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BFH-Urteil vom 21.7.2009 (VII R 52/08) BStBl. 2010 II S. 51
1.
§ 63 Abs. 1 FGO bestimmt ohne Ansehen des rechtlichen Inhalts des streitigen
Rechtsverhältnisses, wer zu verklagen ist, d.h. die Prozessführungsbefugnis.
Davon zu unterscheiden ist die Sach- oder Passivlegitimation, die die Frage
beantwortet, ob der Beklagte nach dem materiellen Recht auch der
Anspruchsverpflichtete ist.
2.
Bei der Übermittlung von Beitreibungsersuchen an eine Behörde in einem
EG-Mitgliedstaat hat das Bundeszentralamt für Steuern die Funktion einer
"Kontakt- oder Verbindungsstelle" für die Abwicklung des Ersuchens mit dem
Ausland. Herr des Verfahrens im Inland ist das für die Vollstreckung
zuständige FA.
3.
Das Ersuchen ist kein Verwaltungsakt, aber auch kein rein behördeninterner
Vorgang. Rechtsschutz auf Rücknahme des Ersuchens kann mit der
Leistungsklage gesucht werden.
RL 76/308/EWG Art. 2, 14; EG-BeitrG § 1; AO
§ 117 Abs. 1, § 240; FVG § 5 Abs. 1 Nr. 5, § 17 Abs. 2 Satz 1; FGO § 63
Abs. 1, § 40 Abs. 1, § 118 Abs. 1.
Vorinstanz: FG München vom 29. Oktober 2008
9 K 2323/07 (EFG 2009, 280)
Sachverhalt
I.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) richtete mit Schreiben vom Januar
2007 ein Beitreibungsersuchen gemäß Art. 6 bis 13 der Richtlinie 76/308/EWG
(RL 76/308/EWG) des Rates vom 15. März 1976 über die gegenseitige
Unterstützung bei der Beitreibung von Forderungen ... (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - Nr. L 73/18) über das Bundeszentralamt
für Steuern (BZSt) nach Zypern. In dem Beitreibungsersuchen ist das FA
ausdrücklich als ersuchende Behörde aufgeführt. Es betrifft rückständige
Umsatzsteuer und steuerliche Nebenleistungen (Zinsen und Säumniszuschläge)
des Klägers und Revisionsklägers (Kläger). Das FA ordnete in der beigefügten
Aufstellung auf amtlichem Vordruck die Zinsen den Hauptforderungen und nicht
der eigenständigen Rubrik "bis zur Unterzeichnung dieses Ersuchens
entstandene Zinsen" zu, sondern erfasste dort die Säumniszuschläge. Als
Vollstreckbarkeitstermin wurde bei den Zinsen zur Einkommensteuer 1996 der
15. Oktober 2001 und bei den entsprechenden Säumniszuschlägen auch der
15. Oktober 2001, der 9. Januar und der 23. Mai 2002 angegeben. Für diese
Positionen ist außerdem angegeben "unanfechtbar seit 05.10.2005". Der
genannte Vollstreckbarkeitstermin fast aller übrigen Forderungen liegt nach
dem 22. Januar 2002.
