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BFH-Urteil vom 10.6.2009 (I R 67/08) BStBl. 2010 II S. 32
Ein
Anspruch eines Arbeitgebers auf Rückdeckung einer Pensionsverpflichtung, der
aus einer Kapitallebensversicherung resultiert, die in Kombination mit einer
Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung auch den Leistungsfall der
Berufsunfähigkeit abdeckt, ist - auch nach Eintritt dieses Leistungsfalls -
als ein (einheitliches) Wirtschaftsgut zu aktivieren. Für die Bemessung der
Anschaffungskosten ist der Rechnungszinssatz maßgeblich, den der Versicherer
für die Berechnung der Deckungsrückstellung für die Lebensversicherung
verwendet hat.
EStG § 6 Abs. 1 Nr. 2; HGB § 253 Abs. 1
Satz 1.
Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom
25. Juni 2008 1 K 186/04 (EFG 2008, 1442)
Sachverhalt
I.
Streitpunkt ist die
Bemessung des Abzinsungssatzes bei der Aktivierung eines
Rückdeckungsanspruchs aus einer Kapitallebensversicherung, die in
Kombination mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung (BUZ)
abgeschlossen worden ist, nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der BUZ.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH, die zur Rückdeckung einer
Versorgungszusage zugunsten ihres vormaligen Geschäftsführers bei einem
Lebensversicherungsunternehmen (V-AG) eine Kapitallebensversicherung mit
zusätzlicher Risikoabsicherung auf Rentenbasis bei Berufsunfähigkeit
abgeschlossen hatte. Nach Eintritt des Versicherungsfalls aus der BUZ
aktivierte die Klägerin sowohl den auf die "Hauptversicherung" als auch den
auf die BUZ entfallenden Teil des Rückdeckungsanspruchs. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) schätzte - da ihm im Rahmen einer
Außenprüfung keine versicherungsmathematischen Berechnungen der V-AG zur
Verfügung standen - den Aktivwert des Rückdeckungsanspruchs auf einen
höheren Betrag und erließ auf dieser Grundlage geänderte körperschaft- und
gewerbesteuerliche Bescheide für die Streitjahre (1996 bis 1998).
Im Verlauf des
erstinstanzlichen Klageverfahrens hat die Klägerin (erstmals)
versicherungsmathematische Berechnungsunterlagen der V-AG vorgelegt. Danach
ist die V-AG zur Ermittlung des Deckungskapitals für die "Hauptversicherung"
von einem Rechnungszinssatz von 3 % ausgegangen, während sie das
Deckungskapital für die Ansprüche aus der BUZ unter Verwendung eines
Rechnungszinssatzes von 6 % ermittelt hat. Die auf dieser Basis ermittelten
Werte entsprechen den Positionen in der Bilanz der Klägerin. Daraufhin hat
das FA den Klageanspruch in Bezug auf den Ansatz des auf die
"Hauptversicherung" entfallenden Teils des Rückdeckungsanspruchs anerkannt.
Das Schleswig-Holsteinische Finanzgericht (FG) hat der Klage insoweit
stattgegeben; die darüber hinausgehende Klage hat es abgewiesen. Sein Urteil
vom 25. Juni 2008 1 K 186/04 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2008, 1442 abgedruckt.
Gegen das FG-Urteil richtet
sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
Nachdem das FA während des
Revisionsverfahrens im Hinblick auf die Teilstattgabe der Klage geänderte
Bescheide erlassen hat, beantragt die Klägerin (sinngemäß), das FG-Urteil
und die angefochtenen Bescheide aufzuheben und der Besteuerung ihre
Bilanzansätze aus den Rückdeckungsversicherungen ohne Veränderungen zugrunde
zu legen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Das angefochtene Urteil ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle der ursprünglich
angefochtenen Bescheide vom 11. Dezember 2001 sind während des
Revisionsverfahrens die geänderten Bescheide des FA getreten. Da dem
FG-Urteil insoweit nicht mehr existierende Bescheide zugrunde liegen, kann
es keinen Bestand haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom 28. August
2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
Die Änderungsbescheide wurden jeweils gemäß
§ 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zum
Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG zur
erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht, weil
die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen werden von den Änderungsbescheiden nicht berührt und bilden
unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese
kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
III.
