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BFH-Urteil vom 28.11.2007 (I R 34/07) BStBl. 2008 II S. 533

Gehen infolge einer Kapitalerhöhung stille Reserven von einbringungsgeborenen Alt-Anteilen auf die neuen Anteile über, sind die neuen Anteile zu gleicher Quote steuerverhaftet. Dem Inhaber der neuen Anteile steht kein Wahlrecht zu, die Steuerverhaftung in anderer Weise auf diese zu verteilen (Bestätigung der BMF-Schreiben vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 21.14; vom 28. April 2003, BStBl I 2003, 292, Tz. 52).

UmwStG 1995 § 21 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 2. März 2007 9 K 227/98 (EFG 2007, 1207)

Sachverhalt

I.

Streitpunkt ist, inwiefern im Streitjahr 1995 aus dem Privatvermögen veräußerte Aktien einbringungsgeborene Anteile waren und der Veräußerungserlös mithin zu versteuern ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) und B hielten jeweils die Hälfte der Geschäftsanteile an der X-GmbH. Diese fungierte zunächst im Rahmen einer Betriebsaufspaltung als Betriebsgesellschaft. Besitzgesellschaft war die Y-GbR, deren Gesellschafter ebenfalls der Kläger und B waren.

Im Rahmen einer Neuordnung der Unternehmensstruktur wurde im Juni 1984 das Stammkapital der X-GmbH durch Bildung zweier neuer Stammeinlagen zu je 300.000 DM von 6 Mio. DM auf 6,6 Mio. DM erhöht. Der Kläger und B, die jeweils einen der neuen Anteile übernahmen, leisteten ihre Einlagen durch Einbringung ihrer Beteiligungen an der Y-GbR als Sacheinlagen. Sodann wurde die X-GmbH in eine Aktiengesellschaft (X-AG) umgewandelt. Das Grundkapital der X-AG war in 132.000 Inhaberaktien im Nennbetrag von 50 DM eingeteilt. Der gemeine Wert aller Anteile belief sich auf 35.772.000 DM.

Am 6. Dezember 1984 beschloss die Hauptversammlung der X-AG, deren Grundkapital um 6,9 Mio. DM auf nunmehr 13,5 Mio. DM zu erhöhen. Der Kläger und B übernahmen die neuen Aktien gegen Bareinlagen je zur Hälfte. Der Kläger besaß jetzt 135.000 Aktien im Nennwert von 6,75 Mio. DM. Die steuerlichen Berater des Klägers erfassten in der Folgezeit die 66.000 Altaktien buchmäßig als Anteilsbesitz I - einbringungsgeborene Anteile - und die 69.000 jungen Aktien als Anteilsbesitz II - nicht einbringungsgeborene Anteile -. Hieraus ergab sich ein Verhältnis von 66/135 : 69/135, welches die steuerlichen Berater des Klägers bei den künftigen Kapitalerhöhungen und Veräußerungen zugrunde legten.

Im Juli 1985 wurde das Kapital der X-AG aus Gesellschaftsmitteln um 1,5 Mio. DM auf 15 Mio. DM erhöht. Die neuen Aktien wurden dem Kläger und B nach dem eben erwähnten Verhältnis zugeordnet.

Mit Hauptversammlungsbeschluss vom 28. Oktober 1985 teilte die X-AG ihr Grundkapital in nur noch zwei Aktien zu je 7,5 Mio. DM ein. Zwei Tage später - am 30. Oktober 1985 - änderte die Hauptversammlung die Satzung wiederum dahin, dass das Grundkapital in 153.000 Stammaktien und 147.000 Vorzugsaktien eingeteilt wurde. Nach wie vor standen alle Aktien im Eigentum des Klägers und des B.

Im Zuge des sich anschließenden Börsengangs der X-AG wurde das Grundkapital noch mehrfach aus Gesellschaftsmitteln erhöht und veräußerten der Kläger und B ihre Anteile sukzessive. Im August 1989 waren sie jeweils noch zu 19,74 % an dem jetzt 32 Mio. DM betragenden Grundkapital beteiligt. Nach weiteren Verkäufen in den Jahren 1989 und 1990 veräußerten der Kläger und B schließlich im Streitjahr die ihnen bis dahin noch verbliebenen je 22.500 Stammaktien zum Preis von 80.325.000 DM. Der Anteil des Klägers am Erlös belief sich auf 40.162.500 DM.

