| | Home | | | Index | | | EStG | | | Neuzugang | | | Impressum |
|
BFH-Urteil vom 11.9.2003 (IV R 53/02) BStBl.
2010 II S. 184
Ein vor dem 1. Juli 1970 entstandenes, nicht
an Aktien gebundenes Zuckerrübenlieferrecht hatte sich vor diesem Stichtag
nur dann als immaterielles Wirtschaftsgut verfestigt, wenn sich für solche
Rechte bereits ein Markt gebildet hatte. Sofern das der Fall ist, kommt der
Abzug eines anteiligen Buchwerts bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns
nicht in Betracht. EStG §§ 13, 14, 16, 55
Abs. 1 bis 6. Vorinstanz:
Niedersächsisches FG vom 28. August 2002 2 K 683/99 (EFG 2002, 1607)
Sachverhalt Das
Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang. Der Kläger
und Revisionskläger (Kläger) veräußerte mit Wirkung zum 1. Oktober 1989
seinen landwirtschaftlichen Betrieb (rd. 63,5 ha). Der Kaufpreis in Höhe von
4.261.000 DM - später pauschal um 85.000 DM vermindert - entfiel u.a. auf
den Grund und Boden sowie in Höhe von 30.400 DM auf 152 Aktien an der Zucker
AG .... Nach § 7 des Vertrages gingen das "Zuckerrübenkontingent" (13.917 dt
A- und B-Rüben, davon 10.124 dt A-Rüben) sowie die Rübenlieferrechte
einschließlich der Lieferrechte aus den mitübertragenen 152 Aktien (4 dt pro
Aktie) mit auf den Erwerber über. Der Kläger
erklärte einen Veräußerungsgewinn von 346.592 DM, darin enthalten u.a. ein
Gewinn aus der Veräußerung der Aktien von 23.912 DM, ferner ein Verlust von
61.608 DM aus der Veräußerung einer nach dem 30. Juni 1970 erworbenen
Grundstücksfläche sowie ein nach Ansicht der Beteiligten nicht abziehbarer
weiterer Verlust aus der Veräußerung von Grund und Boden (§ 55 Abs. 6 des
Einkommensteuergesetzes - EStG -). Nach einer
Außenprüfung gelangte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
-) zu der Auffassung, in dem Gesamtkaufpreis sei auch ein Entgelt für die
nicht an Aktien gebundenen Zuckerrübenlieferrechte enthalten, und teilte den
Kaufpreis nach dem Verhältnis der Teilwerte des Grund und Bodens (5,30
DM/qm) und der Lieferrechte auf. Den Teilwert der Lieferrechte (9.080 dt
A-Rüben und 118 dt B-Rüben) setzte das FA - ausgehend von einer
Deckungsbeitragsdifferenz von 2.488 DM/ha, die sich Veräußerer und Erwerber
hälftig geteilt hätten - unter Annahme einer immerwährenden Nutzung mit dem
Achtzehnfachen des Jahreswerts (§ 13 des Bewertungsgesetzes in der damals
geltenden Fassung - BewG a.F. -), also mit insgesamt 22 392 DM pro Hektar
an. Unter Berücksichtigung des nachhaltigen Zuckerrübenbauanteils von 24,92
% der bewirtschafteten Fläche ergab sich mithin ein Teilwert von 354.368 DM
und ein Kaufpreisanteil von 370.861 DM für die Rübenlieferrechte. Nach Abzug
der Veräußerungskosten betrug der Veräußerungsgewinn insoweit 359.566 DM.
Den auf die Veräußerung der Aktien entfallenden Veräußerungsgewinn änderte
das FA nicht. Die Klage
hatte im ersten Rechtsgang teilweise Erfolg. Das Finanzgericht (FG)
entschied (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1998, 823), das
Rübenlieferrecht sei ein selbständiges immaterielles Wirtschaftsgut. Ein
Buchwert sei, da es sich um ein selbstgeschaffenes Wirtschaftsgut handele,
nicht anzusetzen. Das FA habe aber den auf die Rübenlieferrechte
entfallenden Kaufpreisanteil zu hoch angesetzt. Der
erkennende Senat gab der seinerzeitigen Revision der Kläger durch Urteil vom
24. Juni 1999 IV R 33/98 (BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58) statt und wies
die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück.
