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BFH-Urteil vom 1.10.2009 (VI
R 22/07) BStBl. 2010 II S. 204
Hersteller einer Ware i.S.
des § 8 Abs. 3 EStG kann derjenige sein, der den Gegenstand selbst
produziert, der ihn auf eigene Kosten nach seinen Vorgaben und Plänen von
einem Dritten produzieren lässt oder der damit vergleichbare sonstige
gewichtige Beiträge zur Herstellung der Ware erbringt (Fortführung des
Senatsurteils vom 28. August 2002 VI R 88/99, BFHE 200, 254, BStBl II 2003,
154).
EStG § 8 Abs. 3, § 40 Abs. 1
Satz 1 Nr. 2, Abs. 3, § 38, § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: Hessisches FG vom
13. Dezember 2006 10 K 2126/04 (EFG 2007, 1317)
Sachverhalt
I.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) wurde durch ihre Alleingesellschafterin, die
P-GmbH, 1994 als T-GmbH gegründet und später in R-GmbH umbenannt. Zwischen
den Gesellschaften besteht ein Beherrschungs- und Ergebnisabführungsvertrag.
Am ... 1996 schlossen die
Klägerin und die in denselben Geschäftsräumen ansässige P-GmbH einen das
Technische Zentrum S betreffenden Ausgliederungsvertrag. Danach trägt der
Unternehmensteil "Technisches Zentrum S" die Verantwortung für die
strategische Produktionsplanung des F-Bereichs in Europa und erfüllt im
Rahmen der weltweiten und europäischen Programme eigenständig Forschungs-
und Entwicklungsaufgaben. Durch den "Ausgliederungsvertrag Produktion"
sollten sämtliche Produktionsaktivitäten der Geschäftssparten F in
Deutschland bei der P-OHG, durch den "Abspaltungsvertrag Vertrieb"
Marketing, Vertrieb und Stabsfunktionen für alle deutschen Gesellschaften
bei der P-GmbH sowie durch den Ausgliederungsvertrag sämtliche strategischen
Aufgaben im technischen Bereich für die Geschäftsbereiche F bei der Klägerin
konzentriert werden.
Zum Ausgliederungsstichtag
... 1996 übertrug die P-GmbH gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten alle
Aktiva, Passiva und Rechtsverhältnisse, die wirtschaftlich zum übergehenden
Unternehmensteil "Technisches Zentrum S" gehörten, unter Hinweis auf § 613a
des Bürgerlichen Gesetzbuches auf die Klägerin. Es war u.a. vereinbart, den
ausgegliederten Unternehmensteil unverändert fortzuführen und die in den
Gebäuden in S vorhandenen technischen und materiellen Betriebsmittel
gemeinsam zu nutzen. Schließlich sollte die bei der P-GmbH angesiedelte
Abteilung Human Resources auch für sämtliche bei der Klägerin anfallenden
personellen und sozialen Angelegenheiten zuständig bleiben. Dazu war
geregelt: "Aufgrund dieser Vereinbarung werden die P-GmbH und die R-GmbH
einen einheitlichen Betrieb führen".
Nach dem Beschluss der
Gesellschafterversammlung vom ... war der geänderte Gegenstand des
Unternehmens die strategische Produktionsplanung des F-Bereichs in Europa,
die Übernahme von Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bzgl. Markenartikeln
für die Geschäftsbereiche F, die Optimierung der Neu- und Weiterentwicklung
von Fertigprodukten und Fertigungsverfahren in der europäischen
F-Produktion; außerdem sollte die Klägerin Geschäftsführungsaufgaben als
persönlich haftende geschäftsführende Gesellschafterin neben der P-GmbH in
Bezug auf die Produktion und Distribution der P-OHG übernehmen. Am ... 1996
vereinbarten die P-GmbH und die Klägerin, dass die bei der P-GmbH
angesiedelte Abteilung Human Resources auch für sämtliche bei der Klägerin
anfallenden personellen und sozialen Angelegenheiten verantwortlich sein
sollte.
Die Klägerin hatte nach den
Feststellungen der Lohnsteuer-Außenprüfung in den Jahren 1996 und 1997 im
Rahmen eines Personalverkaufs an ihre Arbeitnehmer Produkte verbundener
Unternehmen verbilligt abgegeben, ihnen auch nach der Ausgliederung die
Teilnahme am Personalverkauf ermöglicht, bei dem von der P-OHG hergestellte
und durch die P-GmbH vertriebene Waren angeboten wurden, und bei der
Versteuerung der geldwerten Vorteile den Rabattfreibetrag nach § 8 Abs. 3
des Einkommensteuergesetzes in der im streitigen Zeitraum (1996, 1997)
geltenden Fassung (EStG) berücksichtigt.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) hielt § 8 Abs. 3 EStG für nicht
anwendbar, weil die Klägerin die im Personalverkauf angebotenen Produkte
weder herstellte noch vertrieb. Er erließ am 3. Januar 2001 gegen die
Klägerin einen Haftungs- und Nachforderungsbescheid für pauschale Lohnsteuer
in Höhe von 576.261 DM zuzüglich Solidaritätszuschlag und Kirchensteuern.
Die Klägerin wandte sich
dagegen nach erfolglosem Einspruchsverfahren mit der Klage.
Das Finanzgericht (FG) wies
mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 1317 veröffentlichten
Gründen die Klage ab.
