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BFH-Urteil vom 30.4.2009 (V R 1/06) BStBl. 2010 II S. 138
1.
Wählt der Insolvenzverwalter die Erfüllung eines bei Eröffnung des
Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht vollständig erfüllten
Werkvertrages, wird die Werklieferung - wenn keine Teilleistungen i.S. des
§ 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG gesondert vereinbart worden
sind - erst mit der Leistungserbringung nach Verfahrenseröffnung ausgeführt.
2.
Bei der hierauf entfallenden Umsatzsteuer handelt es sich um eine
Masseverbindlichkeit, soweit das vereinbarte Entgelt nicht bereits vor
Verfahrenseröffnung vereinnahmt wurde.
UStG 1999 §§ 3, 13; Richtlinie 77/388/EWG
Art. 5; InsO §§ 38, 55, 103.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 30. November
2005 5 K 3280/04 U (EFG 2006, 1024)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist aufgrund eines Beschlusses des Amtsgerichts E
vom 1. Mai 2001 Insolvenzverwalter über das Vermögen der B-KG, die ihre
Umsätze nach vereinbarten Entgelten versteuerte.
Bei der B-KG handelte es
sich um ein Bauunternehmen, das bei der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
mehrere Bauvorhaben noch nicht fertig gestellt hatte. Hinsichtlich dieser
Bauvorhaben lagen zwischen der B-KG und ihren Auftraggebern weder
Vereinbarungen über Teilleistungen noch Abrechnungen über die bis zur
Eröffnung des Insolvenzverfahrens erbrachten Leistungen vor. Die B-KG hatte
bis zur Verfahrenseröffnung lediglich Abschlagsrechnungen erteilt und die in
Rechnung gestellten Beträge vereinnahmt. Der Kläger verlangte als
Insolvenzverwalter jeweils Vertragserfüllung gemäß § 103 Abs. 1 der
Insolvenzordnung (InsO) und stellte die Bauvorhaben in den Streitjahren 2001
und 2002 fertig. Diese wurden nach Fertigstellung in den Streitjahren von
den Auftraggebern abgenommen.
Der Kläger erklärte als
Insolvenzverwalter in den für die B-KG für beide Streitjahre eingereichten
Umsatzsteuererklärungen Umsätze aus den von ihm fertig gestellten
Bauvorhaben nur insoweit, als diese seiner Ansicht nach auf Arbeiten nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens entfielen. Für die zuvor ausgeführten
Arbeiten ging der Kläger unter Berufung auf das Urteil des
Bundesgerichtshofs (BGH) vom 25. April 2002 IX ZR 313/99 (BGHZ 150, 353,
Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2002, 2783) davon aus, dass die
hierauf entfallende Umsatzsteuer als Insolvenzforderung i.S. von § 38 InsO
anzusehen sei. Dementsprechend minderte er die von ihm nach
Verfahrenseröffnung für die fertig gestellten Bauvorhaben vereinnahmten
Entgelte um die Beträge, die seiner Ansicht nach auf Arbeiten vor
Verfahrenseröffnung entfielen.
Im Rahmen einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung vertrat die Prüferin die Auffassung, dass die vom
Kläger vereinnahmten Entgelte für die nach Verfahrenseröffnung in den
Streitjahren fertig gestellten Bauvorhaben in voller Höhe zu
Masseverbindlichkeiten gemäß § 55 Abs. 1 InsO geführt hätten, da die
Werklieferungen erst mit der Fertigstellung und Abnahme der Bauvorhaben
während des Insolvenzverfahrens ausgeführt worden seien.
Insolvenzforderungen lägen nur insoweit vor, als die B-KG bis zur
Verfahrenseröffnung Abschlagszahlungen vereinnahmt habe. Dem folgte der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) und setzte mit
Umsatzsteuerbescheid für 2001 und mit Bescheid über
Umsatzsteuer-Vorauszahlungen für den Monat Oktober 2002 die Umsatzsteuer
entsprechend dieser Rechtsauffassung fest. Einspruch und Klage hatten keinen
Erfolg.
Im Rahmen des
finanzgerichtlichen Verfahrens erließ das FA erstmalig einen
Umsatzsteuerbescheid für das Jahr 2002, den es im Klageverfahren nochmals
änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
Gegenstand des Verfahrens.
