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BFH-Urteil vom 17.10.2007 (II R 53/05) BStBl. 2008 II S. 256

Erhält ein Ehegatte zu Beginn der Ehe vom anderen Ehegatten als Ausgleich für einen ehevertraglich vereinbarten Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt einen Geldbetrag, ist dies als freigebige Zuwendung zu beurteilen. Der Teilverzicht stellt keine die Bereicherung mindernde Gegenleistung dar.

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 3, § 11; BewG § 4.

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 28. Mai 2003 IV 422/2001

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) schloss am 22. Juli 1997 mit ihrem späteren Ehemann (E) einen notariell beurkundeten Ehevertrag, durch den u.a. Regelungen über ihren Anspruch auf nachehelichen Unterhalt getroffen wurden. Danach bleibt es im Grundsatz bei der gesetzlichen Regelung dieses Anspruchs. Der Anspruch beträgt jedoch monatlich höchstens (wertgesichert) 10.000 DM und ermäßigt sich im Falle der Wiederverheiratung der Klägerin nach einer Scheidung auf die Hälfte. Außerdem waren sich die Beteiligten darüber einig, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, im Falle einer Ehescheidung eine Erwerbstätigkeit auszuüben. Einer in dem Ehevertrag ferner getroffenen Vereinbarung entsprechend zahlte E im Jahr 1997 als "Gegenleistung" für den teilweisen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt an die Klägerin einen mit dem Zeitpunkt der Eheschließung fällig gewordenen Geldbetrag von 1.500.000 DM.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) sah in dieser Zahlung eine freigebige Zuwendung und setzte gegen die Klägerin Schenkungsteuer fest. Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) teilte die Ansicht des FA, dass die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) erfüllt seien. Der teilweise Verzicht der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt betreffe eine bloße Erwerbschance und könne daher nicht als eine die Freigebigkeit ausschließende Gegenleistung gewertet werden. Auch der subjektive Tatbestand der freigebigen Zuwendung liege vor.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Ihr teilweiser Verzicht auf nachehelichen Unterhalt stelle eine Gegenleistung dar, deren Wert dem zugewendeten Geldbetrag entspreche. E habe keine unentgeltliche Zuwendung vornehmen, sondern - vergleichbar einem Versicherungsvertrag - das aufgrund der Höhe seines Einkommens bestehende Risiko vermeiden wollen, nach einer Ehescheidung an sie sehr hohen Unterhalt leisten zu müssen.

Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, die Einspruchsentscheidung und den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Recht angenommen, dass für die Zuwendung des Betrags von 1.500.000 DM an die Klägerin Schenkungsteuer festzusetzen war.

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -).

a) Der Erwerb eines zugewendeten Gegenstandes, auf den kein Rechtsanspruch besteht, ist unentgeltlich, wenn er nicht rechtlich abhängig ist von einer den Erwerb ausgleichenden Gegenleistung des Erwerbers oder in rechtlichem Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht (ständige Rechtsprechung, zuletzt Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. März 2007 II R 5/04, BStBl II 2007, 472, unter II.5. und 6.). Dabei kommen als die Unentgeltlichkeit ausschließende und die Entgeltlichkeit begründende rechtliche Abhängigkeit Verknüpfungen sowohl nach Art eines gegenseitigen Vertrags als auch durch Setzung einer Bedingung oder eines entsprechenden Rechtszwecks in Betracht (grundlegend BFH-Urteil vom 2. März 1994 II R 59/92, BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366; zuletzt BFH-Urteil vom 24. August 2005 II R 28/02, BFH/NV 2006, 63, ständige Rechtsprechung). Freiwillig eingegangene Leistungspflichten schließen die Unentgeltlichkeit nicht aus (BFH-Urteil vom 28. Juni 2007 II R 12/06, BFH/NV 2007, 2014).

b) Der Unentgeltlichkeit steht es auch nicht entgegen, wenn Zuwendungen unter Ehegatten der ehelichen Gemeinschaft dienen (BFH-Urteil in BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366). Der Umstand, dass zivilrechtlich der Abschluss eines Ehevertrags in der Regel keine Schenkung darstellt und ehebedingte Zuwendungen im Verhältnis zwischen den Ehegatten nicht als unentgeltlich angesehen werden, führt nicht zu einer entsprechenden schenkungsteuerrechtlichen Beurteilung. Das Erbschaft- und Schenkungsteuerrecht folgt dieser zivilrechtlichen Qualifizierung nicht, sondern stellt auf die objektive Unentgeltlichkeit ab (BFH-Urteile in BFHE 173, 432, BStBl II 1994, 366, und in BFH/NV 2006, 63).

