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BFH-Urteil vom 25.10.2007 (III R 39/04) BStBl. 2008 II S. 226 1. Der Steuerpflichtige kann innerhalb des Begünstigungszeitraums von fünf Jahren frei wählen, in welcher Höhe er die Sonderabschreibungen nach § 4 FördG im einzelnen Kalenderjahr in Anspruch nimmt. 2. Im Rahmen einer zulässigen Bilanzänderung kann der Steuerpflichtige ihm zustehende, im Jahr der Bilanzänderung aber noch nicht oder nicht in voller Höhe geltend gemachte Sonderabschreibungen erstmals oder mit einem höheren Betrag in Anspruch nehmen. Dies gilt auch dann, wenn er die im Jahr der Bilanzänderung noch nicht ausgeschöpften Sonderabschreibungen in den Bilanzen der Folgejahre schon beansprucht hat. AO § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2; EStG § 4 Abs. 2. Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 11. August 2004 1 K 1391/02 (EFG 2004, 1878) Sachverhalt I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betrieb in den Streitjahren 1996 bis 1998 ein Busunternehmen. Für die Sanierung des Betriebshofs erhielt sie öffentliche Zuschüsse, die ihre Aufwendungen zu 85 % deckten. In ihren Bilanzen bildete die Klägerin in Höhe der Zuschüsse einen Passivposten, den sie linear abschrieb. Für den Aktivposten "Betriebshof" nahm sie lineare Absetzungen für Abnutzung (AfA) und zusätzlich (für 1996 und 1997) Sonderabschreibungen nach § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) vom ungeminderten Buchwert vor. Im Ergebnis nahm die Klägerin damit neben AfA und Sonderabschreibungen auf die um die Zuschüsse geminderten Herstellungskosten auch Sonderabschreibungen auf die bezuschussten Herstellungskosten in Anspruch. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte dies anlässlich einer im Jahr 2000 für die Streitjahre durchgeführten Betriebsprüfung fest. Die Bescheide standen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung nach § 164 der Abgabenordnung (AO). In Tz. ... des Berichts nahm die Prüferin entsprechende Korrekturen vor. Sie verminderte den Ansatz für Geschäfts- und Fabrikbauten um die Zuschüsse, strich den Passivposten und berücksichtigte AfA und Sonderabschreibungen für 1996 und 1997 lediglich von dem um die Zuschüsse geminderten Buchwert. Insgesamt ergaben sich für die Streitjahre 1996 und 1997 Gewinnerhöhungen, die im Wesentlichen durch die Streichung der Sonderabschreibungen auf die Zuschüsse verursacht waren. Für das Streitjahr 1998 führte die Prüfung zu einer Gewinnminderung, die auf den Mehrsteuern (Umsatz- und Gewerbesteuer) laut Betriebsprüfung beruhte. Die Klägerin erkannte die von der Prüferin angesetzten Werte an. Zum Ausgleich der Gewinnerhöhungen aufgrund der Bilanzberichtigungen beantragte sie bereits während der Betriebsprüfung, die Bilanzansätze für 1996 und 1997 durch Inanspruchnahme bisher nicht ausgenutzter Sonderabschreibungen nach § 4 FördG bei begünstigten Wirtschaftsgütern zu ändern. Die Prüferin war dagegen der Auffassung, die Klägerin könne für die Jahre 1996 und 1997 keine weiteren Sonderabschreibungen in Anspruch nehmen, weil sie das in diesen Jahren noch nicht verbrauchte Sonderabschreibungsvolumen in der Bilanz 1998 eingesetzt habe. Da sich für das Jahr 1998 jedoch keine Gewinnerhöhung aufgrund einer Bilanzberichtigung ergebe, könne die Bilanz 1998 nicht geändert werden. Das FA setzte die Einkommensteuer und die Gewerbesteuermessbeträge für die Jahre 1996 bis 1998 durch Bescheide vom 28. September 2000 entsprechend den Prüfungsfeststellungen fest. Auf die Einsprüche der Klägerin gegen die Änderungsbescheide wurden die Umsatzsteuerbescheide 1996 bis 1998 geändert und die Umsatzsteuer jeweils herabgesetzt. Da die Minderung der Umsatzsteuer eine Erhöhung der Gewinne und damit auch eine Erhöhung der Gewerbesteuer zur Folge hatte, änderte das FA am 8. Februar 2002 die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1998 entsprechend. Die Klägerin reichte daraufhin eine geänderte Aufstellung ein, wie das in den Jahren 1996 und 1997 noch nicht verbrauchte Sonderabschreibungsvolumen verteilt werden solle. Außerdem beantragte sie, die Sonderabschreibungen für die Werkstattausrüstung in Höhe von 5.000 DM in der Bilanz zum 31. Dezember 1997 rückgängig zu machen und stattdessen in der Bilanz zum 31. Dezember 1996 zu berücksichtigen. Das FA wies die Einsprüche der Klägerin gegen die Einkommensteuer- und Gewerbesteuermessbescheide 1996 bis 1998 durch Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2002 als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG), dessen Urteil in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1878 veröffentlicht