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BFH-Urteil
vom 19.6.2008 (III R 68/05) BStBl. 2009 II S. 1008 Die
Meldung eines volljährigen, aber noch nicht 21 Jahre alten Kindes als
arbeitsuchend bei der Arbeitsvermittlung der Agentur für Arbeit wirkt nur
drei Monate fort. Nach Ablauf dieser Frist muss sich das Kind erneut als
Arbeitsuchender melden, da sonst der Kindergeldanspruch entfällt. EStG
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1; SGB III § 38. Vorinstanz:
FG Münster vom 27. Juli 2005 10 K 5038/04 Kg (EFG 2006, 684) Sachverhalt I. Die
Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt für ihren 1985
geborenen Sohn (S) nach Beendigung der schulischen Ausbildung seit September
2003 Kindergeld. Dieser meldete sich bei der Arbeitsvermittlung am 24. September
2003 als arbeitsuchend. Da er nach Mitteilung der Arbeitsvermittlung einen
Termin am 12. März 2004 ohne Angabe von Gründen nicht wahrnahm,
meldete diese das Bewerberangebot des S am 15. März 2004 ab. Aufgrund
eines entsprechenden Bearbeitungshinweises erhielt die Beklagte und
Revisionsbeklagte (Familienkasse) Kenntnis von dem Meldeversäumnis sowie
der Abmeldung. Da S auch nicht in der Berufsberatung als Bewerber um einen
Ausbildungsplatz gemeldet war, stellte die Familienkasse die
Kindergeldzahlung ab Juni 2004 ein. Mit Bescheid vom 23. Juni 2004 hob
die Familienkasse sodann die Festsetzung des Kindergeldes gemäß § 70
Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ab April 2004 auf und
forderte das für April und Mai 2004 gezahlte Kindergeld in Höhe von 308 €
zurück. Nachdem S seine Meldung als arbeitsuchend am 1. Juli 2004
erneuert hatte, nahm die Familienkasse die Kindergeldzahlung ab Juli 2004
wieder auf. Der Einspruch gegen den Aufhebungsbescheid blieb ohne Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Urteil vom 27. Juli 2005 10 K 5038/04 Kg
(Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 684) als unbegründet ab. Auf
die Beschwerde der Klägerin ließ der Bundesfinanzhof (BFH) die Revision
zu. Der Zulassungsbeschluss wurde der Klägerin am 7. Dezember 2005
zugestellt, mithin endete die Revisionsbegründungsfrist am Montag, den 9. Januar
2006. Die Revisionsbegründung ging - nach Zustellung der Mitteilung nach
§ 56 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Vorsitzenden des III. Senats
des BFH am 23. Januar 2006 - zusammen mit dem Antrag auf
Wiedereinsetzung in die Revisionsbegründungfrist am 30. Januar 2006
beim BFH ein. Zur
Wiedereinsetzung trägt die Klägerin vor, der verspätete Eingang der
Revisionsbegründung sei ausschließlich auf ein Verschulden der Deutschen
Post AG zurückzuführen. Die Prozessbevollmächtigte habe die Revisionsbegründung
bereits am 8. und 9. Dezember 2005 vorbereitet, da sie ab dem 22. Dezember
2005 einen Familienurlaub antreten wollte. Ihre Mitarbeiterin habe den Begründungsschriftsatz
am 9. Dezember 2005 getippt und zur Korrektur vorgelegt. Da die
Mitarbeiterin sich am 12. Dezember 2005 krankgemeldet habe, habe die
Prozessbevollmächtigte die Korrekturen am Schriftsatz selbst vorgenommen,
ihn unterzeichnet, frankiert und persönlich gegen 15.30 Uhr in den der
Kanzlei nächstgelegenen Briefkasten vor dem Postamt in B eingeworfen. Zur
Glaubhaftmachung fügte die Klägerin eine Aktendurchschrift der
Revisionsbegründung vom 12. Dezember 2005, einen Ausdruck des
elektronischen Fristenkalenders mit der Fristnotierung 9. Januar 2006
sowie die Kopie des ärztlichen Attestes der Mitarbeiterin bei. Mit
ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 EStG i.V.m. § 119 Abs. 1 des Dritten Buchs
Sozialgesetzbuch (SGB III). Gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1
EStG werde ein Kind, das das 18. Lebensjahr vollendet habe, berücksichtigt,
wenn es noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet habe und arbeitslos im
Sinne des SGB III sei. Arbeitslos sei ein Kind, wie das Urteil der
Vorinstanz zutreffend ausgeführt habe, wenn die Voraussetzungen der
§§ 118 ff. SGB III erfüllt seien. Vorliegend sei das Kind
verfügbar gewesen. Dem stehe nicht entgegen, dass S sich nicht nach drei
Monaten erneut als arbeitslos bzw. als ausbildungsplatzsuchend gemeldet habe
und die Vermittlungsbemühungen der Arbeitsagentur eingestellt worden seien.