Er schloss dabei nicht aus, dass dem auf das Zuckerrübenlieferrecht
entfallenden Kaufpreisanteil ein anteiliger Buchwert gegenüberzustellen sei.
Unter Bezugnahme auf seine Urteile vom 5. März 1998 IV R 23/96 (BFHE 185,
435, BStBl II 2003, 56) und IV R 8/95 (BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54) zum
Einfluss der - erst im Jahr 1984 geschaffenen - Milchreferenzmenge auf den
Wert des Grund und Bodens führte er u.a. aus: Hinsichtlich des
Rübenlieferrechts könne eine verdeckte Regelungslücke nur bejaht werden,
wenn sich der Wert der Anbauflächen für Zuckerrüben nach Einführung der
Pauschalwerte für den Grund und Boden (nach § 55 Abs. 1 EStG) infolge der
Quotenregelung nachhaltig vermindert habe. Zwar seien die
Zuckerrübenlieferrechte bereits mit Einführung der Quotenregelung im Jahre
1968 entstanden (s. ländereinheitlichen Erlass des Niedersächsischen
Finanzministeriums vom 18. Dezember 1989 S 2230-156-31 1,
Einkommensteuer-Kartei - LuF - Niedersachsen § 13 EStG Nr. 1.27), doch sei
streitig, ob sich die Zuckerrübenlieferrechte bereits am 1. Juli 1970 zu
einem selbständigen immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt gehabt hätten
(so Wesche, HLBS Report 1998, 15; a.A. Grages, Die Lieferrechte der
Zuckerrübenanbauer, 1989, S. 213 f., m.w.N.). Das habe das FG festzustellen;
ebenso müsse es auch den Teilwert des Zuckerrübenlieferrechts neu bestimmen.
Die Neufassung des § 55 EStG durch das Steuerentlastungsgesetz vom 24. März
1999 (Art. 1 Nr. 56 und 57, BGBl I 1999, 402 ff., BStBl I 1999, 304 ff.)
stelle klar, dass der zum 1. Juli 1970 einzustellende Pauschalwert i.S. von
§ 55 Abs. 1 EStG sich nur auf das damals existierende Wirtschaftsgut "Grund
und Boden" beziehe. Das Absetzen eines anteiligen Buchwerts für ein
Zuckerrübenlieferrecht setze nicht voraus, dass der Teilwert des Grund und
Bodens tatsächlich unter den Pauschalwert vom 1. Juli 1970 gesunken sei.
Allein entscheidend sei vielmehr, ob im Pauschalwert die durch die
Möglichkeit der Lieferrechte gesteigerte Ertragsfähigkeit des Grund und
Bodens mitbewertet worden sei und sich aufwandsmäßig durch die Veräußerung
des zum selbständigen Wirtschaftsgut erstarkten Lieferrechts verbrauche. Das FG gab
der Klage im zweiten Rechtszug wiederum nur zum Teil statt. Es entschied,
dass dem in Höhe von 156.403 DM ermittelten Veräußerungspreis für die
Rübenlieferrechte kein Buchwert gegenzurechnen sei. Anders als die
Milchreferenzmenge habe sich das Rübenlieferrecht bereits vor dem 1. Juli
1970 als immaterielles Wirtschaftsgut so weit verfestigt, dass es der
Gesetzgeber bei der Bildung des Pauschalwerts für den Grund und Boden habe
berücksichtigen können. Ein Wertverfall der Anbauflächen sei bereits vor dem
1. Juli 1970 und nicht erst danach eingetreten (Urteil in EFG 2002, 1607). Mit der vom
FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung des materiellen und
formellen Rechts. Sie
beantragen, das angefochtene Urteil und den Einkommensteuerbescheid 1989
aufzuheben. Das FA
beantragt, die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als
unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe Die Revision ist zulässig
und begründet. I. Entgegen der Ansicht des
FA ist die Revision zulässig. Die Kläger greifen mit der Revision auch die
Würdigung der Zeugenaussage durch das FG und dessen Schlussfolgerungen an.
