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BFH-Urteil vom 19.8.2008 (IX R 56/07) BStBl. 2010 II S. 24
Muss der Steuerpflichtige als Kaufpreis für ein vermietetes Grundstück eine
Rente auf Lebenszeit des Verkäufers leisten, so kann er nach § 9 Abs. 1
Satz 3 Nr. 1 Satz 2 i.V.m. § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a EStG 1990/1997
(jetzt: § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a Doppelbuchstabe bb EStG) auch dann nur
den Ertragsanteil als Werbungskosten absetzen, wenn die Vertragsparteien
eine Mindestlaufzeit der Rente vereinbart haben, diese aber kürzer ist als
die durchschnittliche Lebensdauer des Bezugsberechtigten.
EStG 1990/1997 § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1
Satz 2, § 22 Nr. 1 Satz 3 Buchstabe a.
Vorinstanz: FG Köln vom 22. August 2007
7 K 1706/06 (EFG 2008, 210)
Sachverhalt
I.
Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) werden zur Einkommensteuer zusammen veranlagt und
erzielten in den Streitjahren (1996 bis 1999) u.a. Einkünfte aus der
Vermietung eines im Jahr 1979 erworbenen bebauten Grundstücks. Als Kaufpreis
für dieses Grundstück mussten die Kläger einen Betrag von 100.000 DM in bar
leisten und verpflichteten sich überdies zur Zahlung einer monatlichen -
wertgesicherten - Rente von 1.500 DM an die bei Abschluss des Kaufvertrages
58-jährige Verkäuferin auf deren Lebenszeit. Bei ihrem Ableben sollte die
Rente bis zum Ablauf von 10 Jahren an ihre Erben gezahlt werden.
Die Kläger ermittelten im
Rahmen ihrer Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre den in den
Rentenzahlungen enthaltenen Zinsanteil im Wege der Gegenüberstellung der
Rentenbarwerte (Barwertminderung) und setzten den so ermittelten Zinsanteil
als Werbungskosten ab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA -) akzeptierte zunächst dieses Vorgehen in den unter dem Vorbehalt der
Nachprüfung stehenden Einkommensteuerbescheiden der Streitjahre. Nach einer
Außenprüfung vertrat es die Auffassung, die Rente stelle ungeachtet der
Mindestlaufzeit von 10 Jahren eine Leibrente dar mit der Folge, dass nach
§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes in der Fassung
der Streitjahre (EStG) nur der auch den Erhöhungsbetrag aufgrund der
Wertsicherungsklausel umfassende Ertragsanteil der Rente (hier: 35 %) als
Werbungskosten abziehbar sei. Dementsprechend änderte das FA die
Einkommensteuerbescheide der Streitjahre.
Die hiergegen - nach
erfolglosem Einspruch - erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 210, veröffentlichtem Urteil als
unbegründet ab. Die Rente sei eine Leibrente, und zwar trotz ihrer
Mindestzeit von 10 Jahren, denn diese liege erheblich unter der
durchschnittlichen Lebensdauer der Verkäuferin. Auch der Erhöhungsbetrag der
Rente sei nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten anzusetzen.
Hiergegen richtet sich die
Revision der Kläger, die sie auf Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1,
§ 22 Nr. 1 Satz 3a EStG stützen. Eine Mindestzeitrente mit einer Mindestzeit
von 10 Jahren könne nicht einer Leibrente gleichgesetzt werden, selbst wenn
die statistische Lebenserwartung des Berechtigten in etwa doppelt so hoch
sei wie die Mindestlaufzeit. Überdies widerspreche die Vorentscheidung dem
Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 21. Oktober 1999 X R 75/97 (BFHE 190,
197, BStBl II 2002, 650), dem sich die Finanzverwaltung angeschlossen habe.
Die Kläger beantragen, das
angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung vom 31. März 2003
aufzuheben und die Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1996 bis 1998 vom
6. März 2002 und den Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1999 vom 8. August
2002 dahingehend zu ändern, dass bei den Einkünften aus Vermietung und
Verpachtung im Veranlagungszeitraum 1996 weitere 12.738 DM, im
Veranlagungszeitraum 1997 weitere 12.792 DM, im Veranlagungszeitraum 1998
weitere 14.019 DM und im Veranlagungszeitraum 1999 weitere 13.925 DM als
Werbungskosten anerkannt werden und die Einkommensteuer 1996 bis 1999
entsprechend herabzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen, denn sie ist unbegründet.
Zutreffend hat das FG lediglich den Ertragsanteil der Rente als
Werbungskosten bei der Einkunftsart Vermietung und Verpachtung abgesetzt.
1. Nach § 9 Abs. 1 Satz 1 EStG sind
Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung von
Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzusetzen sind, bei der sie erwachsen
sind (§ 9 Abs. 1 Satz 2 EStG). Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 EStG rechnen zu
den Werbungskosten u.a. auch auf besonderen Verpflichtungsgründen beruhende
Renten und dauernde Lasten, soweit sie mit einer Einkunftsart im
Zusammenhang stehen. Bei Leibrenten kann nur der in § 22 Nr. 1 Satz 3
Buchst. a EStG näher geregelte Ertragsanteil abgezogen werden.
