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BFH-Urteil vom 25.6.2009 (IX R 24/07) BStBl. 2010 II S. 127
Geltend gemachte Sonderabschreibungen nach den §§ 1, 3 und 4 FördG sind
nicht in eine befristete Totalüberschussprognose (hier: zehn Jahre)
einzubeziehen, wenn die nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der
voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG
vollständig abgeschrieben werden (Anschluss an und Abgrenzung zum BFH-Urteil
vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).
EStG § 7a Abs. 9, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1;
FördG §§ 1, 3 und 4.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
28. März 2007 3 K 11074/04 (EFG 2007, 1951)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts,
deren Zweck der Erwerb des Rathauses der Stadt X, dessen Sanierung und
anschließende Vermietung an die Stadt war.
Mit notariellem
Erbbaurechtsvertrag vom 14. September 1995 bestellte die Stadt X der
Klägerin gegen einen jährlichen Erbbauzins von ... DM ein Erbbaurecht an
ihrem zum Rathaus gehörenden Grundstück. Das Erbbaurecht endete spätestens
am 31. Dezember 2010, jedoch war die Stadt X berechtigt, das Erbbaurecht
schon zum 31. Dezember 2005 zu beenden. Zum Zeitpunkt seines Erlöschens
hatte die Stadt X an die Klägerin eine Entschädigung in Höhe von ... Mio. DM
zu leisten, die seitens der Stadt durch den Einsatz von Eigen- oder
Fördermitteln zur Sanierung reduziert werden konnte.
In einem den
Erbbaurechtsvertrag begleitenden Mietvertrag vermietete die Klägerin der
Stadt X das Rathaus bis zum 31. Dezember 2005 gegen einen jährlichen
Mietzins von ca. ... Mio. DM; auch der Mietzins verringerte sich durch den
Einsatz von Eigen- oder Fördermitteln zur Sanierung. Die Stadt hatte das
Optionsrecht, das Mietverhältnis bis zum 31. Dezember 2010 zu verlängern. Im
November 2005 hoben die Klägerin und die Stadt X den Erbbaurechtsvertrag mit
Wirkung zum 31. Dezember 2005 auf; die Stadt übte ihre Verlängerungsoption
nicht aus.
Für die Jahre 1995 bis 2005
erklärte die Klägerin u.a. wegen der Inanspruchnahme von
Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz (FördG)
Werbungskostenüberschüsse aus Vermietung und Verpachtung in Höhe von
insgesamt ... Mio. €; bei Ansatz von Absetzungen für Abnutzung (AfA) nach
§ 7 Abs. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) hätte sich ein Totalüberschuss
ergeben. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stellte
für das Streitjahr 2001 zunächst negative Einkünfte aus Vermietung und
Verpachtung für die Klägerin einheitlich und gesondert fest. Später ersetzte
das FA diesen Bescheid durch negativen Feststellungsbescheid.
Einspruch und Klage blieben
ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte in seinem Urteil (Entscheidungen
der Finanzgerichte 2007, 1951) im Wesentlichen aus, der Klägerin habe die
Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt, da sie bei einem Prognosezeitraum von
zehn Jahren und unter Einbeziehung der Sonderabschreibungen nach dem
Fördergebietsgesetz einen Totalverlust erzielt habe.
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts und die Verletzung des Anspruchs
auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil sowie die Einspruchsentscheidung und den geänderten
Bescheid für 2001 über die einheitliche und gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen aufzuheben.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Es ist der Ansicht, dass der
Klägerin die Einkünfteerzielungsabsicht fehle. Angesichts der von vornherein
nur auf zehn Jahre befristeten Vermietung des Rathauses an die Stadt seien
die Sonderabschreibungen nach dem Fördergebietsgesetz in die Prognose
einzubeziehen; dies führe zu einem Totalüberschuss an Werbungskosten. Nach
der Zielsetzung des Fördergebietsgesetzes führe die Inanspruchnahme von
Sonder- und Restwertabschreibung über zehn Jahre zudem nicht zu einem
endgültigen Steuervorteil, sondern nur zu einem Stundungseffekt wegen der
sich anschließenden Ausgleichsphase. Diese könne aber nicht (mehr)
eintreten, weil die Klägerin das Rathaus nach zehn Jahren an die Stadt
verkauft habe.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 FGO). Das FG hat zu Unrecht entschieden, der Klägerin habe die
Einkünfteerzielungsabsicht gefehlt. Zwar ist es revisionsrechtlich nicht zu
beanstanden, dass das FG der Prognose, ob ein Totalüberschuss erzielt werden
soll, einen Prognosezeitraum von zehn Jahren zugrunde gelegt hat. Aber die
Sonderabschreibungen nach §§ 1, 3, 4 FördG sind nicht in die Prognose
einzubeziehen.
