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BFH-Urteil vom 9.7.2009
(II R 47/07) BStBl. 2010 II S. 74
Schenkungsteuer bei
Vermögensübertragungen auf rechtsfähige Stiftung
Übernimmt eine (mittelbar)
zum Vermögen einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge einer
Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen Geschäftsanteil zu
einer Einlage weit unter Wert, liegen darin keine freigebigen Zuwendungen an
die Begünstigten der Stiftung.
ErbStG § 1 Abs. 1, § 2 Abs. 1
Nr. 3, § 7 Abs. 1, § 20 Abs. 1 Satz 1; BewG § 121; AO § 88.
Vorinstanz: FG Münster vom
18. Oktober 2007 3 K 3325/05 Erb (EFG 2008, 313)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine österreichische Staatsangehörige, hat im
Inland weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt. Sie ist
neben weiteren Familienangehörigen Begünstigte einer rechtsfähigen
liechtensteinischen Stiftung. Diese Stiftung ist alleinige Gesellschafterin
einer luxemburgischen Holding, die ihrerseits alleinige Gesellschafterin der
in Deutschland ansässigen ... GmbH (GmbH 1) ist.
An der ebenfalls in
Deutschland ansässigen ... GmbH (GmbH 2) waren je zur Hälfte zwei in
Liechtenstein ansässige Unternehmen beteiligt, nämlich die A und die C. Die
Gesellschafterversammlung der GmbH 2 beschloss am 5. Februar 1998, das
Stammkapital um 22.500.000 DM zu erhöhen. Die unter Ausschluss der
bisherigen Gesellschafter zur Übernahme der neuen Stammeinlage zugelassene
GmbH 1 erbrachte diese Stammeinlage und ein Aufgeld von 7.500.000 DM in bar.
Da diese Leistungen der
GmbH 1 um 15.675.000 DM niedriger waren als der vom Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ermittelte gemeine Wert des nach der
Kapitalerhöhung auf diese GmbH entfallenden Geschäftsanteils, nahm das FA
an, es liege eine freigebige Zuwendung vor. Für den Fall, dass hierdurch
Schenkungsteuerpflicht eingetreten sei, einigten sich die nunmehrige
Prozessbevollmächtigte der Klägerin und das FA dahingehend, dass als
Schenker A und C und als Beschenkte die Begünstigten der Stiftung, d.h. u.a.
die Klägerin, in Betracht kämen. Es müsse lediglich noch geklärt werden, ob
Inlandsvermögen i.S. des § 2 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) i.V.m. § 121 des Bewertungsgesetzes (BewG)
geschenkt worden sei.
Das FA erließ daraufhin
gegen die Klägerin einen Schenkungsteuerbescheid für ihren Erwerb aus der
von ihm angenommenen Schenkung der A vom 5. Februar 1998 und berücksichtigte
dabei als Wert der Bereicherung der Klägerin entsprechend der früher
bestehenden hälftigen Beteiligung der A an der GmbH 2 und der gegenüber der
Stiftung bestehenden anteiligen Begünstigung der Klägerin von 25 % ein
Achtel des Unterschiedsbetrags von 15.675.000 DM zwischen dem gemeinen Wert
des nach der Kapitalerhöhung auf die GmbH 1 entfallenden Geschäftsanteils
und dem von der GmbH 1 gezahlten Entgelt, also 1.959.375 DM. In der
Einspruchsentscheidung setzte das FA die Steuer unter Gewährung des
Bewertungsabschlags gemäß § 13a Abs. 2 ErbStG nach einem Steuersatz von 35 %
(Steuerklasse III) auf 210.018 € herab. Gegenstand der Zuwendung sei ein
Viertel des der A an sich zustehenden anteiligen Bezugsrechts für den im
Rahmen der Kapitalerhöhung entstehenden neuen Geschäftsanteil. Dabei handle
es sich um Inlandsvermögen i.S. des § 121 Nr. 4 BewG.
In einem vor dem
Finanzgericht (FG) durchgeführten Erörterungstermin kamen die Beteiligten zu
einer "tatsächlichen Verständigung", nach der im Rahmen der Kapitalerhöhung
der GmbH 2 gemäß Beschluss vom 5. Februar 1998 aufgrund der
Beteiligungsstruktur der unmittelbar und mittelbar beteiligten
Gesellschaften als Schenker nur A sowie C und als Beschenkte nur die
Begünstigten der Stiftung, d.h. u.a. die Klägerin, in Betracht kommen.
