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BFH-Urteil vom 29.4.2009 (I R 74/08) BStBl. 2009 II S. 899

1. Nur ein Wertverlust, der mindestens während der halben Restnutzungsdauer des Wirtschaftsgutes andauert, ermöglicht bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern eine Teilwertabschreibung (Bestätigung des Senatsurteils vom 14. März 2006 I R 22/05, BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680).

2. Die verbleibende Nutzungsdauer ist bei Gebäuden nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG 1997, bei anderen Wirtschaftsgütern grundsätzlich nach den amtlichen AfA-Tabellen zu bestimmen (Bestätigung des BMF-Schreibens vom 25. Februar 2000, BStBl I 2000, 372 Tz. 6). Dies gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern.

EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1, § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1, 2 und 3, § 7 Abs. 4 und 5.

Vorinstanz: FG Münster vom 27. Juni 2008 9 K 3138/06 K,G (EFG 2008, 1631)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, errichtete im Jahr 1990 auf einem ihr gehörenden Grundstück ein Gebäude. Die Absetzungen für Abnutzung (AfA) nahm sie in der Folgezeit degressiv nach § 7 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in der im Jahr 1990 geltenden Fassung (i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes, § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes) vor. Das Gebäude wurde in den Jahren 1996 und 1998 erweitert; die Klägerin aktivierte insoweit nachträgliche Herstellungskosten. Insgesamt beliefen sich die Herstellungskosten des Gebäudes auf 1.257.505 DM.

Weil dieses Gebäude trotz der Erweiterungen zu klein war, erwarb die Klägerin am 28. März 2000 ein weiteres Gewerbegrundstück im selben Gewerbegebiet. Sie errichtete darauf ein Betriebsgebäude, das im Sommer 2001 fertig gestellt wurde. Bis zu diesem Zeitpunkt wurde das bisherige Betriebsgebäude auf dem alten Grundstück unverändert betrieblich genutzt. Am 14. Januar 2005 verkaufte die Klägerin das alte Grundstück für 350.000 € netto.

In ihrem Jahresabschluss für das Streitjahr 2000 nahm die Klägerin auf das Gebäude eine Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert (sog. Teilwertabschreibung) in Höhe von 151.660,64 DM vor. Dabei legte sie für das Gesamtobjekt einen Teilwert von 750.000 DM zu Grunde. Die Bilanzansätze für den Grund und Boden (61.183,64 DM) und die Außenanlagen (6.238 DM) ließ sie unverändert und minderte nur den Ansatz für das Gebäude.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, die gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304 - EStG 1997 -) notwendige dauernde Wertminderung liege nicht vor, weil der Teilwert nicht während der Hälfte der restlichen Nutzungsdauer unter dem planmäßig fortgeschriebenen Buchwert liege. Der dagegen gerichteten Klage gab das Finanzgericht (FG) Münster statt (Urteil vom 14. Januar 2005 9 K 1564/03 K,G, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2005, 683). Auf die Revision des FA hob der Senat die erstinstanzliche Entscheidung mit Urteil vom 14. März 2006 I R 22/05 (BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680) auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück. Es bedurfte weiterer Sachverhaltsaufklärung darüber, ob der Teilwert für das Gebäude tatsächlich nachhaltig gesunken war und deswegen eine Abschreibung rechtfertigte.

Im zweiten Rechtsgang ist zwischen den Beteiligten unstreitig geworden, dass der erzielbare Verkaufspreis für das Gesamtgrundstück zum Bilanzstichtag 800.000 DM betrug. Davon entfallen auf das Gebäude 732.749 DM. Die Teilwerte von Grund und Boden und Außenanlagen entsprechen den Buchwerten.

Das FG Münster gab der Klage mit in EFG 2008, 1631 veröffentlichtem Urteil vom 27. Juni 2008 9 K 3138/06 K,G zum Teil statt. Es hielt eine Teilwertabschreibung des Gebäudes auf 732.749 DM für gerechtfertigt.

Mit seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts.

Es beantragt, das angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass zum Bilanzstichtag 31. Dezember 2000 eine Abschreibung des streitbefangenen Gebäudes auf den niedrigeren Teilwert von 732.749 DM gerechtfertigt ist.

1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 1997 muss ein Steuerpflichtiger, der seinen Gewinn nach § 4 Abs. 1 EStG 1997 ermittelt, die abnutzbaren Wirtschaftsgüter seines Anlagevermögens mit den Anschaffungs- oder Herstellungskosten, vermindert um die AfA, erhöhte Absetzungen, Sonderabschreibungen, Abzüge nach § 6b EStG 1997 und ähnliche Abzüge ansetzen. Stattdessen kann er den Teilwert des Wirtschaftsgutes ansetzen, wenn dieser aufgrund einer voraussichtlich dauernden Wertminderung niedriger als die fortgeschriebenen Anschaffungs- oder Herstellungskosten ist (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997).

a) Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680 entschieden hat, ist in diesem Sinne von einer voraussichtlich dauernden Wertminderung auszugehen, wenn der Wert des Wirtschaftsgutes zum Bilanzstichtag mindestens für die halbe Restnutzungsdauer unter dem planmäßigen Restbuchwert liegt. Dies gilt auch dann, wenn es sich um ein langlebiges Wirtschaftsgut handelt.

