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BFH-Urteil vom 14.1.2009 (II R 48/07) BStBl. 2009 II S. 538

Bei einer Schenkungskette über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren ist unter der Geltung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG eine sog. Überprogression ausschließlich durch den Abzug der tatsächlich zu entrichtenden Steuer für den Vorerwerb zu korrigieren. Eine Korrektur der Überprogression nach den vor Inkrafttreten dieser Vorschrift anzuwendenden Grundsätzen (vgl. BFH-Urteil vom 30. Januar 2002 II R 78/99, BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316) scheidet aus.

ErbStG § 14 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 17. Oktober 2007 4 K 2493/06 Erb (EFG 2008, 147)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erhielt von seinem Vater über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren mehrere freigebige Zuwendungen mit den folgenden Steuerwerten:

1. am 13. Dezember 1990: 7.317.429 DM (Vorschenkung 1990)

2. am 19. Dezember 1995: 326.908 DM (Vorschenkung 1995)

3. am 18. Dezember 2003: 4.156.700 € (Letzterwerb)

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegen den Kläger durch Bescheid vom 23. November 2005 für den Letzterwerb 439.916 € Schenkungsteuer fest. Dabei rechnete er dem Letzterwerb die Vorschenkung 1995 hinzu und zog gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) die tatsächlich für die Vorschenkung 1995 zu entrichtende Steuer in Höhe von 26.743 € ab, da diese höher war als die von ihm - mit einem Steuersatz von 11 v.H. - ermittelte fiktive anrechenbare Steuer gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG (18.381 €).

Einspruch und Klage, mit denen der Kläger zur Vermeidung einer "Überprogression" den Abzug einer fiktiven anrechenbaren Steuer von 31.757,55 € für die Vorschenkung 1995 bei der Besteuerung des Letzterwerbs begehrte, blieben ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab und führte aus, dass die Berücksichtigung einer etwaigen Überprogression bei einer Schenkungskette über mehr als zehn Jahre durch die mit Art. 2 Nr. 6 des Jahressteuergesetzes 1997 vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049, 2058) neu eingeführte pauschalierende Billigkeitsbestimmung in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abschließend geregelt sei. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 147 abgedruckt.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG.

Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Schenkungsteuer unter Änderung des Bescheids vom 23. November 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung auf 434.901 € herabzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

1. Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass bei der Besteuerung des Letzterwerbs nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die - höhere - tatsächlich für den Vorerwerb zu entrichtende Schenkungsteuer abzuziehen ist.

a) Nach § 14 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird die Steuer abgezogen, die für die früheren Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben gewesen wäre. Anstelle der Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG ist nach dem durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) eingefügten § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese höher ist als die fiktive anrechenbare Steuer nach Satz 2.

§ 14 ErbStG will verhindern, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch Mehrfachgewährung der persönlichen Freibeträge und durch Vermeidung der Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden. Die von der Vorschrift angeordnete Zusammenrechnung gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt (vgl. BTDrucks VI/3418, 69 zu § 14; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. März 1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664; vom 17. April 1991 II R 121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522; vom 30. Januar 2002 II R 78/99, BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316, und vom 2. März 2005 II R 43/03, BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728).

§ 14 ErbStG ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder werden die früheren Steuerfestsetzungen mit der Steuerfestsetzung für den letzten Erwerb zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer, die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen ist (BFH-Urteil in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, m.w.N.).

b) Dem Regelungsziel des § 14 ErbStG lässt sich entnehmen, dass Erwerbe außerhalb des zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums keinen Einfluss auf die Höhe der Steuer für den Letzterwerb haben, d.h. den Steuersatz nicht mehr erhöhen und nicht zum Ausschluss der (einmaligen) Gewährung des Freibetrags für den nunmehr zu beurteilenden Zehnjahreszeitraum führen dürfen (BFH-Urteile vom 17. November 1977 II R 66/68, BFHE 124, 216, BStBl II 1978, 220; in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316, und in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728). Hierzu kann es bei der Besteuerung von mehreren, über einen Zeitraum von zehn Jahren hinausreichenden Zuwendungen von derselben Person u.a. dann kommen, wenn ein Vorerwerb außerhalb des zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums durch das damalige Zusammenrechnen mit der ersten Schenkung innerhalb des nunmehr zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums einen höheren Steuersatz auslöst als bei einer isolierten Besteuerung der ersten Schenkung innerhalb des nunmehr zu beurteilenden Zehnjahreszeitraums anzuwenden gewesen wäre (vgl. BFH-Urteile in BFHE 124, 216, BStBl II 1978, 220; in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316; Jülicher, Zusammenrechnung mehrerer Erwerbe nach § 14 ErbStG, 1993, S. 107 ff.; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 14 Rz 24 f.; Moench, Erbschaft- und Schenkungsteuer, Kommentar, § 14 ErbStG Rz 11a; Meincke, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 14. Aufl. 2004, § 14 Rz 16 f.).

Der Senat hat deshalb vor der Einfügung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG, d.h. bei (Letzt-)Erwerben bis einschließlich 1996, bei einer als Folge eines Progressionssprungs durch einen Vorerwerb außerhalb des Zehnjahreszeitraums herbeigeführten Mehrsteuer neben der fiktiven anrechenbaren Steuer diese Mehrsteuer als weiteren Abzugsbetrag zugelassen, weil die Mehrsteuer durch den Abzug der fiktiven anrechenbaren Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG nicht beseitigt wurde (BFH-Urteil in BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316).

c) An dieser Beurteilung kann unter der Geltung des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG, d.h. für (Letzt-)Erwerbe ab 1997 nicht mehr festgehalten werden. Denn durch die von der Vorschrift eröffnete Möglichkeit des Abzugs der (höheren) tatsächlich zu entrichtenden Steuer für die Vorschenkung erübrigt sich - entgegen der Auffassung des Klägers - die Berücksichtigung eines weiteren Abzugsbetrages zum Ausgleich einer Überprogression, weil die tatsächlich zu entrichtende Steuer für den Vorerwerb die Mehrsteuer enthält. Der Abzug der tatsächlich zu entrichtenden Steuer überwindet die Unzulänglichkeit des § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG und führt zum exakten Abzug der sich aufgrund eines Progressionssprungs beim Vorerwerb ergebenden Mehrsteuer. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG bewirkt den Abzug der Steuer, die nach der bisherigen Rechtsprechung insgesamt - fiktive anrechenbare Steuer plus Mehrsteuer - abzuziehen wäre.

Das lässt sich für den Streitfall auch rechnerisch belegen, soweit man den hier bestehenden Sondereffekt der zwischenzeitlichen Steuersatzerhöhung durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) außer Acht lässt. Ohne diese Steuersatzerhöhung wäre die fiktive anrechenbare Steuer für die Vorschenkung 1995 mit einem Steuersatz von 6 v.H. (anstatt 11 v.H.) zu berechnen gewesen, hätte damit 10.029 € (167.145 € x 6 v.H.) betragen. Die Differenz zwischen fiktiver und tatsächlich zu entrichtender Steuer für die Vorschenkung 1995 beliefe sich dann auf 16.715 € (26.743 € ./. 10.029 €), was der Mehrsteuer aufgrund des Progressionssprungs entspricht. Die Berechnung des Klägers zur fiktiven anrechenbaren Steuer führt dagegen zum Abzug einer Steuer, die über die tatsächlich zu entrichtende Steuer für den Vorerwerb hinausgeht.