1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung
gemäß § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG erzielt, wer ein Grundstück gegen
Entgelt zur Nutzung überlässt und beabsichtigt, auf die voraussichtliche
Dauer der Nutzung des Grundstücks einen Überschuss der Einnahmen über die
Werbungskosten zu erzielen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
14. Dezember 2004 IX R 1/04, BFHE 208, 235, BStBl II 2005, 211).
a) Nach dem Regelungszweck dieser Norm ist
bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit grundsätzlich und
typisierend davon auszugehen, dass der Steuerpflichtige beabsichtigt,
letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, auch wenn sich über
längere Zeiträume Werbungskostenüberschüsse ergeben (z.B. BFH-Urteil vom
19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, m.w.N.).
Dagegen kann sich ein Beweisanzeichen für das Fehlen der
Einkünfteerzielungsabsicht daraus ergeben, dass der Steuerpflichtige in der
Zeit seiner nicht auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit kein positives
Gesamtergebnis erreichen kann. Es kommt dann nicht darauf an, aus welchen
Gründen (z.B. der Lebensführung i.S. von § 12 EStG) er den
Werbungskostenüberschuss hinnimmt. Ob im Einzelfall Indizien gegen die
Einkünfteerzielungsabsicht sprechen, ist eine Frage der
Tatsachenfeststellung und Beweiswürdigung, die dem FG obliegt (BFH-Urteil
vom 9. Juli 2002 IX R 57/00, BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695, m.w.N.).
b) Ob ein Gesamtüberschuss zu erzielen ist,
ergibt sich aus einer den Zeitraum der tatsächlichen Vermögensnutzung
umfassenden Totalüberschussprognose. Bei der Ermittlung des
"Totalüberschusses" ist von den Ergebnissen auszugehen, die sich nach den
einkommensteuerrechtlichen Vorschriften voraussichtlich ergeben werden. Ob
negative Einkünfte aufgrund von steuerrechtlichen Subventions- und
Lenkungsnormen - die bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit
grundsätzlich außer Ansatz bleiben - bei einer wegen befristeter
Vermietungstätigkeit entsprechend befristeten Prognose zu berücksichtigen
sind, richtet sich nach dem mit den betreffenden Normen verbundenen Zweck
sowie der Art der Förderung. Würde dieser verfehlt, wenn man die
Auswirkungen der Vorschrift bei der Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht
berücksichtigte, dürfen die negativen Einkünfte nicht in die Prognose
einfließen (BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695, m.w.N.).
c) Geltend gemachte Sonderabschreibungen
nach den §§ 1, 3, 4 FördG sind dann nicht in eine befristete Prognose
einzubeziehen, wenn die nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der
voraussichtlichen Dauer der Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG
vollständig abgeschrieben werden.
aa) Zwar sind Sonderabschreibungen nach § 4
Abs. 1, 2 FördG als die Normal-AfA übersteigende Abschreibungen in eine -
auf wenige Jahre - befristete Prognose einzubeziehen. Die
Sonderabschreibungen ziehen (nur) die steuerrechtlichen Wirkungen der AfA
nach vorn mit dem Charakter einer Steuerstundung, um dem Steuerpflichtigen
einen Anreiz zu Investitionen i.S. des § 3 FördG zu geben. Dieser Vorteil
wird in späteren Zeiträumen dadurch ausgeglichen, dass der Steuerpflichtige
in der sich an den Begünstigungszeitraum (vgl. § 7a Abs. 1 Satz 1 EStG, § 4
Abs. 1 Satz 2 FördG) anschließenden Ausgleichsphase nach § 7a Abs. 9 EStG
oder der Sonderregelung des § 4 Abs. 3 FördG nur noch geminderte AfA-Beträge
geltend machen kann (vgl. BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl II 2003, 695).
