFH in BFHE 150, 473, BStBl II 1987, 754). bb) Werden bei Fahrtantritt Hin- und Rückfahrt vereinbart, wartet aber das Taxi nach Durchführung der Hinfahrt zum Bestimmungsort vereinbarungsgemäß nicht auf den Kunden, sondern holt der Unternehmer den Kunden später - sei es aufgrund vorheriger Vereinbarung über den Abholungszeitpunkt oder aufgrund telefonischer Bestellung - erneut mit einem (ggf. auch anderen) Taxi ab und befördert ihn zum Ausgangsort zurück, ist aus der Sicht des Durchschnittsverbrauchers mit der Ablieferung des Kunden die (erste) Beförderung rechtlich und wirtschaftlich abgeschlossen. Dass Hin- und Rückfahrt nicht als eine (einheitliche) Beförderungsleistung zu beurteilen sind, entspricht im Übrigen der Auffassung der Finanzverwaltung in Abschn. 174 Abs. 3 Satz 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien zu Fahrausweisen bei anderen Beförderungsmitteln des öffentlichen Nahverkehrs - zu denen auch Taxen gehören - (BVerfG in BVerfGE 85, 238; BFH-Urteil vom 5. März 1992 V R 97/88, BFH/NV 1992, 775); danach liegen zwei getrennte Beförderungsstrecken vor, wenn ein Fahrausweis gegeben wird, der zur Hin- und Rückfahrt berechtigt. cc) Nichts anderes ergibt sich auch aus dem Senatsbeschluss vom 24. Oktober 1990 V B 60/89 (BFH/NV 1991, 562), weil sich der dort entschiedene Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt vom vorliegenden Streitfall unterscheidet. Dort ging der Senat mit dem FG davon aus, dass eine einheitliche Gesamtbeförderungsstrecke vorliegt, wenn die Beförderung eines Fahrgastes von dessen Wohnung zum Krankenhaus und zurück durch denselben Beförderungsunternehmer erfolgt und wenn die Fahrt während der Krankenhausbehandlung des Fahrgastes zwar kurz unterbrochen wird, wenn der Fahrer aber vereinbarungsgemäß auf den Fahrgast wartet und also die Beförderung "auf einen Zug" geschuldet wird (Klenk in Sölch/Ringleb, UStG, § 12 Rz 520; so wohl auch Kraeusel in Reiss/Kraeusel/Langer, UStG § 12 Rz 387). 3. Für die Bestimmung der Einheitlichkeit der Leistung nach § 12 Abs. 2 Nr. 10 Buchst. b UStG kommt es somit entgegen der Vorentscheidung nicht darauf an, dass Fahrten aufgrund einer einzigen Vertragsgrundlage erbracht werden. 4. Der Senat kann nicht durcherkennen, da das FG - von seinem Rechtsstandpunkt aus konsequent - den Umfang der mit dem Regelsteuersatz zu besteuernden Fahrten nicht festgestellt hat. Bemessungsgrundlage für die Beförderung der Kunden zum Zielort ist das hierfür entrichtete Entgelt (§ 10 Abs. 1 UStG). Dass das Beförderungsentgelt unter Berücksichtigung der von den Krankenkassen gezahlten unterschiedlichen "Tarife" für Besetz- und Leerfahrten berechnet wird, ist im Rahmen des § 10 UStG unerheblich.
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