| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 27.3.2007 (VIII R 27/05) BStBl. 2010 II S. 21
1.
Ein Avalkredit ist kein Darlehen i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG.
2.
Wird ein Avalkredit durch Ansprüche aus einer Kapitallebensversicherung
besichert, so führt das nicht zur Steuerpflicht der Zinsen aus der
Lebensversicherung nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG.
EStG § 20 Abs. 1 Nr. 6, § 10 Abs. 2 Satz 2.
Vorinstanz: FG München vom 22. März 2005
13 K 1565/03 (EFG 2005, 1345)
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten um
die Frage, ob die Sicherung eines Avalkredits durch eine Lebensversicherung
zur Steuerpflicht der Zinsen aus den Sparanteilen der Lebensversicherung
führt.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Malermeister und erzielt
Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) erhielt im September 1995 eine Anzeige nach § 29 Abs. 1
der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) der Bank X vom
5. September 1995, aus der sich ergibt, dass der Kläger mit der Bank am
1. September 1995 einen Avalkreditvertrag über 70.000 DM abgeschlossen hat.
Als Sicherheit für den Avalkredit hat der Kläger die Ansprüche aus seiner
Lebensversicherung bei der Y-Versicherung in Höhe von 100.000 DM an die Bank
abgetreten bzw. beliehen. In der Rubrik "Verwendungszweck des Darlehens (in
Kurzform)" lautet die Anzeige: "Mängelgewährleistung bzw.
Sicherheitseinbehalte".
Da der Kläger auf Anfragen
des FA zu der Anzeige nach § 29 Abs. 1 EStDV nicht reagierte, erließ dieses
am 18. Juni 1998 einen Bescheid über die gesonderte Feststellung der
Steuerpflicht von Zinsen aus Kapitallebensversicherungen, wonach die Zinsen
aus der Lebensversicherung des Klägers bei der Y-Versicherung als insgesamt
einkommensteuerpflichtig festgestellt wurden. Die dagegen nach erfolglosem
Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1345 veröffentlichten Urteil
vom 22. März 2005 13 K 1565/03 ab.
Mit der Revision rügt der
Kläger die fehlerhafte Anwendung des § 10 Abs. 2 Satz 2 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Die Ansprüche aus seiner
Kapitallebensversicherung bei der Y-Versicherung dienten nicht zur Tilgung
oder Sicherung eines Darlehens i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Ein
Avalkredit sei kein Darlehen im Sinne dieser Vorschrift, denn er bestehe
nicht in der Hingabe von Geld, sondern in der Übernahme einer Garantie. Dem
Avalkredit fehlten damit die wesensimmanenten Merkmale eines Darlehens.
Demgemäß sei der Einsatz von Lebensversicherungsansprüchen zur Sicherung
eines Avalkredits steuerunschädlich.
Im Übrigen lasse sich aus
den Gesetzesmaterialien ersehen, dass der Gesetzgeber die ursprünglich
vorgesehene Formulierung "Kredit" bewusst durch den Begriff "Darlehen"
ersetzt habe. Damit habe er das Gesetzesziel realisieren wollen, unliebsame
Steuergestaltungen in Form sog. Finanzierungsmodelle einzudämmen. Da mit
Steueränderungsgesetz (StÄndG) 1992 vom 25. Februar 1992 (BGBl I 1992, 297,
BStBl I 1992, 146) zudem Ausnahmetatbestände geschaffen worden seien, die
unter engen Voraussetzungen eine steuerunschädliche Verwendung von
Lebensversicherungsansprüchen für wirtschaftliche Zwecke zuließen (§ 10
Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG), habe der Gesetzgeber selbst die
Zielsetzung einer uneingeschränkten und ausschließlichen Verwendung von
Lebensversicherungen für Vorsorgezwecke aufgegeben. Vor diesem Hintergrund
müsse man den zivilrechtlichen Darlehensbegriff für die Auslegung des § 10
Abs. 2 Satz 2 EStG zugrunde legen. Das zeige auch die Systematik des § 10
Abs. 2 Satz 2 EStG. Der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a
EStG verlange, dass das Darlehen unmittelbar und ausschließlich der
Finanzierung von Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines
Wirtschaftsgutes diene, d.h., mit dem besicherten Darlehen müssten
Anschaffungs- oder Herstellungskosten bestimmter Wirtschaftsgüter finanziert
worden sein. Das sei nur mit einem Darlehen gemäß § 607 des Bürgerlichen
Gesetzbuches (BGB) möglich, nicht aber mit einem Avalkredit.