Die Beweiswürdigung durch das FG ist zwar der Nachprüfung im
Revisionsverfahren grundsätzlich entzogen; sie ist nur revisibel, soweit
Verstöße gegen Denkgesetze, allgemeine Erfahrungssätze oder die
Verfahrensordnung vorliegen. Die Kläger bringen jedoch zudem vor, dass das
FG die von dem Urteil des erkennenden Senats im ersten Rechtszug ausgehende
Bindungswirkung (§ 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) nicht
beachtet habe. Sie rügen ausdrücklich, dass es nach diesem Urteil auf die
Feststellung ankomme, ob sich die Rübenlieferrechte im Bewusstsein der
beteiligten Wirtschaftskreise bereits am 1. Juli 1970 zu einem selbständigen
immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt gehabt hätten. Damit aber haben die
Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§§ 14, 16 EStG) gerügt. II. Die Revision ist auch
begründet. Das angefochtene Urteil ist aufzuheben und die Sache (erneut) an
das FG zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§
126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Das FG hat in seiner Entscheidung nicht die dem
Senatsurteil in BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 zugrunde liegende
rechtliche Beurteilung beachtet. 1. Das FG wird der
Bindungswirkung des Urteils in BFHE 189, 132, BStBl II 2003, 58 nach § 126
Abs. 5 FGO nicht gerecht. Der erkennende Senat hatte das zunächst ergangene
Urteil der Vorinstanz zur Vermeidung einer vom Gesetzgeber nicht
beabsichtigten steuerlichen Mehrbelastung (vgl. Senatsurteile in BFHE 185,
435, BStBl II 2003, 56, und in BFHE 185, 434, BStBl II 2003, 54) aufgehoben,
weil sich das bereits im Jahr 1968 entstandene Zuckerrübenlieferrecht
möglicherweise erst nach dem 1. Juli 1970 zu einem selbständigen
immateriellen Wirtschaftsgut verfestigt hatte. Das FG missversteht dieses
Abgrenzungskriterium, wenn es die Auffassung vertritt, das
Zuckerrübenlieferrecht sei als solches bereits vor dem 1. Juli 1970 "als
immaterielles Wirtschaftsgut entstanden", ohne dass es darauf ankäme, ob
sich bereits ein Markt für die Lieferrechte gebildet hatte. Dabei geht es
davon aus, durch die Einführung der Zuckerrübenquoten im Jahr 1968 sei ein
Wertverlust am Grund und Boden eingetreten, weil ein Erwerber - wie im Fall
der Milchreferenzmenge - nicht bereit gewesen sei, für den Grund und Boden
denselben Preis wie früher und außerdem noch ein Entgelt für das
Rübenlieferrecht zu zahlen. Für diese rein theoretischen Überlegungen des FG
fehlen jedoch nachvollziehbare Feststellungen über etwa in den Jahren 1968
bis 1970 gezahlte Preise für Rübenlieferrechte einerseits sowie den "nackten
Grund und Boden" andererseits. Zu Unrecht hat das FG es für unerheblich
erachtet, ob sich der von ihm angenommene Wertverlust sofort in den Preisen
für Rübenland niedergeschlagen habe. 2. Feststellungen zu der
Preisentwicklung von Zuckerrübenlieferrechten sowie von rübenfähigen Flächen
ohne solche Lieferrechte in der Zeit vor und nach Einführung der
Zuckerquoten waren auch nicht deshalb entbehrlich, weil die Vorinstanz sich
im zweiten Rechtsgang auf eine offenbar in der mündlichen Verhandlung
überreichte Auskunft des Bundesministeriums für Verbraucherschutz, Ernährung
und Landwirtschaft vom 17. Juli 2001 bezogen hat. Danach sollen sich die
Zuckerrübenlieferrechte bereits mit der Einführung der Quotenregelung im
Jahr 1968 zu einem selbständigen Wirtschaftsgut entwickelt und einen
beträchtlichen Wert gehabt haben; die Möglichkeit, den Grund und Boden zum
Anbau von Zuckerrüben zu nutzen, habe daher keinen Einfluss auf den
Pauschalwert des Grund und Bodens zum 1. Juli 1970 gehabt. Diese Auskunft
enthält aber weder verwertbare Feststellungen dazu, ob die - nicht an Aktien
gebundenen - Rübenlieferrechte zum Stichtag tatsächlich schon einen
Marktwert gehabt haben, noch warum sie für den einzelnen Betrieb einen
beträchtlichen Wert gehabt haben sollen. Etwas anderes ergibt sich
auch nicht aus der Aussage des Zeugen A. Dieser hat vielmehr bekundet, dass
die Rübenquoten Anfang der 70er Jahre in Niedersachsen keine Rolle spielten.
