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BFH-Urteil vom 25.8.2009 (IX
R 20/08) BStBl. 2010 II S. 125
Aufwendungen im Zusammenhang
mit der Anschaffung eines Gebäudes sind - unabhängig davon, ob sie auf
jährlich üblicherweise anfallenden Erhaltungsarbeiten i.S. von § 6 Abs. 1
Nr. 1 a Satz 2 EStG beruhen - nicht als Erhaltungsaufwand sofort abziehbar,
wenn sie im Rahmen einheitlich zu würdigender Instandsetzungs- und
Modernisierungsmaßnahmen i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG anfallen.
EStG § 9 Abs. 5 Satz 2, § 6
Abs. 1 Nr. 1a; II.BVO § 28 Abs. 4; RL 78/660/EWG Art. 35; FGO § 56.
Vorinstanz: FG
Baden-Württemberg vom 14. April 2008 10 K 120/07 (EFG 2008, 1541)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) erwarb im Streitjahr (2004) ein Grundstück, bebaut
mit einem im Jahr 1935 errichteten, nach der Kriegszerstörung im Jahr 1955
wieder aufgebauten, voll funktionsfähigen, vermieteten Zweifamilienhaus, zu
einem Kaufpreis von 195.000 €. Die Anschaffungsnebenkosten beliefen sich auf
10.263 €.
Im Streitjahr nahm der
Kläger Modernisierungs- und Instandsetzungsarbeiten vor. Er tauschte
einzelne Fenster, Fensterbänke und Rolladenkästen aus, setzte neue Zargen
und Türen ein, verlegte in mehreren Zimmern Laminat, schlug Wand- und
Bodenfliesen in Küchen und Bädern ab und brachte neue Fliesen an, entfernte
Holzdecken und installierte Rigipsplatten, verputzte Wände und tapezierte
sie neu, versah Decken mit Rauputz und strich sie neu, tauschte Badewanne,
Toilettenschüssel und Waschbecken aus und erneuerte vergilbte Steckdosen.
Die hierfür vom Kläger als
Werbungskosten bei seinen im Streitjahr erzielten Einkünften aus Vermietung
und Verpachtung geltend gemachten Aufwendungen von 31.462,24 € erkannte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nicht an, sondern
berücksichtigte sie als anschaffungsnahe Herstellungskosten i.S. von § 6
Abs. 1 Nr. 1a des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Streitjahres (EStG).
Die nach erfolglosem
Einspruch erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) ab. In seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1541 veröffentlichten Urteil
beurteilte das FG die geltend gemachten Aufwendungen als solche i.S. des § 6
Abs. 1 Nr. 1a EStG. Der Kläger habe im Rahmen umfangreicher
Modernisierungsmaßnahmen, die über das hinausgingen, was jährlich
üblicherweise anfalle, Einzelarbeiten durchgeführt, die für sich genommen
als jährliche Erhaltungsarbeiten zu beurteilen seien. Die dadurch
verursachten Aufwendungen könnten aber nicht isoliert, sondern nur im
Zusammenhang betrachtet werden.
Hiergegen richtet sich die
Revision des Klägers, die er nach Ablauf der Begründungsfrist und damit
verspätet begründet hat. Im Hinblick darauf begehrt er Wiedereinsetzung in
den vorigen Stand. Die erfahrene und qualifizierte Sachbearbeiterin seines
prozessbevollmächtigten Rechtsanwalts habe es trotz präziser Anweisung des
Anwalts (auf dem Fristenkontrollblatt) vergessen, die Begründungsfrist in
das Fristenbuch zu übertragen. Zur Glaubhaftmachung hat er u.a. eine
eidesstattliche Erklärung der Sachbearbeiterin vorgelegt.
In der Sache begründet der
Kläger seine Revision damit, es handele sich bei den von ihm aus optischen
und ästhetischen Gründen vorgenommenen Arbeiten um reine
Schönheitsreparaturen. Jedenfalls seien die Arbeiten nicht zusammen zu
betrachten und allesamt den Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen
zuzuordnen. Schönheitsreparaturen (z.B. Tapezieren) seien davon auszunehmen.
Ferner rügt der Kläger die Unvereinbarkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG mit
der 4. EG-Richtlinie vom 25. Juli 1978. Die gesetzliche Differenzierung,
anschaffungsnahen Aufwand nur bei Gebäuden, nicht aber bei anderen
Wirtschaftsgütern anzunehmen, verstoße gegen das Gemeinschaftsrecht.