Das FG hat die strittigen wiederkehrenden
Zahlungen, die als Teil des Kaufpreises für das (vermietete) Grundstück
grundsätzlich Werbungskosten bilden, zutreffend als Leibrente beurteilt und
deshalb lediglich den Ertragsanteil als Werbungskosten erfasst.
a) Die Rente, um die es hier geht, ist eine
Leibrente. Darunter versteht man neben weiteren, hier nicht problematischen
Bedingungen, wiederkehrende Zahlungen, die für die Dauer der Lebenszeit
einer Bezugsperson gezahlt werden (Beschluss des Großen Senats des BFH vom
15. Juli 1991 GrS 1/90, BFHE 165, 225, BStBl II 1992, 78, unter C.II.2.;
vgl. auch § 759 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Erlischt die Rente
erst nach einer Mindestzeit mit dem Tod des Berechtigten, so hängt ihre
einkommensteuerrechtliche Behandlung davon ab, ob die laufenden Zahlungen
mehr von den begrifflichen Merkmalen einer Leibrente oder mehr von
denjenigen einer (Kaufpreis)-Rate geprägt werden (BFH-Urteil vom 29. Oktober
1974 VIII R 131/70, BFHE 114, 79, BStBl II 1975, 173). Eine - wie hier -
einheitliche Rente ist nicht in eine Zeitrente und in eine durch den Ablauf
der Mindestlaufzeit aufschiebend bedingte Leibrente aufzuspalten (so
zutreffend Blümich/Stuhrmann, § 22 EStG Rz 114, m.w.N.;
Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 112, m.w.N.). Da nach den
Wertungen des Gesetzes bei einer Abhängigkeit der Laufzeit von der
voraussichtlichen durchschnittlichen Lebensdauer der Bezugsperson der
Ertragsanteil mittels der Tabelle zu ermitteln ist, so auch dann, wenn die
vereinbarte Mindestlaufzeit kürzer ist als die durchschnittliche Lebensdauer
(eingehend dazu P. Fischer, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 22
Rz B 126). Denn hier ist die durch die Lebensdauer des Berechtigten
bestimmte Wagniskomponente gerade nicht zugunsten eines vorausbestimmten
Leistungsvolumens ausgeschaltet.
b) Nach diesen Grundsätzen ist die hier
streitige Rente eine Leibrente, so dass lediglich - wie geschehen - der in
§ 22 Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG bestimmte Ertragsanteil als Werbungskosten
abgezogen werden kann. Die durchschnittliche Lebenserwartung der
Bezugsberechtigten überstieg nach von der Revision nicht angegriffenen und
damit nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG die vereinbarte
Mindestzeit um mehr als das Doppelte.
Der Abzug des Ertragsanteils nach § 22
Nr. 1 Satz 3 Buchst. a EStG als Rechtsfolge ergibt sich zwingend aus § 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG, so dass es entgegen dem Begehren der Kläger
nicht auf eine Gegenüberstellung der Rentenbarwerte (Barwertminderung)
ankommt (vgl. zu betrieblichen Renten BFH-Urteile vom 31. August 1994
X R 58/92, BFHE 176, 333, BStBl II 1996, 672, unter 7., und vom 9. Februar
1994 IX R 110/90, BFHE 175, 212, BStBl II 1995, 47, unter 3.).
2. Entgegen der Auffassung der Revision
widerspricht diese Beurteilung - worauf auch schon das FG hingewiesen hat -
nicht dem BFH-Urteil in BFHE 190, 197, BStBl II 2002, 650 (dem folgend auch
das Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 16. September 2004, BStBl
I 2004, 922 ff., Rz 59). Denn dort stand allein die hier nicht
problematische, weil im letzteren Sinn zu beantwortende Frage im
Mittelpunkt, ob eine Vermögensübergabe gegen Versorgungsleistungen oder
nicht vielmehr ein entgeltliches Anschaffungsgeschäft vorliegt. Der BFH hat
bei der Vereinbarung einer bestimmten Mindestdauer den Charakter als
verrentete Gegenleistung als prägend angesehen (vgl. dazu auch P. Fischer in
Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 22 Rz 14). Demgegenüber geht es im
Anwendungsbereich des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 Satz 2 EStG nur um verrentete
Anschaffungskosten (siehe Blümich/Thürmer, § 9 EStG Rz 216, m.w.N.) und
damit lediglich um die Frage, wie der Zinsanteil dieser Gegenleistungsrente
technisch ermittelt wird.
3. Dem FG ist auch darin beizupflichten,
dass die Veräußerungsrente auch insoweit nur mit dem Ertragsanteil als
Werbungskosten abziehbar ist, als sie auf einer Wertsicherungsklausel beruht
(ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteil vom 10. Juli 1990 IX R 138/86,
BFH/NV 1991, 227, m.w.N.). Deshalb ist entgegen der Revision auch der
Erhöhungs- oder Mehrbetrag nur mit dem Ertragsanteil als Werbungskosten zu
berücksichtigen.
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