| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil
vom 29.10.2008 (I R 51/07) BStBl. 2009 II S. 1022 Auch
wenn eine wirtschaftliche Betätigung durch landesrechtliche Regelungen in
einem einzelnen Bundesland ausschließlich der öffentlichen Hand
vorbehalten ist (hier: der Betrieb eines kommunalen Krematoriums in
Nordrhein-Westfalen), handelt es sich nur dann um einen Hoheitsbetrieb i.S.
von § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG, wenn der Markt für die
angebotene Leistung örtlich so eingegrenzt ist, dass eine
Wettbewerbsbeeinträchtigung steuerpflichtiger Unternehmen in anderen
Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden kann. GewStG
§ 2 Abs. 1; GewStDV § 2 Abs. 1; KStG § 1 Abs. 1
Nr. 6, § 4 Abs. 1 und Abs. 5; BeStG NRW § 1 Abs. 5. Vorinstanz:
FG Düsseldorf vom 21. Juni 2007 15 K 4884/06 KE,K,G
(EFG 2007, 1547) Sachverhalt I. Die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine Kommune, betreibt ein
Krematorium, das als organisatorisch und finanzwirtschaftlich unselbständiger
Regiebetrieb geführt wird. Der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) beurteilte diese Tätigkeit
als einen Betrieb gewerblicher Art (BgA) und erließ nach vergeblicher
Aufforderung zur Vorlage von Körperschaftsteuer- und Gewerbesteuererklärungen
auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhende Körperschaftsteuerbescheide
und Gewerbesteuermessbescheide für die Jahre 2004 und 2005 sowie
Kapitalertragsteuerbescheide für die Anmeldungszeiträume VIII/2005 und
VIII/2006. Der hiergegen erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) Düsseldorf
mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1547 veröffentlichtem
Urteil vom 21. Juni 2007 15 K 4884/06 KE,K,G statt. Das
FA rügt mit seiner Revision eine Verletzung materiellen Rechts. Es
beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die
Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. Die
Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils
und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Klägerin unterhält mit dem
Krematorium einen BgA (§ 4 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes
- KStG -) und keinen Hoheitsbetrieb i.S. des § 4 Abs. 5 KStG. 1.
Juristische Personen des öffentlichen Rechts sind mit ihren BgA unbeschränkt
körperschaftsteuerpflichtig (§ 1 Abs. 1 Nr. 6 KStG). BgA
sind alle Einrichtungen, die einer nachhaltigen wirtschaftlichen Tätigkeit
zur Erzielung von Einnahmen außerhalb der Land- und Forstwirtschaft dienen
und die sich innerhalb der Gesamtbetätigung der juristischen Person
wirtschaftlich herausheben (§ 4 Abs. 1 KStG). Zu
den BgA gehören nach § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG jedoch nicht
Betriebe, die überwiegend der Ausübung öffentlicher Gewalt dienen
(Hoheitsbetriebe). Unter Ausübung öffentlicher Gewalt sind Tätigkeiten zu
verstehen, die der juristischen Person des öffentlichen Rechts eigentümlich
und vorbehalten sind. Kennzeichnend dafür ist die Erfüllung spezifisch öffentlich-rechtlicher
Aufgaben, die aus der Staatsgewalt abgeleitet sind, staatlichen Zwecken
dienen und zu deren Annahme der Leistungsempfänger aufgrund gesetzlicher
oder behördlicher Anordnung verpflichtet ist (ständige
Senatsrechtsprechung, vgl. Urteile vom 7. November 2007 I R 52/06,
BFH/NV 2008, 888; vom 25. Januar 2005 I R 63/03, BFHE 209,
195, BStBl II 2005, 501, m.w.N.). Eine
Ausübung öffentlicher Gewalt ist allerdings insoweit ausgeschlossen, als
sich die Körperschaft durch ihre Einrichtungen in den allgemeinen
wirtschaftlichen Verkehr einschaltet und eine Tätigkeit ausübt, die sich
ihrem Inhalt nach von der Tätigkeit eines privaten gewerblichen
Unternehmens nicht wesentlich unterscheidet. Dann bewegt sich auch die
juristische Person des öffentlichen Rechts in Bereichen der
unternehmerischen Berufs- und Gewerbeausübung, in denen private Unternehmen
durch den Wettbewerb mit (grundsätzlich nicht steuerpflichtigen) Körperschaften
des öffentlichen Rechts ihrerseits nicht benachteiligt werden dürfen
(Senatsurteil in BFHE 209, 195, BStBl II 2005, 501, m.w.N.). 2.