Der Kläger beantragt, das
Urteil des FG München vom 22. März 2005 und den Bescheid des FA vom 18. Juni
1998 über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht von Zinsen aus
Kapitallebensversicherungen i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom 4. August
2000 aufzuheben.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Das FA bezieht sich im
Wesentlichen auf die vom FG vertretene Rechtsauffassung, wonach die
Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung des Klägers zur Sicherung
eines Avalkredits steuerschädlich sei.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der angefochtene
Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der
außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen
zur Lebensversicherung des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1
Nr. 6 EStG) ist entgegen der Auffassung des FG rechtswidrig.
1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung
i.d.F. der Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die
gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3)
stellt das für die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige
Finanzamt die Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen
Zinsen aus den in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6
EStG) gesondert fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den
Erlebens- oder Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug
nach § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nicht erfüllt sind. Verfassungsmäßige Bedenken
dagegen bestehen nicht (vgl. Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler - HHSp -,
§ 180 AO Rz 497 f., m.w.N.).
2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den
Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind,
sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der
Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im
Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von
zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu
den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den
in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als
Sonderausgaben abgezogen werden.
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F.
des StÄndG 1992 - nachfolgend bis Veranlagungszeitraum 31. Dezember 2004:
§ 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG - gilt die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den
Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nur, wenn die Voraussetzungen für den
Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt
sind oder soweit bei Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen
gutgeschrieben werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c
EStG abgezogen werden können. Diese Regelung ist darauf zurückzuführen, dass
die Bundesregierung bestimmten steuersparenden Finanzierungsmodellen den
Boden entziehen wollte (vgl. dazu im Einzelnen BTDrucks 12/1108, S. 55 ff.).
Der ursprüngliche Gesetzentwurf des StÄndG 1992 sah deshalb vor, den
Sonderausgabenabzug für die Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1
Nr. 2 Buchst. b EStG entfallen zu lassen, bei denen der Anspruch auf die
Versicherungssumme der Tilgung oder der Sicherung eines Kredits dient,
dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind (vgl.
BTDrucks 12/1108, S. 6). Da der Finanzausschuss eine solche Regelung aus
"wirtschaftspolitischen, wohnungsbaupolitischen und mittelstandspolitischen
Gründen" für zu restriktiv und nicht vertretbar hielt, schlug er eine Lösung
vor, bei der neben der bisher schon möglichen steuerunschädlichen Verwendung
von Lebensversicherungen bei der Finanzierung selbst genutzten Wohneigentums
drei weitere Fälle des steuerunschädlichen Einsatzes von
Lebensversicherungen zu Finanzierungszwecken zugelassen wurden (BTDrucks
12/1506, S. 156). Dieser Vorschlag ist durch das StÄndG 1992 in das EStG
übernommen worden (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG). Die
Neufassung ist anwendbar, wenn die Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag
nach dem 13. Februar 1992 zur Sicherung eines Darlehens dienen (vgl. § 52
Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 1992).
Entgegen der Auffassung des FG sind die
Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs danach erfüllt:
a) Die im Streitfall abgeschlossene
Lebensversicherung des Klägers ist unstreitig eine Versicherung i.S. des
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.
b) Die Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag haben nach dem 13. Februar 1992 indes nicht zur
Sicherung eines Darlehens gedient, dessen Finanzierungskosten
Betriebsausgaben oder Werbungskosten sind. Die vom Kläger für den Avalkredit
an die Bank X zu entrichtende Avalprovision in Höhe von 2,5 % p.a. vom
jeweiligen Bürgschafts-/Garantiebetrag ist zwar als Betriebsausgabe (§ 4
Abs. 4 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus Gewerbebetrieb abzugsfähig.