bb) Das Einbeziehen der
Sonderabschreibungen nach §§ 1, 3, 4 FördG - einschließlich der
Restwertabschreibung nach § 4 Abs. 3 FördG - in die Prognose würde den
Förderzweck des Fördergebietsgesetzes jedoch dann verfehlen, wenn die
nachträglichen Herstellungskosten innerhalb der voraussichtlichen Dauer der
Vermietungstätigkeit gemäß § 4 Abs. 3 FördG vollständig abgeschrieben
werden. Nachträgliche Herstellungskosten, insbesondere "anschaffungsnahe
Aufwendungen" an Gebäuden und anderen unbeweglichen Wirtschaftsgütern im
Fördergebiet, sollen als Sonderabschreibungen über einen Zeitraum von zehn
Jahren bei der Ermittlung der Einkünfte abgezogen werden können (BTDrucks
12/562, S. 72). Entsprechend dieser Zielsetzung räumt der Gesetzgeber dem
Steuerpflichtigen einen Steuervorteil ein, den er endgültig behalten darf,
auch wenn er das Gebäude - nach Ablauf des Begünstigungszeitraums und der
sich anschließenden Ausgleichsphase, also nach vollständiger Abschreibung -
nicht mehr zur Einkünfteerzielung nutzt. Denn § 4 Abs. 3 FördG, der eine
Sonderregelung gegenüber § 7a Abs. 9 EStG enthält (Blümich/Stuhrmann, § 4
FördG Rz 24), verkürzt die sich an den Begünstigungszeitraum anschließende
Ausgleichsphase und damit den Abschreibungszeitraum insgesamt; der damit
verbundene Steuervorteil ist unabhängig von einem weiteren Ausgleich. Diese
Sichtweise steht im Einklang mit den im BFH-Urteil in BFHE 199, 422, BStBl
II 2003, 695 entwickelten Grundsätzen, zumal diesem Urteil - anders als im
Streitfall - eine auf nur fünf Jahre befristete Vermietung mit
Eigennutzungsvorbehalt zugrunde lag.
2. Nach diesen Grundsätzen ist es zwar
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das FG der Prognose, ob ein
Totalüberschuss erzielt werden soll, einen Prognosezeitraum von zehn Jahren
zugrunde gelegt hat. Jedoch hat es rechtsfehlerhaft die Sonderabschreibungen
nach §§ 1, 3, 4 FördG in die Prognose einbezogen.
a) Die Würdigung des FG, es sei von einer
voraussichtlichen Nutzung des an die Stadt X vermieteten Rathauses durch die
Klägerin bis zum 31. Dezember 2005 auszugehen, ist möglich und damit gemäß
§ 118 Abs. 2 FGO für das Revisionsgericht bindend. Nach der vertraglichen
Gestaltung konnte die Klägerin das Rathaus nicht aufgrund eigener
Entscheidung über diesen Termin hinaus zur Erzielung von (Miet-)Einkünften
nutzen. Die Nutzung des Rathauses nach diesem Zeitpunkt hing vielmehr allein
vom Willen der Stadt X ab, die ihre Verlängerungsoption (bis zum
31. Dezember 2010) aber nicht ausübte. Entsprechend konnte die Klägerin das
Rathaus auch nicht an einen Dritten weitervermieten, da die Stadt X zugleich
berechtigt war, das Erbbaurecht der Klägerin (vorzeitig) zum 31. Dezember
2005 zu beenden. Entgegen der Ansicht der Klägerin durfte das FG in seine
Würdigung auch den erst nach Beginn der Vermietung eingetretenen Umstand
einbeziehen, dass die Stadt ihre Verlängerungsoption tatsächlich nicht
ausübte. Zukünftig eintretende Faktoren sind in die Beurteilung
einzubeziehen, wenn sie - wie im Streitfall nach der vertraglichen
Gestaltung - bei objektiver Betrachtung vorhersehbar waren (BFH-Urteil vom
6. November 2001 IX R 97/00, BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726, m.w.N.).
b) Die Sonderabschreibungen waren entgegen
der Ansicht des FG nicht in die Prognose einzubeziehen, weil nachträgliche
Herstellungskosten der Klägerin nach § 4 Abs. 3 FördG bis zum Ablauf der
zehnjährigen Mietzeit vollständig abzuschreiben waren.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen. Die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist indes
nicht spruchreif. Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die
Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen. Das FG
hat nicht festgestellt, in welcher Höhe der Klägerin durch den Umbau und die
Sanierung des Rathauses nachträgliche Herstellungskosten entstanden sind,
deren Restwert nach § 4 Abs. 3 FördG abzuschreiben ist.
4. Ist die Revision bereits aus sachlichen
Gründen erfolgreich, kommt es auf den - im Übrigen nicht schlüssig - geltend
gemachten Verfahrensfehler nicht an.
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