Der zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagte Kläger behandelte die Veräußerung im Rahmen der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr als nicht steuerbaren Vorgang der Privatsphäre. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem zunächst. Nach einer Außenprüfung änderte das FA die Festsetzung der Einkommensteuer jedoch in der Weise, dass es aus dem Aktienverkauf einen steuerpflichtigen Veräußerungsgewinn von 33.627.762 DM ermittelte, den es in Höhe von 30 Mio. DM dem ermäßigten Steuersatz nach § 16, § 34 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) und in Höhe des Restbetrages der vollen Versteuerung unterwarf.

Die dagegen gerichtete Klage hat das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg abgewiesen. Sein Urteil vom 2. März 2007 9 K 227/98 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1207 abgedruckt.

Gegen das Urteil richtet sich die Revision des Klägers, mit der dieser die Verletzung materiellen Rechts rügt.

Der Kläger beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Sache zur weiteren Sachaufklärung an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und deshalb gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. FA und FG haben den vom Kläger aus dem Aktienverkauf im Streitjahr erzielten Veräußerungserlös zu einem Anteil von 83,83 % abzüglich der Anschaffungskosten zu Recht als einkommensteuerpflichtig behandelt. Die veräußerten Aktien waren aufgrund der vom FG festgestellten Vorgänge der Jahre 1984 und 1985 zum Veräußerungszeitpunkt einheitlich mit einer Quote von jeweils 83,83 % einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 (UmwStG 1995). Nach dieser Bestimmung war der aus der Veräußerung resultierende (anteilige) Erlös nach Abzug der Anschaffungskosten als nachträglicher gewerblicher Gewinn den Besteuerungsregeln der §§ 16, 34 EStG 1990 unterworfen. Einer weiteren tatrichterlichen Sachaufklärung bedarf es nicht.

1. Die im Juni 1984 durch Einbringung der Anteile des Klägers und des B an der Y-GbR als Sacheinlage in die X-GmbH vollzogene Beendigung der bis dahin bestehenden Betriebsaufspaltung hat nach zutreffender Auffassung des FG und der Beteiligten dazu geführt, dass sämtliche danach vorhandenen Geschäftsanteile an der X-GmbH zu 100 % als einbringungsgeborene Anteile i.S. von § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 anzusehen sind.

Als einbringungsgeboren gelten nach der Definition in § 21 Abs. 1 Satz 1 UmwStG 1995 jene Anteile an einer Kapitalgesellschaft, die der Veräußerer oder bei unentgeltlichem Erwerb der Anteile der Rechtsvorgänger durch eine Sacheinlage unter dem Teilwert erworben hat. Gehen anlässlich einer späteren Kapitalerhöhung stille Reserven von den einbringungsgeborenen Alt-Anteilen unentgeltlich auf die "jungen" Geschäftsanteile über, dann werden auch diese insoweit von der Steuerverhaftung nach § 21 Abs. 1 UmwStG 1995 umfasst (Senatsurteile vom 8. April 1992 I R 128/88, BFHE 167, 424, BStBl II 1992, 761; I R 162/90, BFHE 167, 432, BStBl II 1992, 764; vom 21. August 1996 I R 75/95, BFH/NV 1997, 314, jeweils zur gleichlautenden Regelung in § 21 UmwStG 1977). Entsprechendes gilt, wenn umgekehrt die Sacheinlage im Rahmen einer Kapitalerhöhung vorgenommen wird und die stillen Reserven des eingebrachten Sachwerts teilweise auf die alten Anteile übergehen. Dann gelten auch die alten Anteile insoweit als steuerverhaftet (Senatsurteil vom 8. April 1992 I R 160/90, BFHE 167, 429, BStBl II 1992, 763). Die jungen bzw. alten Anteile, auf die die stillen Reserven des eingebrachten Sachwerts teilweise übergehen, werden z.T. als derivativ einbringungsgeboren bezeichnet (vgl. etwa Schmitt in Schmitt/Hörtnagl/Stratz, Umwandlungsgesetz, Umwandlungssteuergesetz, 4. Aufl., § 21 UmwStG Rz 63; Herzig/ Rieck, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1998, 97).