Eine Verpflichtung zur Rückmeldung nach Ablauf von drei Monaten habe nicht
mehr bestanden, da § 122 Abs. 2 Nr. 3 SGB III, der die
Erneuerung des Arbeitsgesuchs nach drei Monaten vorgesehen habe, mit Wirkung
zum 1. August 1999 aufgehoben worden sei. Die
Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie den Aufhebungsbescheid vom 23. Juni
2004 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 7. September 2004
aufzuheben. Die
Familienkasse beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. 1.
Die Revision ist zulässig. Die
Revisionsbegründung ist zwar nicht innerhalb der gesetzlichen Frist bis zum
9. Januar 2006 (§ 116 Abs. 7 Satz 2 i.V.m. § 120
Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 2 FGO) eingegangen, sondern erst am
30. Januar 2006, d.h. innerhalb der Monatsfrist des § 56 Abs. 2
Satz 1 Halbsatz 2 FGO; der Klägerin ist aber gemäß § 56
Abs. 1 FGO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Sie hat
glaubhaft dargelegt, dass ihre Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden
daran gehindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten, da sie den
Schriftsatz mit der Revisionsbegründung vom 12. Dezember 2005 am
gleichen Tag persönlich in den Briefkasten eingeworfen hat. Dafür sprechen
nicht nur die ausführliche Schilderung des Geschehensablaufs, sondern auch
die Vorlage der Aktendurchschrift der Revisionsbegründung vom 12. Dezember
2005, der Ausdruck des elektronischen Fristenkalenders und die
Krankschreibung der Mitarbeiterin vom 12. Dezember 2005. 2.
Die Revision ist aber unbegründet. Sie wird nach § 126 Abs. 2
FGO zurückgewiesen. Das
FG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass der Klägerin für die
Monate April und Mai 2004 kein Kindergeldanspruch für S zusteht, weil S in
dieser Zeit nicht bei einer Agentur für Arbeit im Inland als
Arbeitsuchender gemeldet war. a)
Gemäß § 62 Abs. 1, § 63 Abs. 1 Satz 2 i.V.m.
§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG wird ein Kind, das das
18. Lebensjahr vollendet hat, beim Kindergeld berücksichtigt, wenn es
noch nicht das 21. Lebensjahr vollendet hat, nicht in einem Beschäftigungsverhältnis
steht und bei einer Agentur für Arbeit im Inland als Arbeitsuchender
gemeldet ist. Die
Vorschrift wurde durch das Zweite Gesetz für moderne Dienstleistungen am
Arbeitsmarkt vom 23. Dezember 2002 (s. Art. 8 Nr. 5 des
Gesetzes, BGBl I 2002, 4621, 4630, BStBl I 2003, 3, 12) mit Wirkung ab 1. Januar
2003 neu gefasst. Nach der auf den Streitfall anzuwendenden Neufassung
braucht das volljährige Kind nicht mehr arbeitslos im Sinne des SGB III
zu sein, es genügt vielmehr, dass das noch nicht 21 Jahre alte Kind nicht
in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei einem Arbeitsamt im Inland
als Arbeitsuchender gemeldet ist. Ziel der Gesetzesänderung war es, dass
sich Kinder ohne Beschäftigung nicht ausschließlich wegen des Anspruchs
auf Kindergeld beim Arbeitsamt/Agentur für Arbeit arbeitslos melden müssen
(s. Bericht des federführenden Bundestagsausschusses für Wirtschaft und
Arbeit, BTDrucks 15/91, S. 19 und Gesetzesbegründung, BTDrucks 15/26,
S. 29). Nach
der Neufassung genügt - entgegen der Auffassung der Vorinstanz - die
Meldung als Arbeitsuchender; die übrigen Merkmale der Arbeitslosigkeit i.S.
des § 119 Abs. 1 SGB III wie Eigenbemühungen und Verfügbarkeit
brauchen nicht mehr nachgewiesen zu werden (Schmidt/Loschelder, EStG, 27. Aufl.,
§ 32 Rz 25; Blümich/Heuermann, § 32 EStG Rz 67).
