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BFH-Urteil vom 25.6.2009 (IV R 3/07) BStBl. 2010 II S. 182
Wird ein Gesellschaftsanteil unter einer aufschiebenden Bedingung veräußert,
geht das wirtschaftliche Eigentum an dem Gesellschaftsanteil grundsätzlich
erst mit dem Eintritt der Bedingung auf den Erwerber über, wenn ihr Eintritt
nicht allein vom Willen und Verhalten des Erwerbers abhängt.
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1; EStG § 16 Abs. 1 Nr.
2.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom 26.
Oktober 2006 10 K 516/01 (DStRE 2008, 870)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionsbeklagte zu 1. (Kläger zu 1.) und S waren Komplementäre, die Kläger
und Revisionsbeklagten zu 2. bis 4. (Kläger zu 2. bis 4.) Kommanditisten der
X KG (KG); die Kläger zu 2. bis 4. sind zugleich die Erben nach S. Weitere
Komplementärin war die X Beteiligungs GmbH.
Mit Vertrag vom 21. Dezember
1993 veräußerten die Kläger und S ihre Anteile an der KG an die Fa. Y
Beteiligungs GmbH (GmbH). Darin war vereinbart, dass die Kläger und S die
Anteile mit dinglicher Wirkung zum 1. Januar 1994 auf die GmbH übertragen.
Der Kaufpreis wurde für alle Anteile mit 222 Mio. DM veranschlagt; er war in
bar und in Aktien der an der Schweizer Börse notierten Y AG (AG) zu leisten.
Umfang und Anrechnung der Aktien auf den Kaufpreis bestimmten sich nach der
Anlage 1a zum Vertrag. Danach übergab die GmbH "an Zahlungs Statt" 18.000
Namensaktien und 2.500 Inhaberaktien der AG. Die Aktien wurden zu den um 5 %
sowie den Gegenwert von 538.200 sfr in DM gekürzten durchschnittlichen
Börsenkursen im Dezember (bis 23. Dezember 1993), umgerechnet zum
durchschnittlichen Devisenmittelkurs (bis 23. Dezember 1993), angerechnet.
Die Hälfte der Inhaberaktien war erst nach einem Jahr "frei verfügbar", d.h.
sie durften erst nach einem Jahr veräußert werden. Die Namensaktien waren im
ersten Jahr nicht veräußerbar, danach jährlich 6.000 Stück. Die Aktien waren
erstmals für das Geschäftsjahr 1994 dividenden- und stimmberechtigt. Die
Kläger und S übernahmen die Aufteilung des Kaufpreises. Der Vertrag stand
unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Bundeskartellamt den
Zusammenschluss nicht innerhalb der Frist des § 24a Abs. 2 des Gesetzes
gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) a.F. untersagt oder vorab erklärt, die
Untersagung nicht vornehmen zu wollen.
Das Bundeskartellamt stimmte
der Übertragung am 25. März 1994 zu. Die Aktien gingen am 15. Mai 1994 auf
die Kläger und S über. Die KG wurde im August 1994 beendet.
Mit einem weiteren
notariellen Vertrag vom 21. Dezember 1993 hatte die GmbH auch sämtliche
Anteile an der X Beteiligungs GmbH erworben.