Der Kläger beantragt
sinngemäß,
1. ihm Wiedereinsetzung in
die am 30. Juni 2008 abgelaufene Revisionsbegründungsfrist zu gewähren,
2. das angefochtene Urteil
und die Einspruchsentscheidung des FA vom 19. März 2007 aufzuheben und die
Einkommensteuer 2004 unter Abänderung des Bescheids vom 10. April 2006
insoweit herabzusetzen, als die geltend gemachten Aufwendungen von
31.462,24 € bislang nicht als Werbungskosten bei den Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung berücksichtigt worden sind.
Das FA beantragt, die
Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, sie als unbegründet
zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist zulässig,
jedoch unbegründet.
1. Die Revision ist zulässig.
Dem Kläger ist Wiedereinsetzung nach § 56 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung
(FGO) in die am 30. Juni 2008 abgelaufene Revisionsbegründungsfrist zu
gewähren. Er war ohne Verschulden verhindert, diese Frist einzuhalten. Die
Frist ist nach den durch die eidesstattliche Versicherung glaubhaft
gemachten Darlegungen von der Mitarbeiterin des Prozessbevollmächtigten nur
versehentlich nicht im Fristenkontrollbuch eingetragen worden (vgl. zu den
Anforderungen, die Rechtsprechung zusammenfassend Gräber/Stapperfend,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 56 Rz 20, Stichworte "Büroorganisation"
und "Büroversehen", m.w.N.). Dies führt, weil keine Mängel in der
Büroorganisation ersichtlich sind, zu keinem dem Kläger zurechenbaren
Verschulden. Insoweit streiten sich die Beteiligten vor allem über die
Ordnungsmäßigkeit des Fristenkontrollbuches. Das FA vermisst eine
nachvollziehbare Differenzierung in Wiedervorlagen und Fristen. Indessen hat
der Kläger auf Grund des Berichterstatterschreibens vom 4. Mai 2009
schlüssig dargelegt, dass die dort unter der Rubrik "Wiedervorlagen"
aufgeführten Termine in der Tat Fristen darstellen. Auch im Übrigen
entspricht die vom Kläger dargelegte und vom FA nicht in Zweifel gezogene
Büroorganisation in Bezug auf die Fristenkontrolle (Fristenkontrollblatt mit
Einzelanweisung u.a.) den Anforderungen der Rechtsprechung.
2. Die Revision ist
unbegründet und nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen.
Zutreffend hat das FG den vom
Kläger geltend gemachten Aufwand von 31.462,24 € nicht als nach § 9 Abs. 1
Satz 1 EStG sofort abziehbare Werbungskosten bei seinen Einkünften aus
Vermietung, sondern nach § 9 Abs. 5 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG als
Herstellungskosten berücksichtigt.
a) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a
Satz 1 EStG gehören zu den Herstellungskosten eines Gebäudes auch
Aufwendungen für Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen, die
innerhalb von drei Jahren nach der Anschaffung des Gebäudes durchgeführt
werden, wenn die Aufwendungen ohne die Umsatzsteuer 15 % der
Anschaffungskosten des Gebäudes übersteigen (anschaffungsnahe
Herstellungskosten).
Um derartige anschaffungsnahe
Herstellungskosten handelt es sich im Streitfall. Denn die vom Kläger im
Anschluss an den Erwerb durchgeführten Instandsetzungs- und
Modernisierungsarbeiten führten mit Kosten von (netto) 31.462,24 € zu
Aufwendungen, die über 15 % der Anschaffungskosten (205.263 €) liegen.
Die baulichen Maßnahmen, um
die es hier geht, sind solche zur Instandsetzung und Modernisierung und -
entgegen der Revision - nicht lediglich Schönheitsreparaturen.
