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BFH-Urteil vom 15.1.2009 (VI R 37/06) BStBl. 2010 II S. 111
1.
Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG greift nicht, wenn das Strafgericht dem
Steuerpflichtigen zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten
Schadens eine Geldauflage nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB erteilt.
2.
§ 12 Nr. 4 EStG begründet nur für Auflagen und Weisungen ein Abzugsverbot,
die als strafähnliche Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung für das
begangene Unrecht zu schaffen.
3.
Ausgleichszahlungen an das geschädigte Tatopfer fallen dagegen nicht unter
das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG. Solche Zahlungen sind nach den
allgemeinen Grundsätzen als Betriebsausgaben oder Werbungskosten
abzugsfähig.
4.
Der Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4 EStG wird nicht dadurch eröffnet, dass
die Auflage nach § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, den durch die Tat
verursachten Schaden wieder gut zu machen, zugleich der Genugtuung für das
begangene Unrecht dient.
EStG § 12 Nr. 4; StGB § 56b Abs. 2 Satz 1
Nr. 1.
Vorinstanz: FG München vom 18. Oktober 2005
13 K 1078/03 (EFG 2006, 1666)
Sachverhalt
I.
Die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) werden zur Einkommensteuer des Streitjahres
(2001) zusammen veranlagt. Der Kläger bezieht als Diplom-Ingenieur bei der
Baufirma A AG, Niederlassung B, Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Im
Zusammenhang mit unzulässigen Preisabsprachen unter Baufirmen wurde der
Kläger mit rechtskräftigem Urteil des Landgerichts (LG) wegen versuchten
gemeinschaftlichen Betrugs und in zwei Fällen des Betrugs zu einer
Gesamtstrafe von zehn Monaten verurteilt; die Strafe wurde gemäß § 56
Abs. 1, Abs. 3 des Strafgesetzbuchs (StGB) zur Bewährung ausgesetzt. Mit
Beschluss vom gleichen Tage wurde die Bewährungszeit auf zwei Jahre
festgesetzt und dem Kläger u.a. zur Auflage gemacht, zu Gunsten eines
Geschädigten als Schadenswiedergutmachung einen Geldbetrag von 100.000 DM zu
bezahlen. Der Kläger erfüllte die Auflage am 18. Dezember 2001, nachdem ihm
sein Arbeitgeber einen entsprechenden Geldbetrag zur Verfügung gestellt
hatte.
In der
Einkommensteuererklärung für das Streitjahr setzte der Kläger den ihm vom
Arbeitgeber erstatteten Betrag in Höhe von 100.000 DM als zusätzlichen
Arbeitslohn an; andererseits machte er den an den Geschädigten bezahlten
Betrag in Höhe von 100.000 DM als Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit geltend, die vom Beklagten und Revisionskläger
(Finanzamt - FA -) nicht berücksichtigt wurden.
Das Finanzgericht (FG) gab
der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage mit den in Entscheidungen
der Finanzgerichte 2006, 1666 veröffentlichten Gründen statt.
Mit der Revision rügt das FA
die Verletzung materiellen und formellen Rechts.
Das FA beantragt, das Urteil
des FG München vom 18. Oktober 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FG hat die dem Kläger vom LG auferlegte
Zahlung zu Recht als Werbungskosten bei den Einkünften aus
nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt. Es ist dabei von zutreffenden
rechtlichen Erwägungen ausgegangen. Seine tatsächliche Würdigung ist
naheliegend; sie verstößt nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze.
1. Das FG ging - wie zwischen den
Beteiligten auch nicht streitig ist - zutreffend davon aus, dass die dem
Kläger vom LG erteilte Auflage Folge schuldhafter Handlungen ist, die im
Rahmen der beruflichen Aufgabenerfüllung des Klägers liegen (vgl. dazu
Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 2007 VI R 42/04, BFHE
219, 197, BStBl II 2008, 223, unter B.II.1.), und damit als durch den Beruf
des Klägers veranlasst (§ 9 Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes - EStG
-) anzusehen ist.
2. Dem Werbungskostenabzug der
festgesetzten Geldauflage steht im Streitfall die Vorschrift des § 12 Nr. 4
EStG nicht entgegen.
a) § 12 Nr. 4 EStG bestimmt, dass in einem
Strafverfahren festgesetzte Geldstrafen, sonstige Rechtsfolgen
vermögensrechtlicher Art, bei denen der Strafcharakter überwiegt, und
Leistungen zur Erfüllung von Auflagen und Weisungen, soweit die Auflagen und
Weisungen nicht lediglich der Wiedergutmachung des durch die Tat
verursachten Schadens dienen, weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch
beim Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden dürfen.
b) Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 4 EStG
greift folglich nur bei Auflagen und Weisungen, die als strafähnliche
Sanktionen die Aufgabe haben, Genugtuung für das begangene Unrecht zu
schaffen. Zahlungen zum Ausgleich von Schäden fallen dagegen nicht unter das
Abzugsverbot. Solche Zahlungen sind nach den allgemeinen Grundsätzen als
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abzugsfähig. Dies gilt auch für
Auflagen, die im strafgerichtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung von
verursachten Schäden gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 der Strafprozessordnung (StPO)
und § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Jugendgerichtsgesetzes (JGG) auferlegt
werden (Arndt, in: Kirchhof/ Söhn/Mellinghoff, EStG, § 12 Rz E 9b; Nolde in
Herrmann/ Heuer/Raupach, § 12 EStG Rz 112; Schmidt/Drenseck, EStG,
27. Aufl., § 12 Rz 55; Kurzeja in Littmann/Bitz/Pust, Das
Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 12 Rz 217; Rundshagen in Korn, § 12 EStG
Rz 54; Blümich/Lindberg, § 12 EStG Rz 152; Dürr in Frotscher, EStG,
6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 12 Rz 148; Bordewin, Finanz-Rundschau 1984,
405 <410>; a.A. Claßen in Lademann, EStG, § 12 EStG Rz 76). Die im Rahmen
solcher Auflagen zu erbringenden Leistungen dürfen nur angeordnet werden,
sofern das unmittelbar geschädigte Tatopfer dem Grunde und der Höhe nach
einen entsprechenden zivilrechtlichen Schadensersatzanspruch hat (Hubrach in
Strafgesetzbuch Leipziger Kommentar, 12. Aufl. 2008, § 56b Rz 5). Auflagen
zur Schadenswiedergutmachung zeichnen damit lediglich die zivilrechtliche
Schadensersatzpflicht nach, auf die sie angerechnet werden. Erweist sich der
durch eine Auflage festgesetzte Betrag aufgrund eines späteren Zivilurteils
als zu hoch, kann der Täter deshalb den zuviel gezahlten Betrag vom
Geschädigten zurückfordern (Hubrach, a.a.O., § 56b Rz 7). Soweit die
Leistung von Schadensersatz nicht als ausreichende Genugtuung angesehen
wird, bleibt nach herrschender Meinung in der strafrechtlichen Literatur
nur, dem Täter weitere Auflagen, beispielsweise nach § 56b Abs. 2 Satz 1
Nr. 2 bis Nr. 4 StGB zu erteilen, nicht aber eine die Grenzen der
zivilrechtlichen Ersatzpflichten überschreitende Wiedergutmachung
aufzuerlegen (Hubrach, a.a.O., § 56b Rz 5 ff.; Fischer, StGB, 55. Aufl.
2008, § 56b Rz 6; Lackner/Kühl, StGB, 26. Aufl. 2007, § 56b Rz 3 a;
Jescheck/Weigend, Lehrbuch des Strafrechts, 5. Aufl. 1996, S. 834).
Strafgerichtliche Auflagen gemäß § 56b Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 59a
Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 StGB, § 153a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 StPO und § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 JGG zielen damit lediglich auf die Schadenswiedergutmachung.
c) Der Anwendungsbereich des § 12 Nr. 4
EStG ist nicht dadurch eröffnet, dass die Auflage, den durch die Tat
verursachten Schaden wieder gut zu machen, zugleich der Genugtuung für das
begangene Unrecht dient (§ 56b Abs. 1 Satz 1 StGB; Stree in
Schönke/Schröder, StGB, 27. Aufl. 2006, § 56b Rz 5).
Denn dem Täter wird durch eine solche
Auflage kein besonderes Opfer abverlangt. Der Ausgleich für das begangene
Unrecht erschöpft sich in der bloßen, einer strafbewehrten
Schadenswiedergutmachung immanenten, Erfüllung zivilrechtlicher
Ersatzpflichten. Das in § 12 Nr. 4 EStG geregelte Abzugsverbot greift
dagegen nur insoweit, als die wirtschaftliche Belastung durch eine Auflage
finalen Sanktionscharakter hat (Rundshagen, a.a.O.).
d) Ein Betriebsausgaben- oder
Werbungskostenabzug strafgerichtlich auferlegter Schadensersatzzahlungen
führt auch nicht zu einer von der Rechtsordnung zu missbilligenden
(Doppel-)Begünstigung eines Straftäters. Betrieblich oder beruflich
veranlasster Schadensersatz ist Erwerbsaufwand, der einkünftemindernd zu
berücksichtigen ist. Für die steuerliche Beurteilung macht es keinen
Unterschied, ob der Ersatzanspruch auflagenbewehrt oder ohne
strafrichterliche Auflage erfüllt wird.
e) Nach diesen Grundsätzen ist die
Entscheidung des FG nicht zu beanstanden. Das FG hat den Sachverhalt
dahingehend gewürdigt, dass dem Kläger die Auflage lediglich zur
Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens nach § 56b Abs. 2
Satz 1 Nr. 1 StGB erteilt worden sei. Es hat dies insbesondere damit
begründet, dass das LG bei der Erteilung der Auflage ausdrücklich auf die
"Schadenswiedergutmachung" abgestellt und berücksichtigt habe, dass dem
Zahlungsempfänger durch das strafwürdige Verhalten des Klägers ein über dem
auferlegten Zahlungsbetrag liegender Schaden entstanden sei.
Diese Würdigung ist naheliegend. Sie
verstößt weder gegen Denkgesetze noch Erfahrungssätze, so dass der Senat
hieran mangels zulässiger und begründeter Revisionsrügen gemäß § 118 Abs. 2
FGO gebunden ist (BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 VI R 12/07, BFH/NV 2008,
1997, m.w.N.).
3. Die Rüge des FA, die Vorinstanz habe den
Sachverhalt mangelhaft aufgeklärt, wurde nicht schlüssig erhoben (vgl. z.B.
BFH-Urteil vom 5. März 2008 X R 48/06, BFH/NV 2008, 1463, unter II. 2. der
Gründe).
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