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BFH-Urteil
vom 17.9.2008 (IX R 70/06) BStBl. 2009 II S. 897 Ein
verbleibender Verlustvortrag ist auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr zwar bestandskräftig ist, darin aber keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte
berücksichtigt worden sind (Änderung der Rechtsprechung gegenüber BFH-Urteilen vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97, BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817). EStG § 10d Abs. 4. Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 16. August 2006 16 K 5362/05 F
Sachverhalt I. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte die Einkommensteuer des Klägers
und Revisionsklägers (Kläger) für das Streitjahr 2001 mit Bescheid vom 11. August 2003 auf 0 € fest; der Festsetzung legte das FA einen Gesamtbetrag der Einkünfte von 0 DM zugrunde. Im Dezember 2004 reichte der Kläger eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden
Verlustvortrags für das Streitjahr ein, mit der er Aufwendungen für seine Ausbildung zum Piloten als vorab entstandene Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Das FA lehnte die gesonderte Feststellung des zum
31. Dezember 2001 verbleibenden Verlustvortrags ab. Einspruch und Klage blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die
gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sei nach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) nicht zulässig, da der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr nicht mehr
geändert werden könne. Der Kläger habe auch nicht innerhalb eines Jahres nach Bekanntgabe des Einkommensteuerbescheids die Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags beantragt (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 9. Dezember 1998 XI R 62/97,
BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und vom 9. Mai 2001 XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817). Mit seiner Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Der zum 31. Dezember 2001
verbleibende Verlustvortrag sei gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen. Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil und den Ablehnungsbescheid sowie die
Einspruchsentscheidung aufzuheben und das FA zu verpflichten, den verbleibenden Verlustabzug zur Einkommensteuer auf den 31. Dezember 2001 in Höhe von 94.349 DM gesondert festzustellen. Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen. Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hält die bisherige
Rechtsprechung des BFH in BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und in BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817 für zutreffend, nach der der erstmalige Erlass eines Feststellungsbescheids über den verbleibenden Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG
voraussetze, dass der zugrunde liegende - bisher keinen Verlust ausweisende - Steuerbescheid noch entsprechend geändert werden könne.
Entscheidungsgründe II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung des FG ist der zum 31. Dezember 2001 verbleibende Verlustvortrag gemäß
§ 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen; § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist mangels einer Änderung der nach Satz 2 der Vorschrift zu berücksichtigenden Beträge nicht anwendbar. 1. Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende
Verlustvortrag getrennt nach Einkunftsarten gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach
Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind Feststellungsbescheide u.a. zu erlassen,
soweit sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist. Ändern sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge aber nicht, ist die Vorschrift von
vornherein unanwendbar. 2. Nach diesen Maßstäben ist der zum 31. Dezember 2001 verbleibende Verlustvortrag nach § 10d
Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG ist nicht anwendbar, da sich die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte nicht geändert haben. Insoweit kann dahinstehen, ob
Bezugspunkt für eine Änderung der Feststellungsbescheid nach § 10d EStG oder der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr ist. a) Betrachtet man den Feststellungsbescheid nach § 10d EStG als Bezugspunkt für eine Änderung der
bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, so scheidet eine solche Änderung schon deshalb aus, weil der zum 31. Dezember 2001 verbleibende Verlustvortrag bislang nicht gesondert festgestellt worden ist. b) Auch wenn man - wie das BMF, das FA und das FG - davon ausgeht, dass der
Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr der maßgebliche Bezugspunkt ist, hat sich dieser Betrag nicht geändert. Nach dem Wortlaut des § 10d Abs. 4 Satz 2 EStG gehören zu den "nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträgen" i.S. des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG
nicht der Gesamtbetrag der Einkünfte, sondern die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichen negativen Einkünfte. Im Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr sind nur ein Gesamtbetrag der Einkünfte von 0, nicht aber nicht
ausgeglichene negative Einkünfte berücksichtigt worden. Waren solche danach bisher nicht vorhanden, können sie sich auch nicht geändert haben (vgl. bereits BFH-Beschluss vom 24. Oktober 2007 XI R 42/06, BFH/NV 2008, 48; gl.A. Meyer/Ball, Deutsches
Steuerrecht 1999, 1257). Soweit sich aus den BFH-Urteilen in BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und in BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817 etwas anderes ergibt, hält der BFH an dieser Rechtsprechung nicht mehr fest. 3. Das FG ist von anderen Grundsätzen ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die
Sache ist nicht spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - keine Feststellungen getroffen, die eine Beurteilung ermöglichen, in welcher Höhe vorab entstandene Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 EStG) des Klägers bei der Ermittlung seiner
Einkünfte nach § 19 EStG im Streitjahr zu berücksichtigen sind. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. |