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BFH-Beschluss vom 13.10.2009
(VIII B 62/09) BStBl. 2010 II S. 180
Es ist nicht ernstlich
zweifelhaft, dass Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit
für 2007 keine Ansparabschreibung nach § 7g EStG a.F. geltend machen können,
sondern - bei Einhaltung der in § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und c
EStG n.F. genannten Größenmerkmale - den Investitionsabzugsbetrag nach § 7g
EStG n.F.
EStG § 4 Abs. 3, § 7g, § 52
Abs. 23 Satz 1.
Vorinstanz: FG Münster vom
26. Februar 2009 13 V 215/09 E (EFG 2009, 1108)
Sachverhalt
I.
Die Beteiligten streiten
über die Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes
(EStG).
Der Antragsteller und
Beschwerdeführer (Antragsteller) ist ein freiberuflich tätiger Tierarzt, der
seinen Gewinn nach § 4 Abs. 3 EStG ermittelt. Für 2007 errechnete er einen
Gewinn von 100.559 €. Im Rahmen der mit der Gewinnermittlung für 2007
vorgelegten Anlage EÜR machte der Antragsteller einen
Investitionsabzugsbetrag in Höhe von 36.000 € geltend. Auf entsprechende
Nachfrage des Antragsgegners und Beschwerdegegners (Finanzamt - FA -)
erklärte er, mit dem Investitionsabzugsbetrag sei die Bildung einer
Ansparrücklage in Höhe von 36.000 € nach § 7g EStG i.d.F. des
Jahressteuergesetzes 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) - § 7g
EStG a.F. - gemeint. Bei der Veranlagung 2007 berücksichtigte das FA die
Ansparrücklage mit der Begründung nicht, eine Rücklage nach § 7g EStG a.F.
sei nur in den Fällen möglich, in denen ein abweichendes Wirtschaftsjahr
nach dem 17. August 2007 ende. Einen Investitionsabzugsbetrag nach § 7g EStG
i.d.F. des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 (UntStRefG 2008) vom
14. August 2007, gültig ab 18. August 2007 (BGBl I 2007, 1912) - § 7g
EStG n.F. - berücksichtigte das FA ebenfalls nicht, weil sich der Gewinn des
Antragstellers in 2007 auf mehr als 100.000 € belief.
Seinen dagegen erhobenen
Einspruch stützte der Antragsteller darauf, im Streitfall sei § 7g EStG a.F.
anzuwenden. In der Übergangsvorschrift des § 52 Abs. 23 EStG n.F. sei die
Anwendung nur für den Fall geregelt, dass Wirtschaftsjahre gebildet worden
seien. Er bilde steuerlich kein Wirtschaftsjahr. Vielmehr bestehe lediglich
ein Gewinnermittlungszeitraum. Deshalb sei die spezielle Übergangsregelung
nicht anwendbar. Es gelte vielmehr gemäß § 52 Abs. 1 EStG n.F. für das Jahr
2007 noch das alte Recht.
Das FA wies den Einspruch
als unbegründet zurück. Die Neuregelung des § 7g EStG gelte auch für den
Antragsteller. Denn nach § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. sei der neue
Investitionsabzugsbetrag erstmals für Wirtschaftsjahre anzuwenden, die nach
dem 17. August 2007 endeten. Im Rahmen dieser Übergangsregelung sei der
Begriff "Wirtschaftsjahr" nicht auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft
und auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern für alle Gewinneinkunftsarten
anzuwenden.
Aus den nämlichen Gründen
wies das FA auch einen Einspruch gegen die Ablehnung der Aussetzung der
Vollziehung (AdV) zurück. Der daraufhin beim Finanzgericht (FG) gestellte
Antrag auf AdV hatte keinen Erfolg. Das FG hat gegen seinen (ablehnenden)
Aussetzungsbeschluss wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die
Beschwerde zugelassen.
Der Antragsteller beantragt
sinngemäß, die Vollziehung des Einkommensteuerbescheides 2007 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 26. November 2008 unter Aufhebung der
Vorentscheidung insoweit auszusetzen, als das FA eine Herabsetzung der
Steuer wegen Nichtberücksichtigung einer Ansparabschreibung nach § 7g
EStG a.F. in Höhe von 36.000 € abgelehnt hat.
Das FA beantragt, die
Beschwerde zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 128 Abs. 3 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) statthafte Beschwerde ist unbegründet.
1. Gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1
i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO kann das Gericht auf Antrag die Vollziehung eines
angefochtenen Verwaltungsaktes aussetzen, soweit ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit des Verwaltungsaktes bestehen oder seine Vollziehung für den
Betroffenen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen
gebotene Härte zur Folge hätte.