Bei der Kapitalerhöhung der X-GmbH vom Juni 1984 war der letztgenannte Fall gegeben: Die stillen Reserven der als Sacheinlage zum Buchwert von 300.000 DM in die X-GmbH eingebrachten Beteiligung des Klägers an der Y-GbR sind teilweise auf dessen bereits vorher existierende alte Geschäftsanteile übergegangen, so dass auch diese als (derivativ) einbringungsgeboren anzusehen sind. Dass der Umfang der Steuerverstrickung auch der Alt-Anteile 100 % betragen hat, war dem Umstand geschuldet, dass die Beteiligungen des Klägers und des B an der X-GmbH infolge der Betriebsaufspaltung vor der Einbringung zum Sonderbetriebsvermögen der Y-GbR gehört haben (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25. März 1998, BStBl I 1998, 268, Tz. 20.11; Wacker, Betriebs-Berater - BB - 1998, Beilage 8 zu Heft 26, S. 10; Widmann in Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 20 UmwStG Rz 30, 742 ff.).

2. Die im Anschluss an die Kapitalerhöhung vom Juni 1984 durchgeführte Umwandlung und Umfirmierung der X-GmbH in die X-AG hat am steuerrechtlichen Status und der Eigenschaft der Kapitalgesellschaftsanteile des Klägers als einbringungsgeborene Anteile nichts geändert. Das ist zwischen den Beteiligten nicht im Streit.

3. Aus der am 6. Dezember 1984 von der X-AG beschlossenen Kapitalerhöhung um 6,9 Mio. DM auf 13,5 Mio. DM durch Bareinlagen hat der Kläger 69.000 neue Aktien zum Nominalwert von 50 DM übernommen. Da die aus den zum Buchwert eingebrachten Sacheinlagen vom Juni 1984 herrührenden stillen Reserven anteilig auf die neuen Aktien übergegangen sind, waren nach den oben (unter II.1.) dargestellten Grundsätzen sämtliche neuen Aktien derivativ einbringungsgeboren und damit ebenfalls steuerverhaftet.

Das FG hat zu Recht angenommen, dass dem Kläger das in Anspruch genommene Wahlrecht, die Steuerverstrickung nach eigenem Ermessen auf die einzelnen neuen Anteile zu verteilen und dabei auch bestimmte Anteile zu Lasten anderer ganz von der Steuerverhaftung zu befreien (dafür auch Herzig/Rieck, DStR 1998, 97, 102; Haritz in Haritz/Benkert, Umwandlungssteuergesetz, 2. Aufl., § 21 Rz 45; ähnlich Patt in Dötsch/Jost/Pung/ Witt, Die Körperschaftsteuer, § 21 UmwStG nF - vor SEStEG - Rz 84) nicht zugestanden hat. Vielmehr hat sich die Steuerverstrickung in gleichmäßiger Quote auf alle neuen Anteile erstreckt (so auch BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.14; vom 28. April 2003, BStBl I 2003, 292, Tz. 52; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 21 UmwStG Rz 47; Wacker, BB 1998, Beilage 8 zu Heft 26, S. 11; Schmitt in Schmitt/ Hörtnagl/Stratz, a.a.O., § 21 UmwStG Rz 72; Gosch, KStG, 2005, § 8b Rz 327; Dötsch/Pung in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 8b KStG Rz 68; Rabback in Rödder/Herlinghausen/van Lishaut, UmwStG, § 27 Rz 70 f.; Wüllenkemper, EFG 2007, 1211; s. auch Senatsurteil in BFHE 167, 432, BStBl II 1992, 764). Denn die Steuerverstrickung beruht nach den oben (unter II.1.) zitierten Grundsatzurteilen des Senats vom 8. April 1992 auf dem Übergang der stillen Reserven auf die betreffenden Anteile. Dieser Übergang bezieht sich denknotwendig gleichmäßig auf alle Anteile. Eine davon abweichende Gewichtung der Steuerverhaftung mag zwar grundsätzlich noch mit dem Zweck des § 21 UmwStG 1995 vereinbar sein, weil auch auf diese Weise die Besteuerung der stillen Reserven gesichert wäre. Jedoch fehlt es für ein diesbezügliches Wahlrecht an der erforderlichen gesetzlichen Grundlage, die auch bestimmt, wem gegenüber und nach welchen Regeln es auszuüben wäre.

