| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 23.7.2009 (V R 66/07) BStBl. 2010 II S. 86
1.
Die Vorsteuerpauschalierung zum Zwecke der Vereinfachung des
Besteuerungsverfahrens nach § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV für bestimmte
Berufsgruppen erfordert, dass das FA den Unternehmer leicht und eindeutig
einer der in § 70 UStDV genannten Berufsgruppe zuordnen kann.
2.
Übersetzer sind keine "Schriftsteller" im Sinne der Anlage zu den §§ 69 und
70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5. Eine einzelfallorientierte Zuordnung von
Übersetzern zu dieser Berufsgruppe oder von Untergruppen der Übersetzer
(Literaturübersetzer, Fachübersetzer), je nach der Übersetzungstiefe oder
dem wissenschaftlichen Gehalt der Übersetzung, widerspricht dem
Vereinfachungszweck.
UStG 1999 § 23; UStDV § 70 Anlage zu den
§§ 69 und 70 Abschn. A IV. Nr. 5.
Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom
18. Juli 2007 3 K 93/03 (EFG 2007, 1914)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) ist selbständige Übersetzerin und hat im
Streitjahr 2000 mehrere Bücher der Unterhaltungsliteratur aus dem Englischen
und Französischen ins Deutsche übersetzt. Sie ermittelt ihre Gewinne nach
§ 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG).
In ihrer
Umsatzsteuererklärung 2000 machte die Klägerin Vorsteuern in Höhe von
965,54 DM geltend, die sie nach dem Durchschnittssatz von 2,6 % ihrer
Umsätze berechnet hatte, der nach § 23 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)
i.V.m. § 70 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) Anlage zu den
§§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5 für die Berufsgruppe der
Schriftsteller gilt.
Demgegenüber berücksichtigte
der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die Vorsteuern
lediglich in der durch Rechnungen nachgewiesenen tatsächlichen Höhe von
417,30 DM.
Der hiergegen erhobenen
Klage, mit der die Klägerin geltend gemacht hatte, ihr stehe als
Übersetzerin ebenso wie einem Schriftsteller ein Vorsteuerabzug nach
Durchschnittssätzen von 2,6 % zu, gab das Finanzgericht (FG) mit den in
"Entscheidungen der Finanzgerichte" 2007, 1914 veröffentlichten Gründen
statt.
Das FG führte aus, die
Klägerin könne den für Schriftsteller geltenden Durchschnittssteuersatz
geltend machen, weil sie geschriebene Werke mit unterhaltendem Inhalt
"geschaffen" habe. Für die Auslegung des Begriffs "Werk" sei maßgeblich auf
das Urheberrecht abzustellen. Nach § 3 des Urhebergesetzes (UrhG) würden
Übersetzungen wie selbständige Werke geschützt, wenn sie persönliche,
geistige Schöpfungen des Bearbeiters seien. Hiervon könne bei der
Übersetzung von Belletristik ausgegangen werden. Urheberrechtlich komme es
nicht auf ein besonderes literarisches Niveau des Ursprungstextes an (Urteil
des Bundesgerichtshofs vom 15. September 1999 I ZR 57/97, Neue Juristische
Wochenschrift 2000, 140 zur Übersetzung von Comics). Im Unterschied zur
urheberrechtlichen Sicht habe der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem zum
pauschalierten Betriebsausgabenabzug ergangenen Urteil vom 30. Oktober 1975
IV R 142/72 (BStBl II 1976, 192) für die Gleichsetzung eines Übersetzers mit
einem Schriftsteller die Erfüllung bestimmter Mindestanforderungen verlangt.
Hiernach genüge allein die Übertragung von Texten in eine andere Sprache
nicht. Erforderlich sei vielmehr, dass die Übersetzung durch Elemente der
Sprachschöpfung, der Nachschöpfung und des kongenialen Erfassens der
inhaltlichen und formalen Gedanken des Autors geprägt sei. Diese
Voraussetzungen seien erfüllt, wie sich aus einer von der Klägerin
vorgelegten Textanalyse ergebe, in der sie näher erläutert habe, weshalb die
möglichst authentische Übertragung eines Ursprungswerkes einen kreativen
Umgang mit den Ursprungstexten erforderlich mache.
Hiergegen wendet sich das FA
mit der Revision. Das FG habe § 23 UStG i.V.m. der Anlage zu den §§ 69 und
70 UStDV unzutreffend ausgelegt, weil die Klägerin als Übersetzerin keine
geschriebenen Werke mit überwiegend wissenschaftlichem, unterhaltendem oder
künstlerischem Inhalt geschaffen habe. Auch unterscheide sich die Tätigkeit
eines Übersetzers hinsichtlich der Aufwendungen von der eines
Schriftstellers, der in vielen Fällen zur Literaturrecherche Reisekosten,
Milieustudien oder Literaturrecherchen tätige. Nach der Gewinn- und
Verlustrechnung der Klägerin seien nur in sehr geringem Umfang derartige
Aufwendungen enthalten.
