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BFH-Urteil vom 25.6.2009
(IX R 49/08) BStBl. 2010 II S. 122
Bei einer sozialpädagogischen
Lebensgemeinschaft sind die Aufwendungen für Gemeinschaftsräume, die sowohl
der eigenen Wohnnutzung des Steuerpflichtigen und seiner Familie wie auch
der (entgeltlichen) Betreuung der in die Familie integrierten fremden Kinder
dienen, regelmäßig nach der Zahl der der Haushaltsgemeinschaft zugehörigen
Personen aufzuteilen.
EStG § 9 Abs. 1 Satz 1,
Satz 3 Nr. 7 Satz 1, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 2.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom
25. September 2008 11 K 1232/07 E (EFG 2009, 475)
Sachverhalt
I.
Die im Streitjahr 2003
zusammen zur Einkommensteuer veranlagten Kläger und Revisionsbeklagten
(Kläger) leben seit September 2003 nicht nur mit ihren beiden leiblichen
Kindern im gemeinsamen Haushalt, sondern mit drei weiteren Kindern. Mit
diesen gründete die Klägerin als Heilpädagogin eine sozialpädagogische
Lebensgemeinschaft (SPLG). Hieraus erzielt sie Einkünfte aus selbständiger
Arbeit. Im Rahmen einer derartigen SPLG sollen junge Menschen mit
erheblichen familiären Problemen unter Betreuung von Fachkräften in eine
intakte Familie einbezogen werden, um ihnen Zukunftsperspektiven zu eröffnen
sowie eine schulische, berufliche und soziale Integration zu ermöglichen.
Träger der SPLG der Klägerin ist das ... heilpädagogische Kinderheim mit
Sitz in X. Für jedes betreute Kind wird eine monatliche Abrechnung für das
zuständige Jugendamt erstellt. Das Betreuungshonorar beinhaltet u.a.
anteilige Raumkosten. Dieser Kostensatz wird in Anlehnung an den
"Rahmenvertrag I NRW" über eine Aufteilung der gesamten Wohnkosten nach
Köpfen ermittelt.
Die Kläger trugen dem
gestiegenen Wohnbedarf durch die Gründung der SPLG in der Weise Rechnung,
dass der Kläger im Juni 2003 ein Einfamilienhaus erwarb, bestehend aus fünf
Kinderzimmern, zwei Badezimmern, einem Elternschlaf- und Arbeitszimmer,
einer Küche, einem Wohnzimmer und einem Keller. Elternschlafzimmer und
Arbeitszimmer befinden sich im Dachgeschoss und sind durch Regale als
Raumteiler voneinander getrennt.
Mit Vertrag vom August 2003
vermietete ab September 2003 der Kläger der Klägerin drei Kinderzimmer, das
von den Projektkindern genutzte Bad sowie das Arbeitszimmer im Dachgeschoss.
Des Weiteren wurde in dem Mietvertrag die Mitbenutzung der
Gemeinschaftsräume (Küche, Wohn- und Essbereich sowie Diele und Garten)
eingeräumt.
Die Kläger machten für das
Streitjahr u.a. bei den Werbungskosten im Rahmen der Einkünfte des Klägers
aus Vermietung und Verpachtung anteilige Absetzungen für Abnutzung (AfA) für
die gemeinschaftlich genutzten Räume geltend. Als Aufteilungsmaßstab wurde
die Relation der betreuten Kinder (drei) zur Gesamtbewohnerzahl des Hauses
(sieben) gewählt. Im Einzelnen ergab sich für die an die SPLG vermieteten
Räume ein Nutzungsanteil von 30,76 % an der Gesamtwohnfläche des Hauses
(60 qm von 195 qm). Aus der Aufteilung der gemeinsam genutzten Flächen ergab
sich ein auf die Vermietung entfallender Nutzungsanteil von 19,12 %
(37,29 qm von 195 qm). Insgesamt machte der Kläger im Rahmen der
AfA-Berechnung einen Anteil an der Gesamtfläche von 49,89 % geltend. Für die
anteilige Nutzungszeit im Streitjahr (vier Monate) ermittelte der Kläger
eine Gesamt-AfA von 1.591 €. Davon ordnete er 794 € den Werbungskosten bei
den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zu. Ferner machte der Kläger
AfA in Höhe von 535,32 € für die Möblierung der Küche, die Beschaffung von
Kücheninventar, Kellerregale, Essgruppe sowie Regale im Wohnzimmer geltend,
welche wegen erhöhter Beanspruchung auf acht Jahre abzuschreiben seien.
Im Einkommensteuerbescheid
für das Streitjahr berücksichtigte der Beklagte und Revisionskläger (das
Finanzamt - FA -) bei den Werbungskosten zu den Einkünften des Klägers aus
Vermietung und Verpachtung die auf die Gemeinschaftsräume sowie die
angeschafften Einrichtungsgegenstände entfallenden Werbungskosten nicht. Der
Einspruch blieb insoweit ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG)
erachtete die Klage insoweit für begründet, als bei der Ermittlung der
Werbungskosten zu den Einkünften des Klägers aus Vermietung und Verpachtung
- wie von den Klägern erklärt - von einem anteiligen auf die Vermietung
entfallenden Nutzungsanteil von 49,89 %, d.h. auch unter Berücksichtigung
der gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungsgegenstände auszugehen sei.
§ 12 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) stehe einer solchen
Aufteilung nicht entgegen (Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 475).
