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BFH-Urteil vom 7.11.2006 (VIII R 1/06) BStBl. 2010 II S. 18
Wird ein Darlehen, zu dessen Besicherung Ansprüche aus
Kapitallebensversicherungen eingesetzt werden, zur Anschaffung von Anteilen
an offenen Aktienfonds genutzt, liegt eine steuerschädliche Verwendung des
Darlehens vor. Die Zinsen aus den Lebensversicherungen sind daher in vollem
Umfang nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG steuerpflichtig.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 Satz 2
Buchst. a.
Vorinstanz: FG Köln vom 24. November 2005
10 K 1364/02 (EFG 2006, 492)
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten
über die Steuerpflicht von Zinsen aus Lebensversicherungen.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) nahm im Jahr 2000 bei der X-Versicherung zwei
Darlehen über 105.450 DM bzw. 50.000 DM auf, die mit
Lebensversicherungsansprüchen des Klägers aus seinen Lebensversicherungen
bei der X-Versicherung (Vertragsnrn. 1 bzw. 2) besichert wurden. Mit der
ausgezahlten Darlehenssumme von 153.210 DM erwarb der Kläger Anteile an
offenen Aktienfonds.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte mit Feststellungsbescheid
vom 31. Mai 2001 gemäß § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung die
steuerschädliche Verwendung der Lebensversicherungsansprüche für den Erwerb
von Aktienfonds und damit die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen
des Klägers enthaltenen Sparanteilen fest. Das FA berief sich darauf, der
Erwerb von Aktienfonds sei steuerschädlich, da die in diesem Zusammenhang
entstehenden Aufwendungen keine begünstigten Werbungskosten darstellten.
Denn mit dem Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds werde zwar ein Anteil
am Sondervermögen einer Kapitalanlagegesellschaft erworben. Da das zulässige
Vermögen eines Aktienfonds u.a. aber auch Kapitalforderungen umfassen dürfe,
sei der Anteilserwerb unter Einsatz von Lebensversicherungen insgesamt
steuerschädlich.
Die nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 492 veröffentlichten Urteil
vom 24. November 2005 10 K 1364/02 ab. Das FG entschied, Anteile an offenen
Aktienfonds gehörten nicht zu den privilegierten Wirtschaftsgütern i.S. des
§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), weil das
Vermögen eines Aktienfonds neben Aktien und GmbH-Anteilen auch
Kapitalforderungen umfassen dürfe.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger die Verletzung des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Er macht geltend, mit den
Aktienfondsanteilen Wirtschaftsgüter angeschafft zu haben, die dauernd zur
Erzielung von Einkünften bestimmt seien. Ein Aktienfondsanteil sei keine
Forderung und daher ein begünstigtes Wirtschaftsgut i.S. des § 10 Abs. 2
Satz 2 EStG. Der Umstand, dass zum Vermögen eines Aktienfonds auch
Kapitalforderungen gehören könnten, stehe dem schon nach dem Wortlaut des
Gesetzes nicht entgegen.
Der Kläger beantragt, das
Urteil des FG Köln vom 24. November 2005 10 K 1364/02 und den Bescheid über
die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus
Kapitallebensversicherungen vom 31. Mai 2001 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 15. Februar 2002 aufzuheben.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat rechtsfehlerfrei entschieden, dass der angefochtene Bescheid über
die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und
rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen zu den Lebensversicherungen
des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) rechtmäßig
ist.
1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO 1977) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung
i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3)
stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige
Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen
Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6
EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den
Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug
nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Das trifft im Streitfall
zu.
2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den
Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind,
sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der
Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im
Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von
zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu
den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den
in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als
Sonderausgaben abgezogen werden.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 i.d.F. des
Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992,
297, BStBl I 1992, 146) - nunmehr: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG in der am
31. Dezember 2004 geltenden Fassung - gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2
in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für
den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG
erfüllt sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in
Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10
Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen werden können (vgl. dazu im Einzelnen
und mit Nachweisen zur Entstehungsgeschichte der Vorschrift Senatsurteile
vom 13. Juli 2004 VIII R 48/02, BFHE 207, 136, BStBl II 2004, 1060;
VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181, und VIII R 61/03, BFH/NV 2005, 184).
Anwendbar ist die Neufassung des Gesetzes, wenn die Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag nach dem 13. Februar 1992 zur Sicherung eines Darlehens
dienen (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG
1992).
