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BFH-Urteil vom 8.10.2008 (VIII R 58/06) BStBl. 2009 II S. 405

Nach einer öffentlich-rechtlichen Satzung geleistete pauschale Reisekostenvergütungen an politische Mandatsträger (hier: Fraktionsvorsitzende im Kreistag) können auch ohne Einzelnachweis gegenüber dem FA nach § 3 Nr. 13 EStG steuerbefreit sein, sofern die Pauschale die tatsächlich entstandenen Reiseaufwendungen nicht ersichtlich übersteigt.

EStG § 3 Nrn. 12, 13, § 3c Abs. 1, § 18 Abs. 1 Nr. 3; BRKG a.F. §§ 4, 18; BRKG n.F. § 9 Abs. 2.

Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 9. März 2005 3 K 10761/00

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender im Kreistag des Landkreises A. Im Streitjahr (1997) erhielt er für Tätigkeiten in dieser Funktion Aufwandsentschädigungen, Sitzungsgelder und eine pauschale Reisekostenvergütung in Höhe von insgesamt 16.880 DM.

Streitig ist die steuerliche Behandlung der in diesem Gesamtbetrag enthaltenen Pauschale für Reisekosten in Höhe von 350 DM pro Monat (insgesamt 4.200 DM im Streitjahr), die dem Kläger als Fraktionsvorsitzendem nach § 4 Abs. 5 der Entschädigungssatzung des Landkreises A für die Dienstreisen innerhalb des Kreisgebietes und Fahrten nach Hannover "nach Maßgabe des § 6 Bundesreisekostengesetzes i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 3 b der Verordnung zu § 6 Bundesreisekostengesetz" zustand.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beließ die Einnahmen des Klägers aus seiner Tätigkeit im Kreistag in Höhe von 8.280 DM als Aufwandsentschädigung steuerfrei. Den Restbetrag erfasste es als steuerpflichtige Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Einspruch und Klage, mit denen sich der Kläger gegen die Besteuerung der Reisekostenpauschale in Höhe von 4.200 DM wandte, hatten keinen Erfolg.

Im Klageverfahren führte der Kläger im Wesentlichen aus, dass Reisekostenvergütungen, die nach den Vorschriften des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) oder entsprechender Landesgesetze gewährt werden, gemäß § 3 Nr. 13 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerfrei seien. Der Landkreis habe die Reisekostenentschädigungen entsprechend den Regelungen des BRKG festgesetzt; dort sei in § 18 in der im Streitjahr geltenden Fassung (a.F.) bestimmt, dass die oberste Dienstbehörde bei regelmäßigen oder gleichartigen Dienstreisen anstelle der Reisekostenvergütung nach § 4 BRKG a.F. auch eine Pauschvergütung gewähren könne, welche nach dem Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum sonst anfallenden Einzelvergütungen zu bemessen sei. Von dieser Regelung habe der Landkreis A Gebrauch gemacht, um sich damit die Abrechnungen der Einzelreisen von Kreistagsmitgliedern zu ersparen, die aufgrund ihrer Funktion gewöhnlicherweise im besonderen Maße Dienstreisen durchzuführen hätten. Auch diese Regelung der Reisekostenvergütung erfülle die Voraussetzungen der Steuerbefreiung gemäß § 3 Nr. 13 EStG.

