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BFH-Urteil vom 30.7.2009 (VI R 29/06) BStBl. 2010 II S. 148
1.
Maßgeblich für den Lohnsteuereinbehalt vom laufenden Arbeitslohn bei einer
Nettolohnvereinbarung ist der Arbeitslohn, der vermindert um die
übernommenen Lohnabzüge den arbeitsvertraglich vereinbarten Nettobetrag
ergibt. Damit ist die steuerliche Ausgangsgröße des Lohnsteuerabzugs auch im
Fall der Nettolohnabrede ein Bruttobetrag.
2.
Ein Einkommensteuererstattungsanspruch, den der Arbeitnehmer im Rahmen einer
Nettolohnvereinbarung seinem Arbeitgeber abgetreten hat, ist deshalb im
Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch einen Abzug vom laufenden
(Brutto)Arbeitslohn und nicht durch eine Verminderung des laufenden
Nettolohns zu berücksichtigen.
3.
Eine Hochrechnung der Steuererstattung auf einen fiktiven Bruttobetrag ist
nicht möglich.
EStG § 42d Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 3, § 41a
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 39b Abs. 2 Satz 1, § 38 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz
1; LStR R 122.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom
24. April 2006 17 K 4592/04 H(L) (EFG 2006, 1429)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob
Einkommensteuererstattungen bei einer Nettolohnvereinbarung im
Lohnsteuerabzugsverfahren durch eine Minderung des Bruttoarbeitslohns oder
durch Abzug vom Nettolohn zu berücksichtigen sind.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) hat mit ihren japanischen Arbeitnehmern
Nettolohnvereinbarungen abgeschlossen. Auf deren Grundlage zahlt sie den
Angestellten den vereinbarten Nettolohn aus und übernimmt die auf diesen
Nettolohn anfallenden Steuern als Arbeitgeberin. Kommt es im Rahmen von
Einkommensteuerveranlagungen der Arbeitnehmer zur Erstattung von
Einkommensteuer, werden die Erstattungsbeträge auf der Grundlage der
getroffenen Nettolohnabreden von den Arbeitnehmern an die Klägerin
abgeführt. Dies erfolgt regelmäßig dadurch, dass die im Rahmen der
Einkommensteuerveranlagungen entstehenden Steuererstattungsansprüche an die
Klägerin abgetreten werden. Die Klägerin berücksichtigte die
Einkommensteuererstattungen als negative Einnahmen der Arbeitnehmer. Sie
kürzte in Höhe dieser negativen Einnahmen den laufend ausgezahlten
Nettolohn, den sie ihrer Lohnsteueranmeldung zu Grunde legte. Die
Einkommensteuererstattungen waren auf den Lohnsteuerkarten der Arbeitnehmer
nicht als Werbungskosten oder negative Einnahmen eingetragen.
Bei der Klägerin wurde eine
Lohnsteueraußenprüfung durchgeführt. Bei dieser Prüfung vertraten die Prüfer
die Auffassung, die negativen Einnahmen seien nicht vom Nettolohn
abzuziehen, sondern minderten nur den Bruttolohn. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ dementsprechend einen
Lohnsteuerhaftungsbescheid für die Jahre 1999 bis 2002 und nahm die Klägerin
in Höhe der sich ergebenden Differenzen in Anspruch.
Das Finanzgericht (FG) wies
die nach erfolglosem Vorverfahren erhobene Klage mit den in Entscheidungen
der Finanzgerichte 2006, 1429 veröffentlichten Gründen ab.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die Verletzung materiellen Rechts.
Die Klägerin beantragt, das
angefochtene Urteil insoweit abzuändern, dass die im Rahmen der
Nettolohnvereinbarung an die Klägerin von ihren Arbeitnehmern abgeführten
Einkommensteuererstattungen als Minderung des Nettolohns berücksichtigt
werden und die im Haftungs- und Nachforderungsbescheid vom 21. Juni 2002
festgesetzte Nachforderung für Lohnsteuer um 24.745,50 € auf 37.591,73 € und
die Nachforderung für Solidaritätszuschlag um 1.642,78 € auf 2.063,56 €
herabgesetzt werden.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Das FG hat die - hier allein streitige -
Höhe der Haftungsschuld zutreffend bemessen. Es hat insbesondere zu Recht
entschieden, dass die Einkommensteuererstattungen bei der Berechnung der
einzubehaltenden Lohnsteuer lediglich in tatsächlicher Höhe vom laufenden
(Brutto)Arbeitslohn abzuziehen sind.