Die Voraussetzungen des
Sonderausgabenabzugs sind aber auch nach dieser erweiterten Fassung des
Gesetzes nicht erfüllt:
a) Unstreitig sind die Lebensversicherungen
des Klägers Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.
b) Die Finanzierungskosten des Klägers für
die Darlehen zum Erwerb der Aktienfondsanteile sind jedoch als
Werbungskosten i.S. des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG bei seinen Einkünften
aus Kapitalvermögen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG abziehbar, so dass der
Sonderausgabenabzug gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG ausgeschlossen ist. Denn
das ihm gewährte Darlehen hat der Kläger dazu verwendet, Aktienfondsanteile
zu erwerben und daraus Kapitaleinnahmen zu erzielen. Die Darlehenszinsen
sind daher als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus Kapitalvermögen
abzugsfähig.
c) Entgegen der Auffassung des Klägers ist
der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG nicht erfüllt.
Diese Vorschrift setzt nach ihrem eindeutigen Wortlaut u.a. voraus, dass das
Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von Anschaffungs-
oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsgutes dient, das dauernd zur
Erzielung von Einkünften bestimmt und keine Forderung ist. Wie das FG
zutreffend darlegt, hat der Gesetzgeber Forderungen selbst bei langfristiger
Einkunftserzielungsabsicht nachträglich ausdrücklich als steuerschädlich von
den begünstigten Wirtschaftsgütern ausgenommen (vgl. auch Schmidt/Heinicke,
EStG, 25. Aufl., § 10 Rz. 189, m.w.N.). Mit dem Erwerb von Anteilen an
offenen Aktienfonds hat der Kläger Anteile am Sondervermögen einer
Kapitalanlagegesellschaft erworben (§ 6 des Gesetzes über
Kapitalanlagegesellschaften - KAGG -, jetzt: § 2 Investmentgesetz). Nach § 8
KAGG (ab 1. Januar 2004 §§ 46 ff. i.V.m. § 2 Abs. 4 Investmentgesetz)
enthält das zulässige Vermögen eines offenen Aktienfonds neben Aktien und
GmbH-Anteilen typischerweise auch Kapitalforderungen. Da diese nach der
gesetzlichen Regelung ausdrücklich nicht begünstigt sind, ist der
Anteilserwerb steuerschädlich. Dieser Auffassung ist auch die
Finanzverwaltung (vgl. Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF -
vom 15. Juni 2000 IV C 4 -S 2221- 86/00, BStBl I 2000, 1118 Rz. 12 und 13).
Soweit der Kläger sich insoweit darauf
beruft, der Erwerb eines Anteils an einem Aktienfonds sei mit dem Erwerb von
Anteilen an einer AG bzw. einer GmbH vergleichbar, vermag der Senat dem
nicht zu folgen. AG und GmbH sind Kapitalgesellschaften und als juristische
Personen des Privatrechts eigenständig Träger von Rechten und Pflichten. Das
hat zur Folge, dass ihr Vermögen nicht den Anteilseignern, sondern der
Kapitalgesellschaft selbst zuzurechnen ist. Erwirbt ein Anleger hingegen
Anteile an einem Aktienfonds, so beteiligt er sich an einem Sondervermögen
i.S. des § 6 Abs. 1 KAGG (jetzt: § 2 Abs. 2 Investmentgesetz) und erwirbt
Bruchteilseigentum entsprechend seiner Beteiligungsquote. Unabhängig davon,
ob das Rechtsverhältnis der Anleger am Sondervermögen in Form der sog.
Treuhandlösung oder in Form der sog. Miteigentumslösung geregelt ist (vgl.
Zeller in Brinkhaus/Scherer, KAGG, § 6 Rn. 4 ff.; Baur, Investmentgesetze,
2. Aufl., Einleitung I Rz. 73), sind die Anleger Miteigentümer am
Fondsvermögen nach Bruchteilen gemäß §§ 1008, 741 ff. des Bürgerlichen
Gesetzbuchs (BGB). Bei der sog. Treuhandlösung stehen die Gegenstände des
Sondervermögens zwar im formalen Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft,
wirtschaftlich sind jedoch die Anteilsinhaber Eigentümer. Das formale (nicht
aber wirtschaftliche) Eigentum der Kapitalanlagegesellschaft beschränkt sich
darauf, dass sie nur insoweit über die Gegenstände des Sondervermögens
verfügen kann, als die gesetzlichen und vertraglichen Vorschriften dies
zulassen; das Rechtsverhältnis der Anleger untereinander ist auch hier als
Bruchteilsgemeinschaft nach §§ 1008, 741 ff. BGB anzusehen (vgl. Zeller in
Brinkhaus/Scherer, a.a.O., § 6 Rn. 7; Baur, a.a.O., Einleitung I Rz. 73).
