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BFH-Urteil vom 17.6.2009 (VI R 18/07) BStBl. 2010 II S. 67
Die
unverbindliche Preisempfehlung eines Automobilherstellers ist jedenfalls
seit dem Jahr 2003 keine geeignete Grundlage, den lohnsteuerrechtlich
erheblichen Vorteil eines Personalrabatts für sog. Jahreswagen zu bewerten.
EStG § 8 Abs. 3, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 7.
März 2007 3 K 386/04 (EFG 2007, 1866)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob der vom
Arbeitgeber beim Kauf eines Neufahrzeugs gegenüber der unverbindlichen
Preisempfehlung eingeräumte Rabatt einen als Arbeitslohn zu erfassenden
geldwerten Vorteil begründet.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Arbeitnehmer eines Automobilherstellers. Im
Streitjahr (2003) erwarb er von seinem Arbeitgeber ein Neufahrzeug (PKW) zu
einem Kaufpreis von 15.032 €. Der Arbeitgeber ermittelte hieraus einen
geldwerten Vorteil in Höhe von 255,95 €, für den er Lohnsteuer einbehielt
und auf der Lohnsteuerkarte auswies. Grundlage dieser Vorteilsermittlung war
die unverbindliche Preisempfehlung für dieses Fahrzeug in Höhe von
17.916,99 €. Daraus ergab sich im Einzelnen folgende Berechnung:
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) legte im streitigen
Einkommensteuerbescheid diesen so ermittelten geldwerten Vorteil zugrunde
und wies den dagegen eingelegten Einspruch zurück.
Das Finanzgericht (FG) wies
aus den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1866 veröffentlichten
Gründen die dagegen erhobene Klage ab. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG betrage
der steuerpflichtige geldwerte Vorteil 4 % des geminderten Endpreises, zu
dem der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die Ware
fremden Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbiete. Endpreis
in diesem Sinne sei der Angebotspreis, und somit der Preis, mit dem die Ware
ausgezeichnet oder in sonstiger Weise im allgemeinen Geschäftsverkehr am
Markt angeboten werde. Ausgehandelte Rabatte seien nicht zu berücksichtigen;
bei fabrikneuen Kraftfahrzeugen sei regelmäßig auf den Listenpreis
abzustellen. Die Berechnung des geldwerten Vorteils sei hier nicht zu
beanstanden. Der Arbeitgeber habe den Listenpreis zugrunde gelegt und
entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom
30. Januar 1996 (BStBl I 1996, 114) sogar noch den Listenpreis um die Hälfte
des bei einem Autohaus erfragten Preisnachlasses gemindert. Da der
Listenpreis derjenige Preis sei, der den potentiellen Käufern erstmalig
durch Auszeichnung bekannt werde, sei hierauf abzustellen. Der
durchschnittlich beim Vergleichshändler gewährte Rabatt könne bei der
Berechnung des geldwerten Vorteils nach § 8 Abs. 3 EStG nicht berücksichtigt
werden, da es sich um das Mittel der ausgehandelten Rabatte handele.
Mit der dagegen eingelegten
Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
§ 8 Abs. 3 EStG verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG), wenn
danach jeder vom Arbeitgeber gewährte Rabatt erfasst werde, obwohl ein
geldwerter Vorteil nur vorliege, wenn der Arbeitgeber solche Rabatte nicht
auch dem allgemeinen Kundenverkehr gewährte. Die Besteuerung verstoße gegen
Art. 3 Abs. 1 GG, wenn Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Markt Fahrzeuge zu
Rabattbedingungen erwerben könnten, die der Arbeitgeber gewähre. Denn dann
liege kein geldwerter Vorteil vor. Internethändler räumten entsprechende
Rabatte ein. Dabei handele es sich um Fahrzeuge für den deutschen Markt,
also um Re-Importfahrzeuge. Der Kauf über das Internet sei eine anerkannte
Möglichkeit. Daher sei auch bei der Berechnung und Bewertung des Vorteils
nicht vom "ortsansässigen Händler" auszugehen. Nachdem der Kläger
vorgetragen habe, dass alle Endverbraucher mittlerweile den Werksrabatten
entsprechende Rabatte erhielten, hätte das FG insoweit den Sachverhalt
weiter aufklären müssen; im finanzgerichtlichen Verfahren seien
entsprechende Belege zu den Akten gereicht worden.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des Niedersächsischen FG vom 7. März 2007 aufzuheben
und den Einkommensteuerbescheid für 2003 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 23. April 2004 dahingehend abzuändern, dass die
festgesetzte Einkommensteuer um 97 € und der Solidaritätszuschlag um 5,34 €
herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
§ 8 Abs. 3 EStG erfasse alle
Preisnachlässe, die dem Arbeitnehmer aufgrund eines bestehenden
Dienstverhältnisses gewährt würden. Erhielten alle Kunden des Arbeitgebers
den gleichen Rabatt ebenfalls, fehle es an einem Preisnachlass aufgrund des
Dienstverhältnisses. Dies sei allerdings nicht der Fall. Unerheblich sei, ob
bei Händlern im Internet über EU-Importe die Fahrzeuge günstiger erworben
werden könnten. Denn insoweit fehle es an einem Dienstverhältnis.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie
führt unter Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils zur Stattgabe der Klage
(§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. a) Zum Arbeitslohn gehören nach § 19
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG neben Gehältern, Löhnen, Gratifikationen, Tantiemen
und anderen Bezügen auch Vorteile, die für eine Beschäftigung im
öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Das sind nach § 8 Abs. 1
EStG alle in Geld oder Geldeswert bestehenden Güter, die dem
Steuerpflichtigen im Rahmen der Einkunftsart des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4
EStG zufließen. § 8 Abs. 2 Satz 1 EStG benennt die geldeswerten Güter oder
Vorteile (Einnahmen, die nicht in Geld bestehen), nämlich "Wohnung, Kost,
Waren, Dienstleistungen und sonstige Sachbezüge".
b) Zu den nach § 8 EStG zu bewertenden und
zu Einnahmen führenden Vorteilen i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG gehören
auch solche, die Arbeitnehmern daraus entstehen, dass ihnen ihre Arbeitgeber
Waren - z.B. "Jahreswagen" - aufgrund des Dienstverhältnisses verbilligt
überlassen (Personalrabatte). Preisnachlässe, die auch im normalen
Geschäftsverkehr erzielt werden können, gehören dagegen nicht zum
steuerpflichtigen Arbeitslohn. Denn in diesem Fall fehlt es an einem aus dem
Arbeitsverhältnis stammenden Vorteil als einer Grundvoraussetzung für
Einkünfte i.S. des § 19 Abs. 1 Satz 1 EStG (vgl. Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 2. Februar 1990 VI R 15/86, BFHE 159, 513,
BStBl II 1990, 472; vom 4. Mai 2006 VI R 28/05, BFHE 213, 484, BStBl II
2006, 781). Erhält ein Arbeitnehmer auf Grund seines Dienstverhältnisses
Waren oder Dienstleistungen, die vom Arbeitgeber nicht überwiegend für den
Bedarf seiner Arbeitnehmer hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und
deren Bezug nicht nach § 40 EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach
§ 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als deren Werte abweichend von Abs. 2 die um 4 %
geminderten Endpreise, zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort
nächstansässige Abnehmer die Waren oder Dienstleistungen fremden
Letztverbrauchern im allgemeinen Geschäftsverkehr anbietet.
2. Gemessen daran hält die Vorentscheidung
revisionsrechtlicher Prüfung nicht stand. Auf Grundlage der vom FG
getroffenen tatsächlichen Feststellungen hat der Kläger durch den Erwerb des
PKW von seinem Arbeitgeber keinen lohnsteuerrechtlich erheblichen Vorteil
erlangt. Der Klage ist daher stattzugeben.
a) Ausgangsgröße der Ermittlung des
geldwerten, lohnsteuerrechtlich erheblichen, durch einen Personalrabatt
veranlassten Vorteils ist nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG der Endpreis, zu dem
das fragliche Fahrzeug fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr angeboten wird, der "Angebotspreis" (vgl. dazu BFH-Urteile
vom 4. Juni 1993 VI R 95/92, BFHE 171, 74, BStBl II 1993, 687; vom
5. September 2006 VI R 41/02, BFHE 214, 561, BStBl II 2007, 309; Thomas,
Beilage 6 zu Der Betrieb 2006, S. 58, 64). Dieser angebotene Endpreis i.S.
des § 8 Abs. 3 EStG ist grundsätzlich der unabhängig von Rabattgewährungen
nach der Preisangabenverordnung ausgewiesene Preis (BFH-Urteile in BFHE 171,
74, BStBl II 1993, 687; in BFHE 214, 561, BStBl II 2007, 309). Dieser Preis
ist aber kein typisierter und pauschalierter Wert, wie etwa der "inländische
Listenpreis" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG. Er gilt daher nur dann,
wenn nicht nach den Gepflogenheiten im allgemeinen Geschäftsverkehr
tatsächlich ein niedrigerer Preis gefordert wird. So liegt der Fall hier.
aa) Das FG ging unzutreffend davon aus,
dass die unverbindliche Preisempfehlung des Kraftfahrzeugherstellers diesen
Angebotspreis zutreffend wiedergibt.