b) Die verbleibende Nutzungsdauer von Gebäuden ist nach § 7 Abs. 4 und 5 EStG 1997, bei anderen Wirtschaftsgütern grundsätzlich nach den amtlichen AfA-Tabellen zu bestimmen (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 25. Februar 2000, BStBl I 2000, 372 Tz. 6). Das gilt auch dann, wenn der Steuerpflichtige beabsichtigt, das Wirtschaftsgut vor Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer zu veräußern. In diesem Fall ist eine Teilwertabschreibung ebenfalls nur möglich, wenn der Teilwert mindestens während der Hälfte des betriebsgewöhnlichen Zeitraums unter seinem fortgeschriebenen Buchwert liegt.

aa) § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 schränkt das Vorsichtsprinzip ein (vgl. BTDrucks 14/23, S. 5, 170, 171). Zwar können nicht realisierte Verluste durch Ansatz des niedrigeren Teilwerts ausgewiesen werden. Bei bloßen Wertschwankungen ist jedoch - anders als nach der Rechtslage vor Inkrafttreten des § 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG 1997 - eine Verlustantizipation nicht möglich. Nur ein anhaltender Wertverlust ermöglicht bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern den Ausweis des niedrigeren Teilwerts, wobei als "anhaltend" eine Wertminderung anzusehen ist, die mindestens während der halben Restnutzungsdauer des Wirtschaftsguts andauert (Senatsurteil in BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680). In allen anderen Fällen wird das Absinken des Teilwerts erst mit dessen Realisation gewinnwirksam.

bb) Beabsichtigt der Steuerpflichtige, ein Wirtschaftsgut zu verkaufen, dessen Teilwert unter den fortgeschriebenen Buchwert zum mutmaßlichen Veräußerungszeitpunkt gesunken ist, droht ein endgültiger Verlust, wenn keine Anhaltspunkte für einen alsbaldigen Wiederanstieg des Teilwerts vorliegen. Demgegenüber sind Wertverluste bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern, die bis zu ihrem wirtschaftlichen Verbrauch im Betriebsvermögen bleiben, immer nur vorübergehend, weil sie sich spätestens dann ausgleichen, wenn die Wirtschaftsgüter abgeschrieben sind. Das Gesetz differenziert für die Berechtigung zu einer Teilwertabschreibung gleichwohl nicht danach, ob und ggf. wie wahrscheinlich der Eintritt eines endgültigen Verlustes ist. Maßgeblich ist vielmehr allein, ob die eingetretene Wertminderung voraussichtlich dauernd, d.h. über einen längeren Zeitraum, anhalten wird oder nicht. Diese Frage kann aber nicht unterschiedlich beantwortet werden, je nachdem, ob das Wirtschaftsgut bis zum Ablauf seiner betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer im Betriebsvermögen verbleibt oder vor diesem Zeitpunkt veräußert werden soll.

Die Nutzungsdauer eines Wirtschaftsgutes wird durch die objektive Nutzbarkeit unter Berücksichtigung der besonderen betriebstypischen Beanspruchung bestimmt und nicht durch davon losgelöste Vorstellungen der Beteiligten. Dementsprechend mindert sich die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer nicht dadurch, dass der Steuerpflichtige das Wirtschaftsgut vor Beendigung seines technischen oder wirtschaftlichen Wertverzehrs veräußert (Urteil des Bundesfinanzhofs vom 18. September 2003 X R 54/01, BFH/NV 2004, 474, m.w.N.; vgl. auch Senatsurteil vom 23. September 2008 I R 47/07, BFHE 223, 56, dort zur tatsächlichen Nutzungsdauer und Nutzbarkeit eines zunächst als Musterhaus genutzten Gebäudes nach dem Ausscheiden aus dem Betrieb).

cc) Eine hiervon abweichende Auslegung liefe auch dem durch das Senatsurteil in BFHE 212, 526, BStBl II 2006, 680 beabsichtigten Zweck zuwider, die Voraussetzungen einer Teilwertabschreibung bei abnutzbaren Wirtschaftsgütern anhand einfacher, im Besteuerungsverfahren handhabbarer Kriterien zu bestimmen. Ob der Steuerpflichtige zum Bilanzstichtag tatsächlich bereits beabsichtigt hat, das Wirtschaftsgut zu veräußern, und ggf. innerhalb welchen Zeitraums dies geschehen soll, lässt sich, wenn überhaupt, nur schwer und mit erheblichem Aufwand ermitteln. Zudem wären, wenn - wie hier - mehrere Bilanzstichtage zwischen Teilwertabschreibung und tatsächlicher Veräußerung des Wirtschaftsguts liegen, bei gleich bleibendem Teilwert zu den nachfolgenden Bilanzstichtagen Wertzuschreibungen in Höhe der jährlich vorgenommenen AfA erforderlich.

2. Der Teilwert des Gebäudes zum Bilanzstichtag in Höhe von 732.479 DM lag bereits zum 31. Dezember 2004 über dem fortgeschriebenen Buchwert von 730.719 DM, so dass eine Teilwertabschreibung angesichts einer typisierten betriebsgewöhnlichen Restnutzungsdauer des Gebäudes von 14 Jahren nicht gerechtfertigt ist. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.