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BFH-Urteil vom 15.5.2008 (IV R 77/05) BStBl. 2008 II S. 767

Darlehen, die einem Getränkegroßhändler von Brauereien zur Weitergabe an Gastwirte gewährt werden, sind Dauerschulden i.S. des § 8 Nr. 1 GewStG a.F., wenn mit den weitergereichten Darlehen eine Getränkebezugsverpflichtung verbunden ist.

GewStG a.F. § 8 Nr. 1; GewStDV § 19.

Vorinstanz: FG Berlin vom 9. März 2005 6 K 6351/02 (EFG 2005, 1371)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt einen Groß- und Einzelhandel mit Getränken. In den Streitjahren (1992 bis 1996) erhielt und gewährte sie mit einer Bierbezugsverpflichtung verbundene Darlehen. Die der Klägerin von Brauereien gewährten Darlehen hatten eine mehrjährige Laufzeit und sollten zur Beschaffung von Inventar für bestimmte Gaststätten von Kunden der Klägerin dienen. Mit einem solchen Darlehen war eine Bezugsverpflichtung für bestimmte Biersorten der Brauerei verbunden. Unter Verwendung der erhaltenen Darlehensmittel gewährte die Klägerin anschließend ihren Kunden mehrjährige verzinsliche Darlehen für den Inventarkauf, die zum einen wiederum mit einer Bierbezugsverpflichtung über die Klägerin, aber zum anderen auch mit einer Verpflichtung zur Abnahme aller anderen Getränke von der Klägerin verbunden waren. Der Darlehenszins entsprach in der Regel dem Zins, den die Klägerin selbst an die Brauerei zahlen musste. Eine die Verwaltungskosten der Klägerin übersteigende Zinsmarge gab es nicht.

Nach einer Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) am 1. August 2000 nach § 164 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO) geänderte Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für die Streitjahre und berücksichtigte dabei die Zinsaufwendungen für Brauereidarlehen als Dauerschuldzinsen. Hiergegen erhob die Klägerin Einsprüche, die aber in Bezug auf die Hinzurechnungen im Zusammenhang mit den Brauereidarlehen erfolglos blieben.

Die anschließend erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1371 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt die Klägerin eine Verletzung des § 8 Nr. 1 des Gewerbesteuergesetzes in der für die streitigen Erhebungszeiträume geltenden Fassung (GewStG a.F.).

Sie beantragt, das Urteil des FG sowie die Einspruchsentscheidung vom 15. Juli 2002 aufzuheben und die Bescheide über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 1992 bis 1996 vom 1. August 2000 mit der Maßgabe zu ändern, dass statt der bisher berücksichtigten Dauerschuldzinsen und Dauerschulden von folgenden Werten auszugehen ist:

Erhebungszeitraum

Dauerschuldzinsen

Dauerschulden

1992

67.007 DM

424.068 DM

1993

133.183 DM

3.002.193 DM

1994

198.644 DM

3.412.583 DM

1995

128.092 DM

2.418.583 DM

1996

93.729 DM

2.648.210 DM

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Die Beteiligten haben übereinstimmend auf mündliche Verhandlung verzichtet.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nicht begründet und war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Die Hinzurechnung von Dauerschuldzinsen nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. bzw. Dauerschulden nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG a.F. ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

a) Nach § 8 Nr. 1 GewStG a.F. werden dem Gewinn aus Gewerbebetrieb die Hälfte der Entgelte für Schulden, die der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals dienen, wieder hinzugerechnet, soweit sie bei der Ermittlung des Gewinns abgesetzt worden sind. Eine Schuld dient nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) grundsätzlich der nicht nur vorübergehenden Verstärkung des Betriebskapitals, wenn ihr Gegenwert das Betriebskapital länger als ein Jahr verstärkt (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 29. Januar 2003 I R 50/02, BFHE 202, 74, BStBl II 2003, 768).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz wird jedoch einerseits für durchlaufende Kredite gemacht. Um solche handelt es sich, wenn dem Steuerpflichtigen aus der Kreditaufnahme und der Weitergabe des Kredits kein über die Verwaltungskosten hinausgehender Nutzen erwächst und der Steuerpflichtige den Kredit nicht im eigenen, sondern im fremden Interesse aufgenommen hat (vgl. BFH-Urteil vom 7. Juli 2004 XI R 65/03, BFHE 207, 340, BStBl II 2005, 102, m.w.N.). Das ist dann der Fall, wenn das weiterleitende Unternehmen keinen eigenen wirtschaftlichen Nutzen aus der Weitergabe der Kreditmittel ziehen kann (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1997 IV R 92/96, BFH/NV 1998, 1222), wenn also z.B. der Kreditnehmer die Kreditmittel zu einem ausschließlich außerhalb seines Betriebs liegenden Zweck an einen Dritten weiterleitet (BFH-Urteil vom 24. Januar 1996 I R 160/94, BFHE 180, 160, BStBl II 1996, 328, m.w.N.).