In der
Feststellungserklärung für das Streitjahr 1994 wurde ein Veräußerungsgewinn
in Höhe von insgesamt 151.180.234 DM erklärt. Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) stellte die Einkünfte für das
Streitjahr zunächst erklärungsgemäß unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
gesondert und einheitlich fest. Bei einer Außenprüfung ermittelte das FA
einen um 3.970.843 DM höheren Veräußerungsgewinn, da es die Aktien mit den
Börsenkursen vom 3. Januar 1994 (erster Börsentag des Jahres 1994) abzüglich
eines Betrags in Höhe von 970.209 DM wegen der fehlenden
Dividendenberechtigung für 1993 bewertete; die in der Anlage 1a zum Vertrag
vom 21. Dezember 1993 vereinbarten Kürzungen um 5 % und den Gegenwert von
538.200 sfr in DM berücksichtigte es nicht. Das FA änderte daher den
Gewinnfeststellungsbescheid für das Streitjahr entsprechend. Die hiergegen
gerichteten Einsprüche blieben ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage aus den in Deutsches Steuerrecht/Entscheidungsdienst 2008, 870
veröffentlichten Gründen statt. Es führte im Wesentlichen aus, der
tatsächlich erzielte Veräußerungspreis sei nicht nach dem gemeinen Wert der
Aktien im Zeitpunkt der Veräußerung, sondern nach der zwischen den
Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung zu bestimmen. Die Vertragsparteien
hätten zivilrechtlich keinen Tausch mit Baraufgabe, sondern einen Doppelkauf
vereinbart. Es fehle wegen der bindenden Anrechnung der Aktien auf den
Kaufpreis zu einem bestimmten, im Zeitpunkt der Veräußerung feststehenden
Wert am Tauschcharakter des Leistungsaustauschs.
Mit seiner Revision rügt das
FA die Verletzung des § 16 Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes in der
für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG).
Das FA beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger beantragen, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1
Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat zutreffend davon abgesehen,
die GmbH als Erwerberin der Kommanditanteile zum Verfahren nach § 60 Abs. 3
Satz 1 FGO notwendig beizuladen.
Gemäß § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte
zum Verfahren beizuladen, wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart
beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich
ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht
klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO). Gegenstand des Klageverfahrens
ist allein die Höhe des Veräußerungsgewinns der Kläger und von S; die
Feststellung eines Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils
ist selbständig anfechtbar (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 31.
Juli 1974 I R 226/70, BFHE 113, 428, BStBl II 1975, 236, sowie BFH-Beschluss
vom 6. Dezember 1979 IV B 56/79, BFHE 130, 1, BStBl II 1980, 314, jeweils
m.w.N.). Diese Feststellungen berühren die GmbH als Erwerberin der Anteile
nicht und können sie damit nicht in ihren eigenen Rechten verletzen (vgl. §
40 Abs. 2 FGO). Eine Klagebefugnis der GmbH ist deshalb insbesondere weder
aus § 48 Abs. 1 Nr. 2 FGO noch aus § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO abzuleiten; auch §
48 Abs. 1 Nr. 2 FGO vermittelt nur ein beschränktes Klagerecht
(BFH-Beschluss vom 3. März 1998 VIII B 62/97, BFHE 185, 131, BStBl II 1998,
401). Soweit der Senat mit Urteil vom 10. November 1988 IV R 70/86 (BFH/NV
1990, 31) entschieden hat, der Erwerber eines Mitunternehmeranteils sei nach
§ 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO klagebefugt, wenn Streit über die Höhe des
Veräußerungspreises bestehe, hält er daran nicht fest.
2. Das FG hat zu Unrecht entschieden, dass
sich die von den Klägern und S für die Veräußerung ihrer
Mitunternehmeranteile erzielten Veräußerungspreise nach der im Vertrag vom
21. Dezember 1993 vorgenommenen Bewertung des (Gesamt-)Kaufpreises bemessen.
a) Nach § 16 Abs. 1 Nr. 2 EStG gehören zu
den Einkünften aus Gewerbebetrieb auch Gewinne, die erzielt werden bei der
Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer
(Mitunternehmer) des Betriebs anzusehen ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG).
aa) Veräußerungsgewinn i.S. des § 16 Abs. 1
EStG ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der
Veräußerungskosten den Wert des Anteils am Betriebsvermögen übersteigt (§ 16
Abs. 2 Satz 1 EStG). Der Tatbestand der Veräußerung ist mit der Übertragung
des wirtschaftlichen Eigentums auf den Erwerber verwirklicht. In diesem
Zeitpunkt entsteht der Veräußerungsgewinn, und zwar unabhängig davon, ob der
vereinbarte Kaufpreis sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig
gestundet ist und wann der Verkaufserlös dem Veräußerer tatsächlich zufließt
(vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE
172, 66, BStBl II 1993, 897, m.w.N.).