2. Die Klägerin wurde durch die Zuwendung des Betrags von 1.500.000 DM aus dem Vermögen des E unentgeltlich bereichert. Sie hatte weder einen gesetzlichen Anspruch auf die Zuwendung noch war diese synallagmatisch, konditional oder kausal mit einer Gegenleistung der Klägerin verknüpft.

a) Der Klägerin stand bei Zuwendung des Geldbetrages kein gesetzlicher Leistungsanspruch zu. Insbesondere löste der Umstand, dass die Klägerin auf einen etwaigen Anspruch auf nachehelichen Unterhalt teilweise verzichtet hat, keinen gesetzlichen Zahlungsanspruch aus. Auch die auf § 138 Abs. 1 BGB beruhende Wirksamkeitskontrolle von vor der Eingehung der Ehe geschlossenen Eheverträgen führt nicht zu einem Zahlungsanspruch des potentiell Unterhaltsberechtigten bereits bei Beginn der Ehe, sondern nur zur Unwirksamkeit des Verzichts.

b) Der teilweise Verzicht der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt stellt auch keine Gegenleistung im schenkungsteuerrechtlichen Sinn dar. Dies ergibt sich sowohl aus § 7 Abs. 3 ErbStG als auch aus § 4 des Bewertungsgesetzes (BewG).

aa) Nach § 7 Abs. 3 ErbStG werden Gegenleistungen, die nicht in Geld veranschlagt werden können, bei der Feststellung, ob eine Bereicherung vorliegt, nicht berücksichtigt. Diese Vorschrift ist auch anwendbar, wenn der Bedachte als "Gegenleistung" für eine Zuwendung auf Ansprüche verzichtet, die ihm möglicherweise in Zukunft gegen den Zuwendenden zustehen werden und die bei Vollzug der freigebigen Zuwendung nicht bewertet werden können. Dies gilt nicht nur, wenn der Erwerb nach seinem Eintreten selbst der Schenkung- oder Erbschaftsteuer unterliegen würde (vgl. dazu BFH-Urteil vom 25. Januar 2001 II R 22/98, BFHE 194, 440, BStBl II 2001, 456), sondern nach den BFH-Urteilen in BFH/NV 2006, 63 und in BFH/NV 2007, 2014 auch dann, wenn auf die Chance verzichtet wird, Vermögenswerte zu erlangen, die wie die Ausgleichsforderung bei Beendigung des Güterstands der Zugewinngemeinschaft (§ 1378 BGB) nicht zum Erwerb i.S. der §§ 3 und 7 ErbStG gehören (§ 5 Abs. 2 ErbStG).

Der teilweise Verzicht der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt erfüllt die Voraussetzungen des § 7 Abs. 3 ErbStG. Bei der Zahlung des Betrags von 1.500.000 DM war ungewiss, ob und wann die Ehe später wieder geschieden wird und ob die Klägerin nach einer etwaigen Scheidung ohne Berücksichtigung der ehevertraglichen Vereinbarungen nach den gesetzlichen Vorschriften der §§ 1569 ff. BGB nachehelichen Unterhalt in einer über den vereinbarten Höchstbetrag hinausgehenden Höhe beanspruchen könnte. Der Unterhaltsanspruch setzt Bedürftigkeit voraus (§ 1577 BGB); sein Maß hängt von zahlreichen Umständen ab (§ 1578 BGB) und kann durch die Leistungsfähigkeit des Verpflichteten (§ 1581 BGB) und die Rangverhältnisse mehrerer Unterhaltsbedürftiger (§ 1582 BGB) begrenzt werden. Aufgrund dieser Umstände ist es nicht möglich, die Höhe eines etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruchs bereits zu Ehebeginn hinreichend genau zu bestimmen und so den Wert des teilweisen Verzichts auf diesen Unterhaltsanspruch auf diesen Zeitpunkt zu ermitteln.

bb) Der Berücksichtigung des teilweisen Verzichts der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt als Gegenleistung für die Geldzuwendung des Ehemannes steht schenkungsteuerrechtlich auch § 4 BewG entgegen. Danach werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist. Die Vorschrift hat als Bewertungsregel nicht nur für die Feststellung des steuerpflichtigen Erwerbs (§ 10 ErbStG) Bedeutung, sondern ist als allgemeiner steuerrechtlicher Grundsatz schon bei der Ermittlung der objektiven Bereicherung, d.h. schon im Rahmen des § 7 ErbStG zu beachten. Die Anordnung der Nichtberücksichtigung hat neben dem aufschiebend bedingten Erwerb der Schenkerleistung auch für den (Nicht-)Ansatz einer erst aufschiebend bedingt zu erwerbenden Gegenleistung des Bedachten Bedeutung (so bereits für § 6 BewG: BFH-Urteile vom 8. Februar 2006 II R 38/04, BFHE 213, 102, BStBl II 2006, 475; vom 17. Oktober 2001 II R 60/99, BFHE 197, 260, BStBl II 2002, 165, und vom 7. Juni 1989 II R 183/85, BFHE 157, 440, BStBl II 1989, 814; BFH-Beschlüsse vom 20. September 2000 II B 109/99, BFH/NV 2001, 455, und vom 6. Dezember 2000 II B 161/99, BFH/NV 2001, 781).