Ein Avalkredit ist jedoch kein Darlehen i.S. des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG.
Vielmehr knüpft der Gesetzeswortlaut mit der Formulierung "Darlehen" an den
in § 607 BGB geregelten Vertragstypus an, d.h. an einen schuldrechtlichen
Vertrag, der den Darlehensgeber dazu verpflichtet, dem Darlehensnehmer Geld
oder andere vertretbare Sachen i.S. des § 91 BGB zu verschaffen und für eine
bestimmte oder unbestimmte Zeit zu belassen. Der Darlehensnehmer seinerseits
hat die Verpflichtung, das empfangene Kapital zurückzuerstatten und ggf.
vereinbarte Darlehenszinsen zu entrichten (Frotscher/Lindberg, EStG, § 10
Rz 188; Nolde in Herrmann/ Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG - Lfg. Februar
1995 - Rz 378; Dahm, Änderung der Besteuerung von
Lebensversicherungsverträgen durch das Steueränderungsgesetz 1992 - endlich
Klarheit?, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 1993, 385; Wacker, Zur
einkommensteuerrechtlichen Behandlung der für Finanzierungszwecke
eingesetzten Lebensversicherungen nach dem Steueränderungsgesetz 1992, Der
Betrieb - DB - 1993, Beilage 4/93, S. 4 f. mit der Einschränkung, dass der
Grundsatz der Maßgeblichkeit des bürgerlich-rechtlichen Darlehensbegriffs
nicht ohne Ausnahme befürwortet werden kann; Tischbein, Kreditsicherung
durch Lebensversicherungsansprüche, Ein steuerrechtlicher Leitfaden, Rz 22;
derselbe, Absicherung eines Avalkredits durch Ansprüche aus einem
Lebensversicherungsvertrag, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2007, 143;
ähnlich Broudré, Die Sicherung von Steuervergünstigungen für
Policendarlehen, 2. Aufl., S. 15). Ein Avalkreditvertrag, bei dem sich - wie
im Streitfall - eine Bank für die Verbindlichkeit eines Kunden (hier: des
Klägers) gegenüber Dritten verbürgt, ist jedoch kein Darlehen i.S. des § 607
BGB, sondern ein entgeltlicher Geschäftsbesorgungsvertrag zwischen der Bank
und ihrem Kunden, durch den die Bank es gegen Zahlung einer Avalprovision
übernimmt, sich zugunsten ihres Kunden gegenüber dessen Gläubiger zu
verbürgen (Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 3. Mai 1984
IX ZR 37/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 2088;
Oberlandesgericht - OLG - München, Urteil vom 6. Mai 1987 7 U 1661/87,
Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1988, 1554; BGH-Urteil vom 6. Juli 2000
IX ZR 206/99, DB 2000, 2060; Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
4. Mai 2004 VII B 318/03, BFH/NV 2004, 1363). Denn ein Avalkredit besteht
nicht in der Hingabe von Geld, sondern darin, dass das Kreditinstitut mit
seinem Namen und seinem Kredit für die Verbindlichkeiten des Kunden
einzustehen bereit ist und eine Haftungszusage erteilt (vgl. BFH-Urteil vom
12. Dezember 1991 IV R 28/91, BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600, m.w.N.;
Canaris in Großkomm. HGB, Bankvertragsrecht, 4. Aufl., 9. Abschn. Die
Bankgarantie, Rz 1106; Palandt/Sprau, Bürgerliches Gesetzbuch, 60. Aufl.,
§ 675 Rz 10). Daher wird die Absicherung eines Avalkredits durch Ansprüche
aus einem Lebensversicherungsvertrag allgemein als steuerunschädlich
erachtet (vgl. Tischbein, Absicherung eines Avalkredits durch Ansprüche aus
einem Lebensversicherungsvertrag, DStR 2007, 143; derselbe, Kreditsicherung
durch Lebensversicherungsansprüche, Ein steuerrechtlicher Leitfaden, Rz 22;
Broudré, a.a.O., S. 16; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10
Rz P 42; Dahm, Änderung der Besteuerung von Lebensversicherungsverträgen
durch das Steueränderungsgesetz 1992 - endlich Klarheit?, DStZ 1993, 385;
kritisch zum Urteil der Vorinstanz auch Zimmermann, Anmerkung zum Urteil des
FG München in EFG 2005, 1345). Die Finanzverwaltung hat sich mit dieser
Frage - soweit ersichtlich - noch nicht befasst.