Zudem hat er gerade nicht bestätigt, dass die - nicht an die Aktien der
Zucker AG ... gebundenen - Rübenlieferrechte schon vor dem 1. Juli 1970
Gegenstand von Vereinbarungen gewesen seien. Es wäre demnach darauf
angekommen festzustellen, ob der Kläger aufgrund der vertraglichen
Beziehungen mit der von ihm belieferten Zuckerfabrik bereits vor dem 1. Juli
1970 - außer dem an Aktien gebundenen Lieferrecht - noch ein übertragbares
und am Markt selbständig bewertetes Wirtschaftsgut besaß. Denn nur dann
konnte die durch die Zuckermarktordnung - ZMO - (Verordnung Nr. 1009/67/EWG
des Rates vom 18. Dezember 1967 über die gemeinsame Marktordnung für Zucker,
ABl Nr. B 308 vom 18. Dezember 1967, 1) auf die Zuckerfabriken entfallende
Zuckerquote sich zu einem selbständigen Zuckerrübenlieferrecht des Klägers
verfestigt haben. Auch besagt der Umstand,
dass der Weltmarktpreis für Zucker unmittelbar vor dem 1. Juli 1970 unter
dem EG-Garantiepreis für Zucker lag, allein noch nicht, dass die
Lieferbeziehungen des Klägers zu der Zucker AG ... sich für ihn zu einem
selbständig bewertbaren Lieferrecht verfestigt haben mussten, das nicht
bereits als wirtschaftlicher Vorteil in der Rübenfähigkeit der Ackerflächen
mitbewertet war (v.Schönberg, 51. Godesberger Steuerfachtung, 2000, 25 ff.,
40 f.; ders. Deutsche Steuer-Zeitung 2001, 145 ff., 152 ff.). 3. Das FG wird daher
Feststellungen dazu, ob die Rübenlieferrechte des Klägers sich bereits vor
dem 1. Juli 1970 zu selbständigen Wirtschaftsgütern verfestigt hatten, durch
Einholung eines Gutachtens eines unabhängigen Sachverständigen nachholen
müssen. Von Bedeutung wird dabei - abgesehen von den vor dem Stichtag
geltenden Bestimmungen der Zucker AG ... - sein, ob die Vertragspraxis, z.B.
bei der Veräußerung von ganzen Betrieben vor dem 1. Juli 1970, die möglichen
Lieferrechte bereits als selbständige Rechte bewertet hatte. Sollte das der
Fall sein, kommt der Abzug eines anteiligen Buchwerts bei der Ermittlung des
Veräußerungsgewinns nicht in Betracht. Lässt sich zum 1. Juli
1970 die selbständige Bewertbarkeit der Lieferrechte dagegen nicht
feststellen, kommt es für die Ermittlung des vom Pauschalwert des Grund und
Bodens abzuspaltenden anteiligen Buchwerts der Rübenlieferrechte darauf an,
in welchem Verhältnis die Teilwerte dieser Lieferrechte zum Zeitpunkt ihrer
Verfestigung am Markt zu den Teilwerten für die rübenfähigen Flächen stehen,
die bereits am 1. Juli 1970 zum Betriebsvermögen des Klägers gehört hatten. Sollten sich Marktpreise
für die hier strittigen Lieferrechte in der Zeit vor oder nach dem 1. Juli
1970 feststellen lassen, dann wären diese Preise auch für die Frage von
Bedeutung, in welcher Weise der einheitlich für Grund und Boden sowie das
Zuckerrübenkontingent von 13.917 dt (davon 10.124 dt A-Rüben) erzielte
Kaufpreis zur Ermittlung des anteiligen, auf die Rübenlieferrechte
entfallenden Veräußerungsgewinns nach dem Verhältnis der Teilwerte des Grund
und Bodens einerseits und der "Betriebslieferrechte" andererseits
aufzuteilen ist.
|