Das Finanzgericht (FG) entschied in dem angefochtenen Urteil, dass über die bereits anerkannten Beträge hinaus beim Kläger keine weiteren Betriebseinnahmen aus der Kreistagstätigkeit steuerfrei zu belassen seien. Die pauschalierte Fahrtkostenerstattung sei steuerpflichtig. Die Steuerfreiheit erstrecke sich nur auf Reisekostenvergütungen, die im konkreten Einzelfall nach den Regelungen der Reisekostengesetze gezahlt, also für tatsächlich gefahrene Kilometer abgerechnet worden seien (unter Verweis auf das Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 27. Mai 1994 VI R 67/92, BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 3 Rz 512). Daran fehle es im Streitfall, da den monatlich pauschal gewährten Fahrtkostenerstattungen keine Einzelabrechnungen des Klägers zu Grunde gelegen hätten. Auch nach § 3 Nr. 12 EStG sei für die Anerkennung weiterer Beträge als steuerfreie Entschädigung ohne Einzelnachweis kein Raum.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Die gezahlten Reisekostenvergütungen fielen unter die Steuerbefreiung des § 3 Nr. 13 EStG. Entscheidend sei, ob die Reisekostenvergütung dem Grunde und der Höhe nach materiell den Vorschriften der Reisekostengesetze genüge. Dies sei hier der Fall. Grundlage der gezahlten Reisekostenvergütung sei § 4 Abs. 5 der Entschädigungssatzung des Landkreises A. Der Ermittlung der dort für das jeweilige Jahr geltenden Pauschale lägen Erfahrungswerte des Landkreises über die in der Vergangenheit entstandenen Mindestreisekosten der genannten Funktionsträger zu Grunde. Diese Erfahrungswerte seien in § 4 Abs. 1 bis 4 der Entschädigungssatzung und damit nach Maßgabe der Vorschriften des BRKG ermittelt. Mithin lägen begrifflich Pauschvergütungen i.S. des § 18 BRKG a.F. vor. Die Bezirksregierung Hannover als zuständige Aufsichtsbehörde habe die jährlich neu verabschiedete Entschädigungssatzung des Landkreises auf ihre Übereinstimmung mit den Bestimmungen des BRKG überprüft. Nicht zu den Voraussetzungen für die Steuerbefreiung gehöre ein Einzelnachweis der dem Kläger entstandenen Aufwendungen.

Die Kläger beantragen - sinngemäß -, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Festsetzung der Einkommensteuer für 1997 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 2. Mai 2008 unter Minderung der Einkünfte des Klägers aus selbständiger Arbeit um 4.200 DM zu ändern.

Das FA beantragt, die Revision gegen das Urteil des Niedersächsischen FG vom 9. März 2005 3 K 10761/00 als unbegründet zurückzuweisen.

Es stützt sich darauf, dass der Landkreis A keine oberste Dienstbehörde sei und auch nicht anderweitig durch das für das Reisekostenrecht zuständige Bundesministerium des Inneren oder das niedersächsische Ministerium des Inneren (als oberste Dienstbehörde) ermächtigt worden sei, selbst eine Pauschvergütung für Reisekosten i.S. des § 18 BRKG a.F. festzusetzen. Mangels gesetzlicher Ermächtigung handele es sich bei der vom Landkreis gezahlten Fahrtkostenpauschale nicht um eine Reisekostenvergütung i.S. des § 3 Nr. 13 EStG.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das Urteil des FG ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die tatsächlichen Feststellungen des FG genügen nicht, um eine weitere Steuerbefreiung oder eine anderweitige Berücksichtigung von Betriebsausgaben bis zur Höhe der streitbefangenen pauschalen Fahrtkostenerstattungen sicher ausschließen zu können.

1. Aus seiner Tätigkeit als Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender erzielte der Kläger im Streitjahr Einkünfte aus sonstiger selbständiger Arbeit i.S. von § 18 Abs. 1 Nr. 3 EStG (BFH-Urteil vom 3. Dezember 1987 IV R 41/85, BFHE 151, 446, BStBl II 1988, 266; Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 161).

2. Die durch diese Tätigkeit veranlassten Reisekosten sind Betriebsausgaben, die aus dienstlichem Grund gewährten Erstattungen oder Vergütungen solcher Betriebsausgaben sind - gleich unter welcher Bezeichnung - Betriebseinnahmen. Der Erfassung des Vergütungsbetrags als Betriebseinnahme kann eine Steuerbefreiung nach Maßgabe der Regelung in § 3 Nr. 13 EStG entgegenstehen.

3. a) Nach § 3 Nr. 13 EStG sind steuerfrei die aus öffentlichen Kassen gezahlten Reisekostenvergütungen, Umzugskostenvergütungen und Trennungsgelder. Die tatbestandlichen Voraussetzungen dieser Norm sind im Streitfall insoweit erfüllt, als der Kostenersatz aus einer öffentlichen Kasse gezahlt wurde und der Abgeltung von Reiseaufwand diente. Reisekostenvergütungen in diesem Zusammenhang umfassen insbesondere auch Fahrtkostenerstattungen (vgl. Schmidt/Heinicke, a.a.O., § 3 "Reisekostenvergütungen").