Das Finanzgericht (FG)
stützte die Klageabweisung darauf, dass der Kläger die von ihm als
Insolvenzverwalter erbrachten Werklieferungen erst in den
Voranmeldungszeiträumen ausgeführt habe, in denen die Abnehmer die fertig
gestellten Bauwerke abgenommen hätten. Die Bauwerke seien erst nach
Eröffnung des Insolvenzverfahrens in den Streitjahren 2001 und 2002
abgenommen worden. Das FA habe die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens
von der B-KG vereinnahmten Abschlagszahlungen bei den
Umsatzsteuerfestsetzungen zutreffend in Abzug gebracht. Ein Widerspruch zu
den Vorschriften der InsO und zum Urteil des BGH in BGHZ 150, 353, NJW 2002,
2783 bestehe nicht, da die Entstehung der Umsatzsteuer bei Werklieferungen
in § 13 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG) abschließend geregelt
sei.
Das Urteil des FG ist in
"Entscheidungen der Finanzgerichte" (EFG) 2006, 1024 veröffentlicht.
Mit seiner Revision rügt der
Kläger Verletzung materiellen Rechts (§ 13 Abs. 1 Nr. 1 UStG, § 103 InsO).
Das FG habe die insolvenzrechtliche Bedeutung des BGH-Urteils in BGHZ 150,
353, NJW 2002, 2783 verkannt. Der BGH habe den auch im Streitfall zu
beachtenden Grundsatz aufgestellt, dass bei einem durch eine
Insolvenzeröffnung unterbrochenen Bauvorhaben - unabhängig von einer
etwaigen Vereinbarung von Teilleistungen nach werkvertragsrechtlichen
Grundsätzen - eine Teilung des Bauvorhabens in vor- und
nachinsolvenzrechtliche Leistungen des Gemeinschuldners zu erfolgen habe.
Auch die Umsatzsteuerforderung des FA könne daher nur auf der Grundlage des
Bautenstandes zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das
Vermögen der B-KG beurteilt werden. Anderenfalls käme es zu einer
ungerechtfertigten Privilegierung des Steuergläubigers gegenüber anderen
Insolvenzgläubigern. Der Vorrang des Insolvenzrechts vor steuerrechtlichen
Vorschriften stelle nicht auf die zivilrechtlichen Regelungen zu
Teilleistungen i.S. des § 641 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB), sondern
auf das Insolvenzrecht ab. Auch das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom
17. Dezember 1998 VII R 47/98 (BFHE 188, 149, BStBl II 1999, 423) enthalte
keine andere Wertung. Aufgrund der sich aus der Rechtsprechung des BGH
ergebenden Fiktion zweier selbständiger Teilleistungen vor und nach
Insolvenzeröffnung handele es sich bei Umsatzsteueransprüchen, die
vorinsolvenzrechtlichen Bauleistungen zuzuordnen seien, um
Insolvenzforderungen.
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das Urteil des FG und die Einspruchsentscheidung vom 5. Mai 2004
aufzuheben und die Umsatzsteuerbescheide 2001 vom 17. Juli 2003 und 2002 vom
23. August 2005 dahingehend zu ändern, dass die Umsatzsteuer für 2001 um
490.120,04 € und für 2002 um 473.980,64 € herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Die B-KG habe nach positiver
Ausübung des Wahlrechts des § 103 Abs. 1 InsO Leistungen an ihre
Vertragspartner erbracht. Insoweit finde § 55 Abs. 1 InsO Anwendung. Wähle
der Insolvenzverwalter wie im Streitfall Erfüllung, entstehe die
Umsatzsteuer als Masseverbindlichkeit.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher
nach § 126 Abs. 2 FGO zurückzuweisen. Wählt der Insolvenzverwalter die
Erfüllung eines bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht oder nicht
vollständig erfüllten Werkvertrages, wird die Werklieferung - wenn keine
Teilleistungen i.S. des § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Sätze 2 und 3 UStG
gesondert vereinbart worden sind - erst mit der Leistungserbringung
ausgeführt. Das FG hat deshalb zu Recht entschieden, dass es sich bei der
hierauf entfallenden Umsatzsteuer um Masseverbindlichkeiten handelt, soweit
die hierfür zu erbringenden Entgelte nicht bereits vor Verfahrenseröffnung
vereinnahmt wurden.