Das FG gab der Klage durch
das in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 313 veröffentlichte Urteil
mit der Begründung statt, es liege kein steuerpflichtiger Erwerb der
Klägerin von A vor. Die Klägerin sei mangels substantieller Bereicherung
nicht Empfängerin einer durch die Kapitalerhöhung bewirkten Zuwendung.
Inhaber des neuen Geschäftsanteils an der GmbH 2 sei nämlich die GmbH 1
geworden. Die Klägerin habe allenfalls wirtschaftlich von der
Kapitalerhöhung profitiert. Die von den Beteiligten getroffene "tatsächliche
Verständigung" sei nicht rechtsverbindlich.
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG. Entgegen der Ansicht des FG liege
eine freigebige Zuwendung der A an die Klägerin vor. Die GmbH 1 sei durch
den ohne angemessene Gegenleistung erfolgten originären Erwerb des neuen
Geschäftsanteils an der GmbH 2 substantiell bereichert worden. Dieser
Vermögenserwerb sei der Klägerin als Begünstigter der mittelbar an der GmbH
1 beteiligten Stiftung anteilig zuzurechnen. Der von der Klägerin demnach
anteilig erworbene neue Geschäftsanteil stelle Inlandsvermögen i.S. § 2
Abs. 1 Nr. 3 ErbStG i.V.m. § 121 Nr. 4 BewG dar.
Das FA beantragt, die
Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet
und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-). Das FG hat zu Recht angenommen, dass der angefochtene
Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung rechtswidrig
ist und daher keinen Bestand haben konnte.
1. Es liegt keine freigebige
Zuwendung der A an die Klägerin vor.
a) Der Schenkungsteuer
unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede
freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des
Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1
des Bürgerlichen Gesetzbuchs). Erforderlich hierfür ist eine
Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des
Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteile
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291,
BStBl II 1985, 382, und vom 7. November 2007 II R 28/06, BFHE 218, 414,
BStBl II 2008, 258). Wer Zuwendender ist, bestimmt sich nach der
Ausgestaltung der geschlossenen Verträge unter Einbeziehung ihrer
inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung
erkennbar angestrebten Zielen der Parteien (BFH-Urteile vom 10. März 2005
II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412, und in BFHE 218, 414, BStBl
II 2008, 258).
Bei der Prüfung, wer als
Zuwendender und Bedachter an einer freigebigen Zuwendung beteiligt ist,
kommt es auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach
wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist;
denn die Schenkungsteuer ist Verkehrsteuer (BFH-Urteile vom 29. November
2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, und in BFHE 218, 414,
BStBl II 2008, 258).
Wird unter Lebenden Vermögen
unentgeltlich auf eine rechtsfähige Stiftung übertragen, kann es sich um
eine unter § 7 Abs. 1 Nr. 8 Satz 1 ErbStG fallende Erstausstattung der
Stiftung oder um eine freigebige Zuwendung unter Lebenden an die Stiftung
(§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) handeln (BFH-Urteil vom 11. Juni 2008 II R 60/06,
BFH/NV 2008, 2026). In beiden Fällen ist die Stiftung als Erwerberin
Steuerschuldnerin (§ 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG). Eine freigebige Zuwendung an
die Begünstigten der Stiftung liegt in solchen Fällen nicht vor. Dies ergibt
sich auch aus § 7 Abs. 1 Nr. 9 Satz 1 ErbStG, wonach als Schenkung unter
Lebenden gilt, was bei Aufhebung einer Stiftung erworben wird, aus der
Besteuerung der Familienstiftungen nach § 1 Abs. 1 Nr. 4 ErbStG und den in
§ 15 Abs. 2 ErbStG enthaltenen Vorschriften für die Besteuerung von
Vorgängen im Zusammenhang mit Stiftungen. Diese Vorschriften setzen voraus,
dass bei Vermögensübertragungen auf eine rechtsfähige Stiftung diese selbst
die Erwerberin i.S. des § 20 Abs. 1 Satz 1 ErbStG ist und damit keine
freigebige Zuwendung an die Begünstigten der Stiftung vorliegt.