bb) Unter Veräußerungspreis i.S. des § 16
EStG ist der tatsächlich erzielte Erlös zu verstehen (vgl. Beschluss des
Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897). Zum
Veräußerungspreis gehören die Gegenleistung, die der Veräußerer vom Erwerber
für die Übertragung erhält (BFH-Urteil vom 2. September 1988 III R 117/86,
BFH/NV 1990, 20), und Leistungen, die der Veräußerer zwar nicht als
Gegenleistung, aber im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit der
Veräußerung vom Erwerber oder - ohne dass dies der Erwerber veranlasst hat -
von einem Dritten erlangt (BFH-Urteil vom 7. November 1991 IV R 14/90, BFHE
166, 527, BStBl II 1992, 457, m.w.N.). Soweit die Gegenleistung nicht in
Geld, sondern in Sachgütern besteht, ist der Veräußerungspreis mit dem
gemeinen Wert (§ 9 des Bewertungsgesetzes - BewG -) der erlangten Sachgüter
im Zeitpunkt der Veräußerung zu bewerten (vgl. BFH-Urteil vom 19. Januar
1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295).
b) Nach diesen Maßstäben gehören die Aktien
der AG zu den von den Klägern und S erzielten Veräußerungspreisen; sie sind
daher bei der Ermittlung der Veräußerungsgewinne mit ihrem gemeinen Wert im
Zeitpunkt der Veräußerung anzusetzen.
aa) Die Kläger und S haben als
Gegenleistung für die Veräußerung ihrer Mitunternehmeranteile eine
Geldleistung und Sachgüter in Gestalt der Aktien der AG erhalten. Denn im
Veräußerungsvertrag vom 21. Dezember 1993 war vereinbart, dass der Kaufpreis
für alle Anteile in bar und in Aktien zu leisten ist. Damit haben die Kläger
und S sowohl die Geldleistung als auch die Aktien durch den Abschluss des
Veräußerungsgeschäfts erlangt.
Entgegen der Auffassung des FG und der
Kläger ergibt sich nichts anderes daraus, dass die Vertragspartner einen
(Bar-) Kaufpreis für alle Anteile vereinbart haben, auf den die Aktien nach
dem in der Anlage 1a zum Veräußerungsvertrag bestimmten Wert anzurechnen
waren. Diese Anrechnungsabrede hat nicht zur Folge, dass lediglich die von
den Vertragsparteien veranschlagte Höhe des (Gesamt-)Kaufpreises als
Gegenleistung für die Veräußerung anzusehen wäre. Denn der Veräußerungspreis
ist nicht auf diesen von den Vertragspartnern angesetzten Betrag beschränkt.
Vielmehr ist der Veräußerungspreis - wie ausgeführt - der tatsächlich
erzielte Veräußerungspreis (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE
172, 66, BStBl II 1993, 897). Tatsächlich haben die Kläger und S eine
Geldleistung und Aktien für die Veräußerung ihrer Anteile erlangt. Es kommt
deshalb nicht darauf an, ob der Vertrag vom 21. Dezember 1993 zivilrechtlich
als aus Kauf und Tausch gemischter Vertrag oder als Doppelkauf zu beurteilen
ist.