Schönheitsreparaturen, die nicht zu den Instandhaltungs- und
Modernisierungsmaßnahmen zählen (s. § 28 Abs. 4 Satz 1 der Zweiten
Berechnungsverordnung - II.BVO -), beseitigen Mängel, die durch
vertragsgemäßen Gebrauch entstanden sind (vgl. zum Begriff
Palandt/Weidenkaff, Bürgerliches Gesetzbuch, 68. Aufl., § 535 Rz 41, m.w.N.
aus der Rechtsprechung). Darunter fallen nur das Tapezieren, Anstreichen
oder Kalken der Wände und Decken, das Streichen der Fußböden, Heizkörper
einschließlich Heizrohre, der Innentüren sowie der Fenster und Außentüren
von innen (so § 28 Abs. 4 Satz 3 II.BVO). Die baulichen Veränderungen im
Streitfall gehen indes nach den Feststellungen des FG darüber hinaus und
bilden deshalb Instandsetzungs- und Modernisierungsmaßnahmen.
b) Der geltend gemachte
Aufwand fällt nicht - auch nicht zum Teil - unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2
EStG.
aa) Wäre diese
Ausnahmevorschrift jedenfalls für einen Teil der geltend gemachten
Aufwendungen anzuwenden, wären sie insoweit nicht als Herstellungskosten zu
qualifizieren und könnten überdies dazu führen, dass der verbleibende
Aufwand, der nicht unter die Ausnahmevorschrift fällt, die 15 %-Grenze des
§ 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG nicht erreichte.
bb) Indes ist § 6 Abs. 1
Nr. 1a Satz 2 EStG, wie das FG zutreffend erkannte, hier nicht einschlägig.
(1) Nach dieser Vorschrift
gehören u.a. die Aufwendungen für Erhaltungsarbeiten, die jährlich
üblicherweise anfallen, nicht zu den anschaffungsnahen Herstellungskosten.
Welche Aufwendungen unter diese Vorschrift im Einzelnen zu subsumieren sind,
ist im Schrifttum umstritten. Insbesondere besteht Streit darüber, ob auch
Schönheitsreparaturen - etwa ihrer Art nach - "jährlich üblicherweise"
anfallen (dies bejahend z.B. Werndl, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 6 Rz Ba 31 - Stand April 2006 -; Schmidt/Glanegger, EStG, 28. Aufl., § 6
Rz 114; P. Fischer in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 6 Rz 64; enger
Blümich/Ehmcke, § 6 EStG Rz 418) oder ob sich der Anwendungsbereich der
Vorschrift auf solche Aufwendungen beschränkt, die nach der ständigen
Rechtsprechung als "laufender Erhaltungsaufwand, der jährlich üblicherweise
anfällt" (zum Begriff Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 23. Juni
1988 IX B 178/87, BFH/NV 1989, 165; zu den Aufwendungen, die darunter zu
verstehen sind vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1962 VI 212, 213/61 U, BFHE
76, 104, BStBl III 1963, 39) qualifiziert werden. Dies ist abhängig davon,
ob mit der gesetzlichen Formulierung, die für die Bestimmung dessen, was
jährlich üblicherweise anfällt, auf "Erhaltungsarbeiten" statt - wie die
Rechtsprechung - auf "Erhaltungsaufwand" abstellt, möglicherweise auch ein
anderer - engerer - Sinn verbunden sein mag (s. dazu Spindler, Der Betrieb
2004, 507, 510).
(2) Indes muss der erkennende
Senat diese Frage im Streitfall nicht beantworten. Denn auf sie kommt es
nicht an. Selbst wenn man - mit dem FG und der Revision - auch Kosten für
Schönheitsreparaturen - nur um diese geht es hier - als Aufwendungen i.S.
des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 2 EStG versteht, wofür spricht, dass
Schönheitsreparaturen nicht unter § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 EStG zu
subsumieren sind (s. oben unter II. 2. a), wären sie nicht isoliert zu
beurteilen.
Fallen nämlich - wie hier -
alle Aufwendungen im Rahmen einer umfassenden Instandsetzung und
Modernisierung an, sind sie insgesamt als Herstellungskosten i.S. von § 6
Abs. 1 Nr. 1a EStG zu behandeln.