Ernstliche Zweifel an der
Rechtmäßigkeit eines Verwaltungsaktes bestehen, wenn und soweit bei
summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage aufgrund des unstreitigen
Sachverhalts, der gerichtsbekannten Tatsachen und der präsenten Beweismittel
erkennbar wird, dass aus gewichtigen Gründen Unklarheit in der Beurteilung
von Tatfragen oder Unsicherheit oder Unentschiedenheit in der Beurteilung
von Rechtsfragen besteht und sich bei abschließender Klärung dieser Fragen
der Verwaltungsakt als rechtswidrig erweisen könnte; dabei ist nicht
erforderlich, dass die für die Rechtswidrigkeit sprechenden Gründe
überwiegen (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1978
I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579; BFH-Beschlüsse vom 20. Mai
1998 III B 9/98, BFHE 186, 236, BStBl II 1998, 721, unter II.3.a der Gründe,
m.w.N.; vom 18. Mai 2001 VIII B 25/01, BFH/NV 2001, 1119; vom 16. Juni 2004
I B 44/04, BFHE 206, 284, BStBl II 2004, 882); es genügt, dass der Erfolg
des Rechtsbehelfs ebenso wenig auszuschließen ist wie sein Misserfolg (Seer
in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 69 FGO Rz 89,
m.w.N.). Ist die Rechtslage nicht eindeutig, ist im Regelfall die
Vollziehung auszusetzen.
2. Bei der im Verfahren zur
AdV gebotenen - aber auch ausreichenden - summarischen Prüfung bestehen nach
Auffassung des Senats keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des
angefochtenen Einkommensteuerbescheides 2007 vom 26. Oktober 2008 i.d.F. der
Einspruchsentscheidung vom 26. November 2008.
a) Die vom Antragsteller
vertretene Rechtsauffassung, Freiberufler hätten kein Wirtschaftsjahr und
deshalb sei die Übergangsregelung nach § 52 Abs. 23 Satz 1 EStG n.F. auf
diesen Personenkreis nicht anwendbar, mit der Folge, dass dann nach der
Generalklausel des § 52 Abs. 1 Satz 1 EStG n.F. die durch das UntStRefG 2008
eingeführte Neufassung des § 7g EStG erst ab dem Veranlagungszeitraum 2008
Anwendung finde, wird im Schrifttum von Wendt (Investitionsabzugsbetrag und
Sonderabschreibung nach dem neu gefassten § 7g EStG 2008, Finanz-Rundschau
2008, 598) und Röhrig (Neuregelung zu den Investitionsabzugsbeträgen und
Sonderabschreibungen, Ein Rettungsanker für Freiberufler?,
Einkommensteuerberater 2008, 113) vertreten. Die überwiegende Meinung im
Schrifttum geht - ohne weitere Begründung - übereinstimmend davon aus, dass
§ 7g EStG n.F. in jedem Fall bereits ab dem Veranlagungszeitraum 2007
anzuwenden ist. Auf die vom Antragsteller aufgeworfene Problematik gehen
konkret lediglich Schmidt/Kulosa (EStG, 28. Aufl., § 7g Rz 2) sowie
Blümich/Brandis (§ 7g EStG Rz 2) ein. Beide lehnen die Auffassung des
Antragstellers unter Hinweis auf die Auffassung der Finanzverwaltung und auf
eine "reine buchstabengetreue Gesetzesanwendung" ab.
b) Die Finanzverwaltung (vgl.
Oberfinanzdirektion Rheinland, Kurzinformation ESt Nr. 35/2008 vom 27. Juni
2008, Der Betrieb 2008, 2623) vertritt die Auffassung, der Begriff
"Wirtschaftsjahr" sei nicht auf Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und
auf Gewerbebetriebe beschränkt, sondern für alle Gewinneinkunftsarten
anzuwenden; die Anwendungsregelung in § 52 Abs. 23 EStG n.F. sei unabhängig
von der Einkunftsart zu beachten. Der Begriff "Wirtschaftsjahr" sei durch
die Grundsatzdefinition in § 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG für alle
Gewinneinkunftsarten eingeführt und auch der Wortlaut des § 7g EStG n.F.
knüpfe an die Einhaltung bestimmter Größenmerkmale am Schluss eines
Wirtschaftsjahres an. Ohne Wirtschaftsjahr könnten Freiberufler keinen
Investitionsabzugsbetrag in Anspruch nehmen.
c) Die Rechtsprechung der
Finanzgerichte zu dieser Problematik ist uneinheitlich. Während die
Vorinstanz und das Schleswig-Holsteinische FG (Beschluss vom 17. August 2009
5 V 122/09, juris) derselben Auffassung sind wie die Finanzverwaltung, ist
das Hessische FG der Meinung, die Anwendung des § 7g EStG n.F. auf
Freiberufler im Veranlagungszeitraum 2007 sei ernstlich zweifelhaft
(Beschluss vom 4. Mai 2009 11 V 582/09, Entscheidungen der Finanzgerichte
2009, 1366).
d) Der Senat hält die
Rechtslage bereits bei summarischer Prüfung für eindeutig. Auch für
Freiberufler ist die Neufassung des § 7g EStG bereits im
Veranlagungszeitraum 2007 anzuwenden. Dafür sprechen sowohl der Wortlaut der
Vorschrift als auch ihr Zweck.