Zudem kann es für die Bestimmung des
Veräußerungspreises keinen Unterschied machen, ob die Vertragsparteien als
Gegenleistung für die Veräußerung eine Geldleistung und Sachgüter oder - wie
im Streitfall - einen Kaufpreis vereinbaren, auf den die Sachgüter mit einem
von den Vertragsparteien festgelegten Wert angerechnet werden. Denn sonst
hätten es letztlich die Vertragsparteien in der Hand, die als Gegenleistung
für die Veräußerung zu verschaffenden Sachgüter selbst zu bewerten, indem
sie die Sachgüter mit einem von ihrem gemeinen Wert abweichenden Wert auf
den Kaufpreis anrechnen. Dies widerspräche jedoch dem auch bei der
Besteuerung eines Veräußerungsgewinns nach § 16 EStG maßgeblichen Grundsatz
der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (hierzu
Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).
bb) Die Höhe der Geldleistung bestimmt sich
- wie zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - grundsätzlich nach
den Regelungen im Veräußerungsvertrag zu Umfang und Anrechnung der Aktien
auf den Kaufpreis, da nur in der danach verbleibenden Höhe eine Geldleistung
von der GmbH zu erbringen war. Die Aktien sind als Teil des
Veräußerungspreises jedoch mit ihrem gemeinen Wert (§§ 9, 11 BewG) zum
Zeitpunkt der Veräußerung der Mitunternehmeranteile zu bewerten.
3. Das FG ist von anderen Grundsätzen
ausgegangen; die Vorentscheidung ist daher aufzuheben. Die Sache ist nicht
spruchreif. Das FG hat - von seinem Standpunkt aus zu Recht - nicht den
gemeinen Wert der Aktien der AG zum Zeitpunkt der Veräußerung der
Mitunternehmeranteile festgestellt.
a) Entgegen der Auffassung des FG wurden
die Anteile erst am 25. März 1994 veräußert. Zwar war im Vertrag vom 21.
Dezember 1993 vereinbart, dass die Anteile mit dinglicher Wirkung zum 1.
Januar 1994 auf die GmbH übertragen werden. Der Vertrag stand jedoch unter
der aufschiebenden Bedingung, dass das Bundeskartellamt den Zusammenschluss
nicht innerhalb der Frist des § 24a Abs. 2 GWB a.F. untersagt oder vorab
erklärt, die Untersagung nicht vornehmen zu wollen. Zivilrechtlich ist die
Abtretung der Anteile daher erst mit der Zustimmung des Bundeskartellamts am
25. März 1994 wirksam geworden (vgl. § 158 Abs. 1 des Bürgerlichen
Gesetzbuchs). Vor diesem Zeitpunkt ist auch das wirtschaftliche Eigentum
nicht auf die GmbH übergegangen. Das wirtschaftliche Eigentum (§ 39 Abs. 2
Nr. 1 der Abgabenordnung) setzt voraus, dass der Erwerber aufgrund eines
(bürgerlich-rechtlichen) Rechtsgeschäfts bereits eine rechtlich geschützte,
auf den Erwerb des Rechts gerichtete Position erworben hat, die ihm gegen
seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann (z.B. BFH-Urteil vom 9.
Oktober 2008 IX R 73/06, BFHE 223, 145, BStBl II 2009, 140, sowie Fischer in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 39 AO Rz 54). Der GmbH konnte jedoch ihre auf
den Anteilserwerb gerichtete Anwartschaft auch gegen ihren Willen wieder
entzogen werden, da der (zivilrechtliche) Anteilserwerb von der Billigung
des Zusammenschlusses durch das Bundeskartellamt abhing; hierauf hatte die
GmbH indes keinen Einfluss.
b) Zur Feststellung des gemeinen Werts der
Aktien zum 25. März 1994 weist der Senat darauf hin, dass die an den Aktien
bestehenden Verfügungsbeschränkungen nur dann keinen Bewertungsabschlag
rechtfertigen, wenn die Voraussetzungen des § 9 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 3
Satz 1 BewG vorliegen (vgl. hierzu z.B. Gürsching/Stenger, BewG und VStG, §
9 BewG Rz 103 f., § 11 BewG Rz 285 ff., jeweils m.w.N.). Zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen wird die Sache an das FG zurückverwiesen.
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