Das in griechischer Sprache
verfasste Beitreibungsersuchen wurde dem steuerlichen Vertreter des Klägers
in Limassol zugestellt. Nach erfolglosem Einspruchsverfahren - das FA sah in
dem Beitreibungsersuchen eine behördeninterne Maßnahme - wies das
Finanzgericht (FG) die auf Rücknahme des Beitreibungsersuchens gerichtete
Klage als unbegründet ab. Das Ersuchen sei zwar kein Verwaltungsakt, weil es
an eine ausländische Behörde gerichtet und damit keine hoheitliche Maßnahme
sei, die Klage sei jedoch als auf Vornahme einer anderen Leistung i.S. des
§ 40 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gerichtete Leistungsklage
zulässig. Mit den auf die Verletzung von Vorschriften der RL 76/308/EWG und
der Richtlinie 2002/94/EG (RL 2002/94/EG) der Kommission vom 9. Dezember
2002 zur Festlegung ausführlicher Durchführungsbestimmungen zu bestimmten
Artikeln der RL 76/308/EWG ... (AblEG Nr. L 337/41), zuletzt geändert durch
die Richtlinie 2006/84/EG der Kommission vom 23. Oktober 2006
(ABlEG Nr. L 362/99) gestützten Einwendungen könne die Klage aber keinen
Erfolg haben, da sich der Kläger im vorliegenden Verfahren gegen das
beklagte FA auf diese Vorschriften nicht berufen könne. Die Verletzung der
RL 76/308/EWG und 2002/94/EG könnte nur gegenüber dem BZSt mit Erfolg
geltend gemacht werden. Unbeschadet dessen, dass - soweit es um
Beitreibungsersuchen an andere Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft
(EG) gehe - keine Umsetzung in unmittelbar verbindliches Recht erfolgt sei,
weil das insoweit erlassene EG-Beitreibungsgesetz (EG-BeitrG) i.d.F. der
Bekanntmachung vom 3. Mai 2003 (BGBl I 2003, 654), zuletzt geändert durch
Art. 6 des Gesetzes vom 13. Dezember 2007 (BGBl I 2007, 2897), nur den
umgekehrten Fall der Vollsteckung von Geldforderungen im Inland erfasse,
habe sich zwar das Bundesministerium der Finanzen (BMF) im Merkblatt zur
zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der Steuererhebung (Merkblatt) vom
19. Januar 2004 (BStBl I 2004, 66) selbst an die Vorgaben dieser Richtlinien
gebunden. Die Verantwortung für die Berücksichtigung dieser Vorgaben liege
nach entsprechender Delegation (§ 5 Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes über die
Finanzverwaltung - FVG -, Erlass vom 13. Dezember 1976, BStBl I 1977, 33)
nun allein beim BZSt. Deshalb komme es auf die vermeintlichen Mängel des
Beitreibungsersuchens, nämlich ob Säumniszuschläge vom Anwendungsbereich der
RL 76/308/EWG erfasst würden, die Erfassung der Zinsen in einer falschen
Rubrik der Forderungsaufstellung erheblich sei sowie die Fünf-Jahres-Frist
gemäß Art. 14 Abs. 2 RL 76/308/EWG eingehalten und somit die
Mindestbetragsgrenze von 1.500 € nach Art. 25 Abs. 2 RL 2002/94/EG erreicht
worden sei, nicht an.
Mit der Revision hält der
Kläger daran fest, er habe einen Anspruch auf Rücknahme des
Beitreibungsersuchens gegen das FA. Das Ersuchen sei ein rechtswidriger
Verwaltungsakt, da die Beitreibung von Säumniszuschlägen in Art. 2
RL 76/308/EWG nicht vorgesehen sei und die Vollstreckungstitel sowohl zu den
Säumniszuschlägen als auch zu den Zinsen betreffend Einkommensteuer 1996 bei
Erlass des Ersuchens älter als fünf Jahre gewesen seien, so dass nach
Art. 14 der Richtlinie keine Verpflichtung des ersuchten Staates zur
Vollstreckung bestanden habe. Die Umsatzsteuerforderungen nebst Zinsen seien
bereits am 28. Oktober 2008 bezahlt worden. Da das FA das rechtswidrige
Ersuchen in die Wege geleitet habe und der einzige Ansprechpartner für den
Kläger gewesen sei, müsse ihm ein Rechtsanspruch auf Rücknahme gegen dieses
FA zustehen.
Das FA hält die Entscheidung
des FG im Ergebnis für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
1. Die Revision scheitert nicht schon
daran, dass das FG die Klage bereits als unzulässig hätte abweisen müssen.