c) Der Senat schließt sich der allgemeinen
Ansicht im Schrifttum an und erachtet die Besicherung des dem Kläger
gegebenen Avalkredits durch die Ansprüche aus dessen Lebensversicherung als
steuerunschädlich. Zum einen hat ein Avalkredit - wie auch vom FG zutreffend
erkannt - nicht die Hingabe von Geld zum Gegenstand. Vielmehr besteht sein
Wesen darin, dass ein Kreditinstitut - wie vorstehend dargelegt - in seinem
Namen für die Verbindlichkeiten ihres Kunden gegenüber einem Dritten
einsteht und die Haftung gegenüber dem Gläubiger des Kunden übernimmt. Das
zeigt sich insbesondere an dem vom FG im Streitfall festgestellten
Verwendungszweck des Avalkredits "Mängelgewährleistung bzw.
Sicherungseinbehalte". Diese Feststellungen, an die der Senat gemäß § 118
Abs. 2 FGO gebunden ist, machen deutlich, dass die Bank dem Kläger kein Geld
zur Verfügung gestellt hat, sondern dass der Kläger den Avalkredit, d.h. die
in diesem Rahmen seitens der Bank gestellte Gewährleistungsbürgschaft
lediglich dazu genutzt hat, die auf dem Bausektor ansonsten üblichen
Sicherungseinbehalte des Auftraggebers und damit für ihn - den Kläger -
verbundene Liquiditätseinbußen zu vermeiden. Während bei üblichen
(verzinslichen) Bankdarlehen die Bank den Kunden zu verzinsendes Kapital zur
Verfügung stellt, übernimmt sie bei einem Avalkredit lediglich die
Bürgschaft bzw. Garantie gegenüber ihren Kunden, für deren Verbindlichkeit
gegenüber Dritten einzustehen. Ein Anspruch auf Überlassung von Geld folgt
daraus nicht. Das zeigt sich auch darin, dass bei einem Avalkredit keine
Zinsen zu entrichten sind, sondern lediglich eine Avalprovision (hier: 2,5 %
Provision p.a.), die üblicherweise deutlich niedriger ausfällt als der Zins
bei einem Darlehen i.S. des § 607 BGB. Im Schrifttum wird zwar teilweise
eine steuerschädliche Besicherung angenommen, wenn die Bank aus ihrer
Bürgschaft/Garantie in Anspruch genommen wird, d.h. wenn infolge der
Inanspruchnahme der Bank aus dem Avalkredit während der Laufzeit der
Besicherung ein Anspruch der Bank auf Aufwendungsersatz aus ihrer
Inanspruchnahme entsteht (vgl. Tischbein, Absicherung eines Avalkredits
durch Ansprüche aus einem Lebensversicherungsvertrag, DStR 2007, 143;
derselbe, Kreditsicherung durch Lebensversicherungsansprüche, Ein
steuerlicher Leitfaden, Rz 22; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O.,
§ 10 Rz P 42; ähnlich Dahm, Änderung der Besteuerung von
Lebensversicherungsverträgen durch das Steueränderungsgesetz 1992 - endlich
Klarheit?, DStZ 1993, 385, 388). Der Senat kann indes offenlassen, ob er dem
folgen könnte, denn im Streitfall ist diese Konstellation nicht gegeben, da
eine Inanspruchnahme der Bank nicht erfolgt ist und demgemäß ein
Aufwendungsersatzanspruch der Bank aufgrund ihrer Inanspruchnahme weder
entstanden noch kreditiert worden ist. Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist
der Sonderausgabenabzug für die Lebensversicherungsbeiträge des Klägers
daher nicht ausgeschlossen.