1. Nach § 42d Abs. 1 Nr. 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) haftet der Arbeitgeber für die Lohnsteuer,
die er nach § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG bei jeder Lohnzahlung vom Arbeitslohn
für Rechnung des Arbeitnehmers einzubehalten und nach § 41a Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 EStG abzuführen hat.
a) Für die Einbehaltung der Lohnsteuer vom
laufenden Arbeitslohn hat der Arbeitgeber zunächst (zeitraumbezogen) die
Höhe des laufenden Arbeitslohns festzustellen (§ 39b Abs. 2 Satz 1 EStG).
Laufender Arbeitslohn ist der Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer nach der
arbeitsvertraglichen Vereinbarung regelmäßig fortlaufend zufließt. Hierzu
zählen auch die Vorteile, die dem Arbeitnehmer - wie im Streitfall - deshalb
zufließen, weil der Arbeitgeber ihn von der geschuldeten Lohnsteuer (§ 38
Abs. 2 Satz 1, Abs. 3 Satz 1 EStG) freistellt (sogenannte
Nettolohnvereinbarung; Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 28. Februar
1992 VI R 146/87, BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733), und zwar auch dann,
wenn die einbehaltene Lohnsteuer höher als die später festgesetzte
Einkommensteuer ist (BFH-Urteil vom 22. Juni 1990 VI R 162/86, BFH/NV 1991,
156).
b) Maßgeblich für den Lohnsteuereinbehalt
vom laufenden Arbeitslohn bei einer Nettolohnvereinbarung ist daher der
Arbeitslohn, der vermindert um die übernommenen Lohnabzüge den
arbeitsvertraglich vereinbarten Nettobetrag ergibt. Damit ist die
steuerliche Ausgangsgröße des Lohnsteuerabzugs auch im Fall der
Nettolohnabrede ein Bruttobetrag (vgl. Schmidt/ Drenseck, EStG, 28. Aufl.,
§ 39b Rz 10). Der Steuereinbehalt gemäß § 38 Abs. 3 Satz 1 EStG i.V.m. § 39b
Abs. 2 und 3 EStG vollzieht sich folglich bei der Nettolohnzahlung ebenso
wie bei der Bruttolohnzahlung (Trzaskalik, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff,
EStG, § 39b Rz C 4 f.). Besonderheiten weist eine Nettolohnvereinbarung nur
insoweit auf, als der Arbeitgeber mit der Auszahlung des Nettolohns aus der
Sicht des Arbeitnehmers die Lohnsteuer vorschriftsmäßig einbehalten hat
(§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 1 EStG), weshalb der Arbeitnehmer nur in Anspruch
genommen werden kann, wenn er weiß, dass der Arbeitgeber die Lohnsteuer
nicht vorschriftsmäßig angemeldet hat, und diesen Sachverhalt dem Finanzamt
nicht unverzüglich mitteilt (§ 42d Abs. 3 Satz 4 Nr. 2 EStG, BFH-Urteil in
BFHE 167, 507, BStBl II 1992, 733).
c) Somit können - wie das FG zu Recht
entschieden hat - die an den Arbeitgeber abgetretenen
Steuererstattungsansprüche im Rahmen des Lohnsteuereinbehalts nur durch
einen Abzug vom laufenden (Brutto)Arbeitslohn und nicht durch eine
Verminderung des laufenden Nettolohns berücksichtigt werden.
aa) Im Streitfall kann der Senat
dahinstehen lassen, ob die Einkommensteuererstattungen, bei denen es sich um
die Rückzahlung von überzahltem Arbeitslohn handelt, als negative Einnahmen
oder Werbungskosten anzusetzen sind. Das FA hat die Steuererstattungen ohne
Anrechnung auf den Arbeitnehmerpauschbetrag (§ 9a Satz 1 Nr. 1 EStG) als
negative Einnahmen vom Bruttolohn abgezogen. Deshalb kann auch dahinstehen,
ob der Minderung der lohnsteuerlichen Bemessungsgrundlage im Streitfall
nicht schon der Umstand entgegensteht, dass die Einkommensteuererstattungen
auf den Lohnsteuerkarten der betroffenen Arbeitnehmer nicht eingetragen
waren. Nach § 39b Abs. 2 Sätze 2 und 3 EStG ist der laufende Arbeitslohn im
Lohnsteuerabzugsverfahren lediglich um den auf den Lohnzahlungszeitraum
entfallenden Anteil des Versorgungs-Freibetrags (§ 19 Abs. 2 EStG) und des
Altersentlastungsbetrags (§ 24a EStG) sowie nach Maßgabe der Eintragungen
auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitnehmers um einen etwaigen Freibetrag
(§ 39a Abs. 1 EStG) zu vermindern.