1. Insolvenzgläubiger können gemäß § 87
InsO nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens ihre Insolvenzforderungen i.S.
von § 38 InsO und damit ihre zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens
gegen den Schuldner "begründeten" Vermögensansprüche nur nach den
Vorschriften über das Insolvenzverfahren verfolgen. Dementsprechend sind
nach § 251 Abs. 3 der Abgabenordnung (AO) Insolvenzforderungen während eines
Insolvenzverfahrens nicht durch Steuerbescheid festzusetzen, sondern nur
erforderlichenfalls durch Verwaltungsakt festzustellen. Diese
Einschränkungen gelten aber nicht für Masseverbindlichkeiten nach § 55 InsO,
die durch Steuerbescheid gegenüber dem Insolvenzverwalter geltend zu machen
sind und die der Insolvenzverwalter nach § 34 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 AO aus
der Insolvenzmasse zu bezahlen hat (BFH-Urteil vom 29. August 2007
IX R 4/07, BFHE 218, 435, BFH/NV 2007, 2429). Zu den Masseverbindlichkeiten
gehören gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO die Verbindlichkeiten, die "durch
Handlungen des Insolvenzverwalters oder in anderer Weise durch die
Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse begründet werden,
ohne zu den Kosten des Insolvenzverfahrens zu gehören". Gleiches gilt nach
§ 55 Abs. 1 Nr. 2 InsO für Verbindlichkeiten aus gegenseitigen Verträgen,
soweit deren Erfüllung zur Insolvenzmasse verlangt wird oder für die Zeit
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgen muss.
Ob es sich bei einem Steueranspruch um eine
Insolvenzforderung oder um eine Masseverbindlichkeit handelt, bestimmt sich
nach dem Zeitpunkt, zu dem der den Umsatzsteueranspruch begründende
Tatbestand vollständig verwirklicht und damit abgeschlossen ist (vgl.
BFH-Urteile vom 13. November 1986 V R 59/79, BFHE 148, 346, BStBl II 1987,
226; vom 9. April 1987 V R 23/80, BFHE 149, 323, BStBl II 1987, 527, und vom
21. Dezember 1988 V R 29/86, BFHE 155, 475, BStBl II 1989, 434). Unerheblich
ist demgegenüber der Zeitpunkt der Steuerentstehung (vgl. BFH-Urteile in
BFHE 148, 346, BStBl II 1987, 226, und in BFHE 155, 475, BStBl II 1989, 434;
vgl. auch BFH-Urteil vom 29. März 1984 IV R 271/83, BFHE 141, 2, BStBl II
1984, 602; BFH-Beschlüsse vom 30. April 2007 VII B 252/06, BFHE 217, 212,
BFH/NV 2007, 1395; vom 1. April 2008 X B 201/07, BFH/NV 2008, 925, jeweils
m.w.N.). Welche Anforderungen im Einzelnen an die somit erforderliche
vollständige Tatbestandverwirklichung im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung zu
stellen sind, richtet sich nach den jeweiligen Vorschriften des
Steuerrechts, nicht aber nach dem Insolvenzrecht (vgl. BFH-Urteil in BFHE
218, 435, BFH/NV 2007, 2429). Kommt es umsatzsteuerrechtlich zur
vollständigen Tatbestandsverwirklichung bereits vor Verfahrenseröffnung,
handelt es sich um eine Insolvenzforderung; erfolgt die vollständige
Tatbestandsverwirklichung dagegen erst nach Verfahrenseröffnung, liegt unter
den Voraussetzungen des § 55 InsO eine Masseverbindlichkeit vor.
2. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG
entsteht bei der Berechnung der Steuer nach vereinbarten Entgelten (§ 16
Abs. 1 Satz 1 UStG) - wie im Streitfall - die Steuer mit Ablauf des
Voranmeldungszeitraums, in dem die Leistungen ausgeführt worden sind. Das
gilt auch für Teilleistungen. Sie liegen vor, wenn für bestimmte Teile einer
wirtschaftlich teilbaren Leistung das Entgelt gesondert vereinbart wird.
Wird das Entgelt oder ein Teil des Entgelts vereinnahmt, bevor die Leistung
oder die Teilleistung ausgeführt worden ist, so entsteht insoweit die Steuer
mit Ablauf des Voranmeldungszeitraums, in dem das Entgelt oder das
Teilentgelt vereinnahmt worden ist.
a) § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG in
seiner in den Streitjahren 2001 und 2002 anzuwendenden Fassung entspricht
weitgehend der durch das UStG 1980 in Kraft getretenen Fassung dieser
Vorschrift. Änderungen gegenüber dem UStG 1980 ergaben sich aber daraus,
dass mit Wirkung ab 1. Januar 1994 die bis dahin in § 13 Abs. 1 Nr. 1
Buchst. a Satz 5 UStG 1993 vorgesehene Grenze von 10.000 DM für die
Steuerentstehung aufgrund der Entgeltvereinnahmung entfiel, so dass seitdem
auch im Rahmen der Besteuerung nach vereinbarten Entgelten alle Zahlungen
vor Leistungserbringung (Anzahlungen) zur Steuerentstehung führen. Bei § 13
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG handelt es sich daher nicht um eine
ausschließliche Sollbesteuerung, sondern zumindest seit 1994 um eine
kombinierte Soll- und Istbesteuerung, bei der die Steuer aufgrund der
Leistungsausführung (gleichgestellt: Teilleistungsausführung) oder der
Entgeltvereinnahmung (gleichgestellt: Teilentgeltvereinnahmung und dort
Anzahlungen) entsteht.
Demgegenüber bestand nach dem UStG 1967
eine strikte Trennung zwischen Soll- und Istprinzip. Zwar konnte die Steuer
auch nach dem UStG 1967 entweder nach vereinbarten oder nach vereinnahmten
Entgelten entstehen. Versteuerte der Unternehmer seine Umsätze aber nach
vereinbarten Entgelten, führte die Entgeltvereinnahmung nicht zu einer
Steuerentstehung (vgl. Nieskens, in Rau/Dürrwächter, UStG, § 13 Rz 151).
b) Obwohl im Rahmen der kombinierten Soll-
und Istbesteuerung § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG für Zwecke der
Steuerentstehung jeweils eigenständig an Leistungsausführung und
Entgeltvereinnahmung anknüpft, sind beide Tatbestände eng miteinander
verknüpft. Wird etwa - wie im Streitfall - die Leistung nach der
Vereinnahmung von Anzahlungen ausgeführt, hat der Unternehmer die Leistung
für den Voranmeldungszeitraum der Leistungsausführung nur insoweit zu
versteuern, als die Steuer nicht schon aufgrund der zuvor vereinnahmten
Anzahlungen entstanden ist. Auch steht die Besteuerung aufgrund der
Leistungserbringung einerseits unter dem Vorbehalt, dass das Entgelt
tatsächlich vereinnahmt und nicht uneinbringlich wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1,
Abs. 2 Nr. 1 UStG), während andererseits die Steuererhebung aufgrund der
Entgeltvereinnahmung unter der Bedingung erfolgt, dass die Leistung
ausgeführt wird (§ 17 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Nr. 2 UStG).
3. Der Senat kann im Streitfall
offenlassen, ob es für die vollständige Tatbestandsverwirklichung im Rahmen
der kombinierten Soll- und Istbesteuerung nach vereinbarten Entgelten (§ 13
Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a UStG) vorrangig auf die Leistungsausführung oder die
Entgeltvereinnahmung ankommt (für vollständige Tatbestandsverwirklichung
durch Entgeltvereinnahmung bei § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. b UStG: Urteil vom
29. Januar 2009 V R 64/07, BFH/NV 2009, 1045). Werden die Leistungen - wie
im Streitfall - erst nach Verfahrenseröffnung erbracht, liegen
Masseverbindlichkeiten jedenfalls insoweit vor, als die Entgelte hierfür
nicht bereits vor Verfahrenseröffnung erbracht wurden. Das FG hat zu Recht
entschieden, dass der Kläger die Leistungen in vollem Umfang erst nach
Verfahrenseröffnung erbracht hat.
a) Nach § 3 Abs. 1 UStG sind Lieferungen
eines Unternehmers Leistungen, durch die er den Abnehmer befähigt, im
eigenen Namen über einen Gegenstand zu verfügen (Verschaffung der
Verfügungsmacht). Für Werklieferungen i.S. des § 3 Abs. 4 UStG gilt nichts
anderes. Dies entspricht der gemeinschaftsrechtlichen Definition des
Tatbestandes der Lieferung: Nach Art. 5 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des
Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG)
gilt als Lieferung eines Gegenstandes die Übertragung der Befähigung, wie
ein Eigentümer über einen körperlichen Gegenstand zu verfügen. Da der
Begriff der Lieferung autonom gemeinschaftsrechtlich und daher nicht nach
Maßgabe des zivilrechtlichen Eigentumsübergangs oder nach Maßgabe der
sachenrechtlichen Vorschriften des BGB auszulegen ist (vgl. z.B. BFH-Urteil
vom 16. April 2008 XI R 56/06, BFHE 221, 475, BStBl II 2008, 909), ist für
den Zeitpunkt der Lieferung eines Bauwerks unerheblich, ob und in welchem
Umfang der Werkbesteller bereits vor Fertigstellung des Bauwerks
zivilrechtlich aufgrund einer Verbindung der Baumaterialien mit dem
Grundstück nach §§ 946 ff. BGB Eigentum am Werk im jeweiligen Bauzustand
erlangt hat.
