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BFH-Beschluss vom 27.5.2008 (I R 11/08) BStBl. 2008 II S. 766

1. Die Frist zur Begründung der Revision wird, wenn das FG in einem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen hat, durch die Zustellung des Gerichtsbescheids ausgelöst.

2. Der Hinweis auf ein nicht näher erläutertes "Büroversehen" rechtfertigt keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.

FGO § 56 Abs. 1 und 2, § 90a Abs. 2 Satz 2, § 120 Abs. 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04 (EFG 2008, 592)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Einkommensteuerbescheids. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg hat die Klage gegen diesen Bescheid durch (in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 592 abgedruckten) Gerichtsbescheid vom 4. Dezember 2007 12 K 19/04 abgewiesen und die Revision gegen seine Entscheidung zugelassen. Der Gerichtsbescheid wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) am 17. Dezember 2007 zugestellt.

Der Kläger hat, vertreten durch seine Prozessbevollmächtigte, mit einem am 17. Januar 2008 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangenen Schriftsatz Revision eingelegt. Mit Schreiben des Senatsvorsitzenden vom 26. Februar 2008 wurde die Prozessbevollmächtigte darauf hingewiesen, dass eine Begründung der Revision noch nicht vorliege. Daraufhin hat die Bevollmächtigte am 6. März 2008 sowohl die Revisionsbegründung als auch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand übermittelt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat sie vorgetragen, dass "durch ein Büroversehen der 18.03.2008 als Fristablauf gewertet" und dieses Versehen "erst durch Ihr Schreiben vom 26.02.2008 ... erkannt" worden sei. Schließlich hat sie eine weitere Frist zur ergänzenden Begründung der Revision beantragt; diese zusätzliche Frist hat ihr der Vorsitzende "unbeschadet der Rechtsauffassung des I. Senats zur Zulässigkeit der Revision" gewährt.

Der Kläger beantragt sinngemäß, die Entscheidung des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid nach Maßgabe der Revisionsbegründung zu ändern.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unzulässig. Sie ist nicht fristgerecht begründet worden, was nicht durch eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand geheilt werden kann.

1. Ein von einem FG erlassener Gerichtsbescheid kann gemäß § 90a Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) mit der Revision angefochten werden, wenn das FG die Revision zugelassen hat. Gemäß § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO muss eine Revision innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils begründet werden. In diesem Zusammenhang ist, wenn das FG durch Gerichtsbescheid entschieden und in dem Gerichtsbescheid die Revision zugelassen hat, die Zustellung des vollständigen Gerichtsbescheids als "Zustellung des vollständigen Urteils" i.S. des § 120 Abs. 2 Satz 1 FGO anzusehen (ebenso Ruban in Gräber, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 120 Rz 42; Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 120 FGO Rz 127, m.w.N.).

Im Streitfall ist der angefochtene Gerichtsbescheid dem Kläger am 17. Dezember 2007 zugestellt worden. Die ihn betreffende Revisionsbegründung hätte deshalb, da der 17. Februar 2008 ein Sonntag war, bis zum Ablauf des 18. Februar 2008 beim BFH eingehen müssen. Das ist nicht geschehen. Die damit vorliegende Versäumung der Begründungsfrist führt zur Unzulässigkeit der Revision.

2. Eine abweichende Beurteilung würde sich nur dann ergeben, wenn dem Kläger eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 56 Abs. 1 FGO) gewährt werden könnte. Das würde aber voraussetzen, dass der Kläger ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist zu wahren. Daran fehlt es im Streitfall.

a) Nach ständiger Rechtsprechung schließt zum einen jedes Verschulden eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus (BFH-Beschlüsse vom 11. Oktober 1991 VII R 32/90, BFH/NV 1994, 553; vom 25. April 2005 VIII B 42/02, BFH/NV 2005, 1821; vom 18. Januar 2007 III R 65/05, BFH/NV 2007, 945). Zum anderen muss sich der Antragsteller gemäß § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung das Verschulden eines Bevollmächtigten zurechnen lassen (BFH-Beschlüsse vom 24. Januar 2005 III R 43/03, BFH/NV 2005, 1312; vom 30. August 2005 III R 15/05, BFH/NV 2006, 89). Für den Streitfall folgt daraus, dass schon eine einfache Fahrlässigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ausschließt.

b) Vom Vorliegen einer solchen Fahrlässigkeit ist im Streitfall auszugehen. Denn der Kläger hat die Versäumung der Begründungsfrist nur mit einem nicht näher beschriebenen "Büroversehen" seiner Prozessbevollmächtigten erklärt. Welche tatsächlichen Umstände zu der Fristversäumung geführt haben, hat er nicht erläutert. Insbesondere hat er nicht dargetan, welche organisatorischen Maßnahmen seine Prozessbevollmächtigte im Hinblick auf die Fristwahrung getroffen hatte und weshalb diese Maßnahmen speziell im Streitfall nicht gegriffen haben. Das wäre indessen seine Aufgabe gewesen (vgl. BFH-Beschlüsse vom 19. Dezember 2006 VII R 63/02, BFH/NV 2007, 1212; vom 28. Juni 2007 IX B 39/07, BFH/NV 2007, 2124; Stapperfend in Gräber, a.a.O., § 56 Rz 38, m.w.N.). Ohne entsprechende Angaben kann eine Wiedereinsetzung nur dann gewährt werden, wenn die Gründe für die Fristversäumnis offenkundig oder gerichtsbekannt sind und diese Gründe die Versäumung der Frist als unverschuldet erscheinen lassen (BFH-Beschlüsse vom 23. August 1996 VIII B 26/95, BFH/NV 1997, 240; vom 13. Juli 1999 VII B 64/99, BFH/NV 1999, 1633, 1634, m.w.N.); daran fehlt es im Streitfall ebenfalls. Im Ergebnis muss daher davon ausgegangen werden, dass die Versäumung der Frist auf einem dem Kläger zuzurechnenden Verschulden beruht.

3. Ohne Bedeutung ist im Streitfall schließlich, dass der Senatsvorsitzende dem Kläger im weiteren Verlauf eine zusätzliche Frist zur Ergänzung der Revisionsbegründung eingeräumt hat. Denn die Frist zur Revisionsbegründung kann zwar auf Antrag von dem Vorsitzenden verlängert werden, dies aber nur auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag hin (§ 120 Abs. 2 Satz 3 FGO). Eine Fristverlängerung kann deshalb nicht mehr wirksam erfolgen, wenn - wie im Streitfall - der Antrag erst nach Ablauf der Revisionsbegründungsfrist eingegangen und eine Wiedereinsetzung in jene Frist nicht möglich ist (BFH-Beschluss vom 1. Dezember 1994 IV R 68/94, BFH/NV 1995, 627). Dem entsprechend hat der Vorsitzende die Fristverlängerung denn auch ausdrücklich "unbeschadet der Rechtsauffassung des Senats zur Zulässigkeit der Revision" gewährt.