bb) Das FA und ihm folgend das FG haben
zutreffend erkannt, dass die Abtretung der Steuererstattungsansprüche nicht
auf den Lohnsteuereinbehalt oder die Veranlagung des Jahrs der Überzahlung
rückwirkt, sondern erst in dem Lohnzahlungszeitraum einkünftemindernd zu
berücksichtigen ist, in dem das Finanzamt den Erstattungsbetrag an den
Arbeitgeber geleistet hat (vgl. BFH-Urteile vom 16. August 1979 VI R 13/77,
BFHE 128, 467, BStBl II 1979, 771; in BFH/NV 1991, 156, und vom 5. Juli 2007
VI R 58/05, BFHE 218, 320, BStBl II 2007, 774). Erst zu diesem Zeitpunkt
sind tatsächlich Einnahmen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber
zurückgeflossen (§ 11 Abs. 1 Satz 1 EStG).
cc) Das FA und das FG haben bei der
Ermittlung der Haftungsschuld die Steuererstattungen auch in zutreffender
Höhe berücksichtigt. Ist Geld zurückzuzahlen, bemessen sich die negativen
Einnahmen bzw. Werbungskosten nach der Höhe des Rückzahlungsbetrags, d.h. im
Streitfall nach dem tatsächlich von der Finanzverwaltung im
Lohnzahlungszeitraum an den Arbeitgeber ausgekehrten Erstattungsbetrag. Nur
insoweit sind Einnahmen des Arbeitnehmers an den Arbeitgeber zurückgeflossen
und der Arbeitnehmer überhaupt belastet.
dd) Dem Begehren der Klägerin, die
Steuererstattungen vom laufenden Nettolohn in Abzug zu bringen und nur den
Saldo auf einen Bruttolohn hochzurechnen, ist auch nicht zur Vermeidung
einer ungerechtfertigten steuerlichen Mehrbelastung Rechnung zu tragen. Eine
solche ist durch den Rechenweg des FA nicht zu beklagen. Der Einwand der
Klägerin, durch die Kürzung des Bruttoarbeitslohns um die Steuererstattungen
werde ein höherer Nettolohn, als arbeitsvertraglich vereinbart und
tatsächlich ausgezahlt, dem Lohnsteuerabzug unterworfen, geht fehl.
Insbesondere wird durch den Abzug der Steuererstattungen vom Bruttolohn -
entgegen der Auffassung der Klägerin - die Lohnsteuer auch so nach dem
Jahresarbeitslohn bemessen, dass sie der Einkommensteuer entspricht, die der
Arbeitnehmer schuldet, wenn er ausschließlich Einkünfte aus
nichtselbständiger Tätigkeit erzielt (§ 38a Abs. 2 EStG). Die Klägerin
verkennt, dass sie aufgrund der Nettolohnvereinbarungen nicht den Nettolohn
vermindert um die Steuererstattung des (Vor)Jahres zuzüglich der
gesetzlichen Abzüge als Arbeitslohn schuldet, sondern dass sie sich
gegenüber ihren Arbeitnehmern zu einer ungekürzten Auszahlung eines
gleichbleibenden Monatsnettolohns verpflichtet hat und dieser
Auszahlungsverpflichtung das gesamte Jahr über auch nachgekommen ist. Durch
die Steuererstattungen wird nicht der laufende Arbeitslohn korrigiert,
sondern vielmehr eine in der streitigen Nettolohnabrede strukturell
angelegte und deshalb arbeitsvertraglich zunächst geschuldete Gehalts- bzw.
Steuerüberzahlung in einem späteren Veranlagungszeitraum ausgeglichen.