Das FA beantragt, das Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Die Voraussetzung für die
Durchschnittsbesteuerung als Schriftsteller, die "Schaffung eines
geschriebenen Werkes", sei erfüllt, weil § 3 UrhG Übersetzern denselben
urheberrechtlichen Schutz wie Autoren gewähre. Die hierfür erforderliche
Schöpfungstiefe sei zwar nicht bei Fachübersetzern, jedoch bei
Literaturübersetzern gegeben, die deshalb auch als "Werkschaffende"
anzusehen seien. Die in der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV genannten
Berufsgruppen seien weit auszulegen, da in den Umsatzsteuer-Richtlinien
(Abschn. 261 Abs. 6) auch Komponisten als Schriftsteller anerkannt seien.
Angesichts der "offenkundigen Gleichbehandlungsmaxime" des Gesetzgebers,
insbesondere der Gleichstellung der Übersetzer mit den Schriftstellern in
§ 18 EStG, sei eine Ungleichbehandlung zwischen Literaturübersetzern und
Schriftstellern nicht nachvollziehbar. Dies decke sich auch mit der Wertung
des § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. c UStG, wonach die Wahrnehmung von Rechten aus
dem UrhG dem begünstigten Steuersatz unterliege. Damit übereinstimmend seien
im Verband deutscher Schriftsteller sowohl Autoren als auch Übersetzer zur
Mitgliedschaft berechtigt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat zu Unrecht den Vorsteuerabzug
der Klägerin nach den Durchschnittssätzen für Schriftsteller bemessen, da
die Berufsgruppe der Übersetzer nicht zu der Berufsgruppe der Schriftsteller
im Sinne der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV Abschn. A IV. Nr. 5 gehört.
1. Gemäß § 23 UStG kann das
Bundesministerium der Finanzen mit Zustimmung des Bundesrates zur
Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens Gruppen von Unternehmern, bei denen
hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd gleiche Verhältnisse
vorliegen und die nicht verpflichtet sind, Bücher zu führen und aufgrund
jährlicher Bestandsaufnahmen regelmäßig Abschlüsse zu machen, durch
Rechtsverordnung Durchschnittssätze für die nach § 15 UStG abziehbaren
Vorsteuerbeträge festsetzen. Nach der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV
Abschn. A IV. Nr. 5 werden Durchschnittssätze in Höhe von 2,6 % bestimmt für
freiberuflich tätige Schriftsteller, "die geschriebene Werke mit überwiegend
wissenschaftlichem, unterhaltendem oder künstlerischem Inhalt schaffen".
2. Entgegen der Rechtsauffassung des FG
gehören Übersetzer nicht zu der in der Anlage zu den §§ 69 und 70 Abschn. A
IV. Nr. 5 UStDV genannten Berufsgruppe der Schriftsteller, denn Übersetzer
schaffen keine eigenen Werke, sondern übertragen fremde Werke in eine andere
Sprache. Auch ist die Berufsgruppe der Übersetzer hinsichtlich ihrer
verschiedenartigen Tätigkeitsbereiche (Literaturübersetzer, Dolmetscher,
Fachübersetzer) zu uneinheitlich, als dass sie ohne Regelung des
Verordnungsgebers in der Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV im Rahmen einer
Vereinfachungsregelung der Berufsgruppe der Schriftsteller zugeordnet werden
könnte.
a) Bei der Ermächtigung des § 23 UStG an
den Verordnungsgeber zur Festlegung von Durchschnittssätzen für bestimmte
Berufsgruppen handelt es sich um eine Ausnahmeregelung zum allgemeinen
Grundsatz, wonach Vorsteuerbeträge nach § 15 UStG durch Vorlage von
Rechnungen im Einzelnen nachzuweisen sind. Ausnahmeregelungen sind
grundsätzlich eng auszulegen (Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften vom 14. Juni
2007 Rs. C-434/05, Horizon College, Slg. 2007, I-4793, BFH/NV Beilage 2007,
389 Rdnr. 16).
b) Gegen die Zuordnung der Übersetzer zu
den Schriftstellern spricht weiter, dass der Gesetzgeber in § 18 EStG in der
Aufzählung der freien Berufe neben der Berufsgruppe der Schriftsteller die
Berufsgruppen der "Dolmetscher und Übersetzer" gesondert benannt hat. Hätte
er die Übersetzer bereits der Berufsgruppe der Schriftsteller zugerechnet,
hätte es der gesonderten Nennung nicht bedurft. Wenn der Verordnungsgeber
darüber hinaus in § 70 UStDV die Vorsteuerpauschalierung weiter einschränkt
auf diejenigen Schriftsteller, die "geschriebene Werke mit überwiegend
wissenschaftlichem, unterhaltendem oder künstlerischem Inhalt schaffen",
kann - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht davon ausgegangen
werden, dass der Begriff "Schriftsteller" in der Anlage zu den §§ 69 und 70
UStDV im Gegensatz zu § 18 EStG auch die Übersetzer umfasst.