Nach diesen Rechtsgrundsätzen hat das FG im Streitfall den Betrieb des
Krematoriums zu Unrecht als Hoheitsbetrieb beurteilt. Denn Einäscherungen
waren im Streitjahr nicht mehr juristischen Personen des öffentlichen
Rechts als Trägern öffentlicher Gewalt eigentümlich und vorbehalten
(Senatsbeschluss vom 17. März 2005 I B 245/04, BFH/NV 2005,
1135). a)
Nach den Ausführungen des FG ist die Leichenverbrennung in
Nordrhein-Westfalen eine öffentliche Aufgabe der Gebietskörperschaften,
mit der private Unternehmen lediglich beliehen werden können. Das FG hat
sich dabei auf das Gesetz über das Friedhofs- und Bestattungswesen für
Nordrhein-Westfalen vom 17. Juni 2003 (BeStG NRW) gestützt.
Dieses sieht zwar in § 1 Abs. 5 BeStG NRW die Möglichkeit
vor, den Betrieb eines Krematoriums an einen privaten Unternehmer zu übertragen;
die öffentlich-rechtliche Körperschaft bleibt aber nach Auffassung des FG
Träger dieser Einrichtung. Die Folgerungen des FG betreffen Bestand und
Inhalt landesrechtlicher Vorschriften. An diese Rechtsauslegung ist der
Senat im Revisionsverfahren gebunden, da ihm gemäß § 118 Abs. 1
Satz 1 FGO die Prüfung des angefochtenen Urteils nur im Hinblick auf
die Verletzung von Bundesrecht erlaubt ist (Senatsurteil in BFHE 209, 195,
BStBl II 2005, 501). b)
Der hieraus gezogene Schluss des FG, es handele sich bei dem Betrieb des
Krematoriums um einen Hoheitsbetrieb, ist nicht gerechtfertigt. aa)
Es trifft nicht zu, dass in Fällen, in denen die Rechtsträgerschaft für
eine öffentliche Aufgabe bei öffentlich-rechtlichen Körperschaften
verbleibt und nur die Möglichkeit besteht, diese auf ein privates
Unternehmen zu übertragen, stets von einem Hoheitsbetrieb i.S. des § 4
Abs. 5 Satz 1 KStG auszugehen ist. Maßgeblich ist vielmehr auch
in diesem Fall, ob zwischen dem beliehenen privaten und dem öffentlichen
Unternehmen Wettbewerb herrscht. Der Senat hat zwar im Senatsurteil in BFHE
209, 195, BStBl II 2005, 501 einen Hoheitsbetrieb bejaht, in dem mit der Erfüllung
spezifisch öffentlich-rechtlicher Aufgaben auch beliehene Unternehmer
(Vermessungsingenieure) betraut waren. Zwischen diesen und den Vermessungs-
und Katasterämtern herrschte jedoch kein Wettbewerb. Die Leistungsempfänger
waren verpflichtet, ihre Grundstücke durch die Vermessungs- und Katasterämter
unter den im Gesetz festgelegten Voraussetzungen vermessen zu lassen, und
konnten nicht wählen, ob die Vermessungen durch öffentlich bestellte
Vermessungsingenieure oder durch Bedienstete des Vermessungs- und
Katasteramtes vorgenommen wurden. Eine andere Beurteilung ist aber dann
angezeigt, wenn der Leistungsempfänger zur Inanspruchnahme der Leistung
nicht verpflichtet ist, sondern - wie bei Kremierungen in
Nordrhein-Westfalen der Fall - zwischen beliehenem Unternehmer und der
juristischen Person des öffentlichen Rechts wählen kann und öffentliche
und private Unternehmen ihre Preise frei gestalten können. bb)
Dessen ungeachtet wäre das Krematorium der Klägerin auch dann nicht als
Hoheitsbetrieb einzuordnen, wenn zwischen den privaten und den öffentlichen
Krematoriumsbetreibern in Nordrhein-Westfalen kein Wettbewerb herrschte.
Denn der für Leichenverbrennungen räumlich wettbewerbsrelevante Markt war
in den Streitjahren nicht auf Nordrhein-Westfalen beschränkt. Ist
eine Betätigung durch landesrechtliche Regelungen nur in einzelnen Bundesländern
ausschließlich der öffentlichen Hand vorbehalten, kann nur dann ein
Hoheitsbetrieb i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 KStG angenommen
werden, wenn der Markt für die angebotene Leistung örtlich so eingegrenzt
ist, dass eine Wettbewerbsbeeinträchtigung steuerpflichtiger Unternehmen in
anderen Bundesländern oder EU-Mitgliedstaaten ausgeschlossen werden kann.