Die vom Kläger gezogenen Parallelen zum
Erwerb der Instandhaltungsrücklage bei gebrauchten Eigentumswohnungen, zum
Erwerb von Betrieben/Teilbetrieben bzw. zur Beteiligung an
Personengesellschaften oder Grundstücksgemeinschaften sind ebenfalls nicht
geeignet, zu einer anderen rechtlichen Bewertung zu führen. Hinsichtlich
einer Instandhaltungsrücklage ist darauf hinzuweisen, dass diese in der
Regel als Bankguthaben (Termingeld) angelegt ist. Es handelt sich damit um
eine Forderung, die nicht mittels Policendarlehens finanziert werden darf.
Soweit es um Betriebe oder Teilbetriebe geht, verkennt der Kläger, dass § 10
Abs. 2 Satz 2 Buchst. a EStG lediglich die Anschaffung oder Herstellung
eines Wirtschaftsguts begünstigt, das dauernd zur Erzielung von Einkünften
bestimmt ist. Der Betrieb als lebendiger Organismus definiert sich hingegen
aus der Summe seiner wesentlichen Betriebsgrundlagen, d.h. der Summe
derjenigen Wirtschaftsgüter, die nach der Art des Betriebs für dessen
Funktionieren und die Erreichung des Betriebszwecks bedeutsam sind (vgl.
Stahl in Korn, § 16 EStG Rz. 33). Und unter einem Teilbetrieb ist ein
organisch geschlossener, mit einer gewissen Selbständigkeit ausgestatteter
Teil eines Gesamtbetriebs anzusehen, der - für sich betrachtet - alle
Merkmale eines Betriebs i.S. des EStG aufweist und als solcher lebensfähig
ist (vgl. Schmidt/Wacker, a.a.O., § 16 Rz. 143, m.w.N.). Der Erwerb eines
Betriebs/Teilbetriebs gehört damit bereits nach dem Wortlaut der Regelung
nicht zu den begünstigten Wirtschaftsgütern i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2
Buchst. a EStG.
Auch soweit es um die Beteiligung oder
einen Anteil an Personengesellschaften oder Grundstücksgemeinschaften geht,
handelt es sich nicht um Wirtschaftsgüter im steuerlichen Sinn; darauf weist
auch die Finanzverwaltung hin (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 1118
Rz. 11). Wenn die Finanzverwaltung über den Wortlaut des Gesetzes hinaus für
den Erwerb eines Betriebs oder eines Anteils an einer Personengesellschaft
davon ausgeht, dass unter Einsatz von Lebensversicherungsansprüchen der Teil
des Kaufpreises steuerunschädlich finanziert werden kann, der nach dem
Verhältnis der durch den Kaufpreis realisierten Teilwerte/Verkehrswerte auf
erworbene Wirtschaftsgüter, die dauernd zur Erzielung von Einkünften
bestimmt sind, ohne Forderungen, entfällt (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I
2000, 1118 Rz. 24), kann der Senat offenlassen, ob er dieser Auffassung
folgen könnte. Zum einen handelt es sich insoweit um eine
Billigkeitsregelung der Verwaltung, die den Senat nicht bindet. Zum anderen
wäre nach dem hier gegebenen Sachverhalt eine derartige Aufteilung gar nicht
möglich. Auch dürfte eine Differenzierung, ob - und wenn ja - zu welcher
Zeit und in welchem Umfang das Vermögen der Kapitalanlagegesellschaft
Forderungen oder keine solchen enthält, in der Praxis nicht durchführbar
sein. Darauf hat bereits das FG hingewiesen. Im Übrigen geht die
Finanzverwaltung in Rz. 25 des vorstehend genannten BMF-Schreibens aber
davon aus, dass die von ihr für den Erwerb von Betrieben, Teilbetrieben oder
Anteilen an Personengesellschaften vorgesehenen und über den
Gesetzeswortlaut hinausgehenden Ausnahmeregelungen auf offene Aktien- oder
Immobilienfonds nicht entsprechend anzuwenden sind.
Da eine Aufteilung in einen
steuerschädlichen und einen steuerunschädlichen Teil nach der Rechtsprechung
des Bundesfinanzhofs nicht in Betracht kommt (Senatsurteile in BFHE 207,
136, BStBl II 2004, 1060; in BFH/NV 2005, 181, und in BFH/NV 2005, 184),
konnte auch der hilfsweise gestellte Antrag des Klägers, aus dem Aktienfonds
den Teil herauszurechnen, der auf den Erwerb begünstigter Wirtschaftsgüter
entfällt, keinen Erfolg haben. Insgesamt ist damit eine steuerschädliche
Verwendung gegeben, die in vollem Umfang zur Steuerpflicht der Zinsen nach
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG führt.
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