Nach den für den Senat bindenden
Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) sind die Bauwerke erst nach
Verfahrenseröffnung fertig gestellt worden, so dass auch von erst nach
Verfahrenseröffnung ausgeführten Werklieferungen auszugehen ist. Im Übrigen
sind die nach Verfahrenseröffnung erfolgten Abnahmen (§ 640 BGB) Indiz für
den Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht (vgl. BFH-Urteil vom
9. November 2006 V R 9/04, BFHE 215, 372, BStBl II 2007, 285, unter II. 2.
b).
b) Im Streitfall liegen keine zum Zeitpunkt
der Verfahrenseröffnung erbrachten Teilleistungen vor. Teilleistungen setzen
nach § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG voraus, dass das Entgelt für
bestimmte Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung gesondert vereinbart
wird (vgl. auch BFH-Beschluss vom 9. März 2006 V B 77/05, BFH/NV 2006,
1530).
An derart gesonderten Entgeltvereinbarungen
hinsichtlich der streitigen Lieferungen fehlt es nach den Feststellungen des
FG im Streitfall. Sie ergeben sich auch nicht aus § 103 InsO. Diese
Vorschrift berechtigt den Insolvenzverwalter nur, den Vertrag insgesamt zu
erfüllen oder dessen (weitere) Erfüllung abzulehnen. Hieraus folgt weder das
Recht, eine Leistung in Teilen zu erbringen noch eine gesonderte
Entgeltvereinbarung für einzelne Teile der geschuldeten Leistung. Keine
dieser beiden in § 103 InsO genannten Möglichkeiten ermöglicht es dem
Insolvenzverwalter, eine Leistung in Teilen zu erbringen, wie es etwa auf
die monatliche Zahlungs- und Leistungsabschnitte bei einer Vermietung
(BFH-Urteil vom 9. September 1993 V R 42/91, BFHE 173, 231, BStBl II 1994,
269) oder auf einzelne Fahrstunden im Rahmen eines Fahrunterrichts
(BFH-Urteil vom 21. April 1994 V R 59/92, BFH/NV 1995, 367) zutrifft. Das
Wahlrecht nach § 103 InsO führt nur dazu, dass entweder die weitere
Erfüllung unterbleibt und sich der Leistungsaustausch auf das nicht fertig
gestellte Werk beschränkt (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 1978 V R 128/76,
BFHE 125, 314, BStBl II 1978, 483) oder aber die Leistung wie ursprünglich
vorgesehen erbracht wird.
Im Übrigen beschränkt sich die Wirkung der
Eröffnung des Insolvenzverfahrens darauf, dass die noch offenen Ansprüche im
Insolvenzverfahren ihre Durchsetzbarkeit verlieren, ohne dass dabei aber
Erfüllungsansprüche im Sinne einer materiell-rechtlichen Umgestaltung
erlöschen (BGH-Urteil in BGHZ 150, 353, NJW 2002, 2783). Aus dem Verlust der
Durchsetzbarkeit von Ansprüchen ergibt sich nicht die umsatzsteuerrechtlich
erforderliche Vereinbarung von Teilleistungen. Allein die Tatsache, dass der
spätere Insolvenzschuldner bis zur Verfahrenseröffnung nur teilweise
geleistet hat, rechtfertigt nicht die Annahme einer für die
umsatzsteuerrechtliche Beurteilung als Teilleistung i.S. des § 13 Abs. 1
Nr. 1 Buchst. a Satz 3 UStG notwendige Entgeltvereinbarung für bestimmte
Teile einer wirtschaftlich teilbaren Leistung. Unerheblich ist schließlich
entgegen einer zum Teil vertretenen Auffassung (Onusseit, in Festschrift für
Hans-Peter Kirchhof, S. 373 ff., 386), ob die Werklieferung zivilrechtlich
aufgrund der Erfüllungswahl unter Berücksichtigung des BGH-Urteils in BGHZ
150, 353, NJW 2002, 2783 rechtlich "auf unterschiedlichen Grundlagen"
beruht, wenn es sich darüber hinaus nicht auch umsatzsteuerrechtlich um
Teilleistungen handelt.
c) Auch auf das Senatsurteil in BFHE 125,
314, BStBl II 1978, 483 lässt sich die Auffassung des Klägers, die
Umsatzsteuer für ein nach Verfahrenseröffnung fertig gestelltes Bauwerk sei
unter Berücksichtigung des Baustandes bei Insolvenzeröffnung in eine
Insolvenzforderung und eine Masseverbindlichkeit aufzuteilen, nicht stützen.