Die Klage ist im Hinblick auf die
geänderten Bescheide unbegründet und deshalb abzuweisen. FA und FG haben den
zu aktivierenden Rückdeckungsanspruch der Klägerin gegen die V-AG zu Recht
einheitlich anhand des geschäftsplanmäßigen Deckungskapitals der V-AG für
den mit der Klägerin bestehenden Versicherungsvertrag bemessen.
1. Nach § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) - für die Gewerbesteuer i.V.m. § 7 des
Gewerbesteuergesetzes 1991 - i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin das Betriebsvermögen
anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger
Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die "handelsrechtlichen" GoB ergeben sich
vornehmlich aus den für alle Kaufleute geltenden Vorschriften der §§ 238 ff.
des Handelsgesetzbuchs (HGB).
2. Die Rückdeckung einer
Pensionsverpflichtung des Arbeitgebers dient dazu, die Erfüllbarkeit der
gegebenen Pensionszusage bei Erreichen des Pensionsalters sowie bei
vorzeitigen Versorgungsfällen wie Invalidität oder Tod des Aktiven
sicherzustellen. Ein dahin gehender Anspruch auf Rückdeckung (Erstattung) zu
leistender Renten ist als Forderung (§ 194 des Bürgerlichen Gesetzbuchs -
BGB -) gegen den Versicherer zu bilanzieren (§ 246 Abs. 1 HGB) und unter den
sonstigen Vermögensgegenständen des Umlaufvermögens i.S. des § 266 Abs. 2
B.II.4. HGB auszuweisen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der
Senat insoweit auf seine Entscheidungen vom 25. Februar 2004 I R 54/02 (BFHE
205, 434, BStBl II 2004, 654), vom 25. Februar 2004 I R 8/03 (BFH/NV 2004,
1234) und vom 9. August 2006 I R 11/06 (BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762).
3. Forderungen sind gemäß § 253 Abs. 1
Satz 1 HGB und § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG grundsätzlich mit ihren
Anschaffungskosten anzusetzen. Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1
HGB die Aufwendungen, die geleistet werden, um ein Wirtschaftsgut zu
erwerben, soweit sie diesem einzeln zugeordnet werden können.
a) Bei den auf Kapitallebensversicherungen
basierenden Rückdeckungsansprüchen trifft dies zunächst für die bis zum
jeweiligen Bilanzstichtag vom Versicherungsnehmer aufgewendeten Sparanteile
der Versicherungsprämien (Sparbeiträge) zu. Zu Anschaffungskosten führt auch
die rechnungsmäßige Verzinsung dieser Sparbeiträge, die vertraglich
garantiert wurde und daher entsprechende Zinsansprüche des
Versicherungsnehmers begründete. Der (als Anschaffungskosten des jeweiligen
Rückdeckungsanspruchs des Versicherungsnehmers zu aktivierenden)
verzinslichen Ansammlung der geleisteten Sparbeiträge entspricht auf der
Seite des Versicherers unter Zugrundelegung einer retrospektiven Betrachtung
zum jeweiligen Bilanzstichtag begrifflich und betragsmäßig dessen
geschäftsplanmäßiges Deckungskapital (vgl. Senatsurteile in BFHE 205, 434,
BStBl II 2004, 654; in BFH/NV 2004, 1234, jeweils m.w.N.; in BFHE 214, 513,
BStBl II 2006, 762). Am jeweiligen Bilanzstichtag prospektiv betrachtet ist
dies der (nämliche) Betrag, den der Versicherer in Höhe des Barwerts der
künftigen Verpflichtungen aus dem jeweiligen Vertrag abzüglich des Barwerts
der künftig eingehenden Nettobeiträge passivieren muss -
Deckungsrückstellung des Versicherers (§ 341f HGB) -. Das vom Versicherer
jeweils nachgewiesene und im Rahmen des aufsichtsrechtlich zulässigen
Rechnungszinsfusses berechnete Deckungskapital (Deckungsrückstellung) ist
somit auch Bewertungsgrundlage und -maßstab für den korrespondierenden
Rückdeckungsanspruch des Versicherungsnehmers zu dessen Anschaffungskosten
(Senatsurteile in BFHE 205, 434, BStBl II 2004, 654, und in BFH/NV 2004,
1234).