Nicht der dauernden Verstärkung des Betriebskapitals dienen andererseits trotz einer Laufzeit von mehr als einem Jahr auch Schulden, die in wirtschaftlichem Zusammenhang mit laufenden Geschäftsvorfällen stehen und in der nach Art des jeweiligen Geschäftsvorfalls üblichen Frist getilgt werden. Dabei handelt es sich insbesondere um Kredite, die ein Unternehmen zur Finanzierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines bestimmten Wirtschaftsguts des Umlaufvermögens aufnimmt und die aus dem bei der Veräußerung dieses Wirtschaftsguts erzielten Erlös zu tilgen sind (BFH-Urteile vom 7. August 1990 VIII R 40/87, BFHE 162, 122, BStBl II 1990, 1077, und vom 18. April 1991 IV R 6/90, BFHE 164, 381, BStBl II 1991, 584). Ihnen gleichgestellt werden Verbindlichkeiten zur Finanzierung von Gegenständen, die einen Grenzfall zwischen Anlage- und Umlaufvermögen darstellen und deren Anschaffung bzw. Herstellung zu den immer wiederkehrenden, den Gegenstand des Unternehmens ausmachenden üblichen Geschäftsvorfällen gehört (BFH-Urteil vom 9. April 1981 IV R 24/78, BFHE 133, 67, BStBl II 1981, 481).

b) Die von der Klägerin bei Brauereien aufgenommenen Kredite sind weder durchlaufende Kredite noch stehen sie in dem erwähnten Sinn mit laufenden Geschäftsvorfällen in Zusammenhang.

Die Aufnahme der Darlehen von Brauereien war für die Klägerin nützlich, auch wenn sie per Saldo mit der Verwendung der Darlehensmittel zur Vergabe ihrerseits von Darlehen an Kunden keinen unmittelbaren Gewinn erzielte. Ein Vorteil für die Klägerin ergab sich einerseits daraus, Kunden nicht nur an die Brauerei, sondern zugleich an sich als Großhändler der Brauereiprodukte binden zu können. Darüber hinaus legte sie den Kunden auch eine Bindung für andere Getränke auf, die nicht mit der Brauerei und damit auch nicht mit dem von der Brauerei gewährten Kredit zusammenhingen. Auch solche mittelbar mit der Darlehensaufnahme in Zusammenhang stehenden Vorteile sind für die Annahme eines durchlaufenden Kredits schädlich, denn die Kreditmittel werden nicht nur zu einem außerhalb des Betriebs liegenden Zweck an einen Dritten weitergeleitet.

Die Darlehen wurden auch nicht zur Finanzierung der Beschaffung von Wirtschaftsgütern des Umlaufvermögens oder wiederkehrender Anschaffungen von Wirtschaftsgütern des Anlagevermögens eingesetzt. Sie dienten vielmehr nur der Mittelbeschaffung für die Vergabe von Darlehen an Kunden. Demgemäß waren auch keine im Zusammenhang mit Umsatzerlösen stehenden Darlehensrückzahlungen vereinbart, sondern langfristige Tilgungen. Die Darlehen dienten so der langfristigen Stärkung des Betriebskapitals.

c) Soweit die Klägerin geltend macht, das FG habe nur eine Gesamtbetrachtung aller Darlehensverträge an Stelle der notwendigen Einzelbetrachtung jedes Vertrags vorgenommen, ist dieser Einwand revisionsrechtlich unbeachtlich. Da die Klägerin keine ordnungsgemäße Verfahrensrüge erhoben hat, ist das Revisionsgericht nach § 118 Abs. 2 FGO an die Feststellungen des FG gebunden. Danach übertrug die Klägerin in allen Fällen eine Verpflichtung zum Bezug von bestimmten Brauereiprodukten auf ihre Darlehensnehmer und ergänzte dies um eine Abnahmeverpflichtung für andere Getränke. Im Übrigen wäre selbst dann von einem eigenbetrieblichen Interesse an der Darlehensgewährung und damit dem Fehlen einer Voraussetzung für einen durchlaufenden Kredit auszugehen, wenn ein Brauereidarlehen zu denselben Konditionen an einen Kunden weitergereicht worden wäre und nur eine Abnahmeverpflichtung in Bezug auf Produkte dieser Brauerei vereinbart worden wäre. Denn die Klägerin hätte auch in diesem Fall einen Vorteil aus der Großhandelsmarge für die aufgrund des Vertrags abzunehmenden Getränke.

d) Eine analoge Anwendung des § 19 der Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung kommt nicht in Betracht. Diese Regelung ist nach ihrem Wortlaut, aber auch nach dem Umfang der Verordnungsermächtigung in § 35c Abs. 1 Nr. 2 Buchst. e GewStG auf Dauerschulden von Kreditinstituten und solchen Gewerbebetrieben, die ausschließlich Finanzgeschäfte betreiben, beschränkt. Dass Gewerbebetriebe, die neben anderen Tätigkeiten auch Kreditgeschäfte betreiben, von der Regelung nicht erfasst werden, kann nicht als planwidrige Regelungslücke, sondern nur als bewusste Entscheidung des Gesetzgebers angesehen werden. Die Unterscheidung ist auch sachgerecht, denn für das Kreditgewerbe käme es anderenfalls typischerweise zu einer Doppelbelastung mit Gewerbesteuer.