(a) Hierfür spricht neben dem
Wortlaut der Anwendungsregelung des § 52 Abs. 16 Satz 9 EStG, wonach
"sämtliche Baumaßnahmen im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1a Satz 1 an einem
Objekt als eine Baumaßnahme gelten" (so auch Werndl, in: Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff, EStG, § 6 Rz Ba 35 - Stand April 2006 -) der in der
Entwurfsbegründung zum Ausdruck gekommene Zweck der Regelung, die bis zu den
Urteilen des BFH vom 12. September 2001 IX R 39/97 (BFHE 198, 74, BStBl II
2003, 569) und IX R 52/00 (BFHE 198, 85, BStBl II 2003, 574) bestehende
Rechtslage zum anschaffungsnahen Aufwand, wie sie in R 157 Abs. 4 der
Einkommensteuer-Richtlinien (i.d.F. bis 2002) zusammengefasst war,
gesetzlich festzuschreiben (so BTDrucks 15/1562, S. 24 - Begründung
Allgemeiner Teil - und S. 32 zu Nr. 3 - § 6 Abs. 1 Nr. 1a neu -). Dieser
Rechtslage entspricht es, solche Aufwendungen, die für sich genommen zwar
jährlich anfallende Erhaltungsaufwendungen (zu der Art der Aufwendungen vgl.
das BFH-Urteil in BFHE 76, 104, BStBl III 1963, 39) oder
Schönheitsreparaturen bilden, insgesamt als anschaffungsnahe
Herstellungskosten zu behandeln, wenn sie in engem räumlichen, zeitlichen
und sachlichen Zusammenhang zueinander stehen und in ihrer Gesamtheit eine
einheitliche Baumaßnahme bilden, wie dies bei einer Modernisierung des
Hauses im Ganzen und von Grund auf der Fall ist (so für
Schönheitsreparaturen BFH-Urteil vom 30. Juli 1991 IX R 67/90, BFHE 165,
250, BStBl II 1992, 28, m.w.N. und für jährlich üblicherweise anfallenden
Erhaltungsaufwand BFH-Urteil in BFHE 76, 104, BStBl III 1963, 39;
grundlegend BFH-Urteil vom 14. Oktober 1960 VI 100/59 U, BFHE 71, 653, BStBl
III 1960, 493).
(b) Überdies wird die
gesetzliche Intention einer Typisierung ergänzt durch pragmatische
Erwägungen: Wenn der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG eine
typisierende Regelung schaffen wollte (so explizit die Entwurfsbegründung,
BTDrucks 1562, S. 32, a.a.O.), würde man diesen Sinn verfehlen, wollte man
im Rahmen einer einheitlichen Modernisierungsmaßnahme einzelne Arbeiten
wiederum isoliert - und damit stets den konkreten statt den typischen Fall -
betrachten. Eine Beurteilung der einzelnen Maßnahmen je für sich im Sinne
einer Atomisierung stößt bei einer einheitlichen Baumaßnahme zudem auf
pragmatische Grenzen.
(c) Nach diesen Maßstäben hat
das FG zutreffend alle Aufwendungen für die durchgeführten Arbeiten
einheitlich beurteilt. Denn es hat einen einheitlichen Zusammenhang aller
Arbeiten im Sinne einer Modernisierung des Hauses von Grund auf bejaht. An
diese Feststellung ist der Senat nach § 118 Abs. 2 FGO gebunden, denn in
Bezug darauf hat der Kläger keine Revisionsgründe vorgebracht.
(d) Entgegen der Revision
verstößt § 6 Abs. 1 Nr. 1 a EStG auch nicht gegen Art. 35 Abs. 3 der Vierten
Richtlinie des Rates vom 25. Juli 1978 - RL 78/660/EWG - (Amtsblatt der
Europäischen Gemeinschaften Nr. L 222/11 - ABlEG - Nr. L 222/11). Die
steuerrechtliche Begriffsbestimmung der Herstellungskosten in § 6 Abs. 1
Nr. 1 a EStG berührt den Regelungsgehalt des Art. 35 Abs. 3 RL 78/660/EWG
offenkundig nicht. Diese Richtliniennorm definiert den Begriff der
Herstellungskosten nicht, sondern setzt ihn dem Grunde nach voraus. Sie
regelt lediglich, welche Kosten "zu den Herstellungskosten gehören", d.h.
wie die Herstellungskosten der Höhe nach zu bemessen, welche Arten von
anlässlich der Herstellung auftretenden Kosten darin einzubeziehen sind
(BFH-Urteil vom 9. Mai 1995 IX R 116/92, BFHE 177, 454, BStBl II 1996, 632,
m.w.N.). Der nationale Gesetzgeber ist überdies nicht daran gehindert, den
disponiblen steuerrechtlichen Herstellungskostenbegriff auf Gebäude im
anschaffungsnahen Zeitraum zu gestalten (so zutreffend Werndl, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz Ba 26 - Stand April 2006 -, m.w.N.).
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