Der mit der Vorschrift - auch - verfolgte Vereinfachungszweck (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 57, 64, BStBl II 1995, 17, 21) rechtfertigt es allerdings nicht, auch solche als Kostenvergütungen o.ä. bezeichneten Einkommensteile von der Steuer zu befreien, denen tatsächlich kein entsprechender Aufwand gegenübersteht (BFH-Urteile in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17; vom 21. Oktober 1996 VI R 71/93, BFH/NV 1997, 286; a.A. noch BFH-Urteil vom 15. Oktober 1982 VI R 229/77, BFHE 136, 542, BStBl II 1983, 75) oder aber nur ein Aufwand, der den Kosten der privaten Lebensführung zuzurechnen oder von ihnen nicht klar abzugrenzen ist (§ 12 Nr. 1 EStG; s. BFH-Urteil vom 29. November 2006 VI R 3/04, BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308, m.w.N.). Vielmehr gilt der Grundsatz, dass Erstattungen oder Vergütungen nur dann steuerfrei sein können, wenn sie der Abgeltung eines Aufwands dienen, der als Werbungskosten oder Betriebsausgaben abziehbar wäre, müsste ihn der Steuerpflichtige selbst tragen (s. BFH-Urteile in BFHE 175, 57, 63, BStBl II 1995, 17, 20, und in BFH/NV 1997, 286 zu § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG; in BFHE 216, 163, BStBl II 2007, 308; vom 15. November 2007 VI R 91/04, BFH/NV 2008, 767, und vom 9. Juli 1992 IV R 7/91, BFHE 169, 144, BStBl II 1993, 50 zu § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG).

Bleibt die Erstattung steuerfrei, hat dies gemäß § 3c Abs. 1 EStG den Ausschluss des Abzugs der damit in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden Kosten als Betriebsausgabe zur Folge (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2008, 767).

b) Der Senat ist - entgegen der offenbar anderen Ansicht des FG - nicht der Auffassung, dass die Anwendung des § 3 Nr. 13 EStG im Streitfall von vornherein schon deswegen ausgeschlossen wäre, weil es an einer Erstattung nach Reisekostengesetzen fehlen würde.

Im Unterschied zu § 3 Nr. 12 Satz 1 EStG ist § 3 Nr. 13 EStG tatbestandlich nicht an andere Rechtsnormen gebunden. Insbesondere gibt es keinen Rechtsgrundverweis auf bestimmte Reisekostengesetze. Da heute nach geänderter Rechtslage - im Unterschied zu dem BFH-Urteil in BFHE 136, 542, BStBl II 1983, 75 - von steuerrechtlicher und reisekostenrechtlicher Inkongruenz ausgegangen wird (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 57, BStBl II 1995, 17 unter 2.c der Entscheidungsgründe), kann nicht entscheidungserheblich auf das Reisekostenrecht abgestellt werden. Genügend sind etwa auch andere Vereinbarungen, die den reisekostenrechtlichen Vorschriften des Bundes oder der Länder entsprechen (s. Handzik in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 3 Rz 510).

Rechtsgrundlage für die Reisekosten-Vergütungspauschale ist im Streitfall die auf der Niedersächsischen Landkreisordnung (NLO) beruhende Entschädigungssatzung des Landkreises A in der für das Streitjahr geltenden Fassung, wonach neben einer angemessenen Aufwandsentschädigung Durchschnittssätze für die Fahrtkosten durch Satzung festgesetzt werden können. Einem bereits 1994 verfassten Schreiben des Oberkreisdirektors des Landkreises zufolge soll die pauschale Reisekostenvergütung nach dem Durchschnitt der in einem bestimmten Zeitraum sonst anfallenden Einzelvergütungen festgelegt worden sein.