a) Das FG hat das FA zutreffend als den
richtigen Beklagten angesehen. Nach § 63 Abs. 1 FGO ist die Klage gegen die
Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen oder die
den beantragten Verwaltungsakt oder die andere Leistung unterlassen oder
abgelehnt hat. Das FA ist in dem Beitreibungsersuchen ausdrücklich als die
ersuchende Behörde bezeichnet und hat außerdem die Rücknahme des Ersuchens
gegenüber dem Kläger abgelehnt. § 63 Abs. 1 FGO bestimmt ohne Ansehen des
rechtlichen Inhalts des streitigen Rechtsverhältnisses, wer zu verklagen
ist, d.h. die Prozessführungsbefugnis. Davon zu unterscheiden ist die Sach-
oder Passivlegitimation, die die Frage beantwortet, ob der Beklagte nach dem
materiellen Recht auch der Anspruchsverpflichtete ist. Dementsprechend hat
der Bundesfinanzhof (BFH) für eine Klage auf Unterlassung einer Auskunft an
eine ausländische Steuerbehörde nicht die Prozessführungsbefugnis des FA,
sondern seine Passivlegitimation verneint, weil das FA für die streitige
Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt zuständig gewesen sei (Urteil
vom 23. Juli 1986 I R 306/82, BFHE 148, 1, BStBl II 1987, 92). Das FG
allerdings spricht, indem es die Beklagtenstellung des FA gemäß § 63 Abs. 1
FGO bejaht, offensichtlich in Anlehnung an die Gleichstellung der Begriffe
"Passivlegitimation (Prozessführungsbefugnis des Beklagten)" im
BFH-Beschluss vom 19. Mai 2008 V B 29/07 (BFH/NV 2008, 1501) davon, das FA
sei "passivlegitimiert". Lediglich klarstellend sei angemerkt, dass dieser
Begriff in diesem Zusammenhang ebenso wie seine Verwendung in dem
Senatsurteil vom 26. Februar 1980 VII R 60/78 (BFHE 130, 12, BStBl II 1980,
1199) missverständlich ist (wie hier z.B. BFH-Beschlüsse vom 27. August 2007
IV B 98/06, BFH/NV 2007, 2322; vom 6. März 2000 II B 48/99, BFH/NV 2000,
1112).
b) Das FG hat auch zutreffend das
Rechtsschutzbedürfnis des Klägers für seine Leistungsklage auf Rücknahme des
Beitreibungsersuchens bejaht.
Der Senat teilt allerdings nicht die
Auffassung des FG Düsseldorf (Beschluss vom 13. September 1989
5 V 364/89 AE, Entscheidungen der Finanzgerichte 1989, 646), dass ein
solches Ersuchen als Verwaltungsakt zu qualifizieren ist. Zum Einen ergeht
es schon der äußeren Form nach nicht als Verwaltungsakt. Als Ersuchen an
eine Behörde eines Mitgliedstaates fehlt es der Maßnahme darüber hinaus auch
an einer Regelung i.S. des § 118 der Abgabenordnung (AO). Die darin
enthaltenen Daten werden nicht festgestellt, sondern lediglich mitgeteilt.
Das gilt auch für die nach Rz. 2.2.2.1 des Merkblattes abzugebende
Erklärung, dass die Voraussetzungen für das Vollstreckungsersuchen
vorliegen. Zwar sieht die Rechtsprechung des Senats in den für die
Vollstreckung in das unbewegliche Vermögen erforderlichen Anträgen an das
(inländische) Vollstreckungsgericht oder Grundbuchamt Verwaltungsakte, weil
sie die Bestätigung enthalten, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für die
Vollstreckung vorliegen (z.B. Senatsbeschluss vom 15. Dezember 1992
VII B 131/92, BFH/NV 1993, 460). Die Bestätigung nach Rz. 2.2.2.1 des
Merkblattes ist aber - auch wenn der Wortlaut dies nahelegt - mit der
Bestätigung der Vollstreckungsvoraussetzungen bei Anträgen an das
Vollstreckungsgericht oder das Grundbuchamt nicht gleichzusetzen. Denn
Letztere ist eine nach § 322 Abs. 3 Satz 2 AO zwingende Voraussetzung für
das Tätigwerden des Vollstreckungsgerichts, da "diese Fragen nicht der
Beurteilung des Vollstreckungsgerichts oder des Grundbuchamts (unterliegen)"
(§ 322 Abs. 3 Satz 3 AO). Das Grundbuchamt hat vielmehr ohne Weiteres
aufgrund des Ersuchens die gewünschte Eintragung vorzunehmen (§ 38 der
Grundbuchordnung). Eine solche Bedeutung kommt der Bestätigung nach
Rz. 2.2.2.1 des Merkblattes nicht zu. Sie dient vielmehr nur der Information
der ausländischen Behörde, die selbst entscheidet, ob und welche
Vollstreckungsmaßnahmen sie ergreift. Ob die inländischen
Vollstreckungsvoraussetzungen tatsächlich vorliegen, ist und bleibt in dem
zugrunde liegenden Steuerrechtsverhältnis zwischen Kläger und FA zu klären,
während die ersuchte ausländische Behörde ggf. Vollstreckungsvoraussetzungen
nach dortigem Recht prüft (vgl. Art. 12 RL 76/308/EWG).