Hiergegen richtet sich die
Revision des FA, mit der es die Verletzung materiellen Rechts (§ 12 Nr. 1
Satz 2 EStG) rügt. Eine schematische Pro-Kopf-Aufteilung sei im Streitfall
kein geeignetes objektives Merkmal zur Aufteilung der gemischten
Aufwendungen für die gemeinsam genutzten Räume und Einrichtungsgegenstände.
Das FA beantragt, das Urteil
des FG insoweit aufzuheben, als bei der Ermittlung der Einkünfte des Klägers
aus Vermietung und Verpachtung auf der Grundlage einer anteiligen, auf die
Vermietung entfallenden Nutzfläche in Höhe von 49,89 % weitere
Werbungskosten in Höhe von 304 € (Gebäude-AfA) und 267 € (AfA für
angeschaffte Einrichtungsgegenstände) berücksichtigt worden seien, und die
Klage auch insoweit als unbegründet zurückzuweisen.
Die Kläger haben keinen
Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet
und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Zutreffend hat das FG die streitige, auf die Gemeinschaftsräume sowie die
angeschafften Einrichtungsgegenstände entfallende AfA zum
Werbungskostenabzug bei den Einkünften des Klägers aus Vermietung und
Verpachtung zugelassen.
1. Die vom Kläger vermieteten
Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände dienen sowohl der privaten
Wohnnutzung des Klägers und seiner Familie als auch als
Vermietungsgegenstand und insoweit der Einkünfteerzielung des Klägers (§ 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG hinsichtlich der Gemeinschaftsräume sowie § 21
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG hinsichtlich der Einrichtungsgegenstände).
§ 12 Nr. 1 Satz 2 EStG
verbietet zur Wahrung der steuerlichen Gerechtigkeit die Aufteilung und
damit den Abzug von Aufwendungen, die sowohl der privaten Lebensführung als
auch der Einkünfteerzielung dienen. Die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) hat das Aufteilungs- und Abzugsverbot nach § 12 Nr. 1 Satz 2 EStG seit
jeher aber nicht angewandt, wenn und soweit sich der der Einkünfteerzielung
dienende Teil der Aufwendungen nach objektiven Maßstäben mit Sicherheit und
leicht - ggf. im Wege der Schätzung - abgrenzen lässt, d.h. eine gerechte
und der Sachlage entsprechende Aufteilung nach objektiven und leicht
nachprüfbaren Maßstäben möglich erscheint (BFH-Beschluss vom 20. Juli 2006
VI R 94/01, BFHE 214, 354, BStBl II 2007, 121, mit umfassenden Nachweisen
zur Rechtsprechung sowie zur Kritik in der Literatur).
2. Nach diesen Grundsätzen
hat das FG in nicht zu beanstandender Weise die AfA für die streitbefangenen
Gemeinschaftsräume und Einrichtungsgegenstände als abziehbare Werbungskosten
des Klägers im Rahmen seiner Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 9
Abs. 1 Satz 3 Nr. 7 Satz 1 EStG) behandelt.
Die Aufteilung nach der Zahl
der Nutzer einer Wohnung stellt einen objektiven Maßstab dar, der eine
sichere und leichte Abgrenzung einer steuerbaren Raumnutzung von der
privaten Wohnnutzung ermöglicht. Dabei kommt es nicht darauf an, welche
Person welche konkreten in qm messbaren Flächenanteile der Wohnräume oder
Teile der Einrichtungsgegenstände mit welcher Intensität und welchen
Zeitanteilen pro Tag nutzt. Um die durch die Einkünfteerzielung - im
Zusammenhang mit den aufgenommenen Kindern und deren Betreuung - einerseits
von der durch die private Wohnnutzung andererseits verursachte Abnutzung
abzugrenzen, stellt die Anzahl der Personen, die sich aus privaten Gründen
oder im einkommensteuerbaren Bereich in der Wohnung als ihrem
Lebensmittelpunkt in einer Hausgemeinschaft aufhalten, einen objektiven
Maßstab dar. Hierfür ist entgegen der Ansicht des FA weder eine "statische
Nutzung" erforderlich noch müssen einzelne Lebensgewohnheiten nachvollzogen
werden.
Die Würdigung des FG, die zu
erfassende Inanspruchnahme der Räume und Einrichtungsgegenstände im Rahmen
einer reinen Wohnnutzung sei für jeden Haushaltsangehörigen als gleich zu
erachten, bindet den Senat nach § 118 Abs. 2 FGO, da sie zumindest möglich
ist (BFH-Urteil vom 27. Oktober 2005 IX R 76/03, BFHE 212, 360, BStBl II
2006, 359, m.w.N.). Außergewöhnliche Umstände, die ggf. eine Abweichung von
der vom FG zugrunde gelegten Typik rechtfertigen würden - etwa der Bedarf an
besonderen technischen Einrichtungen zur Fortbewegung, um deren AfA es ginge
-, sind im Streitfall nicht festgestellt und auch nicht ersichtlich.
Der Aufteilung steht auch,
anders als das FA meint, nicht eine fehlende Überprüfbarkeit entgegen. Dem
Merkmal der Überprüfbarkeit kommt lediglich ergänzende Bedeutung zu; es
hindert jedoch nicht eine Aufteilung gemischter Aufwendungen nach objektiven
Maßstäben, wenn diese sich - wie im Streitfall - als geeignet erweisen.
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