4. Selbst wenn - entgegen dem Vorstehenden - infolge der Kapitalerhöhung vom Juni 1984 zunächst zum Teil auch nicht steuerverstrickte neue Anteile entstanden wären, wäre mit dem Hauptversammlungsbeschluss der X-AG vom 28. Oktober 1985, durch den sämtliche Anteile des Klägers in einer Aktie vereinigt worden sind, eine gleichmäßige Steuerverhaftung der Beteiligungsrechte des Klägers eingetreten. Diese Aktie konnte als Einzelwirtschaftsgut nur insgesamt zu jener Quote steuerverhaftet sein, die der bis dahin bestehenden durchschnittlichen Verhaftungsquote aller Anteile des Klägers entsprach. Nach den Feststellungen des FG und der übereinstimmenden Sicht der Beteiligten hat diese durchschnittliche Quote 83,83 % betragen. Wegen der Vereinigung der Beteiligungsrechte des Klägers in einer Aktie bedarf es keiner Erörterung, ob - wie das FA ursprünglich angenommen hatte - bereits nach der Barkapitalerhöhung vom Juni 1984 alle alten wie neuen Anteile des Klägers mit der durchschnittlichen Verhaftungsquote von 83,83 % belegt waren oder ob - wie das FG meint -, die alten Anteile weiterhin zu 100 % und die neuen Anteile zu 68,36 % steuerverhaftet waren.

5. Die Einwendungen der Revision gegen die Annahme einer einheitlichen Verhaftungsquote als Folge der Aktienzusammenlegung sind unbegründet. Soweit der Kläger sich gegen die Anknüpfung an die zivilrechtliche Einheit der in der Aktie verkörperten Beteiligungsrechte wendet, lässt er außer Acht, dass bei der Belegung mit einer Verhaftungsquote, die zwischen 0 % und 100 % liegt, die Aktie steuerlich gerade nicht als unteilbarer Gegenstand behandelt wird, der nur entweder ganz oder gar nicht steuerverstrickt sein kann. Gründe für eine noch weiter gehende Untergliederung sind nicht ersichtlich. Im Gegensatz zu den Konstellationen in den von der Revision herangezogenen Vergleichsbeispielen (bebaute Grundstücke, Bodenschätze, Feldinventar) lässt sich ein in einer Aktie verkörpertes Beteiligungsrecht nicht in wirtschaftlich unterschiedlich nutzbare und bewertbare Funktionseinheiten aufteilen, die eine ertragsteuerliche Zergliederung in mehrere Wirtschaftsgüter rechtfertigen könnte. Das gilt im Streitfall auch in Ansehung der Absicht des Klägers und des B, die zusammengelegten Aktien alsbald wieder - in Stamm- und Vorzugsaktien - aufzuteilen.

6. Die am 30. Oktober 1985 von der Hauptversammlung der X-AG beschlossene Aufteilung der beiden noch vorhandenen Aktien in insgesamt 153.000 Stamm- und 147.000 Vorzugsaktien hat nach der zutreffenden Annahme des FG dazu geführt, dass sich die Verhaftungsquote der geteilten Aktie des Klägers gleichmäßig auf die aus dieser hervorgegangenen Stamm- und Vorzugsaktien übertragen hat. Auch insoweit bestand keine Möglichkeit des Klägers, den gleichmäßigen Übergang der Verhaftungsquote von 83,83 % abzuwenden und eine andere Verteilung zu erreichen.

7. Die von der X-AG wiederholt durchgeführten Kapitalerhöhungen aus Gesellschaftsmitteln, an denen zum Teil auch der Kläger im Rahmen seines Bezugsrechts teilgenommen hat, hatten zur Folge, dass die daraus hervorgegangenen neuen Aktien wiederum zu 83,83 % steuerverhaftet waren. Bei der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln wird der Gesellschaft kein neues Vermögen zugeführt und bleibt der Gesamtwert der Beteiligungen gleich, so dass das Verhältnis zwischen den steuerverhafteten und den nicht verhafteten Anteilen sich nicht ändert (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1998, 268, Tz. 21.16; Widmann in Widmann/Mayer, a.a.O., § 21 UmwStG Rz 51 f.; Haritz in Haritz/Benkert, a.a.O., § 21 Rz 37).

8. Den Ansatz der Anschaffungskosten von 575.535,42 DM und - jedenfalls nach der zwischenzeitlichen Aktienzusammenlegung - deren gleichmäßige Verteilung auf alle einbringungsgeborenen Anteile hat die Revision nicht beanstandet. Auch aus Sicht des Senats sind insoweit keine Fehler zu Lasten des Klägers zu erkennen.