Diese Rechtsfolge muss auch
in den Fällen gelten, in denen sich der Wert des Stiftungsvermögens durch
unentgeltliche Vorgänge bei Gesellschaften (mittelbar) erhöht, an denen die
Stiftung unmittelbar oder mittelbar beteiligt ist. Übernimmt eine
(mittelbar) zum Vermögen einer rechtsfähigen Stiftung gehörende GmbH im Zuge
einer Kapitalerhöhung bei einer anderen Gesellschaft den neuen
Geschäftsanteil zu einer Einlage weit unter Wert, liegen darin keine
freigebigen Zuwendungen an die Begünstigten der Stiftung.
b) Die Voraussetzungen einer
freigebigen Zuwendung der A an die Klägerin sind somit nicht erfüllt. Die
Klägerin hat aufgrund der getroffenen zivilrechtlichen Vereinbarungen weder
ein anteiliges Bezugsrecht noch einen Anteil an dem neuen Geschäftsanteil an
der GmbH 2 erhalten. Es hat sich vielmehr allenfalls der Wert ihrer
Begünstigung durch die Stiftung erhöht. Dieser lediglich wirtschaftliche
Vorteil war nicht Gegenstand einer Vermögensverschiebung von A auf die
Klägerin, wurde vom FA nicht der Besteuerung unterworfen und stellt zudem
kein der beschränkten Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG
unterliegendes Inlandsvermögen i.S. des § 121 BewG dar.
2. Der angefochtene
Schenkungsteuerbescheid in Gestalt der Einspruchsentscheidung kann auch
nicht auf die im finanzgerichtlichen Verfahren getroffene "tatsächliche
Verständigung" oder die bereits vor Erlass des Bescheids erzielte Einigung
zwischen der nunmehrigen Prozessbevollmächtigten der Klägerin und dem FA
gestützt werden.
a) Der BFH hat die
Zulässigkeit tatsächlicher Verständigungen grundsätzlich anerkannt. Zweck
der tatsächlichen Verständigung ist es, zu jedem Zeitpunkt des
Besteuerungsverfahrens hinsichtlich bestimmter Sachverhalte, deren Klärung
schwierig, aber zur Festsetzung der Steuer notwendig ist, den möglichst
zutreffenden Besteuerungssachverhalt i.S. des § 88 der Abgabenordnung
einvernehmlich festzulegen. Die Bindungswirkung einer derartigen
Vereinbarung setzt voraus, dass sie sich auf Sachverhaltsfragen, nicht aber
auf Rechtsfragen bezieht, dass der Sachverhalt die Vergangenheit betrifft,
dass die Sachverhaltsermittlung erschwert ist, dass auf Seiten der
Finanzbehörde ein für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung
zuständiger Amtsträger beteiligt ist und dass die tatsächliche Verständigung
nicht zu einem offensichtlich unzutreffenden Ergebnis führt (BFH-Urteil vom
8. Oktober 2008 I R 63/07, BFHE 223, 194, BStBl II 2009, 121, mit
zahlreichen weiteren Nachweisen).
b) Die Verfahrensbeteiligten
konnten danach nicht abweichend von der materiellen Rechtslage wirksam
vereinbaren, dass der teilentgeltliche Erwerb des neuen Geschäftsanteils an
der GmbH 2 durch die GmbH 1 eine freigebige Zuwendung der Gesellschafter der
GmbH 2 an die Begünstigten der Stiftung und somit auch an die Klägerin
darstelle. Es handelt sich dabei nicht um eine Einigung über eine
Sachverhaltsfrage, sondern um ein weder die Beteiligten noch das Gericht
bindendes Einvernehmen über die materielle Rechtslage.
3. Es kann danach auf sich
beruhen, ob das FA ausgehend von seinem Standpunkt, es liege eine freigebige
Zuwendung der A an die Klägerin vor, zu Recht zwar den Bewertungsabschlag
nach § 13a Abs. 2 ErbStG, nicht aber die Tarifbegrenzung nach § 19a ErbStG
angewandt hat. Ein Grund für diese Differenzierung wurde vom FA nicht
angeführt und ist auch nicht ersichtlich.
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