3. a) Nach § 2 Abs. 7 EStG
ist die Einkommensteuer eine Jahressteuer (Satz 1), deren Grundlagen,
namentlich die Einkünfte nach § 2 Abs. 1 EStG, jeweils für ein Kalenderjahr
zu ermitteln sind (Satz 2). Eine Ausnahme hiervon sieht § 4a EStG nur für
Land- und Forstwirte und Gewerbetreibende vor, die ihren steuerlichen Gewinn
nach dem Wirtschaftsjahr ermitteln, das nicht unbedingt mit dem Kalenderjahr
übereinstimmen muss. Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger
Arbeit fallen nicht unter den Anwendungsbereich des § 4a EStG (vgl.
BFH-Urteil vom 18. Mai 2000 IV R 26/99, BFHE 191, 544, BStBl II 2000, 498).
Ihr Gewinn ist stets nach dem Kalenderjahr zu ermitteln, sofern nicht
ausnahmsweise (z.B. bei Gründung, Aufgabe oder Veräußerung einer Praxis) ein
Rumpfwirtschaftsjahr zu bilden ist (vgl. BFH-Urteil in BFHE 191, 544, BStBl
II 2000, 498). § 4a EStG normiert daher Ausnahmen vom Jahresprinzip. Soweit
§ 4a EStG nicht greift, bleibt es bei dem Grundsatz des § 2 Abs. 7 EStG.
b) Hieraus kann indes - wie
von der Vorinstanz zutreffend erkannt - nicht abgeleitet werden, dass
Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit kein
Wirtschaftsjahr kennen und somit die zeitliche Anwendungsvorschrift des § 52
Abs. 23 EStG n.F. nicht anwendbar sei, mithin diese Steuerpflichtigen im
Jahr 2007 noch eine Ansparabschreibung nach § 7g Abs. 3 EStG a.F. in
Anspruch nehmen könnten. Eine solche Betrachtung ließe außer Acht, dass der
Gesetzgeber nicht nur die zeitliche Anwendung des § 7g EStG n.F. in § 52
Abs. 23 EStG n.F. von dem Wirtschaftsjahr und dessen Beendigung abhängig
gemacht hat, sondern auch in § 7g EStG n.F. selbst den Begriff des
Wirtschaftsjahres mehrmals benutzt. So hat der Gesetzgeber z.B. in § 7g
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n.F. die Größenklasse der Betriebe festgeschrieben,
die in den Genuss des Investitionsabzugsbetrages kommen können. Nach Nr. 1
1. Halbsatz der vorstehend genannten Vorschrift ist das Größenmerkmal "am
Schluss des Wirtschaftsjahres" ausschlaggebend. In diese Einteilung nach
Größenmerkmalen am Ende eines Wirtschaftsjahres hat der Gesetzgeber in § 7g
Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. a und c EStG n.F. auch die der selbständigen
Arbeit dienenden Betriebe einbezogen und damit - abweichend von § 4a EStG -
den Gewinnermittlungszeitraum auch für Freiberufler als "Wirtschaftsjahr"
bezeichnet. Dementsprechend ist es folgerichtig, dass in § 52 Abs. 23 Satz 1
EStG n.F., in dem die Anwendung des § 7g EStG n.F. geregelt ist, mit dem
Begriff des Wirtschaftsjahres ebenfalls der jeweilige
Gewinnermittlungszeitraum gemeint ist.
c) Nach dem in § 7g EStG n.F.
zugrunde gelegten Begriffsinhalt verfügen mithin Steuerpflichtige, die
Einkünfte aus selbständiger Arbeit erzielen, über ein - mit dem Kalenderjahr
identisches - Wirtschaftsjahr. Dafür spricht auch, dass andernfalls die
Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages für Freiberufler gänzlich
ausgeschlossen wäre. Denn § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG n.F. knüpft die
Inanspruchnahme des Investitionsabzugsbetrages daran, dass der "Betrieb",
also z.B. der Steuerpflichtige mit Einkünften aus selbständiger Arbeit, am
Schluss des Wirtschaftsjahres, in dem der Abzug vorgenommen wird, bestimmte
Größenmerkmale nicht überschreitet. Gäbe es für Freiberufler kein
Wirtschaftsjahr, könnte dieser Personenkreis die Voraussetzungen des § 7g
EStG n.F. nicht erfüllen. Das wäre mit dem Willen des Gesetzgebers nicht
vereinbar.
4. Da demnach im Streitfall -
entgegen der Auffassung des Antragstellers - § 52 Abs. 23 EStG n.F.
Anwendung findet, kann der Antragsteller für 2007 keine Ansparrücklage nach
§ 7g EStG a.F. bilden. Da sein Gewinn im Jahr 2007 überdies (unstreitig)
höher war als 100.000 €, kommt auch nach § 7g Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Buchst. c
EStG n.F. ein Investitionsabzugsbetrag nicht in Betracht.
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