b) Diese Bewertungsgrundsätze gelten auch
für Deckungsansprüche aus Kapitallebensversicherungen, die durch die
Kombination mit einer BUZ auch den Leistungsfall der Berufsunfähigkeit
absichern. Der Senat folgt nicht der Auffassung der Klägerin, dass es sich
bei dem Anspruch der Klägerin aus der BUZ um ein eigenständiges, von der
Forderung aus dem "Hauptteil" der Kapitallebensversicherung getrennt zu
bilanzierendes Wirtschaftsgut handele, das wie ein Anspruch aus einer reinen
Risikoversicherung zu bilanzieren wäre. Vielmehr ist die BUZ im Streitfall
nach den den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden und von der Revision
nicht angegriffenen Feststellungen der Vorinstanz unselbständiger Teil des
einheitlichen Versicherungsverhältnisses zwischen der Klägerin und der V-AG,
dem dadurch eine Leistungspflicht für einen zusätzlichen vorzeitigen
Versorgungsfall hinzugefügt worden ist. Die Annahmen über die
Wahrscheinlichkeit des Leistungsfalls der Berufsunfähigkeit sind in diesem
Fall Bestandteil der Rechnungsgrundlagen für die Deckungsrückstellung aus
der Lebensversicherung (vgl. Wiedmann in Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn,
Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., § 341f Rz 12). Die BUZ ist - wie z.B. auch ein
Rückdeckungsanspruch in Bezug auf eine Zusage auf Witwenversorgung (vgl.
dazu Senatsurteil in BFHE 214, 513, BStBl II 2006, 762) - Teil des
umfassenden Rückdeckungsanspruchs gegenüber dem Versicherer im Hinblick auf
die eingegangene Pensionsverpflichtung. Darin unterscheidet sich die BUZ von
der von der Klägerin in Bezug genommenen selbständigen
Berufsunfähigkeitsversicherung, die nicht in Zusammenhang mit einer
Lebensversicherung abgeschlossen wird und deshalb selbständig zu bewerten
ist (anders wohl Höfer, Gesetz zur Verbesserung der betrieblichen
Altersversorgung, Band II: Steuerrecht, 5. Aufl., Rz 782).
c) Der Eintritt des Leistungsfalls (im
Streitfall: die Berufsunfähigkeit) ändert nichts an der Bemessung der
Anschaffungskosten oder des Teilwerts des Rückdeckungsanspruchs.
Insbesondere wird dadurch der Aktivwert des Rückdeckungsanspruchs nicht auf
den Wert der von der Klägerin gemäß § 6a EStG zu bildenden
Pensionsrückstellung begrenzt (vgl. Senatsurteil in BFH/NV 2004, 1234;
Höfer, a.a.O., Rz 777 ff.; Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6a Rz 49;
a.A. Ahrend/Förster/ Rößler, Steuerrecht der betrieblichen Altersversorgung,
4. Aufl., 2. Teil Rz 1248 f.; Blümich/Förster, Einkommensteuergesetz,
Körperschaftsteuergesetz, Gewerbesteuergesetz, § 6a EStG Rz 487).
4. Nach den Feststellungen des FG hat die
V-AG der Ermittlung des Deckungskapitals für die Kapitallebensversicherung
einen Rechnungszinssatz von 3 % zugrunde gelegt. Dieser ist sonach für die
Bemessung der Anschaffungskosten des Rückdeckungsanspruchs der Klägerin
maßgeblich. Die darauf beruhende Berechnung des FA zur Höhe der zu
aktivierenden Forderung ist von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen
worden.
5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135
Abs. 1, § 137 Satz 1 FGO. Der Senat teilt die Auffassung des FG, dass die
Klägerin wegen der erst während des Klageverfahrens erfolgten Vorlage der
versicherungsmathematischen Berechnungsunterlagen der V-AG die
erstinstanzlichen Kosten auch im Hinblick auf den durch die Teilstattgabe
erledigten Teil des Rechtsstreits zu tragen hat.
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