Dieses Urteil betrifft den Fall, dass über das Vermögen eines
Werkunternehmers, der seine Umsätze nach vereinbarten Entgelten zu
versteuern hat, nach Beginn der Bauarbeiten aber vor der Lieferung des zu
errichtenden Bauwerks das Konkursverfahren eröffnet wird und sein
Konkursverwalter die weitere Vertragserfüllung ablehnt. Für diesen Fall hat
der Senat entschieden, dass neu bestimmter Gegenstand der Werklieferung das
nicht fertig gestellte Bauwerk sei. Dieses werde im Zeitpunkt der
Konkurseröffnung geliefert mit der Folge, dass es sich bei der für diese
Lieferung entstehenden Umsatzsteuer um eine Konkursforderung handele.
Anders als im Urteil in BFHE 125, 314,
BStBl II 1978, 483 hat der Kläger als Insolvenzverwalter des
Werkunternehmers im Streitfall Vertragserfüllung gewählt. Für den Fall der
Erfüllungswahl hat der BFH in diesem Urteil die Möglichkeit einer Aufteilung
verneint.
4. Zu Recht hat das FG ferner entschieden,
dass keine Masseverbindlichkeit vorliegt, soweit der spätere
Insolvenzschuldner Entgelte bereits vor Verfahrenseröffnung vereinnahmt
hatte.
a) § 13 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG enthält
einen selbständigen und abschließenden Steuerentstehungstatbestand
(ausführlich BFH-Urteil vom 21. Juni 2001 V R 68/00, BFHE 195, 446, BStBl II
2002, 255). Die vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom späteren
Insolvenzschuldner gemäß § 13 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a Satz 4 UStG zu
versteuernden Anzahlungen sind deshalb von der Bemessungsgrundlage für die
nach Insolvenzeröffnung durch aufgrund der Fertigstellung der Bauwerke
geschuldeten Umsatzsteuer abzuziehen.
Käme es für die vollständige
Tatbestandsverwirklichung nur auf die Leistungsausführung an, hätte der
Insolvenzverwalter das für die nach Verfahrenseröffnung erbrachten
Leistungen geschuldete Entgelt auch insoweit als Masseverbindlichkeit zu
versteuern, als Anzahlungen für diese Leistungen bereits vor
Verfahrenseröffnung vom späteren Insolvenzschuldner vereinnahmt wurden, die
Umsatzsteuer hierfür aber nicht vor Verfahrenseröffnung abgeführt worden
ist. Dies würde zu einer nicht gerechtfertigten Privilegierung des
Steuergläubigers gegenüber anderen Gläubigern führen.
b) Der Kläger handelte bei
Leistungsausführung auch im Rahmen der Verwaltung und Verwertung der Masse
nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 29. Januar 2009
V R 64/07, unter II. 3.).
c) Schließlich kommt es für die Beurteilung
im Streitfall nicht auf die vom Kläger für seine Auffassung angeführte
Rechtsprechung des VII. Senats des BFH wie das zu § 55 Nr. 1 der
Konkursordnung (KO) ergangene BFH-Urteil in BFHE 188, 149, BStBl II 1999,
423 an. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich, wie der VII. Senat im Urteil
vom 16. Januar 2007 VII R 4/06 (BFHE 216, 385, BStBl II 2007, 747)
ausdrücklich betont, auf das insolvenzrechtliche Aufrechnungshindernis des
§ 96 Abs. 1 Nr. 1 InsO (zuvor § 55 Nr. 1 KO) und die Frage, welcher
Zeitpunkt maßgebend dafür ist, ob ein aufrechnender Insolvenzgläubiger erst
nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens etwas zur Insolvenzmasse schuldig
geworden ist. Demgegenüber geht es im Streitfall um die Frage, inwieweit der
Besteuerungstatbestand nach Insolvenzeröffnung verwirklicht ist, wenn der
Insolvenzverwalter nach § 103 InsO die vollständige Erfüllung eines bei
Insolvenzeröffnung nicht oder nur teilweise erfüllten Werkvertrages wählt.
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