Mit der Revision rügt die
Klägerin die unrichtige Anwendung des § 8 Abs. 3 EStG.
Sie beantragt sinngemäß, das
Urteil des Hessischen FG vom 13. Dezember 2006 und den Nachforderungsteil
des Bescheids vom 3. Januar 2001 i.d.F. der Einspruchsentscheidung vom
19./24. Mai 2004 aufzuheben.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision der Klägerin ist
begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der
Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG
hat zu Unrecht entschieden, dass auf den verbilligten Sachbezug der
Arbeitnehmer der Klägerin bei der P-GmbH § 8 Abs. 3 EStG keine Anwendung
findet.
1. Erhält ein Arbeitnehmer
auf Grund seines Dienstverhältnisses Waren oder Dienstleistungen, die vom
Arbeitgeber nicht überwiegend für den Bedarf seiner Arbeitnehmer
hergestellt, vertrieben oder erbracht werden und deren Bezug nicht nach § 40
EStG pauschal versteuert wird, so gelten nach § 8 Abs. 3 Satz 1 EStG als
deren Werte abweichend von § 8 Abs. 2 EStG die um 4 % geminderten Endpreise,
zu denen der Arbeitgeber oder der dem Abgabeort nächstansässige Abnehmer die
Waren oder Dienstleistungen fremden Letztverbrauchern im allgemeinen
Geschäftsverkehr anbietet.
a) Es entspricht der
ständigen Senatsrechtsprechung, dass § 8 Abs. 3 EStG ausschließlich für
solche Zuwendungen gilt, die der Arbeitgeber seinem Arbeitnehmer aufgrund
seines Dienstverhältnisses gewährt. Für Vorteile von Dritten greift die
Steuerbegünstigung dagegen selbst dann nicht, wenn die Dritten - wie etwa
konzernzugehörige Unternehmen - dem Arbeitgeber nahe stehen (Senatsurteile
vom 15. Januar 1993 VI R 32/92, BFHE 170, 190, BStBl II 1993, 356; vom
8. November 1996 VI R 100/95, BFHE 182, 61, BStBl II 1997, 330; vom
28. August 2002 VI R 88/99, BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154).
Weiter gilt danach die
Vergünstigung des § 8 Abs. 3 EStG nur für Waren oder Dienstleistungen, die
der Arbeitgeber als eigene herstellt, liefert oder erbringt. Der Arbeitgeber
stellt die Ware i.S. des § 8 Abs. 3 EStG allerdings nicht nur her, wenn er
den Gegenstand selbst produziert oder wenn er ihn auf eigene Kosten nach
seinen Vorgaben und Plänen von einem Dritten produzieren lässt, sondern auch
dann, wenn er damit vergleichbare sonstige gewichtige Beiträge zur
Herstellung der Ware erbringt. Entscheidend ist, dass dem Arbeitgeber der
Herstellungsprozess zugerechnet werden kann. Danach reicht nicht jede
beliebige Beteiligung am Herstellungsprozess aus. Der Beitrag am
Herstellungsprozess muss vielmehr derart gewichtig sein, dass bei wertender
Betrachtung die Annahme der Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint
(Senatsurteil in BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154).
b) Anhand dieser
Rechtsmaßstäbe war die Klägerin - entgegen der Auffassung des FG -
Herstellerin der von ihren Arbeitnehmern bei der P-GmbH erworbenen und von
der P-GmbH vertriebenen Produkte. Denn die Klägerin ließ die Waren nach
ihren Vorgaben und Plänen produzieren. Sie war für Produktionsplanung,
Materialbeschaffung und Logistik zuständig. Der Klägerin oblagen auf
Grundlage des Ausgliederungsvertrags vom ... sämtliche strategischen
Aufgaben im technischen Bereich. Damit entschied die Klägerin selbst über
sämtliche wesentlichen Herstellungsaspekte, nämlich was, wo, wie und zu
welchem Preis produziert und eingekauft werden sollte. Darüber hinaus
überwachte die Klägerin aber auch die Umsetzung ihrer Vorgaben. Denn ihre
Arbeitnehmer waren auch ständig in den Werken der P-OHG, also bei dem die
Herstellung unmittelbar ausführenden Unternehmen am eigentlichen
Produktionsort. Damit kontrollierte die Klägerin auch den tatsächlich
stattfindenden gegenständlichen Herstellungsprozess, um auch darin
eingreifen und ggf. optimierend einwirken zu können. Angesichts der
Konzentration dieser Aufgaben bei der Klägerin war sie derart wesentlich am
Herstellungsprozess beteiligt, dass bei wertender Betrachtung die Annahme
ihrer Herstellereigenschaft gerechtfertigt erscheint. Insoweit unterscheidet
sich der Streitfall hier nicht grundsätzlich von dem der Senatsentscheidung
in BFHE 200, 254, BStBl II 2003, 154 zu Grunde liegenden, in dem sowohl der
Zeitungsherausgeber als auch der den Zeitungssatz und -druck unmittelbar
ausführende Unternehmer als Hersteller des Endprodukts Zeitung anzusehen
waren.
2. Angesichts dessen kann für
den Streitfall dahinstehen, ob die Klägerin mit ihrem weiteren
Revisionsvorbringen, sie habe zusammen mit der P-GmbH einen
arbeitsrechtlichen Gemeinschaftsbetrieb im Sinne des
Betriebsverfassungsgesetzes unterhalten, hätte erfolgreich sein können.
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