Denn zu Recht verwies der Kläger insoweit
zum einen schon auf den gerichtsbekannten Umstand, dass spätestens seit der
Abschaffung des Rabattgesetzes und der Zugabeverordnung zum 25. Juli 2001
sowie unter Berücksichtigung der allgemeinen Marktentwicklung im
Kraftfahrzeughandel jedenfalls im Streitjahr (2003) die unverbindliche
Preisempfehlung in aller Regel nicht der Preis sei, zu dem Fahrzeuge im
allgemeinen Geschäftsverkehr angeboten werden, und dies auch bei dem vom
Kläger erworbenen Fahrzeugtyp der Fall sei. Diese Sachlage berücksichtigt im
Übrigen schon seit 1. Januar 1996 auch die Finanzverwaltung, wenn sie auf
Grundlage des BMF-Schreibens in BStBl I 1996, 114 - also noch vor
Abschaffung des Rabattgesetzes - für "Jahreswagen" als Endpreis i.S. des § 8
Abs. 3 EStG den Preis annimmt, der sich ergibt, wenn die Hälfte des
Preisnachlasses, der durchschnittlich beim Verkauf an fremde
Letztverbraucher im allgemeinen Geschäftsverkehr tatsächlich gewährt wird,
von dem empfohlenen Preis abgezogen wird.
Zum anderen liegen im Streitfall
entsprechende Feststellungen des FG vor, die dieses Vorbringen des Klägers
bestätigen. Denn danach ergab schon ohne Preis- und Vertragsverhandlungen
eine erste Anfrage des Automobilherstellers und Arbeitgebers bei einem
Autohaus, dass auf die unverbindliche Preisempfehlung des
Automobilherstellers ein Preisnachlass in Höhe von 8 % gewährt wurde.
Angesichts dessen kann höchstens dieser Preis von 16.483,63 € (17.916,99 € -
8 %) der angebotene Endpreis i.S. des § 8 Abs. 3 EStG sein. Denn zu diesem
Preis wurde das fragliche Fahrzeug im allgemeinen Geschäftsverkehr
angeboten.
bb) Schon unter Berücksichtigung dieses
Preises ergibt sich auf Grundlage des § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG mit dem dort
geregelten weiteren Abschlag in Höhe von 4 % und der Berücksichtigung des
Freibetrages nach § 8 Abs. 3 Satz 2 EStG in Höhe von 1.224 € entsprechend
nachstehender Berechnung kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil mehr:
b) Im Hinblick darauf kommt es nicht mehr
auf die weiteren Einwendungen des Klägers an, dass schon dem Grunde nach
kein lohnsteuerrechtlich erheblicher Vorteil vorliege, weil zu den
tatsächlich gewährten Rabattbedingungen Arbeitnehmer auch auf dem
allgemeinen Markt die Fahrzeuge hätten erwerben können, sowie, dass das FG
diesen Einwendungen im Rahmen seiner Aufklärungspflicht hätte nachgehen
müssen. Grundsätzlich wäre dieser Einwand allerdings beachtlich gewesen.
Denn behauptet ein Arbeitnehmer, der tatsächliche Angebotspreis für die
Ware, auf die ihm sein Arbeitgeber einen Rabatt gewährt hat, sei niedriger
als der Listenpreis, kann das FG bei der Ermittlung des im Rabatt liegenden
und als Arbeitslohn zu erfassenden Vorteils nicht ohne weiteres den
Listenpreis als Endpreis zugrunde legen. Dies galt für "Jahreswagen" schon
hinsichtlich der Gepflogenheiten in der Automobilindustrie im
Veranlagungszeitraum 1990 (vgl. dazu BFH-Urteil vom 5. Juli 1996 VI R 28/96,
BFH/NV 1996, 811) und gilt erst recht für das Streitjahr 2003.
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