Andererseits handelt es sich bei dem ins
Ausland übermittelten Ersuchen aber auch nicht um einen rein
behördeninternen Vorgang. Dies folgt schon daraus, dass mit dem Ersuchen die
Vollstreckung im Ausland eingeleitet wird und dabei steuerliche Verhältnisse
des Klägers offen gelegt werden. Ist das Ersuchen, wie im Streitfall,
bereits erfolgt, muss dem Kläger jedenfalls die Möglichkeit verbleiben,
gerichtlich nachprüfen zu lassen, ob die Behörde die Voraussetzungen für die
Übermittlung des Ersuchens eingehalten hat und, sollte dies nicht der Fall
sein, die Behörde zu zwingen, das Beitreibungsersuchen zurückzunehmen, um
damit die Vollstreckung im Ausland zu stoppen. An der gerichtlichen
Überprüfung dieser Rechtslage hat der Kläger somit ein geschütztes
Interesse, das er mit der Leistungsklage nach § 40 Abs. 1 FGO verfolgen
kann.
2. Die Revision scheitert ferner auch nicht
daran, dass der Kläger die vermeintliche Rechtswidrigkeit des streitigen
Beitreibungsersuchens daraus herleitet, das FA habe Regelungen der
RL 76/308/EWG und 2002/94/EG verletzt. Zwar kann eine Revision nach § 118
Abs. 1 FGO nur darauf gestützt werden, dass das angefochtene Urteil auf
einer Verletzung von Bundesrecht beruhe. Wie das FG zutreffend erkannt hat,
sind diese Richtlinien durch das EG-BeitrG nur hinsichtlich der
Vollstreckung von Geldforderungen, die in anderen Mitgliedstaaten der EG
entstanden sind, in innerstaatliches Recht umgesetzt worden (§ 1 Abs. 2
EG-BeitrG), so dass es im Streitfall nicht um die unmittelbare Anwendung
dieser Richtlinien geht.
Die Finanzbehörden können aber gemäß § 117
Abs. 1 AO zwischenstaatliche Rechts- und Amtshilfe nach Maßgabe des
deutschen Rechts in Anspruch nehmen. Dazu macht das BMF unter Tz. 2 des vom
FG zitierten Merkblattes zur zwischenstaatlichen Amtshilfe bei der
Steuererhebung die Regelungen der Richtlinien zur Grundlage auch für
"Ausgehende Ersuchen". Die Revisibilität von Entscheidungen auf der
Grundlage von Verwaltungsvorschriften hat der Senat in Anlehnung an die
Rechtsprechung anderer oberster Bundesgerichte für den Fall anerkannt, dass
die Bedeutung der Vorschrift über die einer bloßen Anweisung für den inneren
Dienstbetrieb hinausgeht, weil sie eine im Gesetz nur allgemein festgelegte
Rechtspflicht durch bestimmte und für alle gleichgelagerten Fälle allgemein
geltende Regel konkretisiert und damit das Ermessen der Verwaltung mit
Außenwirkung bindet (Selbstbindung der Verwaltung, vgl. Senatsurteil vom
13. Januar 1976 VII R 40/73, BFHE 118, 492, BStBl II 1976, 457, m.w.N.). Mit
dem FG ist davon auszugehen, dass das Merkblatt eine solche Außenwirkung
entfaltet, weil es die Voraussetzungen, unter denen ein Beitreibungsersuchen
gestellt werden darf, konkretisiert.