ist, wies die Klage ab. Es führte im Wesentlichen aus, die Bilanz zum 31. Dezember 1998 könne schon deshalb nicht geändert werden, weil sie nicht berichtigt worden sei. Auch die Berichtigung der Bilanzen zum 31. Dezember 1996 bzw. 1997 ermögliche keine entsprechenden Bilanzänderungen, da ein enger sachlicher Zusammenhang als Voraussetzung einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) nur dann gegeben sei, wenn diejenige Bilanz geändert werden solle, die zuvor Gegenstand einer Berichtigung gewesen sei. Im Übrigen habe die Klägerin ihr Wahlrecht hinsichtlich der Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen durch Ausübung für das Jahr 1998 verbraucht. An diese Ausübung des Wahlrechts sei sie gebunden, so dass der begehrte Ansatz der Sonderabschreibungen in den Bilanzen zum 31. Dezember 1996 bzw. 1997 nicht mehr möglich sei. Die Klägerin könne auch die Bilanz zum 31. Dezember 1997 nicht ändern, um die Sonderabschreibungen für die Werkstattausrüstung rückgängig zu machen. Denn eine Bilanzänderung sei nur soweit zulässig, wie die Auswirkung der Bilanzberichtigung auf den Gewinn reiche. Die begehrte Bilanzänderung würde indes zu einer weiteren Gewinnerhöhung führen. Mit der Revision trägt die Klägerin im Wesentlichen vor: Die Betriebsprüfung habe für das Jahr 1996 zu einer Bilanzberichtigung in Höhe von 147.360 DM geführt. Da das vorhandene Sonderabschreibungsvolumen im Jahre 1996 nicht ausgeschöpft gewesen sei, sei eine entsprechende Bilanzänderung möglich. Dem stehe nicht entgegen, dass das Sonderabschreibungsvolumen in einem späteren Wirtschaftsjahr beansprucht worden sei. Die Änderung der Wertansätze in der Schlussbilanz 1996 führe wegen des herzustellenden Bilanzenzusammenhangs zu einer Änderung der Eröffnungsbilanz 1997. Das Gleiche gelte in Bezug auf die Schlussbilanz 1997 und die Eröffnungsbilanz 1998. Damit seien die für 1998 in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen mangels Abschreibungsvolumens unzulässig mit der Folge, dass die Rückgängigmachung dieser Sonderabschreibungen für 1998 keine Bilanzänderung, sondern eine zwingende Berichtigung der Bilanz zum 31. Dezember 1998 darstelle. Die Klägerin beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des FG-Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Entgegen der Rechtsauffassung des FG sind, sofern die Voraussetzungen für die Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen nach dem FördG gegeben sind, entsprechend dem Antrag der Klägerin die von ihr im Jahre 1998 abgesetzten Sonderabschreibungen auf verschiedene Wirtschaftsgüter im Wege der Bilanzänderung in den Bilanzen zum 31. Dezember 1996 bzw. 1997 zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die Absetzung der Sonderabschreibungen des Jahres 1997 in der Bilanz zum 31. Dezember 1996. Die dem Grunde nach zulässigen Bilanzänderungen führen aufgrund des Bilanzenzusammenhangs zu entsprechenden Berichtigungen der Bilanzen der Folgejahre. 1. Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige die Bilanz auch nach ihrer Einreichung beim FA ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des EStG nicht entspricht (sog. Bilanzberichtigung). Das FA hat die Sonderabschreibungen auf den Betriebshof gemindert und die Bilanzen für 1996 und 1997 entsprechend berichtigt. Die Klägerin hat diese Werte übernommen. Damit hat sie eine Bilanzberichtigung i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG, d.h. die Korrektur eines unrichtigen Bilanzansatzes durchgeführt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 4. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129), welche die Möglichkeit einer Bilanzänderung nach § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG eröffnet. 2. Im Streitfall findet, da die Klägerin von ihrem Bilanzierungswahlrecht erst nach dem 31. März 1999, dem Tag der Verkündung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) Gebrauch gemacht hat, § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG in der Fassung des Steuerbereinigungsgesetzes 1999 vom 22. Dezember 1999 (BGBl I 1999, 2601, BStBl I 2000, 13) Anwendung (§ 52 Abs. 9 EStG; BFH-Urteil vom 31. Mai 2007 IV R 54/05, zur amtlichen Veröffentlichung bestimmt, BFH/NV 2007, 1973). Danach ist eine Änderung der Bilanz (nur) zulässig, wenn sie in einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bilanzberichtigung nach Satz 1 des § 4 Abs. 2 EStG steht und soweit die Auswirkung der Änderung nach Satz 1 auf den Gewinn reicht. Die Regelung greift ein, wenn ein weder dem Grunde noch der Höhe nach fehlerhafter und somit zulässiger Bilanzansatz durch einen anderen, gesetzlich