Ist dies nicht der Fall, liegt regelmäßig selbst dann ein Betrieb
gewerblicher Art vor, wenn innerhalb des Bundeslandes diese Aufgaben nur
durch juristische Personen des öffentlichen Rechts wahrgenommen werden. Einäscherungen
waren in anderen Bundesländern keine Aufgaben mehr, die ausschließlich von
juristischen Personen des öffentlichen Rechts erfüllt wurden. Vielmehr
durften in den Streitjahren z.B. in Bayern (vgl. Senatsbeschluss in BFH/NV
2005, 1135) und Sachsen–Anhalt (BFH-Beschluss vom 23. Februar 2004
VII R 24/03, BFH/NV 2004, 808) auch privatwirtschaftliche
Unternehmen Feuerbestattungsanlagen betreiben, die mit den in
Nordrhein-Westfalen unterhaltenen Krematorien in Wettbewerb standen. Denn
die Leichenverbrennung war - wie auch die vom FA angeführten Werbeanzeigen
im Internet über günstige Kremierungen in den Niederlanden zeigen - nicht
auf Krematorien im örtlichen Bereich der Verstorbenen begrenzt, so dass die
unterschiedliche Besteuerung wettbewerbsrelevant ist. Würde diese Tätigkeit
nur bei privatwirtschaftlichen Unternehmen mit Ertragsteuer (und
Umsatzsteuer) belastet, erlitten diese gegenüber öffentlich-rechtlichen
Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil. Dieser
Einschätzung steht die föderale Struktur der Bundesrepublik nicht
entgegen. Die Länder können zwar im Rahmen ihrer Gesetzgebungskompetenz
entscheiden, welche Aufgaben sie der öffentlichen Hand vorbehalten. Die
ertragsteuer- und umsatzsteuerrechtlichen Folgen einer Betätigung der öffentlichen
Hand sind jedoch der Regelungskompetenz der Länder entzogen und richten
sich nach Bundesrecht. c)
Dieses Ergebnis widerspricht nicht - wie die Klägerin meint - dem
Senatsurteil vom 23. Oktober 1996 I R 1-2/94 (BFHE 181, 332,
BStBl II 1997, 139), mit dem der Senat die Hausmüllentsorgung als
Hoheitsbetrieb beurteilt hat. Die rechtliche und wirtschaftliche Situation
der Hausmüllentsorgung einerseits - wie der Senat sie in jenem Urteil
gesehen hat - und der Leichenverbrennung andererseits sind nicht miteinander
vergleichbar. Die Besitzer von Hausmüll müssen diesen der juristischen
Person des öffentlichen Rechts, der die Hausmüllbeseitigung als öffentliche
Aufgabe zugewiesen ist (§ 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung
der Kreislaufwirtschaft und Sicherung der umweltverträglichen Beseitigung
von Abfällen - Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz [KrW-/AbfG] - vom 27. September
1994, BGBl I 1994, 2705), zur Entsorgung überlassen (§ 13 KrW-/AbfG).
Diese ist öffentlich-rechtlich verpflichtet, den Müll - mit Ausnahme des
Sondermülls - abzunehmen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Die
entsorgungspflichtigen Körperschaften dürfen sich zwar zur Erfüllung
ihrer Pflichten Dritter, auch Personen des Privatrechts bedienen (§ 16
Abs. 1 Satz 1 KrW-/AbfG). Die Dritten sind jedoch nach der Sicht
des Senats in jenem Urteil nur Erfüllungsgehilfen (sog. Verwaltungshelfer).
Die Müllentsorgung bleibt auch bei Einschaltung Dritter eine Tätigkeit der
entsorgungspflichtigen Körperschaft. Der Hausmüllbesitzer kann nach den
Ausführungen im Senatsurteil in BFHE 181, 332, BStBl II 1997, 139 keine
vertraglichen Beziehungen zu den Erfüllungsgehilfen hinsichtlich der
Entsorgung des Abfalls eingehen. Eine Wettbewerbssituation zwischen Erfüllungsgehilfen
und entsorgungspflichtigen Gebietskörperschaften besteht daher nicht.
Dagegen unterliegt derjenige, der eine Leiche einäschern lassen will,
keinem Annahmezwang. Er kann vielmehr im Bundesgebiet und auch im Ausland
zwischen mehreren teils privat, teils hoheitlich betriebenen Krematorien wählen. 3.
Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist daher
aufzuheben; die Klage ist abzuweisen. Die Klägerin hat keine Einwendungen
gegen die auf geschätzten Besteuerungsgrundlagen beruhenden Steuerbescheide
bzw. Nachforderungsbescheide erhoben. Sie hat insbesondere nicht geltend
gemacht, dass sie mit dem Krematorium keinen Überschuss der Einnahmen über
die Ausgaben anstrebt. Infolgedessen ist davon auszugehen, dass die Klägerin
insoweit einen Gewerbebetrieb unterhält (§ 2 Abs. 1 der
Gewerbesteuer-Durchführungsverordnung; § 2 Abs. 1 des
Gewerbesteuergesetzes).
|