3. Der Kläger verfolgt seinen Anspruch auch
zu Recht gegenüber dem FA. Der Senat teilt nicht die Auffassung des FG, dass
das BZSt für den Erlass des Beitreibungsersuchens zuständig sei. Die
Argumentation, dass dies eine Folge der gesetzlichen Aufgabenübertragung
nach § 5 Abs. 1 Nr. 5 FVG sei, ist nicht überzeugend. Danach ist dem BZSt
u.a. die Ausübung der Funktion der zuständigen Behörde auf dem Gebiet der
steuerlichen Rechts- und Amtshilfe übertragen, soweit das zuständige
Bundesministerium seine Befugnisse in diesem Bereich delegiert, wie es mit
der Übertragung des Teilbereichs "Vollstreckungs- und Zustellungssachen" aus
der Aufgabe "Internationale Rechts- und Amtshilfe" durch Erlass vom
13. Dezember 1976 (BStBl I 1977, 33) geschehen ist. Zwar ist es richtig,
dass damit das BZSt als ersuchende Behörde i.S. des Art. 3 RL 76/308/EWG,
d.h. im Verhältnis zu dem ersuchten Mitgliedstaat, gilt. Das besagt aber
nichts darüber, welche Behörde das Ersuchen erlässt und dem
Vollstreckungsschuldner gegenüber für die Einhaltung der Vorgaben des
Merkblattes verantwortlich ist. Nach § 17 Abs. 2 Satz 1 FVG sind die
Finanzämter als örtliche Landesbehörden für die Verwaltung der Steuern
zuständig. Das BZSt ist demgegenüber für den Rechtsverkehr mit dem
Mitgliedstaat zuständig, es "übermittelt", wie in Tz. 1.4.1 des Merkblattes
formuliert, inländische Ersuchen an die zuständige ausländische Behörde und
achtet auf die Einhaltung der durch die EG-Vorschriften aufgestellten
Voraussetzungen. In Tz. 2.1 des Merkblattes heißt es, "Finanzämter können an
Finanzbehörden der in der Anlage 1 aufgeführten Staaten Ersuchen der in
Tz. 1.3 genannten Art richten". Daraus ergibt sich, dass dem BZSt die
Funktion einer "Kontakt- oder Verbindungsstelle" für die Abwicklung des
Ersuchens mit dem Ausland zukommt, die darauf zu achten hat, dass die
formalen Voraussetzungen für das jeweilige Ersuchen erfüllt sind. Das BZSt
ist nach den vom Kläger vorgelegten Schreiben offenbar selbst der
Auffassung, dass ihm aufgrund der Funktionsübertragung lediglich die
Zusammenarbeit mit dem Ausland und die Prüfung der formalen Voraussetzungen
des Beitreibungsersuchens obliegt, während für die Rücknahme eines Ersuchens
- wie für die sonstigen Aufgaben der Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung
von Steuerforderungen - das jeweilige FA zuständig sei. Auch das beklagte FA
geht von seiner Zuständigkeit aus, da es sich in dem streitigen
Beitreibungsersuchen selbst als die ersuchende Behörde bezeichnet.
Entgegen der Auffassung des FG lässt sich
die Zuständigkeit des BZSt nicht damit begründen, dass nach der
Rechtsprechung des I. Senats des BFH im Bereich der zwischenstaatlichen
Amtshilfe durch Auskunftsaustausch in Steuersachen Rechtsbehelfe gegen
Auskünfte an ausländische Behörden nicht gegen das örtlich zuständige FA,
sondern gegen das BMF bzw. BZSt zu richten sind, sofern die Zuständigkeit
nicht auf eine untergeordnete Behörde verlagert wurde. Die zitierten
Entscheidungen enthalten keine grundsätzlichen Ausführungen zur
ausschließlichen Zuständigkeit des BMF bzw. BZSt. In dem Beschluss vom
29. Oktober 1986 I B 28/86 (BFHE 147, 492, BStBl II 1987, 440) ging es
allein darum, die Weiterleitung eines Auskunftsersuchens durch das BMF
vorläufig zu verhindern. Im Verfahren I B 35/05 (Beschluss vom 13. Januar
2006, BFH/NV 2006, 922) sollte dem BZSt untersagt werden, eine beabsichtigte
Spontanauskunft zu erteilen. In beiden Fällen stand demnach gerade die
Übermittlung einer Auskunft durch das BZSt im Vordergrund. Demgegenüber geht
es im Streitfall um die Voraussetzungen eines Beitreibungsersuchens. Nur bei
dieser Frage kommt eine Differenzierung zwischen der sachlichen
Zuständigkeit und derjenigen der Übermittlung in Betracht.
4. Letztlich bleibt die Revision aber ohne
Erfolg, denn das FG hat die Klage im Ergebnis zutreffend als unbegründet
abgewiesen, weil das Ersuchen nicht an den vom Kläger gerügten Mängeln
leidet und auch darüber hinaus Rechtsfehler nicht erkennen lässt.
a) Der Einwand, die Beitreibung von
Säumniszuschlägen sei in Art. 2 RL 76/308/EWG nicht vorgesehen, trifft nur
insoweit zu, als Säumniszuschläge darin nicht ausdrücklich benannt sind.