c) Auch die Regelung des § 3 UrhG, wonach
Übersetzungen als "Bearbeitung" eines Werkes und nicht - wie nach § 70 UStDV
erforderlich - als "Schaffung" eines Werkes bezeichnet werden, zeigt, dass
der Gesetzgeber die Übersetzer nicht der Berufsgruppe der Schriftsteller
zurechnet. Inwieweit Übersetzungen unter den Schutz des UrhG fallen, ist für
die hier zu entscheidende Frage, ob Übersetzer der Gruppe der Schriftsteller
zuzurechnen sind, unerheblich.
d) Die Unterscheidung zwischen der
Berufsgruppe der Übersetzer und der Schriftsteller durch den
Verordnungsgeber ist auch nicht willkürlich. Denn nach § 23 UStG setzt die
Anwendung der Durchschnittssätze voraus, dass bei einer Berufsgruppe
hinsichtlich des Vorsteuerabzugs annähernd gleiche Verhältnisse vorliegen.
Wie das FA zutreffend ausführt, kommen bei Schriftstellern, die eigene Werke
schaffen, in vielen Fällen Vorsteuerbeträge im Zusammenhang mit einer
Reisetätigkeit, bei Milieustudien oder bei der Literaturrecherche in
Betracht, die bei einer Übersetzungstätigkeit regelmäßig fehlen.
e) Entgegen der Rechtsauffassung des FG
ergibt sich auch aus dem BFH-Urteil vom 30. Oktober 1975 IV R 142/72 (BFHE
117, 456, BStBl II 1976, 192) für die Anwendung des Durchschnittssatzes beim
Vorsteuerabzug nichts anderes. Die Entscheidung betrifft die Frage, ob ein
Übersetzer die im Erlass eines Bundeslandes geregelte
Betriebsausgabenpauschale für eine hauptberufliche, selbständige
schriftstellerische oder journalistische Tätigkeit beanspruchen kann. Dies
bejaht die Entscheidung mit der Begründung, zwar sei eine
Übersetzungstätigkeit grundsätzlich keine schriftstellerische Tätigkeit.
Ausnahmsweise könne jedoch die Tätigkeit als international anerkannter
Übersetzer wichtiger, insbesondere lyrischer Werke der Weltliteratur der
eigenschöpferischen, schriftstellerischen Tätigkeit vergleichbar sein.
Eine einzelfallorientierte Entscheidung
widerspräche Inhalt und Zweck der Ermächtigung in § 23 UStG. Denn danach
dürfen nur "zur Vereinfachung des Besteuerungsverfahrens für Gruppen von
Unternehmern, bei denen hinsichtlich der Besteuerungsgrundlagen annähernd
die gleichen Verhältnisse vorliegen", Durchschnittssätze für den
Vorsteuerabzug festgesetzt werden. Die Pauschalierungen in Abschn. A der
Anlage zu den §§ 69 und 70 UStDV sind Schätzungen i.S. von § 162 der
Abgabenordnung, die auf den Erfahrungen der Finanzbehörden für die benannten
Berufsgruppen beruhen. Denn es würde dem in § 23 UStG ausdrücklich genannten
Vereinfachungszweck widersprechen, wenn die Anwendung der
Vereinfachungsvorschrift des § 23 UStG i.V.m. § 70 UStDV von Textanalysen
oder dem im BFH-Urteil in BFHE 117, 456, BStBl II 1976, 192 genannten
Gutachten zur Übersetzungstiefe abhinge.
f) Da in § 23 UStG die
Durchschnittssatzbesteuerung auf bestimmte Berufsgruppen beschränkt ist,
kann der Senat entgegen der Rechtsansicht der Klägerin auch nicht bestimmte
Untergruppen von nicht genannten Berufen einer in § 70 UStDV genannten
Berufsgruppe gleichstellen. Die Unterscheidung zwischen
Literaturübersetzern, die die Klägerin regelmäßig den Schriftstellern
gleichstellen will, und Fachübersetzern, denen die Klägerin nur
ausnahmsweise die nach dem UrhG erforderliche Schöpfungstiefe zuerkennt,
würde im Übrigen schon wegen der zusätzlichen Abgrenzungsschwierigkeiten dem
Vereinfachungszweck der Vorschrift widersprechen.
3. Da das FA die von der Klägerin
tatsächlich nachgewiesenen Vorsteuerbeträge berücksichtigt hat, war das
Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
|