Da der Anspruch der Klägerin auf nachehelichen Unterhalt durch die Scheidung aufschiebend bedingt ist, kann ihr teilweiser Verzicht darauf nicht als die Freigebigkeit ganz oder teilweise ausschließende Gegenleistung beurteilt werden.

c) Mit einem Versicherungsvertrag sind die in dem Ehevertrag getroffenen Regelungen über den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Klägerin nicht vergleichbar. Für eine Versicherung ist kennzeichnend, dass ein den Einzelnen betreffendes Risiko, durch den Eintritt eines ungewissen Ereignisses Verluste oder Schäden zu erleiden, auf einen größeren Kreis von Personen verteilt wird (vgl. BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 78/04, BFH/NV 2007, 513). An einer solchen Risikoverteilung fehlt es im Streitfall.

3. Die Zuwendung des Geldbetrags an die Klägerin erfüllt auch den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG.

a) Dieser Tatbestand erfordert, dass der Zuwendende mit dem Willen zur Unentgeltlichkeit oder Willen zur Freigebigkeit handelt (BFH-Urteil vom 20. Dezember 2000 II R 42/99, BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454). Dieser Wille wird aufgrund der dem Zuwendenden bekannten Umstände nach den Maßstäben des allgemein Verkehrsüblichen bestimmt (BFH-Urteile vom 10. September 1986 II R 81/84, BFHE 148, 69, BStBl II 1987, 80; in BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454, und in BFH/NV 2006, 63). Er ist gegeben, wenn der Zuwendende in dem Bewusstsein handelt, zu der Vermögenshingabe weder rechtlich verpflichtet zu sein noch dafür eine mit seiner Leistung in einem synallagmatischen, konditionalen oder kausalen Zusammenhang stehende Gegenleistung zu erhalten, und auch nicht annimmt, dass seine Leistung in einem rechtlichen Zusammenhang mit einem Gemeinschaftszweck steht (BFH-Urteile in BFH/NV 2006, 63, und in BStBl II 2007, 472, unter II.8., m.w.N.).

Der subjektive Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG ist nicht erfüllt, wenn der Zuwendende - wenn auch irrtümlich - annimmt, zu seiner Leistung rechtlich verpflichtet zu sein oder dafür eine Gegenleistung zu erhalten, oder einen rechtlichen Zusammenhang seiner Leistung mit einem Gemeinschaftszweck als gegeben ansieht. Allerdings schließt nicht jeder Irrtum des Zuwendenden in einer solchen Beurteilung den subjektiven Tatbestand der freigebigen Zuwendung aus. Bei der "(Un-)Entgeltlichkeit" handelt es sich um einen komplexen normativen ("wertausfüllungsbedürftigen") Begriff, dessen exakter Sinngehalt sich nur durch rechtliche Wertungen und Subsumtionen erschließt. Für die zutreffende - irrtumsausschließende - Vorstellung des Zuwendenden von dem Begriff der (Un-)Entgeltlichkeit genügt es, wenn er dessen rechtlich-sozialen Bedeutungsgehalt "nach Laienart" zutreffend erfasst; eine exakte juristische Subsumtion ist nicht erforderlich (BFH-Urteile in BFHE 148, 69, BStBl II 1987, 80, und in BFH/NV 2006, 63). Ein Irrtum des Zuwendenden kann danach nur dann beachtlich sein, wenn er aufgrund eines realen Bezugs nach den objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt als vertretbar erscheint (BFH-Urteil in BFHE 194, 435, BStBl II 2001, 454, unter II.1.c bb, unter Hinweis auf Schulze-Osterloh, Steuer und Wirtschaft 1977, 122, 133 f.).

b) E hat danach den subjektiven Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Er kannte alle Umstände, die zur Beurteilung der Geldzahlung als freigebige Zuwendung führen. Er wusste, dass er kraft Gesetzes weder zum Abschluss des Ehevertrags noch zur Zusage des Geldbetrags verpflichtet war. Sollte er angenommen haben, dass der von der Klägerin erklärte Teilverzicht auf nachehelichen Unterhalt als eine deren Bereicherung ausschließende Gegenleistung zu werten sei und deshalb keine freigebige Zuwendung vorliege, würde es sich lediglich um einen unbeachtlichen Subsumtionsirrtum handeln. Ein solcher Irrtum hätte nach den objektivierenden Maßstäben des Verkehrsüblichen im Zeitpunkt der Zuwendung beurteilt keinen realen Bezug.