Nach dem Verständnis des BMF, wie es in Tz. 2.2.2.1 4. Anstrich des
Merkblattes zum Ausdruck kommt, sind die Säumniszuschläge den Zinsen
zuzurechnen. Dort heißt es u.a., das Vollstreckungsersuchen aufgrund der
EG-Beitreibungsrichtlinien EG-BeitrRL ... enthält ... Angaben über die Art
und Höhe der Forderung ... aufgeschlüsselt nach Hauptforderung(en), Zinsen
(einschließlich Säumniszuschlägen) und Kosten. Unbeschadet dessen, dass
diese Auffassung im Hinblick auf die Funktion des Merkblattes als
Selbstbindung der Verwaltung der Prüfung des Ersuchens zugrunde zu legen
ist, ist sie nach Auffassung des Senats auch zutreffend. Denn nach Art. 2
Buchst. e und g RL 76/308/EWG i.d.F. der Richtlinie 2001/44/EG des Rates vom
15. Juni 2001 (ABlEG Nr. L 175/17) findet diese Richtlinie Anwendung auf
alle Forderungen im Zusammenhang mit Einkommen-, Mehrwert- und
Kapitalsteuern. Dazu gehören nach deutschem Recht auch die Säumniszuschläge
i.S. des § 240 AO. Die Auflistung der entsprechenden Beträge in der Rubrik
Zinsen steht dem nicht entgegen; sie erscheint vielmehr sachgerecht, da
damit zum Ausdruck gebracht wird, dass es sich insoweit nicht um eine
Hauptforderung handelt.
b) Auch die Tatsache, dass die
Vollstreckungstitel zu den Säumniszuschlägen und zu den Zinsen betreffend
Einkommensteuer 1996 bei Erlass des Ersuchens älter als fünf Jahre waren,
führt nicht zur Rechtswidrigkeit des Ersuchens. Abgesehen davon, dass - wie
der Kläger selbst erkannt hat - nach Art. 14 Abs. 1 Buchst. b Satz 1
RL 76/308/EWG im Fall von Altforderungen lediglich bestimmt ist, dass keine
Verpflichtung des ersuchten Staates zur Vollstreckung besteht, gilt die
Befristung nach Satz 2 der Regelung bei Anfechtung der Forderung oder des
Vollstreckungstitels erst ab Feststellung der Unanfechtbarkeit durch den
ersuchenden Staat. In Tz. 2.2.1.1. Buchst. d des Merkblattes ist
dementsprechend verfügt: "Bei Ersuchen aufgrund der EG-BeitrRL darf der
Zeitraum zwischen der Ausstellung des Vollstreckungstitels (Festsetzung des
Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis) oder der Unanfechtbarkeit der
Forderung bzw. des Vollstreckungstitels und dem Datum des Ersuchens nicht
mehr als fünf Jahre betragen (Artikel 14 Abs. 1 Buchstabe b EG-BeitrRL)".
Nach den Feststellungen des FG erfüllen die Säumniszuschläge und Zinsen
betreffend Einkommensteuer 1996 diese Voraussetzung. In der dem Ersuchen
beigefügten Forderungsaufstellung ist zu den Säumniszuschlägen und Zinsen
betreffend Einkommensteuer 1996 vermerkt, dass sie seit 5. Oktober 2005
unanfechtbar sind.
c) Schließlich ist der Hinweis des Klägers,
die Umsatzsteuerforderungen nebst Zinsen seien bereits am 28. Oktober 2008
bezahlt worden, im vorliegenden Revisionsverfahren unbeachtlich. Das FG hat
Zahlungen des Klägers in seinem Urteil vom 29. Oktober 2008 nicht
festgestellt. Eine Berücksichtigung dieses Vorbringens wäre, wenn der Kläger
das FG vor Erlass des Urteils noch darüber informiert haben sollte, nur in
einem Antrag an das FG auf Berichtigung des Tatbestands binnen zwei Wochen
nach Zustellung des Urteils (§ 108 FGO) möglich gewesen. Andernfalls ist der
Vortrag im Revisionsverfahren nicht mehr zu berücksichtigen.
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