Ihrem Vereinfachungszweck entsprechend verlangt die Vorschrift des § 3 Nr. 13 EStG vom Steuerpflichtigen keinen Einzelnachweis der entstandenen Kosten (vgl. BFH-Urteil in BFHE 175, 57, 64, BStBl II 1995, 17, 21), vielmehr muss nach Auffassung des Senats der Nachweis genügen, dass der Reisekostenersatz bzw. die Reisekostenvergütung sich am tatsächlichen Aufwand orientiert. Eine kleinliche Betrachtung ist dabei zu vermeiden (s. BFH-Urteil in BFHE 175, 57, 64, BStBl II 1995, 17, 21), so dass etwa einer an den sachlichen Maßstäben des BRKG ausgerichteten Durchschnittskostenermittlung - auch ohne rechtliche Verweisung hierauf in § 3 Nr. 13 EStG - grundsätzlich zu folgen wäre.

c) Der Senat kann den Streitfall gleichwohl nicht durchentscheiden, weil das FG ausgehend von seiner abweichenden Rechtsauffassung hierfür keine ausreichenden tatsächlichen Feststellungen getroffen hat.

So ist insbesondere nicht erkennbar, wie der Landkreis bei der Festlegung der Pauschalierung vorgegangen ist, welche Einzelkosten er dabei einbezogen hat, welche Funktionsträger er betrachtet und ob es sich um einen repräsentativen Ermittlungszeitraum gehandelt hat, so dass nicht ohne weiteres von einer Richtigkeitsgewähr ausgegangen werden kann, wie sie erkennbar durch das Verfahren nach § 18 BRKG a.F. (jetzt § 9 Abs. 2 BRKG) erreicht werden soll. Auch wenn die Annahme naheliegt, dass die im Streitjahr vom Kläger wahrgenommenen politischen Funktionen Reiseaufwand erforderten, kann nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden, dass die gezahlte Reisekostenvergütung den diesbezüglichen Aufwand deutlich überschritt, solange die tatsächlichen Grundlagen für die gewährte Kostenpauschale nicht offenliegen.

d) Seit dem Veranlagungszeitraum 1990 soll durch die Vorschrift des § 3 Nr. 13 EStG der Werbungskostenersatz für die dort aufgeführten Aufwandskategorien abschließend geregelt werden (s. Handzik in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 3 Rz 491; ähnlich Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 EStG Rz 7; ferner v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 12 Rz B 13/20 unter Hinweis auf die Entstehungsgeschichte). Zumindest bei einer ausdrücklich der Erstattung oder Vergütung von Reisekosten dienenden Zahlung - wie im Streitfall - ist deshalb nicht der Frage nachzugehen, ob andernfalls eine Steuerbefreiung dieser Zahlung nach § 3 Nr. 12 Satz 2 EStG zu erfolgen hätte. Im Übrigen soll nach der Rechtsprechung des BFH auch nach dieser Vorschrift eine Steuerbefreiung nur soweit gewährt werden, als die Aufwandsentschädigung tatsächlich entstandene Betriebsausgaben oder Werbungskosten nicht offenbar überschreitet (s. BFH-Urteil in BFHE 169, 144, 146, BStBl II 1993, 50, 51, m.w.N.).

4. Aus den angeführten Gründen ist die Sache nicht spruchreif.

a) Das FG wird im zweiten Rechtsgang prüfen müssen, ob dem Kläger dem Grunde nach Betriebsausgaben durch Fahrtkosten im Zusammenhang mit seiner Tätigkeit als Kreistagsabgeordneter und Fraktionsvorsitzender erwachsen sind und ob ggf. der gewährte Fahrtkostenersatz von 4.200 DM den Aufwand des Klägers ersichtlich übersteigt. Auch wenn der Kläger insoweit keinen Einzelnachweis erbringt, kann in diesem Zusammenhang von einer offenbar zu hohen - und deshalb befreiungsschädlichen - Vergütung jedenfalls dann nicht ausgegangen werden, wenn sich die Ermittlung der dem Fahrtkostenersatz zu Grunde liegenden Durchschnittskosten durch den Kreistag als zutreffend erweist und keine tatsächlichen Gründe ersichtlich sind, warum die so ermittelten Kosten gerade für den Kläger nicht zutreffen sollten.

b) Sollte hingegen der dem pauschalen Fahrtkostenersatz zu Grunde gelegte Maßstab nicht auf die tatsächlichen Verhältnisse beim Kläger übertragbar sein, wäre dann zu prüfen, ob bei einer Ermittlung der Einkünfte aus der Reisekostenvergütung Betriebsausgaben nach § 162 der Abgabenordnung zu schätzen sind.