wahlweise ebenfalls zulässigen Ansatz ersetzt werden soll (sog. Bilanzänderung). a) Entgegen der Auffassung des FG sind im Streitfall die Voraussetzungen einer Bilanzänderung - jedenfalls dem Grunde nach - gegeben. Nach § 4 FördG können Steuerpflichtige für begünstigte Investitionen im Jahr des Investitionsabschlusses und in den folgenden vier Jahren Sonderabschreibungen bis zu 50 v.H. bzw. bis zu 40 v.H. der Bemessungsgrundlage in Anspruch nehmen. Den jährlichen Umfang der Sonderabschreibungen innerhalb des Fünfjahreszeitraums kann der Steuerpflichtige nach seiner Wahl bestimmen. Er kann die insgesamt zulässigen Sonderabschreibungen gleichmäßig oder ungleichmäßig auf die Jahre des Begünstigungszeitraums verteilen und daher z.B. auch bereits im Erstjahr voll in Anspruch nehmen (Blümich/Stuhrmann, § 4 FördG Rz 12a). Ändert der Steuerpflichtige die zunächst in zulässigem Umfang vorgenommene jährliche Verteilung der Sonderabschreibungen dadurch, dass er die Höhe der ihm zustehenden Abschreibungen innerhalb des Fünfjahreszeitraumes anders verteilt, handelt es sich daher um die Ersetzung eines zulässigen Bilanzansatzes zugunsten eines anderen, ebenfalls zulässigen Ansatzes und damit um eine Bilanzänderung i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG. b) Die Klägerin durfte daher für Investitionen, für die der Fünfjahreszeitraum den Streitzeitraum umfasste, ihr zustehende Sonderabschreibungen bis zur Höhe der nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG vorgenommenen jeweiligen Bilanzberichtigungen auf die Jahre 1996 und 1997 verteilen bzw. die Sonderabschreibungen des Jahres 1997 im Jahre 1996 beanspruchen und damit die als Folge der Bilanzberichtigungen eingetretenen Gewinnerhöhungen - ganz oder teilweise - ausgleichen. Das gilt auch für die 1998 in Anspruch genommenen Sonderabschreibungen. Demnach stellt sich im Streitfall nicht die vom FG in den Vordergrund seiner Entscheidung gestellte Rechtsfrage, ob ein enger zeitlicher und sachlicher Zusammenhang zwischen einer Bilanzberichtigung und einer Bilanzänderung i.S. von § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG nur dann gegeben ist, wenn diejenige Bilanz geändert werden soll, die zuvor Gegenstand einer Bilanzberichtigung war. Denn die von der Klägerin gewählten Änderungen der Bilanzen zum 31. Dezember 1996 und 1997 beziehen sich jeweils auf die entsprechenden vom FA vorgenommenen und von der Klägerin übernommenen Berichtigungen dieser Bilanzen. c) Entgegen der Ansicht des FG hat die Klägerin ihr Recht zur beliebigen Verteilung der Sonderabschreibungen im Begünstigungszeitraum nicht dadurch "verbraucht", dass sie ihr Wahlrecht hinsichtlich der Inanspruchnahme der Sonderabschreibungen für das Jahr 1998 (bzw. 1997 betreffend die Werkstattausrüstung) ausgeübt hat. Denn der Umfang des Abschreibungsvolumens ist aus der Sicht des jeweiligen Bilanzstichtags zu bestimmen, zu dem der bisherige Ansatz geändert werden soll (vgl. BFH-Urteil vom 24. März 1998 I R 20/94, BFHE 185, 451, BStBl II 1999, 272). Werden Sonderabschreibungen im Rahmen einer Bilanzänderung anderweitig verteilt, werden die bisherigen Bilanzansätze rückwirkend geändert. Die geänderte Schlussbilanz ist der Gewinnermittlung und der Veranlagung zugrunde zu legen. Nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs sind nunmehr fehlerhafte Ansätze in den Bilanzen der Folgejahre zu berichtigen (Crezelius in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 4 Rz 250; Blümich/ Wied, § 4 EStG Rz 1043; Stapperfend in Herrmann/Heuer/Raupach, § 4 EStG Rz 483). Die Korrektur eines Wertansatzes in der Schlussbilanz, der sich auf die Höhe des Gewinns der Folgejahre auswirkt, ist ein Ereignis mit steuerlicher Rückwirkung für die Steuerfestsetzungen der Folgejahre, bei denen sich der Wertansatz gewinnerhöhend oder -mindernd auswirkt, so dass auch bestandskräftige Einkommensteuerbescheide nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO geändert werden können (BFH-Urteil vom 30. Juni 2005 IV R 11/04, BFHE 210, 196, BStBl II 2005, 809, m.w.N.). 3. Das Urteil des FG, das auf einer anderen Rechtsauffassung beruht, war aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen. Dieses wird zu prüfen haben, ob und in welcher Höhe der Klägerin für das Streitjahr 1998 Sonderabschreibungen zustehen, die wahlweise in den Jahren 1996 und 1997 in Anspruch genommen werden können. Entsprechende Feststellungen werden hinsichtlich der Werkstattausrüstung zu treffen sein, für die die Klägerin ursprünglich für das Jahr 1997 Sonderabschreibungen in Anspruch genommenen hatte.
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