Vielmehr unterstellt das Gesetz typisierend, dass die Voraussetzungen der
§§ 118 ff. SGB III vorliegen (FG Münster, Urteil vom 15. Januar
2008 14 K 5119/06 Kg, EFG 2008, 799). b)
Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die
Meldung begründete Status des arbeitsuchenden Kindes (§ 32 Abs. 4
Satz 1 Nr. 1 EStG) wieder wegfällt, sind für das Kindergeld
insoweit die Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38
SGB III, heranzuziehen (FG München, Urteil vom 20. September 2007
5 K 1738/07, juris). Zutreffend
hat die Vorinstanz darauf hingewiesen, dass das Kind nach § 38 SGB III
bei der Vermittlung durch die Agentur für Arbeit mitwirken muss. Wirkt ein
Kind nicht ausreichend mit, kann die Agentur für Arbeit die Vermittlung gemäß
§ 38 Abs. 2 SGB III einstellen. Wenn - wie im Streitfall -
keine Leistungen zum Ersatz des Arbeitsentgeltes beansprucht werden, ist gemäß
§ 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III die Arbeitsvermittlung nach
drei Monaten einzustellen. Das bedeutet, dass eine einmalige Meldung des
Arbeitsuchenden nur drei Monate fortwirkt. Endet die
Arbeitsvermittlungspflicht der Agentur für Arbeit, ist ein Kind auch nicht
mehr arbeitsuchend gemeldet, mit der Folge, dass ab dem Folgemonat der
Kindergeldanspruch entfällt (FG München, Urteil vom 20. September
2007 5 K 1738/07, juris; Schleswig-Holsteinisches FG, Urteil vom
17. Januar 2006 3 K 109/04, juris). Auf das Entfallen des
Kindergeldanspruchs in diesem Fall wird im Merkblatt Kindergeld ausdrücklich
hingewiesen (Ziff. 3.2 Satz 3 des Merkblattes, BStBl I 2004, 324,
326). § 38
Abs. 4 Satz 2 SGB III stellt klar, dass ein einmal an die
Agentur für Arbeit gerichtetes Vermittlungsgesuch nicht ausreicht, den
Wunsch nach Vermittlung dauerhaft zu dokumentieren (vgl. BTDrucks 11/800,
14). Damit ist für die Vermittlung eine Zeitgrenze gezogen worden, nach
deren Ablauf die Erledigung des Gesuchs vermutet wird
(Wissing/Mutschler/Bartz/ Schmidt-De Caluwe, Nomos Kommentar,
Sozialgesetzbuch III Arbeitsförderung, § 38 SGB III Rz 28).
Die Erneuerung der Arbeitsuchenden-Meldung nach § 38 Abs. 4 SGB III
bedarf keiner besonderen Form (FG München, Urteil vom 14. März 2005
10 K 3837/03, EFG 2006, 750). Der
Nachweis, dass ein Kind bei einer Agentur für Arbeit im Inland als
Arbeitsuchender gemeldet ist, ist über eine Bescheinigung der zuständigen
inländischen Agentur für Arbeit zu führen. Insoweit ist grundsätzlich
keine weitere Prüfung durch die Familienkasse erforderlich (DA-FamEStG
63.3.1 Abs. 3 Sätze 1 und 2, BStBl I 2004, 743, 761). Der
gegenteiligen Auffassung, dass ein Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten
nach § 38 SGB III unschädlich sei (so Schmidt/Loschelder,
a.a.O., § 32 Rz 25) und eine spätere - automatische - Löschung
der Meldung als Arbeitsuchender keinen Einfluss auf den Kindergeldanspruch
habe (so Niedersächsisches FG, Urteile vom 17. August 2005 2 K 120/05,
EFG 2006, 435, und vom 16. Juni 2006 1 K 303/05, EFG 2006,
1595; wohl auch FG Nürnberg, Urteil vom 11. April 2007 V 130/2006,
juris), ist abzulehnen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der durch die
Meldung begründete Status als arbeitsuchendes Kind durchgängig bestehen,
darf also nicht wieder erloschen sein (FG Köln, Urteil vom 19. Oktober
2005 4 K 2103/04, EFG 2006, 829). Der
Gesetzgeber bezweckte mit der Streichung des Merkmals "arbeitslos im
Sinne des SGB III" in § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1
EStG zum 1. Januar 2003 lediglich eine Vereinfachung. Dieser Absicht
steht § 38 SGB III nicht entgegen. Es wäre nicht
nachvollziehbar, wenn zum Zweck der Kindergeldberechtigung ab der
Arbeitsuchenden-Meldung überhaupt keine weitere Mitwirkung des Kindes bis
zum 21. Lebensjahr mehr erforderlich sein sollte (FG München, Urteil
vom 20. September 2007 5 K 1738/07, juris; FG Köln, Urteil
in EFG 2006, 829). Der Verzicht auf jegliche weitere Mitwirkungspflicht des
arbeitsuchend gemeldeten Kindes kann daher nicht die Absicht des
Gesetzgebers gewesen sein (Siegers, EFG 2006, 1596). Die
Vorinstanz hat auch zutreffend darauf hingewiesen, dass mit dieser Auslegung
nicht die im Jahr 1999 gestrichene Vorschrift des § 122 Abs. 2
Nr. 3 SGB III wiedereingeführt wird; denn in dieser Vorschrift
waren die Bedingungen für die Zahlung von Entgeltersatzleistungen
(Arbeitslosengeld) geregelt, während § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III
die hier einschlägigen Regelungen für die Arbeitsvermittlung betrifft
(a.A. Niedersächsisches FG, Urteil in EFG 2006, 435). Bei
dieser Auslegung kann offenbleiben, ob es sich bei dem Einstellungsbeschluss
für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes um einen bekannt zu gebenden
Verwaltungsakt handelt (so Mutschler in Wissing/Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe,
a.a.O., § 38 SGB III Rz 20). c)
Da sich S (erstmalig) am 24. September 2003 als arbeitsuchend bei der
Agentur für Arbeit gemeldet hat und diese Meldung in der Zwischenzeit nicht
erneuert hat, durfte die Agentur das Bewerberangebot von S jedenfalls am 15. März
2004 löschen, so dass für die Monate April bis Juni 2004 kein
Kindergeldanspruch bestand.
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