Insoweit fließt dem Steuerpflichtigen jedes Jahr ein Mehr an Einnahmen, als
arbeitsvertraglich als Jahreslohn geschuldet, zu. Nicht zuletzt aus diesem
Grund hat sich die Klägerin von ihren Arbeitnehmern deren
Einkommensteuererstattungsansprüche abtreten lassen. Folglich sind
ungekürzte Auszahlung des monatlichen Nettolohns und Rückzahlung von im
Vorjahr vereinnahmter Gehaltsüberzahlung zwei Zahlungsvorgänge, die getrennt
voneinander zu betrachten sind. Deshalb macht es auch einen Unterschied, ob
statt der Abtretung der Steuererstattung der Erstattungsbetrag mit dem
laufenden Nettogehalt verrechnet wird. Die unterschiedlichen
Steuerrechtsfolgen sind jedoch nicht - wie von der Klägerin vorgetragen - im
Rechenweg des FA begründet. Sie beruhen vielmehr auf der Verschiedenheit der
- von der Klägerin zu Unrecht als vergleichbar beurteilten - Sachverhalte.
Soll dem Arbeitnehmer die Einkommensteuererstattung unter Anrechnung auf den
laufenden Nettolohn verbleiben, haben Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine
Kürzung des Nettogehalts vereinbart. Rückzahlung von Arbeitslohn und
Gehaltskürzung sind jedoch keine vergleichbaren Sachverhalte. Hier stehen
der Rückfluss von Einnahmen, dort ein Weniger an Zufluss in Rede. Nicht
erzielte Einnahmen sind jedoch keine Ausgaben und damit zu Recht mit anderen
Rechtsfolgen belegt.
Schließlich sind entgegen der Auffassung
der Klägerin Abtretung und Verrechnung der Einkommensteuererstattungen nicht
nur rechtlich, sondern auch wirtschaftlich unterschiedliche Sachverhalte.
Dies folgt schon aus dem Umstand, dass im Fall der Abtretung eine Kürzung
des laufenden Nettolohns um die Einkommensteuererstattungsansprüche des
Arbeitnehmers - nach dem Vorbringen der Klägerin - von den Parteien des
Arbeitsverhältnisses nicht gewollt ist. Dies mag zum einen durch erhebliche
praktische Probleme bei der Durchführung der Lohnabrechnungen begründet
sein. Zum anderen steht einem solchen Vorgehen aber regelmäßig auch der
Grundgedanke der Nettolohnvereinbarung, nach dem der (monatliche) Nettolohn
als konstante Größe geschuldet und ausgezahlt wird, entgegen.
Ebenfalls fehl geht der Einwand der
Klägerin, der Rechenweg des FA würde im Ergebnis dazu führen, dass der
Steuererstattungsbetrag teilweise nochmals besteuert werde. Auch dieses
Vorbringen ist von der unzutreffenden Rechtsauffassung der Klägerin
getragen, dass dem einzelnen Arbeitnehmer lediglich der Saldo aus
ausgezahltem (Jahres)Nettolohn abzüglich des Steuererstattungsbetrags im
Veranlagungszeitraum geschuldet wird und zufließt.
ee) Eine Hochrechnung der Steuererstattung
auf einen fiktiven Bruttobetrag, wie dies in den Streitjahren von den
Finanzbehörden bei der Rückzahlung irrtümlich überhöht gezahlten Nettolohns
praktiziert wurde (Oberfinanzdirektion - OFD - Düsseldorf, Verfügung vom
15. März 2001 S 2367 A-St 22, S 2367 A-St 221, Tz. 3, juris), ist ebenfalls
nicht möglich. Hierfür fehlt es an einer gesetzlichen Grundlage und auch die
Verwaltungsvorschriften sehen ein solches Vorgehen gerade nicht vor (vgl.
OFD Düsseldorf, Verfügung vom 15. März 2001 S 2367 A-St 22, S 2367 A-St 221,
Tz. 3, juris).
ff) Schließlich ist ein Abzug vom Nettolohn
- wie von der Klägerin begehrt - auch nicht nach R 122 der
Lohnsteuer-Richtlinien möglich. Die Voraussetzungen dieser
Vereinfachungsvorschrift sind ersichtlich nicht gegeben.
2. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten im
Übrigen nicht streitig, dass das FA die streitbefangene Lohnsteuer nebst
Annexsteuern dem Grunde nach durch einen Haftungs- und
Nachforderungsbescheid festsetzen durfte.
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