3. Dieses Ergebnis entspricht auch Sinn und
Zweck des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG. Zwar wollte der Gesetzgeber mit der
Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F. des StÄndG 1992 -
nachfolgend bis Veranlagungszeitraum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6
Satz 4 EStG - dem Gedanken der privaten Vorsorge wieder mehr Gewicht
verleihen. Mit der gleichzeitig erfolgten Änderung des § 10 Abs. 2 EStG
durch das StÄndG 1992 sollte aber kein generelles Abzugsverbot für Beiträge
zu Kapitallebensversicherungen, die anderen als Vorsorgezwecken dienen,
ausgesprochen werden (vgl. Zimmermann, Anmerkung zum Urteil des FG München
in EFG 2005, 1346, m.w.N.; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10
Rz P 7 ff.; HHR/Nolde, § 10 EStG - Lfg. Februar 1995 - Rz 374). Der
Gesetzgeber hat mit dem Ausnahmekatalog in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis
c EStG nicht nur den reinen Vorsorgegedanken eingeschränkt, sondern zugleich
die Förderung wirtschafts-, wohnungsbau- und mittelstandspolitischer Ziele
verfolgt und deshalb die ursprünglich vorgesehene deutlich restriktivere
Regelung (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 6), nach der jegliche Sicherung oder
Tilgung von Krediten durch Lebensversicherungen steuerschädlich sein sollte,
sofern die Finanzierungskosten bei der Erzielung steuerpflichtiger Einkünfte
abzugsfähig waren, nicht realisiert. Im Ergebnis zielte die Neufassung des
Gesetzes deshalb vornehmlich darauf, bestimmten steuersparenden
Finanzierungsmodellen, insbesondere sog. Zinsaufblähungsmodellen, bei denen
Darlehenszinsen durch Aufnahme neuer Darlehen finanziert werden, den Boden
zu entziehen (vgl. BFH-Urteile vom 13. Juli 2004 VIII R 48/02, BFHE 207,
136, BStBl II 2004, 1060; VIII R 52/03, BFH/NV 2005, 181, und VIII R 61/03,
BFH/NV 2005, 184, m.w.N.; ebenso HHR/Nolde, § 10 EStG - Lfg. Februar 1995 -
Rz 374). Im Zusammenhang mit Avalkrediten kommen derartige
"Steuersparmodelle" indes nicht vor. Das liegt sowohl daran, dass die
Avalprovision, d.h. das Entgelt, das der Kunde für den Avalkredit zu
entrichten hat, in der Regel deutlich niedriger ist als der bei üblichen
Darlehensfinanzierungen zu entrichtende Darlehenszins, als auch daran, dass
Avalkredite - vor allem bei den in der Praxis häufig vorkommenden Avalen für
Gewährleistung, Sicherungseinbehalt oder Vertragserfüllung - deutlich
kürzere Laufzeiten haben als Investitionsfinanzierungen. Hinzu kommt, dass
der Ausnahmetatbestand des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG u.a. voraussetzt, dass
ein Darlehen unmittelbar und ausschließlich der Finanzierung von
Anschaffungs- oder Herstellungskosten eines Wirtschaftsguts dient, mit dem
besicherten Darlehen also Anschaffungs-/Herstellungskosten eines
Wirtschaftsguts finanziert werden. Das ist indes nur mit einem Darlehen i.S.
des § 607 BGB möglich, nicht aber mit einem Avalkredit. Auch wenn die
Finanzierungskosten des Avalkredits für den Kläger Betriebsausgaben sind,
wäre es mit Sinn und Zweck der Neufassung der §§ 20 Abs. 1 Nr. 6 und 10
Abs. 2 Satz 2 EStG durch das StÄndG 1992 deshalb nicht vereinbar, den
Sonderausgabenabzug für die Lebensversicherungsbeiträge zu versagen und
damit die Steuerpflicht der Zinsen aus den Sparanteilen, die in den
Lebensversicherungsbeiträgen enthalten sind, zu bejahen.
4. Die Vorentscheidung ist von anderen
Voraussetzungen ausgegangen, sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Der Klage ist stattzugeben.
|